Ich hatte keine Ahnung, als ich mich am jüngsten Mittwochabend auf in die altehrwürdige Trinkhalle machte, die zwar keine Trinkhalle im eigentlich Sinne ist, in die das mir unbekannte Duo aber zum “bunten Abend voll Poetry, Comedy, Literatur & Musik” geladen hatte. Womit meine Neugierde natürlich abermals geweckt war.
Durch den Umstand, dass ich auch deren Gast nicht kannte – wohl niemand geringeres als der amtierende hessische Meister im Poetry-Slam Marten de Wall – nicht kannte, fühlte ich mich gleich nochmals unvorbereiteter. Von meiner Ahnungslosigkeit ließ ich mir aber nix anmerken, als ich den Ort des Geschehens betrat, mir routiniert ein Bier bestellte und mich zwischen die Zuschauer quetschte. An Sitzen war offensichtlich längst nicht mehr zu denken, aber so an der Wand gelehnt war’s auch ganz nett, aber wo sind denn eigentlich… ach, da! Die beiden Gastgeber sitzenderweise inmitten ihrer Zuhörer, nur an ihren Mikrofonen von diesen zu unterscheiden, das Duo zu Gast bei sich selbst. Die spärlich beleuchtete Wohnzimmer-Atmosphäre wusste zu gefallen. Alles soweit locker also – mochte ein bunter Abend beginnen und mich vorzüglich unterhalten!
Von Durststrecken und “Sherlock Bones”
Cönig (oder war es Lebemann?), nun ja, einer von beiden, begann denn auch mit dem Verlesen eines Textes. Lebemann (oder war es Cönig?), nun ja, der andere eben, zündete sich lässig eine Zigarette an. Ich tat es ihm gleich, nun ja, hatte schon mal heftiger lachen müssen.
Auch ein kleines Spielchen mit Gast de Wall (er durfte niemals das Wort “Nein” verwenden) wollte keinen rechten Lachflash im nach Entertainment dürstenden Publikum auslösen. “Warst du schon mal hier, Marten?” – “N…. Ja.” Haha.
Doch der Abend sollte schließlich noch lang sein. Und hoffentlich nicht lang-weilig. Und falls doch, sollte jedenfalls das Team der “Trinkhalle” am Tresen dafür sorgen, dass auch bei literarischen Durststrecken kein Durst zurückbleibt.
So gut es eben ging ließ ich meinen Blick durch Rauchschwaden zurück zu Cönig & Lebemann, immer noch in Sesseln lümmelnd, gleiten. Einer der beiden (ich vermute weiterhin, es war Cönig) griff erneut zum Buche, verlas eine Abenteuergeschichte des Hundehelden Sherlock Bones, in deren Laufe mancherlei Wortspielchen mit sämtlich erdenklichen Hunderassen getrieben wurde. Und siehe da: Das ein oder andere aufrichtige Lachen bahnte sich den Weg aus meiner Kehle. Geht doch!
Nach dem etwas tristen “Sag’ niemals ‘Nein'” – Spielchen vermag mich dann auch der nächste Auftritt des Gastes zum Lachen zu bringen. “Ich bin ja ein echter Frauenmagnet – nur halt eben die abstoßende Seite” – hatte eigentlich jemand behauptet, man dürfe über Kalauer nicht lachen?
Nächster Programmpunkt, man hatte sich ein „Mädelsabend-Quiz“ besorgt. Ob man das auch als Männer spielen dürfe? „Auf keinen Fall!“. Cönig & Lebemann gaben sich rebellisch und machten‘s trotzdem. Man las sich gegenseitig Karten vor. „Der verrückteste Ort, an dem du Sex hattest?“ – „Puh, naja, ich glaube: In der Umkleidekabine bei H&M.
Musik mit Löffeln & Mord in Offenbach
Nette Idee der beiden, dennoch nur so semi-lustig. Der Autor bestellt sich noch ein Bier. War nicht noch Musik angekündigt?
Richtig, und genau diese verhalf dem Abend auch zu einer Kehrtwende zu großartiger Unterhaltung. Wobei: Musik?
Man konnte sicherlich drüber streiten, ob man das Musik nennen dürfe, wenn sich ein Mittdreißiger mit einem Löffel auf die Wangen schlägt und dabei tatsächlich Melodien produziert, die es vom Publikum zu erraten galt. „Wannnabe von den Spice Girls!“, brüllte eine Zuschauerin, „richtig, du bekommst ‘nen Schnaps!“ brüllte der Löffelkünstler zurück.
„Spiel doch mal Highway to Hell!“, ertönte es vom Tresen, der Künstler spielte. Sein Partner sinnierte derweil von einer „Spooning“-Karriere, feixte von Löffel-Konzerten auf Wangerooge. Der Autor schüttelt seinen Kopf, grinst breit und nippt am Bier.
Weiter im Text, im wahrsten Sinne des Wortes: Man wolle beim nächsten Mal eine Kurzgeschichte verlesen, verkündete das Duo, man bitte das Publikum um entsprechende Stichworte für die Rahmenhandlung.
Spielort? „Offenbach natürlich!“, ertönte es von irgendwoher aus der Zuhörerschaft. „Mordopfer?“ – „Na, Haftbefehl natürlich!“, nun brachte auch ich mich ins Geschehen ein. „Und Donald Trump!“, prompt wurde mein Vorschlag zur Vervollständigung des gängigen Klischees um den amtierenden US-Präsidenten ergänzt. „Ist notiert!“, sprach Lebemann, „Name des Ermittlers?“.
„Oprah Müller“ sollte den Fall klären, welcher sich nach weiterer Publikumsbefragung in einem Call-Center (!) ereignen sollte. Herrlich dämlich, ich jedenfalls war schon jetzt ganz gespannt auf die Kurzgeschichte, die Lebemann & Cönig zaubern werden.
Weiter im Text, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine weitere Kurzgeschichte, als kleines Gimmick aber verlesen in vom Publikum bestimmter Stimmlage. Der Geschichte selbst kann ich vor lachen kaum folgen. “Betrunken!”, schlug ich eine entsprechende Gemütslage für den Sprecher vor, dieser lallte auf Befehl. “Heiliger!”, ein Ruf von rechts, die Erzählung folgte prompt in sakralem Singsang; prompt verschluckte ich mich vor Lachen an meinem Bier. Wohl bekomm’s.
Anschließend war abermals das Publikum um Stichworte gebeten, fünf an der Zahl. Das peinliche Schweigen brach ich mit dem Ausruf „Pfandflaschenautomat!“, welchen ich durch die Trinkhalle schleuderte. „Wir lieben deine Kreativität, komm‘ wieder!“, sagte Cönig, innerhalb weniger Augenblicke wurde mein Stichwort um weitere Begriffe ergänzt. Darunter solche wie „Bananenschale“.
“Gib‘ mir den Beat!“, auf Kommando flutete ein simpler Oldschool-Beat die Räumlichkeit. Und Lebemann & König packten es, einen astreinen Freestyle zu spitten, der neben dem obligatorischen „Schön, dass ihr da wart!“ tatsächlich alle kurz zuvor genannten Begriffe enthielt. Ja, auch den Pfandflaschenautomaten! Ich jedenfalls zeigte mich begeistert und war baff. Reee-spect, meine Herren!
Ich komm’ wieder. Kommt ihr mit?
Jetzt, wo ich wieder zu Hause bin, habe ich mir als erste Amtshandlung einen Löffel in der Küche gegriffen. Und noch während ich damit auf meiner Wange herumklopfe, resümiere ich:
Auch, wenn nicht alle Gags gezündet haben, war dies ein unterhaltsamer Abend. Hatte ich in der heimeligen Atmosphäre der „Trinkhalle“ so noch nicht erlebt, und ganz sicher folge ich Cönigs Aufforderung. Und komme wieder. Kommt ihr mit?
Jeden zweiten mittwoch im monat könnt ihr künftig mit dabei sein, wenn Cönig & Lebemann wieder der meinung sind: “Frankfurt, wir müssen reden”.
“Wie ich verzweifelt versuchte, in Bockenheim einen Kaffee zu trinken” – dies wäre eine alternative Überschrift für diesen Beitrag gewesen. Genau so nämlich nahmen die Dinge ihren Lauf, die mich eine ziemlich überraschende und – wie ich finde – spannenden Entdeckung haben machen lassen.
Es war der letzte Abend des Jahres 2017 und ich eingeladen auf einer Silvester-Sause im Stadtteil Bockenheim. Naiv wie ich war nahm ich denn auch direkt mal an, ich könne noch einen Kaffee im studentischen Viertel erhalten, um vor der Feier noch in Ruhe einen Blick in mein neues Buch zu werfen.
Nun, dieser Plan ging nicht ganz auf. Zunächst einmal klapperte ich die “üblichen Verdächtigen” ab, Café Crumble, Albatros, Café KOZ. Ohne Erfolg, jegliche Türen waren verschlossen – geschlossen wegen Silvester. “Nun gut”, dachte ich mir, “wer geht schon am Silvesterabend Kaffee trinken?”
Koffein-Flaute in Bockenheim
Es galt also, die einschlägigen Kneipen aufzusuchen. In denen wird doch wohl nicht lediglich Bier, Apfelwein & Asbach-Cola erhältlich sein? Erster Versuch: Der Tannenbaum. Ein heruntergelassener Rolladen verkündet ausbleibenden Erfolg. Bei der “Volkswirtschaft” schaut es nicht anders aus, nun gut: Ich greife zum letzten aller Mittel, marschiere stramm zu “Doctor Flotte”. Die haben geöffnet, ganz klar, ich trete ein. Um die Theke versammeln sich – mittlerweile zeigt die Uhr halb sieben – Männer über 50, stimmen sich mit Zigaretten, Bier und dem obligatorischen Korn auf den kommenden Abend ein. “Für dich?”, fragt mich der Wirt, ehe ich Platz genommen habe. “Äh – einfach ‘nen Kaffee?”, sag’ ich, “ham’ wer net!” erfolgt die prompte Antwort.
Postwendend strauchele ich hinaus, meine Koffein-Sucht meldet sich gar schreiend zu Wort. Ich tue etwas, das ich ansonsten nie zu tuen wagte, laufe den Platz hinüber zum “Extrablatt”, der Filiale einer all dieser unsäglichen Ketten, die das Land mit Kampfpreisen, allerdings ohne Herzblut überschütten. “Am 31.12. geöffnet bis 18 Uhr”, ja leckt mich doch – ich greife zum letzten Mittel.
