Alle Jahre wieder…

Vorab: Nein, hier werden keine Gedanken zu lesen sein, welche so noch nie geäußert wurden. Nein, ich muss hier lediglich einstimmen in das altbekannte Lied von Sinn und Unsinn, vom Ausverkauf und Widerspruch des Weihnachtsfestes. Von einer diktierten und vermeintlichen Besinnlichkeit, die mir gerade in diesem Jahr mehr fehl am Platz erscheint als je zuvor. Wenn nicht gar sarkastisch. Vom Irrsinn einer heilen Welt, die doch leider lediglich als Sehnsucht jemals existiert hat. Oh du Fröhliche!

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Daran, dass bereits im Spätsommer die Regale im Supermarkt gefüllt sind voll von Schoko-Nikoläusen, Lebkuchen und Lichterketten – just, wenn man auf dem Heimweg vom Freibad noch schnell seine Einkäufe erledigt, hat man sich längst gewöhnt. Und jedes Jahr aufs Neue wird über diesen Umstand geschimpft, wird sich lauthals beschwert über diese Kommerzialisierung des Weihnachtsfestes. Konsumiert wird natürlich dennoch und trotzdem, denn: Wo keine Nachfrage, da kein Angebot. Alles nichts Neues, so far.

 

Es ist gerade einmal Mitte November, als das Bedürfnis in mir aufsteigt, diese Worte zu verfassen und mit euch zu teilen.

Ich beginne einen freien, faulen Tag im Café Sugar Mama.

Der morgendliche Blick in die Frankfurter Rundschau besagt:
Ein Volk wählt einen Irren zum Präsidenten, zum mächtigsten Mann unserer Welt.

Ansonsten: Der Bürgerkrieg in Syrien, die üblichen Flüchtlingsdramen in Deutschland, Erdbeben in Italien. Der Kampf gegen ISIS, und, ach ja: von Sadisten angezündete, an Flammen verstorbene Obdachlose in Köln, 30.000 umzubringende Hühner und natürlich der Jahrestag der grausamen Attentate von Paris.

Uff, über ein wenig mehr Optimismus angesichts des derzeitigen Zustandes unserer Welt hätte ich mich gefreut, als ich hinaus in die eiskalte Luft trete und durch die Stadt schlendere.

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Am Römerberg werfe ich einen Blick auf den jüngst aufgestellten Weihnachtsbaum. Unvorstellbar, dass hier bereits in zwei Wochen hier Glühwein-selige Momente stattfinden sollen, während Kameras und Lautsprecheranlagen der Polizei vor  Anschlägen und Terror schützen sollen. Verrückte Welt.

Als ich – nunmehr fröstelnd – meinen weiteren Weg über die Zeil antrete, betrachte ich die für schlappe 150.000 Euro angefertigte Weihnachts-Dekoriation des “myZeil”, welche demnächst zahlungskräftige, besinnliche Konsumenten zu eifrigem Geschenkerwerb animieren soll. Und auch innendrin schweben bereits Elche, funkeln bereits seit Anfang November die Glaskugeln an den aufgestellten Weihnachtsbäumen. Nee, komme ich nicht so drauf klar. Ich verlasse den Glastempel und trete wieder hinaus in die kalte Novemberluft.

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Direkt gegenüber des Eingangs dann:

Eine Gruppe Salafisten, welche mittels Koranverteilung Hass zu schüren zu versuchen gegenüber Andersgläubigen. Im Gegenüber zu den friedlich funkelnden Weihnachts-Hirschen ein überaus verstörender Anblick.

Ich schüttele den Kopf, verfluche wieder einmal diese hektische, oft so feindliche Innenstadt – und vermag nicht zu verstehen, wie denn ausgerechnet hier bald eine vorweihnachtliche Zeit der Nächstenliebe und “Besinnlichkeit” stattfinden soll. Ein paar Besorgungen erledigt, die Rolltreppen hinab in die so schmucklose Hauptwache hinab – ach ja, dieser Ort unweit der Lichterketten, welche schon bald ihr Licht auf die größte Frankfurter Einkaufsstraße werfen werden, war doch vor Kurzem erst Schauplatz einer Messerstecherei. Blut auf Beton. 

Kurz aufgewärmt und wieder rauf auf die Zeil. Schaufensterdekorationen, welche den zahlkräftigen Besucher bereits auf die Zeit des vorweihnachtlichen Geldausgebens einstimmen soll. Klar, dass auch Primark mitmacht, was weiß man schon in Bangladesch über das Weihnachtsfest der westlichen Welt?

Besinnlich sein, das kann ich nicht. Nicht nach dem Blick in die Nachrichten, nicht heute, nicht in diesem Jahr.

Nein, mir steht einfach nicht der Sinn nach Besinnlichkeit und Friede-Freude-Eierkuchen. Es wird Zeit für den Heimweg. Ich passiere die Paulskirche, an der Kräne innerhalb von Stunden ein Fachwerkhaus aufbauen, in dem vermutlich bald Glühwein aus dem Tetrapak – dafür aber mit Kopfschmerz-Garantie – kredenzt werden wird.

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Mein Weg hinauf ins Nordend führt mich durch die Elefantengasse. Moment mal, war hier nicht neulich was? Ach ja, ein brutaler Raubüberfall, bei dem gleich vier Täter einen Passanten auf den Boden prügelten, auf ihn eintraten und anschließend ausraubten. Samstag, 04.55 Uhr in Frankfurt. Stille Nacht, Heilige Nacht.

 

Und in 10 Tagen dann: Same procedure as every year.

Ich weiß, dass ich nicht alleine bin mit meinem Unmut. Mit meinem Unverständnis über ein kommerzielles, sinnentstellten Weihnachtsfests. Ich weiß, dass auch viele andere sich lauthals beschweren werden über all den Stress der Adventszeit, über all die Geschenke, die es zu kaufen gilt – getrieben von der Aussicht, an Heiligabend dann ein Wiedersehen mit den Liebsten feiern zu können. Sich bestenfalls ein paar  Auszeit gönnen zu können.

Und trotzdem, obwohl sich so viele einig sind über all den Unsinn einer kalendarisch befohlenen Zeit voller Stress, über ein krankhaft mutiertes christliches Fest:

Sie alle werden wieder scharenweise auf den Frankfurter Weihnachtsmarkt strömen, welcher am 23. November eröffnet wird.
So wie auch ich es vermutlich tun werde. Warum dem so ist, werde ich wohl in einem anderen Beitrag erläutern.

 

Mein Fazit

Dass meine Eltern mir einst Weihnachten zu einem kindlich-aufgeregten, wunderschönen Fest gemacht haben, ist lange her. Liegt es am Erwachsensein? Am Umstand, permanent konfrontiert zu sein mit Leid und Übel? Daran, die Augen nicht mehr verschließen zu können von den Grausamkeiten, all den Ungerechtigkeiten dieser Welt?

Am durch einen Blick in die Tageszeitung verursachten Unwillen, “besinnlich” zu sein just in einem Moment, in dem anderswo Tausende in einem Bürgerkrieg sterben? Unweit der eigenen Haustür Menschen brutal ausgeraubt werden, Glühwein an einem Ort zu schlürfen, der neulich noch Schauplatz einer Messerstecherei war?

Auch wenn die Blutspuren am Boden vielleicht zeitweise tiefroten Glühwein-Lachen weichen mögen:

Die Welt bleibt schlecht, Weihnachten ist eine Illusion. Die Illusion einer heilen Welt, wie sie vermutlich niemals existiert hat und existieren wird.

