Auf Du und Du.

.… ein Frankfurter Kuriosum.

Ich bin ja hauptberuflich viel unterwegs im Lande, was Fluch und Segen zugleich ist. Fluch, weil ich gelegentlich selbst gar nicht mehr hinterherkomme, wo ich mich gerade befinde. Weil ich mich nur allzu oft am anderen Ende der Republik befinde, wenn ich eigentlich gern bei Freunden in der Heimat wäre.

Gleichwohl ist es aber ein Segen, seine Heimatstadt oftmals zu verlassen. Bedeutet dies doch ebenfalls, genauso oft wieder dort anzukommen — und diesen Moment des “wieder da zu seins” besonders wertschätzen zu können.

Außerdem — und nun leite ich elegant zum Thema dieses Artikels über — habe ich mit der Zeit ein recht feines Gespür für die Eigenarten meiner Heimat Frankfurt entwickelt.

Nein, ich meine damit nicht, dass eine Sofa-Decke hier für gewöhnlich “Kolter” genannt wird. Nicht davon, dass “Kreppel” anderswo “Berliner” heißen, während eine grundsolide Frikadelle anderenorts “Bulette” genannt wird.

Auch nicht, dass man hier gerne auch mal ‘nen Apfelwein zischt, während es woanders im Lande unvorstellbar scheint, ein genießbares Getränk aus vergorenem Apfelsaft herzustellen.

Nein, mir fällt ein ganz anderes Kuriosum immer wieder auf:

Man pflegt sich stets zu duzen.

Was anderorts als grobe Unhöflichkeit gilt, gehört hier zum guten Ton.


Kennt ihr das?

Hier am Main wird munter und wie selbstverständlich drauflos geduzt. Ob die nette Kellnerin im Café, der Kassierer an der Supermarkt-Kasse, der Bankangestellte des Kreditinstituts eures Vertrauens, der Sitznachbar am Kneipentresen, der um Auskunft gebetene Fremde auf der Straße: Man duzt einfach jeden, und ebenso wird man von Anderen nahezu ausschließlich im persönlichen Fürwort angesprochen.

Und: Ich habe mich längst daran gewöhnt!

Mittlerweile zucke ich sogargar zusammen, werde ich unverhofft gesietzt. Ja, ich empfinde es gar als grob beleidigend — hey, ich bin doch nicht mal 30!

Ich schätze es sehr, dass man in meiner Heimat ganz unabhängig von Alter, Stand und der jeweiligen Situation (auch nüchtern!) stets auf “Du und Du” ist. Immerhin sitzen wir doch alle im selben Boot, oder?

Die Engländer machen’s doch schließlich genauso:
Wozu das mühsame differenzieren, wer des “Sie” wert ist — und wer nicht?

Genauso sehr bin ich immer wieder verwundert darüber, wie pikiert — und gelegentlich auch entsetzt — ich angeschaut werde, wenn ich in anderen deutschen (Groß)-Städten fremde Menschen mit gewohnter “Frankfodder Schnauze” duze. Und eben darüber, welch distanzierten Eindruck bei mir hinterlässt, von den lieben Mitmenschen gesiezt zu werden.

Habt ihr dieselbe Erfahrung machen können? Oder bin ich gar der Einzige, der sich anderswo regelmäßig den Mund verbrennt, weil ich Fremde stets duze?

Vielleicht ist es das Bewusstsein darüber, letztendlich dass wir doch alle nur Menschen sind, die gemeinsam trotz aller Schwierigkeiten des Zusammenlebens irgendwie miteinander zurechtkommen müssen. Die zwar verschieden, aber gleichwertig sind.

Toleranz und Vielfalt können eben auch Nähe schaffen. Nicht nur räumlich, sondern auch im Geiste.

Und genau deswegen werde ich auch weiterhin fröhlich drauf los duzen. Auch anderswo. Stets in der Hoffnung, dass ein “Du” unser Miteinander ganz überall ein wenig menschlicher machen möge.

In diesem Sinne alles Liebe EUCH,

MatzeFFM

By MatzeFFM on September 13, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.

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