Das letze Mittel, das ist der Versuch, doch endlich einen heißen Kaffee beim “Sausalitos”, dieser mittelprächtigen Billig-Drink und Mexican-Fastood-Kette, deren Frankfurter Filiale in Bockenheim residiert, zu erhalten.
Doch auch hier: “Ab 18 Uhr geschlossen”:
Einfach – nur – ein – Kaffee!
Ich bin nervlich am Ende, während ich erfolglos an der Tür des “Sausalitos” rüttele. Ich scheiße auf mein Buch, der Schrei nach Koffein übertönt meine Wut. Eine Dreiviertelstunde lang laufe ich auf Entzug durch Bockenheim, da kann ich direkt weiter zur Silvester-Sause gehen – und hoffen, dass mir die Gastgeberin einen Kaffee zubereiten möge. Notfalls auch aus dem Instant-Glas. Auf meinem Weg durch die Kiesstraße bleibt mein Blick am Schild des gegenüberliegenden Wasserhäuschens hängen. Wo einst “Trinkhalle” stand, ist nun ein Buchstabe weggekratzt und ein Strich ergänzt – “Trinkt alle” ist nun zu lesen, ich lache und zücke mein Mobiltelefon für Foto.
“Ey, du fotografierst meinen Laden!”, lacht mich prompt jemand an, “wegen dem Schild!”, sag’ ich. “War ein kleiner Geistesblitz”, sagt mein Gegenüber aus dem Fenster des Büdchens hinaus – “ist mein Laden, schon seit drei Wochen!”.
Ich wittere meine große Chance. “Ja geil! Gibt’s in deinem neuen Laden denn auch Kaffee?” Gibt es, sagt der nette Inhaber. Ich bin unendlich erleichtert und trete ein.
Gemischte Tüte, Party, Nachbartreff
Ich trete ein, schön warm hier. Schaue mich um und bestell’ – endlich! – meinen langersehnten Kaffee. Der wird prompt serviert, was der wohl koste? “Äh – da muss ich selbst mal gucken, ist wie gesagt neu hier!”, sagt der nette Inhaber, wir stellen fest, dass wir uns bereits vom Sehen kennen. Macht zwo Euro, ich geb’ zwofuffchzich, stimmt so.
Neben gemischten Tüten steht ein Mischpult auf dem Tresen, es läuft Techno. “Kommste nachher zur Silvesterparty?”, werd’ ich gefragt, während ich auf der Sitzgruppe Platz nehme, die gegenüber den reich gefüllten Kühlschränken steht. “Ab 10 gibt’s Hip-Hop, ab Mitternacht Techno!”. Find’ ich ja ziemlich geil, aber bin ja eingeladen bei einer Freundin. Der Bass dröhnt, ich zücke mein Buch, die Bude füllt sich. Ein Haufen bierdurstiger Jungs macht es sich neben mir bequem, ruhiges Lesen kann ich vergessen.
“Einfach ein Treffpunkt für die Nachbarn”
Stattdessen quatsche ich ein wenig mit dem stolzen Neu-Inhaber der ehemaligen Trinkhalle, die nun “Trinkt alle!” heißt. Einfach ein Treffpunkt für die Nachbarschaft soll das hier werden, an Donnerstagen sogar mit Bar-Abenden. Es darf geraucht werden, die Kühlschränke sind gut gefüllt mit einer Menge Bier. “Binding gibt’s hier aber nicht”, werde ich belehrt, “dafür aber Glaabsbräu Hell – ein geiles Bier!”. Soll mir recht sein, auch wenn das alte Schild draußen anderes propagiert.
‘ne Toilette gibt’s auch, sodass langen Nächten für die Gäste nichts entgegensteht.
Und ich?
Bin derweil froh, einmal wieder eine völlig unverhoffte Entdeckung in meiner Stadt gemacht haben zu dürfen. “Trinkt alle!” ist nicht nur eine zeitgemäße Adaption einer altgedienten Trinkhalle samt gemischter Tüte und Bierkühlschrank, sondern tatsächlich ein unendlich sympathischer Ort samt Techno, Sitzgelegenheit und Charme. Sondern auch ein Ort, an dem man selbst am Silvesterabend einen feinen Kaffee trinken kann. Oder eben auch nach Feierabend einfach auch ein kaltes Bier aus dem Kühlschrank mit den Freunden. In jedem Falle aber ein Grund, Bockenheim einmal wieder Besuch abzustatten – auch wenn man selbst nicht dort lebt…
Irgendwann dann mache ich mich auf zur Silvester-Sause – und bin mir ganz sicher: Ich komme wieder!
Wart ihr auch schon dort, auf kaffee oder bier?
“Trinkt alle!” Frankfurt, Kiesstrasse Ohne Website oder Facebook (verrückte Welt!)
“Geh’ da bloß nicht raus!”, mahnte mich eindringlich mein Blick aus dem Fenster. es goss aus Eimern an diesem Samstag im Januar. “Na und?”, entgegnete entschieden meine Seele, “zieh’ dir eine dicke Jacke an und mach’ das Beste draus!”.
Und genau das hab’ ich dann getan. Fast täglich führt mich mein Weg durch die Glauburgstraße im Frankfurter Nordend, und immer wieder bin ich angetan von der Vielfalt all der alten und neuen Schilder, die man aufmerksamen Auges in ihr finden kann.
Zigaretten, Kopfhörer, Mobiltelefon – und natürlich eine dicke Jacke. Mehr brauchte es dann auch gar nicht, um einen kleinen Bilderbogen anzufertigen. Das anschließende heiße Bad, das hatte ich mir danach jedenfalls redlich verdient…
Folgt ihr mir auf meinem kleinen Streifzug durch den Schilderwald?
Die Klebebuchstaben mögen zwar schon etwas blättern – der Qualität der hier ausgeführten Schusterarbeiten dürfte dieser Umstand aber hoffentlich keinen Abbruch tun!
Ein echter Hotspot der Glauburgstraße ist das gleichnamige Café. Und ein erstklassiges Café, na klar, hat auch ein erstklassiges Eingangsschild!
…. schräg gegenüber die Glauburgschule, die natürlich auch entsprechende Beschilderung vorweisen möchte.
Wie lange hier wohl schon große und kleine Kinderträume erfüllt werden? Dem Schild nach schon eine ganze Weile. Ich werfe einen Blick ins Schaufenster und seufze – noch einmal Kind sein!
“La Vie en Fleur” – einen Hauch französischer Lebensart versprüht das Blumen- und Dekorationsgeschäft, welches vermutlich schon manch Haussegen gerettet hat.
Aus einer Zeit, in der Kleidung noch nicht als Wegwerf-Artikel betrachtet wurde, stammt offensichtlich das Schild dieser Schneiderei.
Friseur, Antiquitätenhandel oder gleich beides? Man weiß es nicht…
Wenn’s nicht nur sauber, sondern auch hübsch wird – dann war’s wahrscheinlich dieser Laden. Und die Uhrzeit gibt’s gleich gratis dazu.
Kleines Gimmick im Schlafzimmer: Ein betagtes “Afri-Cola”-Blechschild. Und untendrunter wirkt der Meister.
Mindestens genauso sehr wie den Apfelwein liebe ich die Mosaikfassade der “Apfelweinwirtschaft Frank”. Eine kleine Zeitreise in frühere Tage (oder besser: Abende) Frankfurter Kultur…
Dagegen recht kühl und nüchtern präsentiert sich ALDI. Neuerdings werktags geöffnet bis 22 Uhr.
Hinter diesen Kacheln verbarg sich lange Zeit lang ein Kiosk – heute aber kann man dahinter statt Binding Export ganz vorzüglich Kaffee schlürfen und frühstücken…
Ein Schild, das nie erlischt: Gefühlt immer geöffnet hat diese Spielhalle…
In Waschsalons soll sich ja bereits die gesamte Bandbreite menschlicher Schicksale zugetragen haben. Hier allerdings herrscht an diesem Samstag eher Katerstimmung.
Nun, eine besonders teure Agentur scheint dieses türkische Lebensmittelgeschäft nicht für das Design seines Schildes engagiert zu haben. Einkaufen gehe ich hier trotzdem gern!
Die Leuchtbuchstaben von “Optik Schreyer” stammen ohne Zweifel aus den 1950er/1960er Jahren – und beglücken mich hoffentlich noch lange mit ihrem Anblick!
… selbiges gilt für den Friseursalon nebenan. Ein Traum, oder?
… “Brush Script MT”? Oder wie hieß diese Schriftart doch gleich?
Apfelwein, Binding-Bier und Unterhaltung verspricht das Stalburg-Theater samt angeschlossener Wirtschaft.
Der Fotograf spiegelt sich in der Scheibe, hinter der ein recht antik wirkendes Schild für Dienstleistungen am Textil wirbt…
“Blubb Blubb, ich bin ein Fisch!” – und genau den kann man hier kaufen…
Nicht mehr ganz konform mit der geltenden Rechtschreibung sind diese Schilder eines irre sympathischen Fotogeschäfts…
Wie auch das beworbene Unternehmen scheint auch das rechte Schild schon bessere Tage gesehen zu haben…Nebenan verspricht ein Laden wahre Wunder…
Ich ganz persönlich mag ja Leuchtkästen. Ihr auch?
Die Glauburgstraße: Eine Meile voller Schilder-Vielfalt. Habt ihr auch so große Freude an ihr wie ich?
Es ist ein ein eigenartiges Gefühl, dieser Tage durch die Stadt zu schlendern. Man selbst scheint gedanklich noch am Christbaum festzukleben, ja kann Weihnachten denn wirklich schon vorüber sein, während man durch die Straßen irrt, sich im Supermarkt ums Eck mit Feuerwerk und Wodka aus dem Angebot für die nahende Silvestersause eindeckt.
Frankfurt erscheint dabei befremdlich verlassen, in diesen Tagen Ende Dezember, “zwischen den Jahren”, wie man so schön sagt. Wo auf Mainzer- oder Friedberger Landstraße sonst die Autos Stoßstange an Stoßstange kleben, könnte man guten Gewissens seine Kinder spielen lassen. Im Restaurant bekommt man einen freien Tisch, ohne drei Wochen vorher reserviert zu haben – und auch in den U-Bahnen der Linie U4 lässt es sich ganz unversehen auf einem freien Sitzplatz niederlassen.