Weihnachten, das ist die Sehnsucht der Menschen nach eines von der Liebe geprägten Miteinanders, wie es niemals existiert hat. Wie schade eigentlich. 

 

Herbstgedanken.

Verdammt, wo ist eigentlich der Sommer hin? Wo sind die langen, heißen Tage geblieben, wo das unbeschwerte Gefühl der umschmeichelnden Wärme, der Losgelassenheit, der Unbeschwertheit des Momentes? Das wohlige Gefühl der Hitze auf der Haut, der Durst nach Kaltem, der Durst nach mehr?

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Nackter Beton auf dem Grund der Wasserspiele, welche doch gefühlt gestern erst die Kinder zum Toben im kalten Nass bewogen.

Buntes Laub auf den Wiesen des Ostparks, die doch gefühlt gestern noch bevölkert waren von Menschen, die ihren Abend beim gemeinschaftlichen Grillen ausklingen ließen – oder begannen. Der Duft von Glut und Fleisch – gewichen dem der welken Blätter.

Am Mainufer ein kalter Wind, wo doch gefühlt gestern noch im T-Shirt bis nach Mitternacht mit Freunden ein Picknick zelebriert wurde. Gewichen einer kahlen Wiese, die neulich noch nahezu gänzlich verdeckt war von Decken und Menschen. Und auch die Skyline verschwimmt zunehmend mit dem Grau des Himmels, statt in ihren Bann zu ziehen.

Lebensfreude, wo bist du hin? Bist du über Nacht von uns und mir gegangen, hast du dich versteckt, bist in einen Erholungsschlaf gefallen, bist erschöpft von all dem Rausch des Sommers, den du uns beschert hast?

Sollen wir in Depression verfallen? Gar selbst Winterschlaf halten? Oder vielleicht einfach die Augen öffnen, die Perspektive wechseln?

Das Leben nun dort sehen, wo es an den sonnigen Tagen eben nicht stattgefunden hat?

Das Knistern eines Kaminfeuers zu genießen, statt die Hitze im Dachgeschoss zu verfluchen? Das Gefühl eines “zuhause Seins” genießen, statt rastlos den Sommer auskosten zu wollen?

Menschen, die erfreut über die wohlige Wärme im Café ihre Mäntel ablegen und mit kalten Händen Tassen umklammern, wo gefühlt gestern noch gähnende Leere herrschte.

Museen, in denen sich der eigene Horizont vergrößern und das Bewusstsein für unser aller Geschichte und Herkunft erweitern lässt – wo man doch gefühlt gestern noch einsam durch die Korridore gestreift wäre.

Kneipen, in denen hinter beschlagenen Fenstern nun das Leben tobt, tiefe oder auch gänzlich belanglose Gespräche geführt werden – in denen gefühlt gestern doch noch lediglich bemitleidenswerte Menschen ihr Dasein beim sechsten Pils an der Theke fristeten.

Nein, das Leben hat nicht aufgehört zu existieren in dieser melancholischen Zeit irgendwo zwischen lauen Nächten und den Freuden über frischen Schnee, der besinnlichen Zeit mit der Familie an Weihnachten. 

Es hat sich lediglich zurückgezogen. An Orte, an denen es sich gemütlich machen lässt. Orte der wohlig-warmen Zuflucht, manchmal auch der Ruhe. Aber auch dort lässt es sich glücklich sein. Hoffentlich. 

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Und bald ist ja eh schon wieder Weihnachtsmarkt. 

Kunst in Kellern, Kaffeeduft & Kraffiti: Kiez-Besuch im Karoviertel

Ja, ja, liebe Leser, ich weiß. Natürlich heißt es “Graffiti”, und nicht “Kraffiti”. Ich hab’ ja schließlich keine Rechtschreibschwäche –  wollte allerdings die Möglichkeit einer feudalen Aneinanderreihung von mit “K” beginnenden Wörtern in der Artikel-Überschrift nicht ungenutzt lassen.

Allerdings muss ich mir neuerdings eine andere Schwäche eingestehen: Eine Schwäche für das Hamburger Karolinenviertel, gern auch schlicht “Karoviertel” genannt.

Schon lange hatte ich mir vorgenommen, das einstige Arbeiterviertel in der Hansestadt einmal zu erkunden. Ein Viertel, das sich in einem beispielhaften Prozess der Gentrifizierung seit Beginn der frühen 1990er Jahre vom Armuts- hin zum angesagten Szene-Viertel gemausert hat.

Nun konnte ich kürzlich einen längeren beruflichen Aufenthalt an Alster und Elbe dazu nutzen, diesem Kiez einen Besuch abzustatten.

Was ich sehen und entdecken, welch Eindrücke ich sammeln konnte – und weshalb ich mir ein “Karoviertel”  auch für Frankfurt wünschen würde: Davon möchte ich euch gern berichten.

Hummel Hummel, Moin Moin, festhalten und Leinen los!

Die Lage des Viertels

Als mich der ICE am Bahnhof Dammtor ausspuckt, werde ich prompt vom nasskalten Wind der Hansestadt begrüßt. Dieser erfüllt zwar jedes Klischee, gestaltet meine Fahrt mit dem “Call a Bike” vom Bahnhof aus ins Karolinenviertel nicht unbedingt angenehmer.

Etwa zehn Fahrrad-Minuten lang geht es vorbei an Messegelände und Stadtschnellstraßen. Hier dominieren Blechlawinen, das Grau der gigantischen Messe-Hallen, Parkhäuser und Hotels das Stadtbild. Nicht unbedingt sehenswert, aber gehört eben dazu zu einer Großstadt, die sich mit dem Zusatz “Messestadt” schmücken darf.

Wir Frankfurter haben das freilich ein bisschen besser gelöst: Das Messegelände ist fernab von Innenstadt auf die “grüne Wiese” hinaus verbannt worden, wo es niemanden großartig stört. Außer die Bewohner des benachbarten Europa-Viertels vielleicht -aber die sind ja ohnehin meist im Büro, auf Dienstreise oder übers Wochenende in der Heimat (Vorurteils-Alarm!).

Umso erstaunter und erfreuter bin ich, als ich nur wenige Straßenecken weiter – und mittlerweile ziemlich durchgefroren – die Hamburger Gnadenkirche. Das seit 2007 russisch-orthodox genutzte Gotteshaus erweist sich als wahrlich schöner Anblick, ebenso wie der nett gestaltete Vorplatz der Kirche.

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Letzterer fungiert zugleich als Eingangstor zum Karolinenviertel. Die Marktstraße als dessen urbane Hauptschlagader geht unmittelbar von diesem aus, sodass ich meinen Rundgang auch in dieser beginne.

 

Und wie sich im weiteren Verlauf meines Spaziergangs schnell herausstellen soll, beschränkt sich die hippe Gegend auch auf die Marktstraße und ihre Querstraßen:

Am anderen Ende der Marktstraße bildet ein grüner Platz bereits den Abschluss des Viertels und lässt es nahezu fließend in das benachbarte Schanzenviertel übergehen.

Eine überaus kompakte Sache also, die das Viertel auch zu Fuß bequem entdecken lässt. Das gefällt mir auf Anhieb – zumal die Überschaubarkeit der hier anzutreffenden Vielfalt keinerlei Abbruch tut.

