Verschenken ist der neue Sperrmüll

 

… ein Selbstversuch mit “Free your Stuff”

Titelbilder der Facebook-Gruppe “Free your Stuff Frankfurt”.

Es soll ja Zeiten gegeben haben, in denen ausrangierte Möbelstücke ihren Besitzern ernsthafte Probleme bereitet haben. Schließlich warfen sich zunächst folgende Fragen auf, welche es zu beantworten galt:

  • Einfach auf den Sperrmüll mit dem ausgedienten Krempel? Ach, und wann war da doch gleich der nächste Termin? Muss gar zwecks Abholung einer gemacht werden? Und, falls ja: Bei wem eigentlich?
  • Das alte Mobiliar zu Geld machen auf dem Flohmarkt? Aber, wie zum Teufel die schweren Konstruktionen dorthin bekommen? Und ist am Ende die Standmiete vielleicht nicht höher als der Verkaufserlös?
  • Alles zu aufwendig? Eigentlich wollen Tische, Stühle oder Sofas doch eigentlich lediglich schnell und möglichst unkompliziert die eigenen vier Wände verlassen, um Platz für neue Einrichtung zu schaffen. Also: Illegal entsorgen im Wald? Oder doch auf der nächstgelegenen Autobahnraststätte? Ein solches Vorgehen könnte sich allerdings negativ auf das polizeiliche Führungszeugnis auswirken. Und als Freund der Umwelt sollte dieser Gedanke ohnehin ganz schnell verworfen werden.

Kurzum: Es war mit gewissem Aufwand verbunden, sich von ausrangierten Einrichtungsgegenständen zu trennen.


Doch sind all dies Probleme, die der digital vernetzte, urbane Großstadtbewohner von heute nicht mehr zu kümmern braucht:

Für mittlerweile jede größere Stadt in Deutschland existieren “Free your Stuff”-Gruppen in den einschlägigen sozialen Netzwerken, so natürlich vorrangig bei Facebook.

Und als endlich ein schicker, neuer Sofatisch unser WG-Zimmer schmückt, stehe dann auch ich vor der Frage: Was tun mit dem Alten? Ich wage den “Free your Stuff”-Selbstversuch. Mache schnell zwei Handy-Bilder vom Tisch, poste sie in die Gruppe “Free your Stuff Frankfurt”.

Es wäre zu schade, den Tisch einfach zu zertrümmern und die Überreste in die schwarze Tonne zu werfen. Allerdings will ich ihn doch einfach nur los werden. Und das möglichst zügig. Ich grinse breit, als ich unter die Bilder tippe:

“In liebevolle Hände abzugeben im Frankfurter Nordend. Abholbar innerhalb der nächsten 60 Minuten.”

Den abschließenden Hinweis darauf, dass ich Apfelwein sehr mag, kann ich mir nicht verkneifen. Es ist Gruppenregel, dass hier Gegenstände aller Art ausschließlich ohne Gegenleistung verschenkt werden dürfen. Keine Bezahlung, keine Sachwerte. Aber ein kleiner Wink mit dem Zaunpfahl wird doch noch gestattet sein!

Ich klicke auf “posten”, mache mir ‘nen Kaffee und warte ab. Prompt wird mein Beitrag kommentiert, schnell finden sich zahlreiche Interessenten. Mein Mitbewohner, der alte Fuchs, hinterlässt noch ein „bringt Bier mit!“ unter meinem Angebot.


Auch mein Nachrichtenfenster öffnet sich.

“Pils oder Export?”

Ich lache auf ,schlürfe am Kaffee und antworte: “Export, versteht sich!

Ich schaue auf die Uhr. Noch zwanzig Minuten, bis ich das Haus verlassen muss. Und es dauert nicht lange, bis es an meiner Türe klingelt. “Getränkeservice!”, höre ich eine Stimme durch die Gegensprechanlage.

Ungläubig öffne ich die Tür, und vor mir steht tatsächlich ein netter Kerl, welcher den Tisch gern seinem Sohn zur Einrichtung dessen erster, eigenen Bude überlassen möchte. Und sich dafür mit Binding Export, Binding Pils und ‘ner Flasche Apfelwein erkenntlich zeigt. Sogar gekühlt!

Er hat das Rennen gewonnen, Tisch und Kaltgetränke wechseln die Besitzer. Ich freue mich über den gewonnen Platz im Wohnzimmer, der Vater sich über einen schicken Sofatisch für seinen Sohnemann.

Alle glücklich, alles gut. Eine astreine “Win-Win Situation”!

Free your Stuff als Partnerbörse?

A propos „Win-Win Situation“:

Natürlich bleibt es nicht aus, dass sich Schenkende(r) und Schenkende auch mal ganz nett finden. Sich vielleicht sogar noch einmal wieder treffen, ganz ohne den Hintergrund des Handels.

Und vielleicht, ja vielleicht, bleibt’s auch nicht bei diesem Treffen. So hat eine Bekannte von mir beispielsweise ihren heutigen Freund kennen gelernt, als sie vor längerer Zeit ihren alten Schrank los werden wollte. Schrank weg, große Liebe da „Free your Stuff“ kann ja so romantisch sein!


Mein Fazit nach meinem Selbstversuch:

Dass es über “Free your Stuff” dermaßen einfach ist, so überaus spontan dankbare Abnehmer für ausrangierte Dinge zu finden, hätte ich tatsächlich nie erwartet.

Im Minutentakt werden hier Angebote und Gesuche aufgegeben – es gilt auf Zack zu sein für eine Chance, die „Filetstücke“ zu ergattern.

Allerdings stellt sich mir die Frage, ob man tatsächlich Dankbarkeit oder gar eine Gegenleistung von den Abnehmern erwarten sollte.

Ist es nicht so, dass wir alle lediglich zu faul sind, sperrige Möbel fachgerecht zu entsorgen — oder mühsam anderen Menschen zu vermachen, die noch Verwertung für diese haben?

Insofern bin eigentlich ICH all denjenigen dankbar, die so schnell auf mein Angebot reagiert haben. Und natürlich dem netten Vater, der mir all diese Mühe erspart hat — und als sei dies noch nicht genug auch noch meinen Kühlschrank neu bestückt hat.


Was denkt ihr darüber? Ich bin gespannt auf eure Erfahrungen. Und auf eure Meinung: Ist es unmoralisch, Dankbarkeit zu erwarten oder gar kleine Geschenke anzunehmen?

Ich freue mich auf eure Kommentare!

By MatzeFFM on September 19, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.

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