Der Alltag unserer Stadt, er hat Pause eingelegt. Kaum jemand muss ins Büro, viele Frankfurter genießen ihre verlängerten Weihnachtstage im Kreise ihrer Liebsten, irgendwo da draußen in dieser Republik. Sind verreist über Silvester, so oder so, sie sind: weg.
Nun, ich will mich nicht beschweren, habe doch auch ich meinen erheblichen Beitrag zu einem verlassenen Gesamteindruck, zu leeren Straßenzügen und U-Bahn-Zügen beigetragen. Über Weihnachten dienstlich unterwegs im Lande, habe ich meine anschließenden freien Tage beim Wandern im Taunus und traditionellem Ausflug nach Marburg verbracht. Wieder zurück, stimmt mich der Anblick meines verlassenen Frankfurts aber dennoch ein wenig schwermütig. Ungewohnte Ruhe.
Einen freien Nachmittag mit Büchern im Café zu verbringen, wird zur Herausforderung. “Wir haben Urlaub!”, verkünden in geschwungenen Lettern Zettel hinter geschlossenen Glastüren ihre unheilvolle Botschaft. Und ein kurzer, heftiger Schneefall verkündet just zum Ende des Jahres, dass auch Frankfurt sich im Winter befindet.
Wenn der Alltag wieder einzieht
Neben mit kindlicher Freude auf verschneite Autoscheiben gemalte Herzen bleibt die wohlige Gewissheit, dass die Stadt schon ganz bald ihren Alltagsbetrieb wieder aufnehmen wird. Dass U-Bahnen wieder chronisch überfüllt, dass Cafés bevölkert, Straßen verstopft sein werden.
Schön zu wissen, dass die fleißigen Mitarbeiter am Neujahrstag die Spuren der Silvesternacht beseitigen werden, die Stadt anschließend wieder aussehen wird wie geleckt. Schön zu wissen, dass bald ein jungfräulicher Kalender an der Wand hängen wird, ein jeder Tag darauf neue Abenteuer verspricht. Dass auch 2018 Frankfurt Tag für Tag darauf wartet, entdeckt zu werden.
Ehe wir uns versehen, wird es Februar werden. Wir werden entweder stoisch die närrischen Tage ignorieren oder am Faschingssonntag im Kollektiv ausrasten auf dem Römerberg. Und vorher all unsere guten Vorsätze über Bord geworfen haben, uns gemütlich eine Zigarette anzünden – und zur Karteileiche im Fitness-Studio…
Wir werden ein neues Stadtoberhaupt wählen, über die geringe Wahlbeteiligung meckern. Werden uns über astronomische Mietpreise beklagen, dennoch brav Monat für Monat beträchtliche Summen auf die Konten glücklicher Immobilienbesitzer überweisen.
Wir werden uns über die Unpünktlichkeit der VGF beschweren, werden uns über Nachrichten aus dem Bahnhofsviertel erregen. Werden spätestens an Pfingsten Kummer und Sorgen im Stadtwald zu vergessen suchen, schließlich ist Wäldchestag. Werden mit den ersten Sonnenstrahlen hinausströmen in den Stadtwald und ans Mainufer, werden uns ganz sicher sein, dass dieses Jahr ganz sicher “unser Jahr” wird.
Werden ganze Stunden unserer Lebenszeiten in der Schlange vor dem Brentanobad verschwenden, werden glücklich sein, jede Distanz mit dem Fahrrad bewältigen zu können. Werden uns am MainCafé von der Sonne streicheln lassen, nach Feierabend unsere Picknickdecken ausbreiten und erst nach Mitternacht wieder einpacken.
Wir werden Ausflüge zum Langener Waldsee unternehmen, Radtouren an der Nidda, Wanderungen auf den Feldberg. Geliebte Geschäfte werden schließen, darin anschließend Burger-Bratereien eröffnen.
Wir werden beim “STOFFEL” lange Sommernächte verbringen, werden vom Sommerurlaub gebräunt all die vielen Straßenfeste zelebrieren. Werden über Flohmärkte schlendern, uns über unverschämte Preise am Opernplatzfest und zu wenig Platz und Handyempfang am Museumsuferfest beschweren. Wir werden feiern, werden tanzen, werden uns aufregen über wilde Mietfahrrad-Ansammlungen in den Innenstadt. Werden uns bei der Bahnhofsviertelnacht durchs Gedränge schieben und am Ende dennoch mit kaltem Bier in der Hand vor dem nächstbesten Kiosk landen. Werden mal wieder viel zu lange unterwegs sein, auf dem Weg nach Hause nach genau einem Gin Tonic zu viel noch ein Katerfrühstück beim Bäcker erstehen.
Ja, bis wir dann irgendwann die fallenden Blätter im Ostpark beobachten, feststellen, dass die warmen, langen Tage schon vorüber sind. Werden öfters in Museum und Theater gehen, irgendwann feststellen, dass alle Straßenfeste gefeiert sind. Und feststellen, dass wir schon jetzt mal wieder – oh yeah! – viel zu viel Geld für unnützen Scheiß auf der Zeil ausgegeben haben werden.
Alles wie immer…
Doch bald schon, da ist Weihnachtsmarkt, und prompt folgt die Erkenntnis:
Ist das neue Jahr schon um? Ja, war denn nicht auch in diesem Jahr alles… irgendwie… wie… immer?
Ja, das wird es ganz sicher gewesen sein. Das Kalendarium des Stadtlebens, es mag recht stetig sein und vorhersehbar. Doch das Geheimnis des Glücks, es liegt in jedem einzelnen dieser Tage, in all den Momenten, von denen ihr jetzt noch nicht wissen könnt, dass ihr sie erleben dürft. Doch kann es nicht auch ein ganz und gar wunderschönes Gefühl sein, eine Gewissheit unschätzbaren Werts, dass eigentlich alles doch so wird wie immer? Fein säuberlich im Lauf des Jahres terminiert und doch so spannend?
Jeder Eintrag im städtischen Terminkalender ist eine Versprechung.
Vertraut darauf, dass irgendetwas geschieht, auf die Verheißungen eines jeden Moments im neuen Jahr. Genießt das Gefühl, dass jede Sekunde des neuen Jahres Ungeahntes offenbaren kann, lasst euch von ganzem Herzen darauf ein. Von Stadt und Leben überraschen, statt Erwartungen zu hegen.
Denn Frankfurt ist, was du draus machst.
In diesem Sinne: Einen guten Rutsch hinein ins neue Jahr 2018, Freunde!
Nun, auch nach all meinen Jahren hier in Frankfurt konnte ich mir noch kein abschließendes Urteil über das oft als “Kult-Kiosk” bezeichnete “YokYok” bilden. Klar, wir Frankfurter können zurecht stolz auf unsere weit in die Stadtgeschichte hinein reichende Wasserhäuschen-Kultur sein. Den seit Jahren grassierenden Hype um das Kiosk konnte ich dagegen nie so recht verstehen.
Nüchtern betrachtet (ja, ich weiß, das tut man in diesem Kontext für gewöhnlich selten!) ist das “YokYok” nämlich genau das:
Ein Kiosk auf der Münchener Straße, dessen vielgepriesene Bierauswahl locker von einem jeden durchschnittlichen Magedburger “Späti” ausgestochen wird. Von denen der Hauptstadt mal ganz zu schweigen. Auch ihre soziokulturelle Rolle als Treffpunkt für Jedermann spielen Kioske in der gesamten Republik, ohne explizit dafür gefeiert zu werden.
Aber dennoch – das “YokYok” ist nicht nur eine Frankfurter Besonderheit, sondern längst fest etablierter Bestandteil des Stadtlebens. Wer an einem lauen Sommerabend schon einmal Schlange vor dem Kiosk-Kühlschrank, weiß, wovon ich rede.
Inhaber Nazim Alemdar ist jedenfalls nicht nur ein überaus sympathischer Zeitgenosse und ein engagierter Bewohner des Bahnhofsviertels, sondern obendrein auch findiger Geschäftsmann: Nicht nur, dass die Bierpreise am Kiosk-Kühlschrank bald Kneipen-Niveau erreicht haben – auch ein eigenes “YokYok”-Bier ist genauso erhältlich wie seit kurzem der ein “YokYok”-Wodka. Ein Kiosk als Marke, das scheint zu funktionieren.
Wo es schon gerade mit dem Stammhaus so gut läuft, hat Alemdar denn auch gleich eine Dependance seines Lebenswerks in der Fahrgasse eröffnet.
In diesem soll neben dem Bierverkauf auch die Kunst im Vordergrund stehen. Erste Experimente mit kleinen Ausstellungen werden im “ersten” YokYok schon seit geraumer Zeit gewagt; ein ehemaliger Lagerraum bietet zwar nicht viel Platz, ermöglicht dennoch eine ziemlich einzigartiges Get-together von Kiosk, Kunst & Kultur. Genau diese spannende Mischung ist es dann wohl auch, die mir hat das “YokYok” ans Herzen wachsen lassen – obwohl ich Berlin ja immer nur für all seine “Spätis” beneide.
Nach dieser Mischung war es mir auch an einem tristen Dezembertag. Die Weihnachtsgeschenke waren besorgt, noch Zeit übrig – Zeit für einen Abstecher ins Bahnhofsviertel und die Fahrgasse! Folgt ihr mir?
“Weihnachtswünsche aus der Elbestraße”: Ausstellung im YokYok (alt)
Wer sich auch nur ein wenig mit den Geschehnissen im Bahnhofsviertel beschäftigt, wird schnell über Ulrich Mattner stolpern: Als Fotograf, Bewohner des Viertels und Kenner der dortigen Szenen hat er sich längst einen Namen gemacht.
Nun zeigt er in einer Ausstellung im kleinen Nebenraum des “YokYok” Portraits von Suchtkranken aus dem Bahnhofsviertel, ergänzt um deren Wünsche zu Weihnachten. Als ich die schwarzweißen Fotografien betrachte, fühle ich wie immer Mitleid mit diesen Menschen: An welchem Punkt in ihrem Leben war niemand da, der sich ihrer annahm und ihnen helfen konnte? Jedenfalls bin ich unendlich froh darüber, dass meine Stadt längst erkannt hat, dass die Menschen, die mich auf den Fotografien hier anschauen, nicht “die Bösen” sind. “Die Bösen”, das sind im Frankfurter Bahnhofsviertel nämlich die Menschen, die ein Geschäft mit Sorgen, Nöten & Süchten ebendieser Suchtkranken machen.