Kreative wie kulinarische Vielfalt auf engem Raum – das kenne ich zwar auch aus Frankfurt. Eine derartig beeindruckende Konzentration von kleinen Boutiquen, ausgefallenen Geschäften, quirligen Cafés und Essen aus aller Welt innerhalb eines einzigen Straßenzuges habe ich jedoch noch nirgends gesehen. “Gefällt mir” Nummer zwei!

Architektur & Wohnen

Ein Großteil der Wohnhäuser besteht aus (oftmals frisch sanierten, wen wundert’s…) schmucken Gründerzeitbauten, welche in nettem Kontrast der alten Backsteinbauten von der benachbarten ehemaligen Rinderhalle (hier findet samstags ein großer Flohmarkt statt!) und Fabriken stehen.

Ein Nebeneinander, das ich so auch in Frankfurt noch nicht gesehen habe.

Als ich durch die Hinterhöfe der Wohnblöcke schleiche, wird ein Gefühl der Idylle in mir wach. Die nach innen gerichteten,offenen Balkone verströmen eine sehr nachbarschaftlichen Atmosphäre, die durch die bunt und wild bepflanzten Beete allerorts noch verstärkt wird. Ich muss schmunzeln, als ich auf zahlreichen der Balkone Fixie-Bikes erspähe. Nächstes Klischee erfüllt!

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Klar, dass viele Menschen hier leben möchten. Klar, dass es sich im sanierten Altbau ganz sicher gut aushalten lässt. Klar, dass auch hier versucht wird, daraus Kapital zu schlagen – und klar, dass das nicht allen gefällt. Zuallerletzt denjenigen, die auch nach Monaten der Suche keine bezahlbare Wohnung finden können. Oder, schlimmer noch : Sich ihr langjähriges Zuhause in ihrem angestammten sozialen Umfeld nicht mehr leisten können.

Bummeln & Einkaufen

Was hier sofort auffällt: Viele der zahlreichen, kleinen Geschäfte hier befinden sich in den Kellerräumen der gründerzeitlichen Häuser. Es gilt zunächst steile Treppen hinabzusteigen, um süße Boutiquen, Ateliers, lokalpatriotische Print-Stores und Läden für Antiquitäten, Kleinkunst und Krimskrams aller Art zu betreten.

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Ganz ehrlich, noch niemals hat mich ein Laden dermaßen reizüberflutet und überfordert wie dieser:
In diesem Keller-Trödel gibt es ALLES zu erstehen. Von Schreibmaschine bis zum anatomischen Lehrstück der Schulmedizin. 

Dies ist mir aus Frankfurt gänzlich unbekannt – und ich entdecke sofort meine Liebe für das “Treppensteigen”. Wieviel ein Keller doch mehr sein kann als Abstellraum für Kartons voll Bücher und Fahrräder!

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Während sich die Hamburger Damenwelt an einer reichhaltigen Auswahl von Boutiquen und Second Hand-Geschäften erfreut, erwecken zwei Schallplattenläden mein Interesse sowie meine Kauflust. Stets werde ich mit einem herzlichen “Moin!” begrüßt – mag vielleicht selbstverständlich sein, irritiert mich dennoch ein wenig. Bin wohl doch ein wenig zu sehr an die “Frankfurter Freundlichkeit” gewöhnt. Am Main macht man Geschäfte – an der Elbe pflegt man die Geschäftsbeziehung. An Hingabe und Herzblut mangelt es hier offensichtlich nicht!

Speisen & Genießen

Auch wenn ich mich als Frankfurer durchaus als kulinarisch verwöhnt betrachten darf und mich somit nichts mehr schnell vom (Küchen-)hocker reißt, so bin ich auch auch von all den Restaurants und Cafés hier sehr begeistert.

Es ist nicht die Vielfalt, es ist nicht das Außergewöhnliche, das hier mein Gefallen findet. Denn auch, wenn sogar Samy Deluxe mit seinem eigenen Restaurant mit dem gewieften Namen “Das gefundene Fressen” hier vertreten ist:

Ein buntes Potpourri von Speis und Trank aus aller Welt ist schließlich auch bei uns im Bahnhofsviertel zu finden. Nein, es ist abermals das Herzblut, das aus jedem der drolligen Cafés, der Zuckerbäckereien und den kleinen Restaurants nur so zu sprühen scheint.

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Ich nehme Platz in “Gretchen’s Villa”, dem kitschigsten Café (mithalten könnte da allenfalls “Amelie’s Wohnzimmer” in Sachsenhausen) das ich je gesehen habe.

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Zwischen Hipster-Braut mit MacBook (versteht sich) und einer Gruppe Studenten schlürfe ich an meinem Becher Kaffee (Becher = große Tasse, so musste ich lernen) und beobachte das Treiben auf der Marktstraße. Irgendwie strahlt diese trotz gelegentlichen Durchfahrtverkehrs eine heimelige Gemütlichkeit aus, die ich in Frankfurt so nur selten vorfinde.

Eine nette Dame in den “besten Jahren” spricht mich an, als sie sieht, dass ich fotografiere. Ob ich an einem Projekt arbeite, möchte sie wissen – wir kommen ins Gespräch.

“Ihnen gefällt’s hier? Wissen Sie, so schön es hier auch sein mag – vor 20 Jahren war hier noch alles anders. Ich wohne schon lange hier, habe viel mit gemacht – vieles meiner angestammten, alten Nachbarschaft ist zerbrochen. Verloren gegangen im schnellen Wandel des Quartiers”.

Ich nicke und verstehe. Die Gentrifikation mal wieder – und die Menschen, die unter ihr begaben werden. Wo Licht ist, ist eben immer auch ein Schatten zu finden.

Die Straßenkunst

Auch Frankfurt darf nun durchaus eine ansehnliche StreetArt-Szene sein Eigen nennen. Über diese kann man natürlich durchaus geteilter Meinung sein.

Dennoch habe ich eine derartige Präsenz von Schriftzügen, Graffittis, Aufklebern und Plakaten, wie ich sie hier erlebe, in Frankfurt noch nirgends sehen können.

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Jede Hausfassade ist entsprechend “verziert”, sämtliche Laternen, Mauern und selbst Haustür wird hier zur Leinwand für die selbsternannten “Künstler”.

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Als ich meine Blicke über die zahlreichen Kunstwerke streifen lassen, bin ich verwundert: Kann ich sonst doch mit StreetArt und dergleichen recht wenig anfangen, wirkt diese für mich hier nicht verkommen oder fehl am Platze

Nein, im Gegenteil: Sie passt ganz hervorragend zu diesem bunten Viertel. Wirkt ein wenig verrückt und anarchisch, aber auf eine für mich überaus sympathische Weise.

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Wenn Menschen ihre Stadt gestalten:
Mein Fazit

Mit Hamburg bin ich nie so wirklich warm geworden, und das nicht nur aufgrund der dort meist vorherrschenden Witterungsverhältnisse.

Auch, wenn ich immer wieder gern dort oben zu Besuch bin: Es erscheint mir schwierig vorstellbar, hier jemals ein Gefühl der Heimat entwickeln zu können.

Umso positiver überrascht bin ich nun vom Karolinenviertel: Als kleine “Stadt im der Stadt” zeigt sich diesenfast in sich geschlossen, bestehend nur aus wenigen Straßenzügen. Bevölkert von einem bunten Haufen Menschen jeglicher Couleur. Wenig zu spüren von der rauen, hanseatischen Lebensart, die Hamburg sonst gern für sich propagiert.

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Insbesondere die zahlreichen Kellereingänge, die es hinabzusteigen lohnt, werde ich in Frankfurt sehr vermissen. Genau wie auch die überall präsente Straßenkunst in Form von Schriftzügen, Plakaten, Aufstellern und Aufklebern.

Ganz besonders überrascht hat mich, wie man hier Relikte der Vergangenheit in das heutigen Stadtleben zu integrieren weiß! Wir Frankfurter mögen zwar das gute, alte Wasserhäuschen für uns wiederentdeckt haben – im Karolinenvierel scheint dagegen wirklich jedes Fleckchen öffentlichen Raums eine Nutzung zu finden.

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So wird ein altes Backstein-Pförtnerhäuschen als Café genutzt, um ein altes Maschinenteil wird kurzerhand eine GiveBox gezimmert, die alte Rinderhalle dient als Veranstaltungsfläche für Flohmärkte und als Skatepark. Die kleinste Verkehrsinsel mutiert zum Urban Gardening – Projekt, während man sich in Frankfurt ein niemals enden wollendes Drama über ein paar von den Gästen auf dem Matthias-Beltz Platz aufgestellten Stühlen liefert.

Ja, hier im “Karo-Viertel” wirkt vielleicht manches – nicht zuletzt aufgrund der isolierten Lage zwischen Messe und Schanze – etwas aufgesetzt. Hauptsache anders, Hauptsache ach-so-alternativ, kreativ und hipp.

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Aber als Frankfurter Besucher im Hamburger Karolinenviertel wird mir klar, dass in Frankfurt dann eben doch was fehlt. Das Bewusstsein, dass eine Stadt den Menschen gehört – und eben diese das Recht dazu haben sollten, diese zu gestalten. Dies scheint hier gut zu gelingen, während in Frankfurt äußerst rabiat gegen Obdachlose vorgegangen wird, welche sich erdreisten, eine Modelleisenbahn in der Innenstadt aufzubauen.

Karo-Viertel, ich komm gern wieder! Und auch ihr solltet unbedingt einmal auf einen Spaziergang hier vorbeischauen, sobald es euch einmal wieder in den Norden verschlägt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Alles neu macht der Herbst

Ein Blick aus dem Fenster verrät:
So langsam wird es Herbst.

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Die Bäume tauschen das satte Grün ihrer Blätter aus gegen ein wohliges Rot-Gelb, der Himmel zeigt sich zunehmend grau statt in tiefem Blau: Und auch für “Mainrausch” wird es Zeit für einen Tapetenwechsel.

Neudeutsch und im Fachjargon spricht man wohl auch von “Relaunch”, von einem “Redesign”, das man dem eigenen Projekt verpasst – wie dem auch sei, ich habe eifrig gestrichen und gepinselt!

Nachdem sich die Wege von “hallofrankfurt” und mir getrennt hatten und ich erstmals meinen langersehnten, ganz eigenen Blog gestartet habe, war ich zunehmend unzufrieden mit Medium.com als Hoster meines Blogs.

Ich wage eine Entscheidung

Mein Wunsch war es, meine Inhalte noch individueller präsentieren zu können. Mein eigener Hoster zu sein, sämtliche Entscheidungen für Darstellung und Form der Inhalte selbst treffen zu können.

Schlussendlich habe ich mich dann dazu entschlossen, meinen Blog zu WordPress umzusiedeln.

Ja, ich gebe zu, dabei war ich vielleicht auch ein wenig naiv.

“Kann ja nicht so schwierig sein”, so dachte ich mir. Dass ein Umzug auch gänzlich ohne Informatik-Studium innerhalb einer saloppen halben Stunde erledigt sein könnte, erwies sich jedoch schnell als Trugschluss.

Kaum hatte ich mit meinen rudimentären Kenntnissen ein Problem gelöst (und davon erwarteten mich prompt viele!), so tat sich direkt die nächste Baustelle auf.

Kurzum: Ich war vollends verzweifelt und überfordert.

In meiner Verzweiflung sendete ich einen Hilferuf in eine WordPress-Support Gruppe auf Facebook. Und zu meinem großen Glück meldete sich ein wahrer Engel des Webdesigns – an dieser Stelle ganz viele, unendlich dankbare Grüße nach Osnabrück!

In zahlreichen, langen Telefonaten und “TeamView”-Sitzungen nahm die neue Gestalt von “Mainrausch” langsam Gestalt an.

Die bestehenden Artikel von Medium.com auf WordPress zu importieren, erwies sich leider schnell als überaus schwierig. Somit ist die Darstellung der alten Artikel auch nicht wirklich gelungen. Da ich meinen Blog allen in meiner Freizeit betreibe, verfüge ich leider nicht über die benötigte Zeit, um sämtliche Artikel neu zu formatieren.

Den daraus resultierenden, gelegentlich auch Augenkrebs auslösenden Anblick der Artikel samt Bilder- und Formatierungssalat bitte ich somit aufrichtig zu entschuldigen!

3 – 2 – 1 : Neustart, Baby!

Nun bin ich aber – dank Engelsgeduld und riesiger Hilfe aus Osnabrück – aber endlich soweit, “Mainrausch” erstmals in neuem Gewand zu präsentieren.

Das “Feintuning” von Layout und Design wird mich noch eine Weile lang beschäftigen – dafür bitte ich um Nachsicht. Perfekt wird’s schließlich nie von jetzt auf gleich! 

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Was bleibt, das sind die Inhalte:

Was der Stadtrausch so anspült, welche Gedanken mich beschäftigen, welch Anblicke ich bewundere – und all das, was ich sonst gern mit euch teilen möchte.

Viel Spaß und Lesefreude euch allen auf meinen Seiten.
Lasst euch Treiben vom Rausch am Main!

Auf Du und Du.

.… ein Frankfurter Kuriosum.

Ich bin ja hauptberuflich viel unterwegs im Lande, was Fluch und Segen zugleich ist. Fluch, weil ich gelegentlich selbst gar nicht mehr hinterherkomme, wo ich mich gerade befinde. Weil ich mich nur allzu oft am anderen Ende der Republik befinde, wenn ich eigentlich gern bei Freunden in der Heimat wäre.

Gleichwohl ist es aber ein Segen, seine Heimatstadt oftmals zu verlassen. Bedeutet dies doch ebenfalls, genauso oft wieder dort anzukommen — und diesen Moment des “wieder da zu seins” besonders wertschätzen zu können.

Außerdem — und nun leite ich elegant zum Thema dieses Artikels über — habe ich mit der Zeit ein recht feines Gespür für die Eigenarten meiner Heimat Frankfurt entwickelt.

Nein, ich meine damit nicht, dass eine Sofa-Decke hier für gewöhnlich “Kolter” genannt wird. Nicht davon, dass “Kreppel” anderswo “Berliner” heißen, während eine grundsolide Frikadelle anderenorts “Bulette” genannt wird.

Auch nicht, dass man hier gerne auch mal ‘nen Apfelwein zischt, während es woanders im Lande unvorstellbar scheint, ein genießbares Getränk aus vergorenem Apfelsaft herzustellen.

Nein, mir fällt ein ganz anderes Kuriosum immer wieder auf:

Man pflegt sich stets zu duzen.

Was anderorts als grobe Unhöflichkeit gilt, gehört hier zum guten Ton.


Kennt ihr das?