Besonders berührt mich auch ein großes Mosaikbild, das als Teil der Ausstellung zahlreiche Aufnahmen einer jungen Frau zeigt. Jennifer Blaine war lange Zeit selbst eine der armen Gestalten im Bahnhofsviertel, deren Alltag allein aus Drogenbeschaffung und Konsum bestand. Ein Methadon-Programm hat ihr den Weg zum Ausstieg bereitet. Die einzelnen Aufnahmen von ihr zeichnen ein Portrait von Glück, Absturz, Gewalt, Elend und Hoffnung. Wie viel Hoffnung sie auch in den schlimmsten Zeiten ihres Lebens in sich trug, lässt sich aus ihren Zeichnungen und Notizen aus ihrer Zeit auf der Straße herauslesen. “Einmal die Böhsen Onkelz kennenlernen”, “einmal meine Clique von früher wieder treffen” wünscht sie sich darin. Dass sie dagegen schreibt, sie habe ihren größten Wunsch bereits aufgegeben, nämlich mit einem Mann eine Familie zu gründen, macht mich traurig.
Für den Mut, Menschen wie mir Einblicke in ihre intimsten Gedanken und Sorgen zu gewähren, gehört Jennifer Blaine großer Dank! Ich jedenfalls hatte eine Gänsehaut, als ich mich durch ihre Aufzeichnungen geblättert habe. Ich wünsche ihr und all den armen Menschen da draußen auf der Elbestraße jedenfalls schon jetzt frohe Weihnachten. Und ein neues Jahr, in dem alles besser wird, zumindest ein bisschen. Ich wünsche euch Hoffnung!
Das “Kunst-Kiosk” zum “Kult-Kiosk”: Ein Besuch bei YokYok (neu)
Nun existiert – ich erzählte oben schon davon – also noch ein zentraler Ableger des “YokYok”. Die Räumlichkeiten in der Fahrgasse sollen vorrangig der Kunst gehören, was aber nicht bedeutet, dass es hier kein Bier gäbe:
Geradezu cineastisch inszeniert wirken die Kühlschränke, die das flüssige Gold in gewohnt großer Auswahl präsentieren. Die obligatorischen Haushalts- und Hygieneartikel (braucht noch jemand Zahnbürsten?), die man bereits aus dem “Stammhaus” kennt, findet man ebenso in den Regalen wie Frankfurt-Souvenirs.
“Zumindest die Chinesen stehen darauf!”, sagt die nette junge Frau am Tresen. Ich dagegen stehe eher auf die reichhaltige Bierauswahl und die herrliche Mischung aus Kiosk und Kunst. “Man darf hier auch ruhig einfach zum Lesen kommen, bring’ dir ruhig was zum Essen mit!”, wird meine Frage nach der Eignung des “Kunst-Kiosks” als persönlicher Rückzugsort beantwortet. Finde ich klasse!
Gerade noch rechtzeitig besinne ich mich auf den eigentlichen Grund meines Kurzbesuchs: Die Kunst!
Diese gibt es momentan von gleich vier Künstlern zu bewundern – und bei Gefallen auch zu kaufen. Statuen der Münchner Künstlerin Nina Hurny Pimenta Lima (heißt wirklich so!), Gemälde und Puppen von Max Weinberg, Ilka Hendriks & Ulaş Bedük machen sich auf gewitzte Art und Weise ziemlich gut zwischen Flaschenbier und Chipstüten.
Das “neue” YokYok soll – gleich dem Original – als Treffpunkt für Menschen jeglicher Couleur dienen. “Einfach mal vorbeischauen” ist gern gesehen – auch ich bereue keine Sekunde, in denen ich neugierig den Laden gemustert habe. Ich schau’ gern wieder vorbei – dann auch gerne auf ein Bier!
Die Ausstellungen wechseln übrigens bereits im Januar. Es bleibt also spannend in der Fahrgasse!
Und ihr so, liebe Leser?
Lasst ihr das Kiosk mal dezent ein (teures) Bahnhofs-Kiosk sein? Oder habt ihr das “YokYok” längst als Treffpunkt entdeckt, besucht vielleicht sogar gern und regelmäßig Ausstellungen? Ich jedenfalls werde bald wieder in Berlin sein – und vermutlich feststellen, dass es dort zwar jede Menge “Spätis” mit mindestens ebenbürtiger Bierauswahl geben wird. Doch das “YokYok” ist eben das “YokYok”.
Die 100.000 Euro-Marke auf dem Spendenkonto für den Wiederaufbau des Goetheturms ist geknackt!
Außerdem entschieden die Frankfurter online darüber, dass der abgebrannte Turm in bewährter, einfacher Holzkonstruktion wieder errichtet werden soll. Ganz ohne barrierefreien Schnickschnack, ganz ohne sonstiges Brimborium. Zwar deckt die Versicherung die Umsetzung heutiger Bauvorschriften nicht vollständig ab, mit Glück bleibt aber noch eine Menge Kohle auf dem Spendenkonto über.
Was nur anstellen mit dem ganzen Geld? Nun, dies entscheiden unsere lieben Stadtverordneten im Römer. Gerne aber greife ich den werten Damen und Herren ein wenig unter die Arme:
Mit diesen elf Ideen für eine wirklich sinnvolle Verwendung des überschüssigen Spenden-Geldes!
1. Rad-Schnellweg auf der Zeil
Im wilden Zickzack schwerstbepackten Passanten ausweichen, die sich und ihre Primark-Tüten erst im letzten Moment durch einen beherzten Sprung in Sicherheit bringen: Radfahren auf der Zeil gleicht einem Abenteuer mit stets ungewissem Ausgang. An ein zügiges Vorankommen ist aufgrund der permanent notwendigen Ausweichmanöver ohnehin nicht zu denken, sodass man eigentlich gleich absteigen könnte.
Dabei könnte doch alles so einfach sein! Ein Fahrradschnellweg inmitten der Zeil würde für eine saubere Trennung von Radfahrern und Shopaholics sorgen. Freie Fahrt für die Einen, körperliche Unversehrtheit für die Anderen: Happiness für alle! Nach außen hin gesichert würde der Radschnellweg idealerweise mit Panzersperren, von denen nach dem Ende des Weihnachtsmarktes ohnehin einige übrig blieben durfte.
Nicht zuletzt die hässlichen Junkfood-Pavillions in der Straßenmitte – würde die etwa ernsthaft irgendwer vermissen?
2. Anständiger Schobbe für ABC-Schützen
Traurig, aber Alltag an Frankfurter Grundschulen: Selbst mit finanzieller Unterstützung des Sozialamts können sich zahlreiche ABC-Schützen am Schulkiosk gerade mal ’ne nach Autoreifen schmeckende BiFi leisten, nur mit Glück ist eine Capri-Sonne drin. Ein anständiger Schobben zum Mittagsmahl? Fehlanzeige!
Pädagogen und Ernährungswissenschaftler sind sich einig: Eine vollwertige, gesunde Kost schaut anders aus!
Kinder sind unsere Zukunft, ihr Wohlergehen sollte uns am Herzen liegen. Und was braucht es zum Wohlergehen unserer Kleinen? Richtig: Vitamine! Zahlreiche davon sind in Äpfeln zu finden; aus zahlreichen Äpfeln wiederum besteht Apfelwein.
Was läge also näher, als unserem Nachwuchs ein „Bembelgeld“ für den Sauergespritzten vor der Doppelstunde Deutsch zur Verfügung zu stellen?
A propos Deutsch: Ein gemeinsames Einnehmen des Schobbens stärkt nicht nur das Immunsystem, sondern macht gleichzeitig Schülern mit Migrationshintergrund vertraut mit den heimischen Gepflogenheiten und ist somit beste Voraussetzung für die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben.
3. Hobbykeller für Eisenbahn-Rainer
Er ist der berühmteste Obdachlose der Stadt und geriet gar zum Politikum: “Eisenbahn-Rainer”, der ein Stück weit prominent würde, weil er den von ihm angestammten Platz unweit der Zeil verlassen musste.
Nun sitzt er wieder da, diesmal aber mit vom Ordnungsamt ausgestellter Sondergenehmigung. Baut Tag für Tag seine beachtliche Modelleisenbahn auf, wird freudig von Passanten gegrüßt. In diesen kalten Tagen wird ihm auch mal ein wärmender Becher Kaffee in die Hand gedrückt, und dennoch bleibt: Das Leben auf der Straße.
geklaut von hamburgmuseum.de
Ist es nicht allerhöchste Eisenbahn (ha! Wortwitz!), dem Eisenbahn-Rainer einen Hobbyraum zu spendieren, in dem seine Eisenbahn auch nachts ihre Runden drehen kann? In dem Rainer jede Nacht ein warmes Bett hat? Mit viel Platz für Freunde und Besuch?
Ich denke, ja. Es ist Weihnachtszeit. Lassen wir unseren Worten Taten folgen und seien wir barmherzig.
4. Double für Feldmann-Double
Wer aufmerksam die Berichterstattung des Frankfurter Amts für Kommunikation für Stadtmarketing verfolgt, der weiß: Der Tag unseres geschätzten Oberbürgermeister müsste eigentlich 60 Stunden haben. Wie auch anders könnte das Stadtoberhaupt auch derart omnipräsent sein?
Wie kann er am Vormittag den Frühschoppen der Tischkick-Freunde 1872 Oberrad e.V. begießen, während er zeitgleich eine Delegation einer Partnerstadt auf dem Römerberg begrüßt? Wie kann er nachmittags mit der ABG verhandeln, während er im selben Moment öffentlichkeitswirksam eine Kunstausstellung eröffnet und einen Baum im Anlagenring pflanzt? Wie kann er abends in die Kameras beim Eintracht-Spiel winken, während er sich doch im selben Moment vor Ort von den Zuständen im Bahnhofsviertel überzeugt? Dabei stehts im Dialog mit dem Bürger bleiben?
Die Lösung ist so einfach wie naheliegend. Nach dem dritten Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt plauderte Stadtrat und Parteikollege Mike Josef aus dem Nähkästchen: “Dass der Peter längst ein Double hat, das ist im Römer offenes Geheimnis! Wie sollte er ansonsten derart präsent sein?”
eiskalt kopiert von skylineatlas.de
Bei der Vielzahl von Feldmanns (echt) und Feldmanns (Double) Terminen und Auftritten in der Frankfurter Öffentlichkeit ist allerdings zu befürchten, dass Feldmanns Doppelgänger bereits am Rande zum Burnout steht, unverzüglich entlastet werden muss.