Hier am Main wird munter und wie selbstverständlich drauflos geduzt. Ob die nette Kellnerin im Café, der Kassierer an der Supermarkt-Kasse, der Bankangestellte des Kreditinstituts eures Vertrauens, der Sitznachbar am Kneipentresen, der um Auskunft gebetene Fremde auf der Straße: Man duzt einfach jeden, und ebenso wird man von Anderen nahezu ausschließlich im persönlichen Fürwort angesprochen.

Und: Ich habe mich längst daran gewöhnt!

Mittlerweile zucke ich sogargar zusammen, werde ich unverhofft gesietzt. Ja, ich empfinde es gar als grob beleidigend — hey, ich bin doch nicht mal 30!

Ich schätze es sehr, dass man in meiner Heimat ganz unabhängig von Alter, Stand und der jeweiligen Situation (auch nüchtern!) stets auf “Du und Du” ist. Immerhin sitzen wir doch alle im selben Boot, oder?

Die Engländer machen’s doch schließlich genauso:
Wozu das mühsame differenzieren, wer des “Sie” wert ist — und wer nicht?

Genauso sehr bin ich immer wieder verwundert darüber, wie pikiert — und gelegentlich auch entsetzt — ich angeschaut werde, wenn ich in anderen deutschen (Groß)-Städten fremde Menschen mit gewohnter “Frankfodder Schnauze” duze. Und eben darüber, welch distanzierten Eindruck bei mir hinterlässt, von den lieben Mitmenschen gesiezt zu werden.

Habt ihr dieselbe Erfahrung machen können? Oder bin ich gar der Einzige, der sich anderswo regelmäßig den Mund verbrennt, weil ich Fremde stets duze?

Vielleicht ist es das Bewusstsein darüber, letztendlich dass wir doch alle nur Menschen sind, die gemeinsam trotz aller Schwierigkeiten des Zusammenlebens irgendwie miteinander zurechtkommen müssen. Die zwar verschieden, aber gleichwertig sind.

Toleranz und Vielfalt können eben auch Nähe schaffen. Nicht nur räumlich, sondern auch im Geiste.

Und genau deswegen werde ich auch weiterhin fröhlich drauf los duzen. Auch anderswo. Stets in der Hoffnung, dass ein “Du” unser Miteinander ganz überall ein wenig menschlicher machen möge.

In diesem Sinne alles Liebe EUCH,

MatzeFFM

By MatzeFFM on September 13, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.

Verschenken ist der neue Sperrmüll

 

… ein Selbstversuch mit “Free your Stuff”

Titelbilder der Facebook-Gruppe “Free your Stuff Frankfurt”.

Es soll ja Zeiten gegeben haben, in denen ausrangierte Möbelstücke ihren Besitzern ernsthafte Probleme bereitet haben. Schließlich warfen sich zunächst folgende Fragen auf, welche es zu beantworten galt:

  • Einfach auf den Sperrmüll mit dem ausgedienten Krempel? Ach, und wann war da doch gleich der nächste Termin? Muss gar zwecks Abholung einer gemacht werden? Und, falls ja: Bei wem eigentlich?
  • Das alte Mobiliar zu Geld machen auf dem Flohmarkt? Aber, wie zum Teufel die schweren Konstruktionen dorthin bekommen? Und ist am Ende die Standmiete vielleicht nicht höher als der Verkaufserlös?
  • Alles zu aufwendig? Eigentlich wollen Tische, Stühle oder Sofas doch eigentlich lediglich schnell und möglichst unkompliziert die eigenen vier Wände verlassen, um Platz für neue Einrichtung zu schaffen. Also: Illegal entsorgen im Wald? Oder doch auf der nächstgelegenen Autobahnraststätte? Ein solches Vorgehen könnte sich allerdings negativ auf das polizeiliche Führungszeugnis auswirken. Und als Freund der Umwelt sollte dieser Gedanke ohnehin ganz schnell verworfen werden.

Kurzum: Es war mit gewissem Aufwand verbunden, sich von ausrangierten Einrichtungsgegenständen zu trennen.


Doch sind all dies Probleme, die der digital vernetzte, urbane Großstadtbewohner von heute nicht mehr zu kümmern braucht:

Für mittlerweile jede größere Stadt in Deutschland existieren “Free your Stuff”-Gruppen in den einschlägigen sozialen Netzwerken, so natürlich vorrangig bei Facebook.

Und als endlich ein schicker, neuer Sofatisch unser WG-Zimmer schmückt, stehe dann auch ich vor der Frage: Was tun mit dem Alten? Ich wage den “Free your Stuff”-Selbstversuch. Mache schnell zwei Handy-Bilder vom Tisch, poste sie in die Gruppe “Free your Stuff Frankfurt”.

Es wäre zu schade, den Tisch einfach zu zertrümmern und die Überreste in die schwarze Tonne zu werfen. Allerdings will ich ihn doch einfach nur los werden. Und das möglichst zügig. Ich grinse breit, als ich unter die Bilder tippe:

“In liebevolle Hände abzugeben im Frankfurter Nordend. Abholbar innerhalb der nächsten 60 Minuten.”

Den abschließenden Hinweis darauf, dass ich Apfelwein sehr mag, kann ich mir nicht verkneifen. Es ist Gruppenregel, dass hier Gegenstände aller Art ausschließlich ohne Gegenleistung verschenkt werden dürfen. Keine Bezahlung, keine Sachwerte. Aber ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl wird doch noch gestattet sein!

Ich klicke auf “posten”, mache mir ‘nen Kaffee und warte ab. Prompt wird mein Beitrag kommentiert, schnell finden sich zahlreiche Interessenten. Mein Mitbewohner, der alte Fuchs, hinterlässt noch ein „bringt Bier mit!“ unter meinem Angebot.


Auch mein Nachrichtenfenster öffnet sich.

“Pils oder Export?”

Ich lache auf ,schlürfe am Kaffee und antworte: “Export, versteht sich!

Ich schaue auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten, bis ich das Haus verlassen muss. Und es dauert nicht lange, bis es an meiner Türe klingelt. “Getränkeservice!”, höre ich eine Stimme durch die Gegensprechanlage.

Ungläubig öffne ich die Tür, und vor mir steht tatsächlich ein netter Kerl, welcher den Tisch gern seinem Sohn zur Einrichtung dessen erster, eigenen Bude überlassen möchte. Und sich dafür mit Binding Export, Binding Pils und ‘ner Flasche Apfelwein erkenntlich zeigt. Sogar gekühlt!

Er hat das Rennen gewonnen, Tisch und Kaltgetränke wechseln die Besitzer. Ich freue mich über den gewonnen Platz im Wohnzimmer, der Vater sich über einen schicken Sofatisch für seinen Sohnemann.

Alle glücklich, alles gut. Eine astreine “Win-Win Situation”!

Free your Stuff als Partnerbörse?

A propos „Win-Win Situation“:

Natürlich bleibt es nicht aus, dass sich Schenkende(r) und Schenkende auch mal ganz nett finden. Sich vielleicht sogar noch einmal wieder treffen, ganz ohne den Hintergrund des Handels.

Und vielleicht, ja vielleicht, bleibt’s auch nicht bei diesem Treffen. So hat eine Bekannte von mir beispielsweise ihren heutigen Freund kennen gelernt, als sie vor längerer Zeit ihren alten Schrank los werden wollte. Schrank weg, große Liebe da „Free your Stuff“ kann ja so romantisch sein!


Mein Fazit nach meinem Selbstversuch:

Dass es über “Free your Stuff” dermaßen einfach ist, so überaus spontan dankbare Abnehmer für ausrangierte Dinge zu finden, hätte ich tatsächlich nie erwartet.

Im Minutentakt werden hier Angebote und Gesuche aufgegeben – es gilt auf Zack zu sein für eine Chance, die „Filetstücke“ zu ergattern.

Allerdings stellt sich mir die Frage, ob man tatsächlich Dankbarkeit oder gar eine Gegenleistung von den Abnehmern erwarten sollte.

Ist es nicht so, dass wir alle lediglich zu faul sind, sperrige Möbel fachgerecht zu entsorgen — oder mühsam anderen Menschen zu vermachen, die noch Verwertung für diese haben?

Insofern bin eigentlich ICH all denjenigen dankbar, die so schnell auf mein Angebot reagiert haben. Und natürlich dem netten Vater, der mir all diese Mühe erspart hat — und als sei dies noch nicht genug auch noch meinen Kühlschrank neu bestückt hat.


Was denkt ihr darüber? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen. Und auf eure Meinung: Ist es unmoralisch, Dankbarkeit zu erwarten oder gar kleine Geschenke anzunehmen?

Ich freue mich auf eure Kommentare!

By MatzeFFM on September 19, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.

Stadtflucht

 

Schnell mal raus und weg. Doch etwas fehlt.

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Wasserflasche, Tageszeitung, Decke. Und ein Buch, natürlich.

Mehr braucht es nicht – rauf aufs Fahrrad, rein in die S-Bahn.

Nach nur 13 Minuten der klimatisierten Fahrt: Aussteigen, tief einatmen, zehn Minuten radeln durch den Wald.


Irgendwas fehlt.

Ich grüble. Stelle fest: Es ist das so vertraute „Grundrauschen“ der Stadt, an das sich der Großstädter längst gewöhnt hat. Straßenbahnen, Autolärm, Gespräche und Rufe. Die Stille hier jedoch lässt mich unwohl fühlen. Wie traurig eigentlich. Ich übertöne sie mit Musik, bis ich mein Ziel erreiche.

Und erst, als ich in der Sonne liege, den See im Blick, Sand an meinen Füßen spüre. Als ich die Wärme auf meiner Haut genieße, sanft über meiner Zeitung wegdöse – da merke ich, wie ich dieses Nichts genieße. Wie ein Ballast von mir abfällt, Großstadt-Müll in Form von hektischen Gedanken verschwindet.

Als ich Stunden später aus der S-Bahn steige, das Rauschen der Stadt wieder höre, fühle ich mich seltsam geborgen.


Bin wohl doch ein Großstadtmensch.

Und trotzdem: Wie schön das war, mal weg zu sein.

 

Morgenliebe

… wenn ein Sommertag beginnt.

morgenliebe

Es gibt nicht viele Gründe dafür, sich sonderlich gerne mitten in der Nacht aus dem Bett zu quälen, um bereits eifrig den Dienst zu versehen, während der Rest der Stadt noch schläft.

Und dennoch gibt es sie. Diese Momente, die mich immer wieder dennoch Unausgeschlafenheit, Missmut und Arbeitshektik vergessen lassen.

Momente wie jenen heute früh. Es ist gerade einmal kurz nach 6, ich bin schon seit vier Stunden unterwegs, und überquere mit dem ICE die Deutschherrrenbrücke gen Norden.

Die just aufgehende Sonne streichelt mir über das verschlafene Gesicht, spiegelt sich gleißend im Main. Der Osthafen erwacht zum Leben.

Ein immer wieder wunderschöner Anblick.

Ich seufze, nippe an meinem Kaffee und schmunzele:

Ihr alle, deren Wecker in diesem Moment klingelt und euch zur Pflicht ruft: Ihr alle werdet noch lange im Büro schmoren, wenn ich schon längst am Wasser liege und meinen Feierabend genieße. Mir die Sonne auf den Pelz knallt, die bis dahin an ihren Zenit gewandert ist.

Vorerst begnüge ich mich mit dem wunderbaren Anblick dieser Szenerie. Ist eben doch nicht immer alles schlecht. Auch am Frühdienst nicht.

Trotzdem werd’ ich noch einen Kaffee bestellen. Und mich darüber freuen, dass ich nächste Woche spät arbeite.

By MatzeFFM on August 24, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.

Und irgendwie dann doch vermisst…

Und irgendwie dann doch vermisst…S-Bahnen rollen wieder durch die Stammstrecke


Und irgendwie dann doch vermisst…

S-Bahnen rollen wieder durch die Stammstrecke

sbahn

Die meisten Dinge im Leben lernt man ja erst zu schätzen, sobald man sie verloren hat. Nun haben die Frankfurter ihre S-Bahn zwar nur zwischenzeitlich verloren:

Zwecks Sanierung des 1978 eröffneten Stammstreckentunnels der S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Lokalbahnhof bzw. Mühlberg war für den Zeitraum der hessischen Sommerferien der innerstädtische S-Bahn-Betrieb sechs stolze Wochen lang eingestellt.

Schlau von der Bahn: Weil eh schon mal Ruhe war im Tunnel, nutze man die Zeit gleich dazu, Vorbereitungsarbeiten für den Anschluß eines elektronischen Stellwerkes zu tätigen, welches 2018 in Betrieb genommen werden soll.

Diese sind nun pünktlich (an der Deutschen Bahn könnte sich die VGF einmal ein Beispiel nehmen!) abgeschlossen; seit 25.August rumpeln die S-Bahnen wieder unter der Innenstadt hindurch.


S-Bahn-Bashing hat Tradition

Nun ist es ja so, dass sich der durchschnittliche Frankfurter mindestens genauso gern und regelmäßig über „seine“ S-Bahn aufregt wie über das überlaufene Museumsuferfest, wuchernde Mietpreise und den überaus teuren, dafür umso schlechteren Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt:

Meist hoffnungslos überfüllt sei sie, die Stationen verdreckt, innen ist’s wahlweise zu heiß (Sommer) oder zu kalt (Winter), unfähiges Personal – und ohnehin ständig zu spät: Geschimpft und verbal eingedroschen wird wahrlich viel.

Und ich gebe unumwunden zu:

Auch bin war regelmäßig schwer genervt von Zugausfällen, den harten Sitzen (sofern ich mal einen ergattern konnte) und dem endlosen, nervigen Dauer-Gequatsche des Fahrgastinformationsystems der neuen S-Bahn-Triebzüge der Baureihe ET430.

Sechs Wochen ohne S-Bahn: Das klang für mich zunächst durchaus aushaltbar und fast wie Urlaub.

Diese sind nun vorbei, und ich gelobe feierlich: Ich werde mich künftig tunlichst zurückhalten beim Meckern!

Nach anderthalb Monaten des Ausweichen-Müssens auf Straßen- und U-Bahn musste ich nämlich feststellen: Nein, es ist nicht alles schlecht bei dir, liebe S-Bahn. Und ja, ich bin gar unendlich froh darüber und erleichtert, dass du wieder fährst, pardon: verkehrst.


Was also ist passiert?

Angenehmer temperiert

Ich habe festgestellt, dass der Wohlfühl-Faktor in U-Bahnen gänzlich OHNE Klimaanlage dann doch maßgeblich geringfügiger ausfällt als in S-Bahnen mit immerhin schlecht eingestellter Klimaanlage.