Um ihm ein Klinik-Leben zwischen Psychopharmaka und Achtsamkeitsübungen zu ersparen, sollte dringend Geld für ein Double von Feldmanns Double bereitgestellt werden. Und wir Bürger? Könnten uns auf noch mehr Feldmann freuen. Immer und überall.
5. Eine junge Stute für die „Stute“
Sie hat mal 4.000 Mark auf dem Flohmarkt gekostet und begrüßt schon seit über 30 Jahren durstige Gäste in der Kult-Kneipe „zur guten Stute“ mit einem nimmermüden Wiehern.
Doch so sehr sich Wirt Ivo auch um artgerechte Haltung und Pflege der guten Stute bemüht: 30 Jahre in der Kneipe gingen auch am namensgebenden Pferd nicht spurlos vorüber.
Die Zähne gelb vom ewigen Rauch ringsum, das Fell weist erste Lücken auf und hat auch schon mal mehr geglänzt: Zeit, den alten Gaul in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken!
Würde eine neue gute Stute angeschafft, so könnte die alte ihren Lebensabend endlich in einer ruhigen Umgebung abseits des Kneipentrubels genießen. Vielleicht ja in Opel-Zoo oder dem historischen Museum?
6. Münzfernrohr für Offenbach
Es ist ja ganz nett anzuschauen, das neu gestaltete Becken des Offenbacher Westhafens. Auch die neuen, teuren Blockbau-Wohnungen ringsum sind sicherlich recht schön. Doch wenn die Neu-Offenbacher verträumt aus dem Fenster ihres Apartments starren, während sie auf den Lieferando-Boten warten, dann blicken sie eben doch auf: OFFENBACH.
Seien wir barmherzig und spendieren wir Ihnen ein Münzfernrohr am Becken ihres Hafens. Ermöglichen wir Ihnen einen wirklich schönen Ausblick – den auf Frankfurt nämlich.
Mit den Einnahmen aus dem Münzfernrohr könnten auch mittelfristig die hier vorgeschlagenen Projekte finanziert werden. In Frankfurt, versteht sich.
7. Bällchenbad für Fußballfans
Mal ist’s der Triumph über den Sieg, mal der Frust über die Niederlage: Der Besuch eines Bundesligaspiels setzt bei den Anhängern der Mannschaften nur allzu oft überschüssige Energien frei. Da werden gleich nach Abpfiff unflätige Lieder angestimmt, da werden Mütter gegnerischer Fans beleidigt. Manchmal gar nutzt man die Abgeschiedenheit des Stadtwalds, um sich gegenseitig eins auf die Mütze zu geben.
Gelingt es den Fußballfans nicht, noch vor Ort ihre überschüssigen Energien abzubauen, erfolgt meist eine Fahrt in die Frankfurter Innenstadt. Ist diese nach nur einer Stunde Fahrt mit der S-Bahn erreicht (unterwegs wurde gleich dreimal die Notbremse betätigt…), geht das wüste Treiben munter weiter.
Insbesondere Anhänger auswärtiger Fußballmannschaft lassen hier auch gerne mal städtisches Mobiliar zu Bruch gehen.
Schluss damit, das muss nicht sein!
(c) mamainessen.de
Ein Bällchenbad in der Nähe des Waldstadions würde Fußballfans dabei helfen, ihr Zuviel an Energie auch sozialverträglich abzubauen. Bunte Plastikbälle minimierten das Verletzungsrisiko, auch die Beamten der Polizei empfänden eine Schlacht im Bällchenbad sicher als angenehme Abwechslung zu ihrem ansonsten oftmals tristen Dienstalltag.
Ausgepowert und mit sich und der Welt im Reinen, würden selbst auswärtige Fans mit Sicherheit eine echte Bereicherung für unsere Stadt. Bällchenbäder schaffen Frieden, lasst uns eines finanzieren!
8. Sofortrente für Sternzeichen-Mann
Er ist der wohl einzige Frankfurter Bedürftige mit eigener Facebook-Fanpage und auch ihr habt sicherlich schon seine Bekanntschaft gemacht:
Der „Sternzeichenmann“ ist – ähnlich wie Peter Feldmann, siehe oben – omnipräsent in der Stadt, man trifft ihn immer und überall.
Der „Sternzeichenmann“ wird so genannt, weil er nicht einfach um Geld bittet, sondern gegen eine kleine Spende kleine Zeichnungen mit den verschiedenen Sternzeichen unters gönnerhafte Volk bringt.
Wer keine Verwendung für ein solches Bild sieht und das Geschäft dankend ablehnt, bekommt ungefragt ein rührendes Gesicht vorgetragen.
Eigentlich gar kein Problem, insbesondere weil der gute Mann stets freundlich und respektvoll agiert. Dennoch bleibt anzumerken: Da der „Sternzeichenmann“ immer und überall im Stadtbild präsent ist und man somit gern auch mehrmals am Tage in seine (wenn auch netten!) Geschäftsgebahren verwickelt wird, kann‘s ein mit der Zeit ein wenig anstrengend werden.
Irgendwann hat auch der letzte Frankfurter sein Heim mit Sternzeichenbildern tapeziert, irgendwann sollte auch der nette „Sternzeichenmann“ einmal schlafen und zur Ruhe kommen dürfen.
Spendieren wir ihm eine monatliche Sofort-Rente, damit er nicht mehr rastlos umherstreifen muss – und wir Frankfurter auch mal anderen Geschäften nachgehen können…
9. Urlaub für empfindliche Anwohner
Das Kultur-Festival „STOFFEL“ im Günthersburgpark und der weltbekannte Frankfurter Weihnachtsmarkt auf dem schönen Römerberg: Zwei Veranstaltungs-Highlights, wie sie schöner nicht sein könnten. Eigentlich.
Denn Jahr für Jahr schmälern jeweils einzelne Anwohner die Freude der Besucher. Das Recht des Einzelnen auf gesittete Nachtruhe und einen mitteleuropäischen Lernpegel wiegt schwerer als das Recht auf Konzertfreuden und den siebten Glühwein – was leere Bühnen auf dem STOFFEL und ein Ende des Weiznachtsmarkts um 21 Uhr zur Folge hat. NOCH!
Schicken wir die beiden lärmempfindlichen Anwohner doch einfach während des Festivals und Weihnachtsmarktes in den Urlaub!
Bezahlen wir Ihnen eine Auszeit an einem ruhigen Ort! Im Ural beispielsweise soll es ziemlich still sein; wird frühzeitig gebucht, ist vielleicht sogar All inclusive drin.
Das restliche Frankfurt kann dann weiterfeiern. Tanz und Glühwein inklusive.
10. Eine Henne für den „Brickegickel“
Nach jahrelanger Abwesendheit (vielleicht war er in Afrika?) ist in diesem Jahr endlich unser „Brickegickel“ an seinen angestammten Platz an der alten Brücke zurückgekehrt.
Bild geklaut bei Wikipedia
Groß und Klein scheinen über diesen Umstand gleichermaßen erfreut, werfen liebevolle Blicke auf den Vogel. Nur eine Frage, die stellt sich niemand:
Fühlt er sich nicht ein wenig einsam, unser „Brickegickel“? Auch Vögel sind soziale Wesen, haben Bedürfnisse. Besorgen wir dem Gickel also eine adrette Henne, damit er nicht mehr alleine auf den Main starren muss. Mit Glück gibt‘s irgendwann auch Nachwuchs – und bei der Vorstellung an all die kleinen „Gickelchen“ schmilzt mein Herz schon jetzt dahin…
11. Winterboots für diese Dame
Wie bitte, immer noch Geld übrig? Wie schön! Dann nämlich können wir obendrein dieser unbekannten jungen Dame ein paar Winterstiefel spendieren:
Ich jedenfalls empfand eine gehörige Portion Mitleid, als sie neulich am Stoltze-Platz an mir vorüberstiefelte… pardon: tütete.
“Frage nicht, was deine Stadt für dich tun kann – frage dich selbst, was du für deine Stadt tun kannst!” – Getreu diesem Crédo habe ich nun gleich elf (meiner meinung nach) hervorragende vorschläge gemacht, den spenden-überschuss zu verprassen möglichst sinnvoll und zum wohl aller zu investieren.
Habt ihr bessere Ideen? Dann lasst sie mich gern wissen!
Ich warte derweil auf eine zügige Umsetzung durch das Frankfurter Stadtparlament….
Na, habt ihr schon entnervt die Augen verdreht, als ihr den Titel dieses Beitrags gelesen habt? Es ist Dezember, Vorweihnachtszeit – und neben “Last Christmas” im Radio wird von jedem drittklassigen Fernsehsender ein Rückblick auf das bald vergangene Jahr präsentiert.
Und nun kaut also auch der Matze noch lang und breit sein Jahr 2017 durch? Na, aber sicher doch! Weil’s ihm persönlich einfach wichtig ist, weil kurzes Innehalten und Resümieren einfach wichtig ist. Und solltet ihr, liebe Leser, bis hierhin mitgelesen haben – dann könnt ihr meinem Blick zurück glatt folgen, oder?
365 Tage. Mancher nur Alltag, mancher Abenteuer. 365 mal Aufwachen, manchmal aufgekratzt vor Freude, manchmal auch gelähmt vor Sorge. Wo fängt ein Rückblick an, wo hört er auf? Vielleicht beginne ich bei den Vorsätzen, die ich vor ziemlich genau einem Jahr für 2017 gefasst und festgehalten hatte. Was wohl aus ihnen geworden ist?
Von Ängsten und vom Reisen
Wenn ich heute lese, welch Entschlüsse ich vor ziemlich genau 12 Monaten getroffen hatte, muss ich schmunzeln. Ich wollte mich meinen Ängsten stellen, endlich einmal alleine ins Ausland verreisen. Gesagt, getan – das neue Urlaubsjahr läutete ich mit einem kleinen Städtetrip nach Budapest ein. Alleine, versteht sich! Ich war, das muss ich gestehen, ziemlich aufgeregt – aber verdammt froh und ein wenig stolz auf mich, als ich drei Nächte später wieder nach Hause kam.