Weitere Erkenntnisse:

Ausfälle

Auch Straßenbahnen fallen genauso gerne mal ersatzlos aus wie die S-Bahn. Letztere informiert die ungeduldig Wartenden aber immerhin, statt sie unwissend, ratlos und frierend am Bahnsteig zurückzulassen.

Der Kampf mit dem Fahrrad

Ich hätte fast vergessen, welch Qual es bedeutet, mit dem Drahtesel Straßenbahnen oder U-Bahnen älteren Typs zu besteigen. Die Einzige für das Abstellen von Fahrrädern vorgesehene Fläche ist meist von Kinderwägen oder Herumstehenden besetzt. Aber ohnehin, ein Durchkommen zu dieser Fläche ist ja sowieso aufgrund der zahlreichen Mitreisenden unmöglich. Stattdessen verhakt man sich permanent mit dem Lenker in den Haltestangen und blockiert unfreiwillig die Türen. Mit diesem Verhalten provoziert man dann für gewöhnlich bürgerkriegsähnliche Zustände während der Aus- und Zustiege.

Nun bin ich froh, wieder jede Menge Platz für mich und mein geliebtes Fahrrad zu haben. Auch muss ich andere Fahrradbesitzer nicht mehr als Konkurrenten fürchten, weil ausreichend Stellfläche vorhanden ist. Zu der dann auch ein Durchkommen meist möglich ist.

Die S-Bahn ist einfach praktisch

Der Sinn und Zweck einer Stadtschnellbahn, kurz: S-Bahn, ist es für gewöhnlich, Stadt und Umland umsteigefrei und hochfrequent zu verbinden. Innerstädtisch sind die Linien (in Frankfurt mit Ausnahme der S7), in einer Stammstrecken gebündelt. Dies ermöglicht eine noch höhere Taktung sowie eine Vielzahl an Fahrtmöglichkeiten in das Umland.

Ein ziemlich geniales Konzept, eigentlich! Leider betrachtet man dessen Vorzüge schnell als selbstverständlich – ja, bis die S-Bahn dann mal Pause macht und man anstelle von der S-Bahn nun uumso genervter über ständiges Umsteigen, Umwege und Fahrzeitverlängerungen ist.

Mein Fazit

Ich gelobe feierlich, dich künftig mehr zu schätzen, liebe S-Bahn. Es ist doch nicht alles schlecht an dir, zumindest ist’s woanders schlechter oder auch nicht besser. Und wenn ich das nächste Mal einmal wieder kurz vor einem Tobsuchtsanfall stehe, weil du mich ärgerst, dann werde ich mich einfach an die zurückliegenden sechs Wochen erinnern.

Und mich schnell wieder daran erinnern, wie schön es ist, dass es dich gibt.

DANKE, DASS DU WIEDER FÄHRST!

By MatzeFFM on August 26, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.

Schnellansicht statt Schreibmaschine

 

Ein spannender Blick hinter die Kulissen der „Frankfurter Rundschau“

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Meine innig geliebte „Frankfurter Rundschau“ begleitet mich schon seit Jahren durch den Tag. Ich, meine Tageszeitung & eine große Tasse duftenden Kaffees, genossen in meinem Lieblingscafé — das ist meine ganz persönliche Komposition für einen perfekten Start in den Tag.

Im Rahmen eines „Sommer-Gewinnspiels“ verloste die Frankfurter Rundschau in den Sommerferien einen Preis, der sofort mein Interesse weckte: Der Gewinner sollte den Chefredakteur persönlich einen ganzen Vormittag lang bei seinem Arbeitsalltag begleiten und einen Blick hinter die Kulissen der „Rundschau“ erhaschen dürfen. Einen Einblick in deren Entstehungsarbeit erhalten, ganz nah dran sein, wenn Zeitung gemacht wird. Klar, dass ich am Gewinnspiel teilgenommen habe. „Kost‘ ja schließlich nix“, so dachte ich mir.

Ich habe wirklich noch NIE etwas gewonnen. Trostpreise bei der Tombola und einen hässlichen Plüschtiger bei REWE ums Eck einmal ausgenommen.

Umso überraschter und erfreuter war ich, als mich eine E-Mail erreichte, in der mir eröffnet wurde, der glückliche Gewinner zu sein. Das Losglück war mir tatsächlich hold! Das Glück ist eben doch ein Rindviech und sucht sich seinesgleichen.

Hey, das letzte Mal, dass ich eine Zeitungsredaktion betreten hatte, ist nun auch bereits knapp 15 Jahre her! Damals ging ich noch zur Schule, war mir noch etwas unschlüssig, was die Art und Weise betrifft, um später einmal irgendwie meinen Lebensunterhalt zu bestreiten.

Lange liebäugelte ich mit dem Beruf des Journalisten. Heute würde man wohl sagen: „Was mit Medien machen“. Da mein Vater treuer Abonnent der „Gelnhäuser Neuen Zeitung“ war, war es mir möglich, mein 14-tägiges Berufspraktikum dort zu absolvieren.


Geworden bin ich dann letztlich doch etwas gänzlich anderes, dennoch ist mein Interesse am Schreiben, Berichten und Fotografieren niemals erloschen. Was ja auch irgendwo eine gute Voraussetzung dafür ist, wenn man seine Freizeit dazu nutzt, einen Blog zu betreiben.


An einem heißen Tag der letzten August-Woche ist es dann soweit:

Ein wenig aufgeregt betrete ich mitsamt meiner ebenso interessierten Begleitung die heiligen Hallen der Redaktion, welche sich recht unscheinbar direkt an der Mainzer Landstraße in einem großen Bürokomplex befinden.

“Herzlichen Glückwunsch — Sie haben UNS gewonnen!”

So begrüßt uns auch prompt Chefradakteurin Bascha Mika höchstpersönlich. Platz nehmen dürfen wir dann umgehend im geräumigen Büro vom zweiten Chefredakteur des Blattes, Arnd Festerling. Festerling stellt sich als überaus heiterer und redseliger Zeitgenosse heraus — erfreulicherweise, denn einen Chefredakteur hatte ich mir nämlich irgendwie trübseliger vorgestellt.


Das bewegte Auf und Ab einer Tageszeitung

Unter dem wachsamen Blick vom Zeitungsgründer Karl Gerold, der als Gemälde die Bürowand schmückt, erhalten wir einen Abriss über die wechselhafte Geschichte des 1945 erstmals erschienenen Blattes. Zwischenzeitlich eines der größten deutschen Leitmedien, steuerte die Frankfurter Rundschau nach Aufkommen der digitalen Medien und einem damit verbundenen massiven Auflagenverlust 2012 endgültig in die Insolvenz.

Geklaut bei karl-grobe.de

Das “Rundschau-Haus” wurde schon 1996 als Sitz aufgegeben und abgerissen. Es prägte über Jahrzehnte das Bild der Innenstadt und war als Sitz der überregionalen Gazette mit linksliberalem Profil auch über die Frankfurter Stadtgrenzen hinaus bekannt.

„Gerettet” und in das Konstrukt der FAZ eingebunden, erlebte die Zeitung dann glücklicherweise eine Wiedergeburt als eigenständige Publikation und schlägt sich seither in der deutschen Presselandschaft recht wacker. Ein bundesweiter Leserstamm ist vorhanden, und ein zeitgemäßes Digital-Angebot in Form von Online-Seiten und einer App ist endlich realisiert worden. Man sieht sich jedenfalls gut gerüstet für die Zukunft.

Wie der Lokalteil entsteht

Nachdem all unsere Fragen geduldigst beantwortet wurden und zahlreiche Anekdoten aus dem langen Berufsleben der Chefredakteure zum Besten geboten waren, gilt es Treppen steigen:

Ein Stockwerk höher wird nämlich die Morgenkonferenz der Lokalredaktion einberufen.

Als ich erstmalig den Konferenzraum betrete, bin ich zunächst ein wenig enttäuscht:

Keine überquellende Aschenbecher, keine halbgeleerten Whiskeyflaschen auf den Tischen. Ebenso wenig finden sich laut hämmernde Schreibmaschinen vor. Okay, okay, das hätte ich mir denken können. Stattdessen also: Großraumbüro-Tristesse unter Neonröhrenschein. Klimatisiert, versteht sich. Auch als dann die Journalisten eintrudeln – nüchtern! – bin ich ein wenig desillusioniert:

Das sollen sie also sein, die Hunter S. Thompson des Digitalzeitalters? Keine bärtigen Typen mit Hornbrille und Karohemd, stattdessen: Grundsolide Frankfurter Durchschnitts-Bürger. Sie empfangen uns dafür umso herzlicher und stellen sich namentlich vor.

Genial, hier mitten unter all den Redakteuren zu sitzen, die mir bislang nur namentlich und aus der täglichen Zeitungslektüre bekannt waren!

Es geht los. Nach einer kurzen Nachbesprechung der letzten Ausgabe wird von den einzelnen Redakteuren über die Ereignisse des Tages aus dem Stadtleben berichtet. Ein Fest der Freiwilligen Feuerwehr Griesheim will schließlich ebenso berücksichtigt werden wie das politische Tagesgeschehen im Frankfurter Römer oder die Gerichtsverhandlung um einen schlangenhortenden Messie. Breaking News!

Was ist wichtig und was nicht? Worüber lohnt es zu berichten, was langweilt den Leser? Das gilt es hier zu diskutieren. Anschließend schwärmen die Reporter aus, um vor Ort Bericht zu erstatten, Fotos zu erstellen und den Notizblock zu füllen.

Die anschließende Pause im Sitzungssaal nutze ich, um die Eindrücke wirken zu lassen. Langsam bekomme ich einen ersten Eindruck davon, wie „Zeitung machen“ funktioniert — und wie viel Arbeit dann am Ende doch vonnöten ist, damit ich allmorgendlich meine „Frankfurter Rundschau“ aus dem Briefkasten fischen kann.

Die Redaktions-Konferenz als Highlight

Wir können sitzen bleiben, denn im selben Konferenzraum findet nun das wichtigste tägliche Happening statt: Die morgendliche Redaktionskonferenz.

Die Vertreter der einzelnen Ressorts (Politik, Wirtschaft, Feuilleton, Sport, Lokalteil, Meinung, Magazin, Panorama….) kommen zusammen und stellen den Chefredakteuren ihre Themen vor, an denen sie gern arbeiten und über die sie gern berichten würden. Es wird entschieden, welche Themen dringlich in der morgigen Ausgabe erscheinen sollen, Beiträger mit geringerer Priorität werden in einem Wochenplan auf folgende Ausgaben verteilt.

Abschließend wird dann die Seite 1 festgelegt: Was wird Titel-Thema, welches Bild ist ein „echter Eye-Catcher“ und somit für das Titelbild geeinigt, welche „Scoops“ (Schlagthemen oben) sollen verwendet werden?

Unfassbar, selbst über solche Kleinigkeiten wird hier heiß diskutiert.

Irgendwann ist man sich dann einig, und abermals schwärmen die Redakteure zurück in ihre jeweiligen Bereiche.

Zeitung machen: Mehr als nur redaktionelle Arbeit

Wir jedoch bekommen eine Führung durch die Abteilungen, welche für das Erscheinen einer Tageszeitung mindestens genauso wichtig sind wie die redaktionelle Arbeit selbst:

So verbringt beispielsweise die Grafik-Abteilung ihren ganzen, lieben langen Arbeitsalltag mit dem Erstellen, Bearbeiten und Optimieren von Grafiken, Informationsbildern und Statistiken. Abermals stelle ich fest, wie viel Arbeit doch hinter jeder noch so kleinen Infografik steckt. Wahnsinn!

Auf dem Weg durch die Korridore, unterwegs zu den einzelnen Abteilungen, muss ich lachen: Vor einer Bürotür gestapelte Bücher lassen bereits erahnen, dass dahinter die Kollegen der Feuilleton-Redaktion heimisch sind. Wir sagen kurz hallo. Auch hier: Keine Schreibmaschinen. Sämtliche Beiträge und Artikel entstehen an gleich mehreren Monitoren pro Arbeitsplatz und die einzelnen Seiten werden in einer ersten Schnellansicht in Form gebracht. Diese werden umgehend auf den hauseigenen Servern zur Weiterbearbeitung zur Verfügung gestellt.

Texte und Grafiken werden nämlich dann wiederrum von der Layout-Abteilung in Form gebracht und die einzelnen Seiten werden entsprechend „zusammengebastelt“. Interessant zu beobachten, wie sich die Seiten auf den zahlreichen Monitoren nach und nach mit Inhalten füllen. Einer Zeitung beim Wachsen zuschauen — das gefällt mir.

Ist die Zeitung für den morgigen Tag dann irgendwann fertig, sendet die Spätschicht die einzelnen Seiten gegen 23 Uhr elektronisch zur Druckerei.

Diese erst macht all die Arbeit greifbar: Ganz haptisch, in Papierform. Wohlig nach Druckfarbe duftend.

In Lastkraftwagen wandert dann die Ausgabe, an deren Entstehung ich heute teilhaben durfte, dann wohl verpackt zu den einzelnen Verteilzentren der Republik.

Symbolfoto: Geklaut bei www.hornbach.de

Dort wird sie von den eifrigen Austrägern im Empfang genommen werden und in die Briefkästen der Leser geworfen werden. Und hoffentlich auch wieder in meinen.

Mit anderen Augen lesen

Die morgige Ausgabe werde ich jedenfalls mit ganz besonders großer Freude aus dem Postkasten fischen. Und bei der Lektüre werde ich in bester Erinnerung haben, welch Besprechungs- und Arbeitsaufwand hinter jedem noch so kleinen Detail der gut 30 Seiten steckt. Mehr, als ich je gedacht hätte.

Irgendwo beneide ich die Redakteure ja um das Gefühl, das sich bei ihnen einstellen muss, wenn sie morgen an den Kiosken der Stadt „ihre Arbeit“ bewundern und Menschen dabei beobachten können, wie sie sich interessiert über ihr Werk beugen und die Zeitung lesen, die sie am Vortag mit viel Herzblut erstellt haben.

Auch mich erwartet morgen früh wieder mein ganz eigener Arbeitsalltag.

Und ich muss sagen: Auch dieser bereitet mir viel Freude, auch wenn er mit Zeitung so rein gar nichts am Hut hat. Und auch, wenn ich in diesem Leben kein bundesweit bekannter Journalist mehr werde:

Ich werde meine Tageszeitung künftig mit anderen Augen lesen. Mich gern zurückerinnern an diesen tollen Gewinn, diesen tollen Tag. Und der „Frankfurter Rundschau“ weiterhin ein treuer Leser sein.