Ja, ich hatte Blut geleckt:
Wollte ich mich mit drei Nächten beim ersten Mal nicht gleich überfordern, wurde ich wagemutig und plante, kaum zurückgekommen, eine Mietwagen-Rundfahrt an der Algarve. Abermals allein, eine knappe Woche lang. Flüge, Mietwagen, und Unterkunft hatte ich schneller gebucht, als ich nachdenken konnte. Zum Glück! Denn wären mir Zweifel gekommen, hätte ich diese wundervolle Zeit in Portugal niemals erleben dürfen. Nicht alles verlief reibungsfrei – doch gerade an den kleinen Unwägbarkeiten dieser Reise bin ich ganz sicher auch gewachsen. Hey, wer kann schon von sich behaupten, einmal ohne Sprit im Tank auf einer portugiesischen Autobahn liegengeblieben zu sein? Der erste Blick hinab ins Tal von Lissabon entschädigte jedoch für alles und wird für immer eingebrannt in meinem Gedächtnis bleiben.
Die nächste Reise unternahm ich dann doch lieber in Gesellschaft. Und zwar in allerbester, nämlich in Form meines Freundes Michael. Als wir Quedlinburg als Ziel auserkoren, wussten wir beide nicht recht, was uns erwartet. Dass es dort recht schön sein sollte, hatten wir beide bereits vernommen – nach vier Tagen im Harz konnten wir dies ausnahmslos bestätigen. Beim Wandern auf den Brocken herrschten sibirische Temperaturen und eine Sichtweite weit unter 30 Zentimetern: Die Fahrt mit dem Dampfzug durch die verschneiten Landschaften sowie die Spaziergänge durch Wernigerode, die Abende in ostdeutschen Kneipen sowie das wunderschöne Fachwerk in Goslar gehören dennoch zu meinen schönsten Erinnerungen an das vergangene Jahr.
Weil wir zusammen so viel Freude am Wandern hatten, waren wir unter anderem einige Zeit lang später noch im Vogelsberg unterwegs, erklimmten den Hoherodskopf – und sausten auf der Sommerrodelbahn wieder hinab. Freuden in der Sonne.
Auch auf dem Wasser waren wir unterwegs: Nachdem ich mich mit dem Fahrrad bereits bis Seligenstadt vorgearbeitet hatte, sind Michael und ich eines Tages im Frühjahr mit dem Ausflugsschiff von Frankfurt aus den Main hinauf bis Aschaffenburg gefahren, haben uns dort ein wenig die Stadt besehen.
Ach ja, und zwischendurch natürlich: Der Wäldchestag.
Dort ein nettes Mädchen kennengelernt, spontan zusammen eine Woche in Kroatien verbracht. Wie schade, dass ich erst im Jahr 2017 erfahren durfte, wie blau Wasser sein kann!
Jetzt, im Dezember dagegen, waren wir nicht mehr in Tanktop und Bermudashort zusammen unterwegs. Ein Kurzurlaub in Krakau in der Vorweihnachtszeit – auch bei Kälte eine wunderschöne Stadt.
Mein Reisejahr 2017 kann ich also persönlich voll und ganz als erfolgreich verbuchen. Ob alleine oder in Gesellschaft – ich hab’ das Abenteuer gesucht und es gefunden. Und klopf’ mir dafür mal auf die Schulter!
Mehr offline Leben
Mehr offline Leben. Den Tag zu genießen lernen, selbst wenn er manchmal schwieriger auszuhalten ist als die Nacht. Weil er ehrlich ist, auch wenn er manchmal schmerzt: Dies war ein weiterer meiner Vorsätze. Also: Hobbies mussten her.
Ich bin Freund der Bewegung, also lag es nur allzu nahe, mein Fahrrad öfters auszuführen. Auch und insbesondere allein. Und was war ich unterwegs! Ob durchs Rodgau, die Wetterau oder gleich an den Mittelrhein: So einige Kilometer hab’ ich runtergerissen. So einige Kilometer, die leider gleich zwei Mal im Krankenhaus endeten – ein Mal sogar mit gleich drei gebrochenen Rippen und einer Anzeige. Ob ich 2018 ein paar Tage hinter schwedischen Gardinen verbringen werden darf? Wir werden sehen! Es hat sich auf jeden Fall gelohnt, auch das Frankfurter Umland endlich einmal ausgiebig zu erkunden.
Doch nicht nur mit dem Fahrrad war ich unterwegs; auch das Wandern habe ich für mich entdeckt. Ich bin nun in einem Alter, in dem man – so glaube ich – eine Einladung zur wüsten Feierei ausschlagen darf, weil man am nächsten Tag zu wandern gedenke. Doch musste ich erst lernen, Sätze wie: “Ich ziehe nicht mit weiter, denn ich mag morgen früh fit für einen Tag in der Natur sein” zu formulieren. Spießig gelle? Auch, wenn mir eine solche Absage oft nur schwer über die Lippen ging – bereut habe ich die Touren durch Taunus, Pfalz und Bergstraße kein einziges Mal. Zwoachtzehn gerne mehr davon!
Talentfrei Musizieren
Nicht, dass ich nur verreist, am Wandern oder mit dem Fahrrad unterwegs gewesen wäre. Auch der Musik habe ich mich nach Jahren erstmals wieder gewidmet. Nun ja, “Musik” mag übertrieben sein – zumindest habe ich meine Gitarre einmal wieder in der Hand genommen und entstaubt. Mir ein paar wenige Akkorde in Erinnerung gerufen und munter drauflos komponiert. Was soll ich sagen, es hat mir Spaß gemacht – auch wenn ich nachweislich über keinerlei Talent verfüge. Doch ist “Spaß haben” nicht eine Legitimation für alles, was ein Mensch so tut?
Zurück zum Hedonismus also, zurück zur Musik: Unter dem Titel “Talentfrei Musizieren” habe ich mittlerweile gleich mehrere Lieder komponiert und auf die Trommelfelle der wehrlosen Zuhörerschaft losgelassen. Mal laut, mal traurig, mal nachdenklich, mal gänzlich sinnbefreit: Nur Frankfurt war stets kleinster gemeinsamer Nenner meiner musikalischen Anschläge. Auch dem Goetheturm konnte ich zuletzt ein fragwürdiges Andenken erschaffen…
Zum ersten Mal: In Print, Radio & TV
Mein größter Vorsatz für das kommende Jahr allerdings war es, viel mehr Dinge zum ersten Mal zu tun. Mich selbst öfters neu zu erfinden. Und was soll ich sagen? Dieser größte Vorsatz sollte auch zu meinem größten Glück im Jahr 2017 werden. Hätte mir noch vor 12 Monaten jemand erzählt, was ich dieses Jahr alles zum ersten Mal hätte machen würde – ich hätte ihm ganz sicher den Vollbesitz seiner geistigen Kräfte abgeschlossen.
Wie fange ich nun an? Vielleicht am besten chronologisch, nämlich mit dem Blogger-Stammtisch Frankfurt, den ich im Januar diesen Jahres ins Leben rief. Beim ersten Treffen war ich selbst überrascht von der großen Resonanz – und durfte ganz wunderbare Bekanntschaften schließen, wurde auf eine großartige Art und Weise inspiriert. Auch eine Freundschaft ist aus diesen Bekanntschaften entstanden – wer hätte das gedacht? Die Behauptung des “Merkurist Frankfurt”, Frankfurts Blogger-Szene sei de facto nicht existent, die konnte ich jedenfalls im Interview widerlegen.
Es war dann im Sommer, als mir ein Freund von einem neuen Stadtmagazin berichtete: “Frankfurt, du bist so wunderbar”. Mit der festen Absicht, dieses “Hipster-Blatt” auf diesem Blog zu zerreißen, erwarb ich ein Exemplar – und stellte fest: Hey, da steckt ja eine Menge Herzblut drin für meine Stadt!
Als ich hierzu einen Artikel veröffentlichte, konnte ich nicht ahnen, dass sich nur wenige Tage später die beiden wunderbaren Menschen bei mir meldeten, die mit ihrer Agentur hinter der Publikation stecken. Einem Treffen im Sonnenschein im Café Sugar Mama folgte das prompte Angebot einer Zusammenarbeit. Zwei Nächte später war ich mir sicher: Nein, das möchte ich nicht ausschlagen. Und heute bin ich unendlich froh darüber, Teil des großartigen Teams zu sein, welches so viel Herzblut in Blog und Magazin fließen lässt. Als ich zum ersten Mal meine eigenen Texte in Form einer Zeitschrift in einem Bahnhofskiosk liegen sah, war das jedenfalls ein ganz besonderer Moment für mich.
Bleiben wir bei den besonderen Momenten:
Dass ich selbst unglaublich gerne an PubQuiz-Veranstaltungen teilnehme, mich dabei aber nur selten mit Ruhm bekleckere, war mir schon länger ein Dorn im Auge. Wie schön wäre es doch, gäbe es ein PubQuiz allein für Frankfurt-Fragen, so dachte ich mir – und sorgte kurzerhand dafür, dass ein solches stattfindet.
Als Organisator und Moderator brütete ich nächtelang über den Fragen, und als ich eines Abends im Herbst vor den restlos ausgebuchten Tische des “WIR KOMPLIZEN” stand und über 60 Ratefüchse begrüßen dürfte, war ich wahrlich aufgeregt. Das Quiz hat mir als Moderator große Freude bereitet, und ich kann bereits jetzt verraten: Es wird im neuen Jahr eine Neuauflage geben!
Am Ende der Veranstaltung, als Gewinner gekürt und mit Preisen gesegnet waren, sprach mich eine Teilnehmerin an: Dagi sei ihr Name, sie sei begeisterte Leserin meines Blogs. Und freue sich, mich einmal kennen zu lernen… Huch! Ich glaube, ich wurde ein wenig rot im Gesicht. Wir blieben in Kontakt, irgendwie – erst beiläufig, später folgte eine schöne Radtour durch den Spätsommer. Und irgendwann die Frage, ob ich denn nicht einmal Gast in ihrer Sendung auf Radio X sein wollte. Welch eine Frage: Na klar wollte ich! Einmal selbst Radio zu machen, meine Stimme auf Kurzwelle übers Sendegebiet wabern zu lassen – das war schon immer ein Traum von mir. Offensichtlich hab’ ich mich auch recht wacker geschlagen, denn meiner Premiere am Mikrofon sollte bald ein zweiter Auftritt folgen. Dagi, dich kennengelernt zu haben, ist eine unendliche Bereicherung! Nicht nur, weil ich seitdem gleich viel weniger Angst vorm Älterwerden habe.
Meine Gastauftritte im Radio stellen da ein anderes kleines Highlight fast in den Schatten: Auf einem meiner Blogger-Stammtische lernte ich einen netten, kreativen Kerl kennen, den ich mittlerweile in meinen Freundeskreis aufnehmen durfte. Unter anderem pflegt dieser nette, kreative Kerl nämlich seinen eigenen Podcast – und auch in diesem durfte ich zu Gast sein. Meine Wohnung wurde vorübergehend zur Podcast-Sendezentrale, das Ergebnis dann – nun ja. Spaß hat’s in jedem Fall gemacht!
Nicht nur, dass ich es in diesem Jahr auf verschlungenen Wege sowohl auf Papier als auch ins Radio gepackt hätte: Einer nächtlichen Bewerbung bei einer Sendung des hessischen Rundfunks folgte ein Casting, folgte eine Zusage. Mehr darf ich leider aufgrund vertraglicher Verpflichtungen noch nicht verraten – seid einfach mal gespannt auf das neue Fernsehjahr! 😉
Kurzum: Wahnsinn, was ich alles zum ersten Mal gemacht habe. Wahnsinn, welch zauberhafte Möglichkeiten sich ergeben können – wenn man den Dingen einfach ihren Lauf gewährt….
Von schmerzhaften Verlusten
Doch nicht, dass dieses Jahr ein einziger Zugewinn gewesen wäre. Im Gegenteil, so einige Verluste haben meine Stimmung oftmals getrübt, mich traurig und zurückgelassen fühlen lassen.
Dass meine liebste Kellnerin ihren Dienst in meinem liebsten Café quittierte, sollte nur ein Anfang sein. Lange war es abzusehen, im Spätsommer des Jahres nun Realität: Mein Freund Michael sollte Frankfurt verlassen, um in Berlin ein neues Leben zu beginnen. Und wie das eben so oft ist, wurde mir die Bedeutung einer solchen Freundschaft erst dann in ihrer vollen Größe bewusst, als unsere Treffen rar wurden, wir uns nicht mehr spontan in der Nachbarschaft begegnen konnten.
Dass Herr Oberbürgermeister Feldmann meinen offiziellen Antrag zur Benennung nach einer Straße nach meinem Freund Michael zwar ablehnte, mir aber dennoch persönlich antwortete, freute mich – als kleines Abschiedsgeschenk konnte ich in einer Nacht- und Nebel-Aktion immerhin noch eine “Michael Nickel”-Bank im Stadtbild etablieren, auf der ich meinen Freund zum Ehrenbürger unserer Stadt erklärte. Habt ihr sie schon entdeckt…? 🙂
Doch es sind sind nicht nur die unfreiwilligen Verluste, die mein Jahr 2017 prägten. Einige Trennungen habe ich ganz bewusst vollzogen, wenn auch oft nicht ohne Bauchschmerzen. “Ballast abwerfen”, so das Stichwort – und auch sogenannte Freundschaften hatten irgendwann eine solche dargestellt. Auch wenn ich mir dies lange nicht hatte einstehen wollen.
Ich bin einige Stunden lang tief in mich gegangen, habe mir überlegt: Welche Menschen in meinem Leben nehmen mehr, als sie mir geben? Wer raubt mir Zeit, statt mich ebenso zu inspirieren? Auf wen kann ich zählen, wenn es mir schlecht geht? Es fiel mir nicht leicht, als ich so einige Freundschaften kündigen musste. Heute fühle ich mich oftmals alleine, aber eben auch: Frei von Ballast und unabhängig. Lieber fühle ich mich hin und wieder einsam, als mich anderen anzubiedern. Dieser Entschluss steht, wird es auch 2018 tun. Punkt, aus, Ende.
Verloren, so will ich an dieser Stelle nicht verschweigen, hab’ ich in recht schmerzhafter Art und Weise auch meine Weisheitszähne. Und überhaupt, beim Zahnarzt war ich so manches Mal: Auch eine erste Wurzelbehandlung hatte ich über mich ergehen lassen. So hatte ich das mit den Dingen, die ich zum ersten Mal erleben will, dann irgendwie nicht gemeint. Aua.
Was 2017 angewachsen ist
Doch nicht nur Verluste gab es zu verzeichnen in diesem Jahr; im Gegenteil: So Einiges ist innerhalb der letzten zwölf Monate nämlich teils beträchtluch angewachsen. Und hiermit meine ich nicht nur meinen Erfahrungsschatzden, den ich Tag für Tag – mal mehr, mal weniger – erweitern durfte!
Nein, ich rede von:
All den Artikeln, die ich für MAINRAUSCH habe schreiben können
Der Anzahl meiner Foto-Alben, die ich in entspannten Stunde pflege. Über 15 Schwarzweißfilme konnte ich 2017 entwickeln. Nicht jedes Bild ist ein Meisterwerk geworden; so manches aber wurde sorgfältig in eines meiner Album geklebt: „Frankfurt am Main – Momente eine Großstadt“. Irgendetwas muss ich ja schließlich irgendwann meinen undankbaren Enkelkindern vererben können.
Den Tattoos, die sich in diesem Jahr zu meinen bereits vorhandenen unter meine Haut gesellt haben. Ja, Mama, nun reicht es mit der Tinte, jetzt ist mal langsam genug der Körperkunst. Also, ja, vielleicht…
All den Büchern, die ich lesen durfte. Und hey, das waren eine ganze Menge! Circa 70, um genau zu sein – und darauf bin ich recht stolz! Erstmals habe ich mir Rituale zum Lesen im Alltag geschaffen. Denn Zeit für Bücher hat man nicht, man muss sie sich nehmen! Besonders erwähnen möchte ich hierbei Hermann Hesse, dessen Werke ich leider erst in diesem Jahr für mich entdecken durfte. Angefangen mit dem „Steppenwolf“ habe ich mittlerweile auch zahlreiche andere seiner Romane verschlungen, und jeder einzelne hat mich nachhaltig zum Nachdenken und Grüneln gebracht. Welch großartiger Autor!
Ein gutes Jahr? Die Bilanz meines Rückblicks
Wann ist ein Jahr eigentlich ein gutes Jahr? Ich weiß es nicht.
Ich hab’ meine Traumfrau nicht gefunden, die Traumfigur nicht erreicht. Ich bin nicht reich geworden, habe mein Leben auch nicht anderweitig auf den Kopf gestellt. Aber ich bin eben auch nicht in der Klapse gelandet (was nicht immer selbstverständlich ist!), habe beständig kleine Ziele erreicht. Habe mich Ängsten gestellt, meine Hobbies konsequent verfolgt. Mich von Ballast getrennt, an hinterlassenen Lücken gelitten.
Vor allem aber habe ich die wunderbare Erfahrung machen dürfen, dass sich die auch undenkbarsten Dinge entwickeln können, wenn man ihnen einfach ihren Lauf lässt. Solange man eben aktiv und präsent ist, versucht zu gestalten statt zu konsumieren. Ich will mich Dies möchte ich auch im Jahr 2018 beibehalten. Ich woll mich weiterhin konsequent von Dingen und Menschen trennen, die mich und mein Leben belasten, in welcher Form auch immer. Auch wenn es schmerzt. Ich möchte darauf vertrauen können, dass sich immer etwas ergeben kann, das ich heute noch nicht erahnen kann. Dafür will ich offen sein. Ich will darauf vertrauen, dass ich auch im neuen Jahr 2018 großartige Menschen kennenlernen werden darf, dass ich wieder unvergessliche Unternehmungen machen darf. Dass ich Freundschaften wertschätzen und pflegen kann. Und nicht zuletzt mag ich euch auch weiterhin eifrig berichten – vom Leben, Lieben & Untergehen in Frankfurt am Main. Die freudige Erwartung auf all das, was geschehen mag – die genieße ich jedenfalls schon jetzt…
Wie bitte, ihr wartet nun auf meine Vorsätze für das kommende Jahr 2018? Das mit dem Rauchen, das sollte ich nun wirklich langsam endgültig sein lassen.
Vorher aber will ich von euch wissen: Wie war euer Jahr 2017? Und welches sind eure Vorsätze für das neue Jahr?
Ich jedenfalls mache nun Silvesterpläne. Aber vorher, da zünde ich mir noch ‘ne Zigarette an…Auf ein neues Jahr, Freunde!
Die Dame hinter der Bar lächelt mich breit an und erwartet meine Bestellung. Ich verziehe kurz den Mund. Alles nicht so meins. “Ein Beck’s klingt super!”, entscheide ich mich, platziere in gewohnter Manier mein Buch vor mir – und fühle mich ein wenig fehl am Platz.
Rechts neben mir versuchen sich drei Kerle in Hemd und Jacket, sich gegenseitig mit ihren sportlichen Leistungen zu beeindrucken. “Also ich war gestern nach Feierabend noch zehn Kilometer laufen!”. Herzlichen Glückwunsch, denke ich mir und nehme einen Schluck Beck’s.
Vor den großen Fenstern des “Legend’s” fällt der erste Schnee des Jahres, und ich frage mich, was ich hier eigentlich mache. Ich säße gar nicht hier, hätte ich mich nicht dabei ertappt, wie ich nach Dienstschluss fast blind und wie ferngesteuert in die U4 gestiegen wäre, um auf einen Feierabend-Schoppen in “Feinstaub” oder “NORD” vorbeizuschauen.
Gerade noch so konnte ich mir in Erinnerung rufen, dass es doch gut tue, hin und wieder die eingetreten Pfade zu verlassen. Auch nach Feierabend, versteht sich, oder gerade dann. Und es ist ja auch so: Insbesondere Frankfurt frohlockt mit schier unendlich vielen netten Bars und Kneipen für ein Kaltgetränk zum Feierabend. Alle Entscheidung ist da mitunter schwierig, und so neige auch ich eben dazu, immer wieder dieselben Orte aufzusuchen.
Doch heute, da wollte ich quasi todesmutig neue Wege beschreiten, endlich einmal ausbrechen aus dieser spätabendlichen Feierabend-Routine, woanders lesen, während Freunde schon schlafen. Mir selbst ein Bild von den Bildern aus den Stadtmagazinen machen. Ein bisschen frischer Wind konnte doch nicht schaden?
Statt in die U4 bin ich also auf ein Call-a-Bike gestiegen, eisige Novemberluft schadete kurzzeitig meinem Wohlbefinden. So war das aber nicht gemeint mit dem „frischen Wind“!
Als Ziel auserkoren wart das „Legends“, weil gefühlt jeder schon dort gewesen war – außer eben ich. Diesen Zustand wollte ich beenden, doch nun, wo ich hier sitze, fühle ich mich fremd.
Ich vermisse das „Zuhause“-Gefühl, welches man als Stammgast kennt. Ich vermisse die persönliche Begrüßung, das gerenseitigr Erkundigen nach dem jeweiligen Wohlbefinden. Vermisse das „Wie immer?“, vermisse den großen, sauren Apfelwein, der nach kurzem Nicken daraufhin vor mir abgestellt wird.
Vermisse all die Leute, die auch immer hier sind, die man eben kennt, sei es auch nur vom Sehen. Die Toilette blind zu finden, den Heimweg sowieso: Ebenfalls `ne dufte Sache. Doch sind es nicht gerade diese Annehmlichkeiten, die mich immer wieder an die selben Orte zogen, an die selben Theken trieben?
Ich leere mein Beck‘s und beschließe, nächstes Mal wieder ein anständiges Bier zu trinken. Mache der – wirklich sehr netten – Dame hinter dem Tresen deutlich, dass ich zu zahlen gedenke. Fische unbeholfen im Münzfach meines Portemonnaie herum – äh; was kostete der Spaß hier doch gleich? Oha, ja, gar nicht mal so günstig. „Stimmt so!“
Während ich nach Hause fahre, muss ich grübeln. Fuck yeah, ich hab‘ meinen Horizont erweitert – aber wäre ich in diesem Moment nicht glücklicher gewesen, wäre ich meinem Trott gefolgt, hätte ich die letzte Stunde in vertrauter Umgebung verbracht?
Nun, zumindest hätte ich wohl kaum „face to face“ gleich einer ganzen Armada von Ghettoblastern pinkeln können.
Am nächsten Tag:
Ich habe frei (hurra!), ertappe mich nach dem Laufen frischgeduscht dabei, wie ich mich instinktiv auf in mein Stammcafé „Sugar Mama“‘ machen möchte.
Gerade noch rechtzeitig entsinne ich mich jedoch auf meinen Plan für den heutigen Tag: Ein Kumpel schwärmte neulich vom besten Cappuccino der Stadt, und den gebe es im „Anïs“, müsse ich mal probieren.
Dies galt es zu überprüfen; statt wie sonst an die alte Brücke sollte es heute also auf ins Ostend gehen. Frischer Wind und so, ihr wisst schon.
Ich trete ein, freue mich über die Wärme. Die zwischenmenschliche Wärme aber, die fehlt mir. Kein “Hey Matze, schön dich zu sehen!” zur Begrüßung, keine Umarmung. Kein “Setz’ dich schon mal!”, kein großer Kaffee mit Sojamilch, der mir serviert wird – ohne dass ich ihn bestellt haben müsste. Seufz.
Ich vermisse meinen Schaukelstuhl, mein Sofa – und sitze obendrein recht unbequem, auf diesem wackligen Metallstuhl im Ostend. Zwar ist man auch hier sehr nett zu mir, der Milchschaum meines Cappuccino (der wirklich ziemlich gut ist!) zeigt sogar einen Schneemann.
Doch bin ich hier eben nur ein Gast unter vielen, Geschäftspartner, Kaffeetrinker. Und eben nicht: Wohlbekannter Stammgast.
Ich hab’ genug der Experimente. Schlürfe aus, steige wieder auf mein Fahrrad, um die neuen Ufer zu verlassen – und laufe gewissermaßen ein in meinen Heimathafen. “Hallo, Roberta!”, begrüße ich meine liebste Kellnerin in meinem Stammcafé. “Matze, wir haben schon auf dich gewartet!”, strahlt sie mich an. Und ich? Fühle mich ein wenig schlecht, wie ein untreuer Ehemann, der seine Gattin betrogen hat. Ich grüße all diejenigen, die auch immer hier sind und freue mich über den duftenden Kaffee, der mir gereicht wird. Schön, wieder zu Hause zu sein!
Vielfalt hin, Abwechslung her
Die Vielfalt all der Cafés, Bars, Restaurants und Kneipen in Frankfurt lässt die Wahl leicht zur Qual werden. Ein ganzes Leben reicht wohl nicht, um überall einmal einen Kaffee getrunken, ein Stück Kuchen gegessen zu haben. Kaum hat man erstmal einen Laden gefunden, in dem man sich pudelwohl fühlt, kaum hat man sich erst einmal mühevoll durch hartnäckige Besuche den Status eines Stammkunden “erarbeitet” – da nagt schon wieder das schlechte Gewissen. Zumindest an mir.
Doch haben mir meine beiden Exkursionen der letzten Tage gezeigt:
Ich hätte nichts weiter verpasst außer das wohlige Gefühl, “zu Hause” zu sein.
Ich kann mich glücklich schätzen, meine liebsten Fleckchen Frankfurts bereits entdeckt zu haben – und nehme dafür künftig nur allzu gern in Kauf, all die anderen sträflichst zu vernachlässigen.
Stammgast zu sein: Das ist nicht langweilig, das ist ein großes Glück. Und ständig an denselben, schönen Orten rumzuhängen großartig!
Seid ihr meiner Meinung? Seid ihr auch so gerne Stammgast, oder habt ihr Freude daran jeden Tag neue Cafés und Bars entdecken zu können? Ist es euch wichtig, dass man euch kennt – oder könnt ihr es genießen, ein Unbekannter unter Vielen zu sein? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!
“Ach, nun warte mal ab!”, tröstete mich die mir wohlvertraute Stimme meiner Mutter am Telefon. “Irgendjemanden wirst du schon treffen – sagst du nicht selbst immer, Frankfurt sei ein Dorf?”
Es war Montagabend, ich hatte gerade Feierabend und berichtete der besten Mama der Welt via Ferngespräch von meinen Plänen für den morgigen Tag. Beziehungsweise Nicht-Plänen, denn weder war ich verabredet noch hatte ich irgendetwas vor, als mich durch die Stadt treiben zu lassen. Außerdem, da klagte ich über die kreative Flaute in meinem Kopf: Ein großes Projekt war gerade abgeschlossen, mein Gehirn befand sich offensichtlich im “Leck’ mich”-Modus.
Ein Tag später:
Der Wecker klingelt – ja, moment mal, ich hab’ doch frei?! – verdammt, wieder einmal nicht geschafft, auszuschlafen. Nein, auch am freien Tage will die Disziplin gewahrt werden, will sich sportlich betätigt werden. Also: Erst den Wecker verfluchen, anschließend mich für meinen Ehrgeiz, Mein Gewissen zerrt mich aus dem Bett. “Wenn ich irgendwann mal groß bin, dann lern’ ich das mit dem Entspannen mal”, schwöre ich mir noch, als ich nach einem schnellen Kaffee in die Laufschuhe schlüpfe.
Zehn Kilometer später, heiß und ausgiebig geduscht:
Ich entsinne mich an die Worte meiner Mutter, als ich einen neuen Schwarzweißfilm in meine Kamera einlege und mich auf den Weg zum Römerberg mache. Den diesjährigen Weihnachtsbaum will ich mir anschauen, der in einigen Wochen schon die glühweinseligen Massen überragen soll.
Meine Freunde dürften ihre Mittagspause beendet haben und wieder im schlecht klimatisierten Büro sitzen, als ich vor der mächtigen Tanne aus dem Sauerland stehe. Dass der Baum auch in diesem Jahr den Transport nicht ganz unbeschadet überlebte, sieht man ihm kaum an.
Ja, entgegen des weitläufigen Trends habe ich dieses Jahr tatsächlich nichts zu meckern; der Baum ist groß, grün und nadelig – und wird obendrein gerade dekoriert:
Ein Kran fährt gerade eine Plattform an den Baum heran, auf der ein Weihnachtskugel-Aufhängarbeiter (macht der das hauptberuflich?!) damit beschäftigt ist, den Baum tauglich für die besinnlichen Tage zu machen.
Ich zücke meine Kamera, möchte diesen Moment gern dokumentieren.
Doch Moment mal…
Welch Mann im Anzug läuft mir denn da gerade in den Auslöser? Das ist doch nicht etwa…? Doch, genau der ist es.
Peter Feldmann, seines Zeichens Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt am Main, marschiert querbeet über den Römerberg. Einfach so, ohne Bodyguards in schwarzen Anzügen und Sonnenbrillen. Ich lasse meine Kamera sinken.
“Ja, schönen guten Tag auch, Herr Feldmann!”, grüße ich unser nicht immer unumstrittenes Stadtoberhaupt. “Sie hier?”
Der Bürgermeister macht kurz Halt. “Ja, sicher – ich arbeite schließlich hier!”. Ich reiche ihm die Hand. “Schön, Sie zu sehen – na denn einen guten Arbeitstag! Ach, und übrigens: Am Baum, da hab’ ich nichts zu meckern!”.
Das Stadtoberhaupt lacht und reckt den Daumen.
Amüsiert und noch etwas ungläubig schüttele ich meinen Kopf, gehe wieder in die Knie, um meine Bilder zu schießen. Beschließe, anschließend ein wenig Paternoster im IG-Farben-Haus zu fahren, macht mir immer gute Laune. Beim Fotografieren treffe ich zufällig einen Kollegen, der offensichtlich auch mein Hobby teilt. Verrückt, ihn mal ohne Uniform zu sehen. Wie unverhofft und schön! Wir plauschen ein wenig, und ich hab’ ein Grinsen im Gesicht, als ich zur Krönung des Tages mein heißgeliebtes Café Sugar Mama ansteuere.
Mama hatte Recht:
Irgendjemand, den trifft man immer, bewegt man sich nur aufmerksam durch die Stadt. Und was zu schreiben, das hab’ ich nun auch gefunden. Die Moral von der Geschichte? Einfach mal rausgehen, irgendwen, den trifft man immer.
Manchmal sogar den Herren Oberbürgermeister.
Und, nicht zu vergessen: Der Weihnachtsmarkt kann kommen!
Am 27. November wird er feierlich eröffnet. Vom Oberbürgermeister – ganz klar!