Fressen, Drängeln, Feuerwerk: Ach ja, das “MUF”…

Alle Jahre wieder: 

Einen gesamten Frankfurter Sommer lang kommt man aus dem Feiern gar nicht mehr heraus. An jedem Wochenende zelebriert selbst der kleinste Feldweg sein eigenes Straßenfest. Berger Straßenfest, Schweizer Straßenfest, Koblenzer Straßenfest, Opernplatzfest, STOFFEL, Sommerwerft, Apfelwein-Festival, Gutleuttage, Mainfest und Bahnhofsviertelnacht seien hier nur als einige Beispiele genannt. Die Frage danach, ob diese Stadt eigentlich jemals ausnüchtert, erscheint mir angesichts dieses Übermaßes jedenfalls gerechtfertigt.

Einen krönenden Abschluss findet dieser sommerliche Feier-Marathon dann alljährlich Ende August mit dem Museumsuferfest. Dieses fährt dann auch ein Programm auf, das sich gewaschen hat – und auf das es sich schon Wochen im Voraus mit akribischer Feinplanung vorzubereiten lohnt. Man will schließlich nichts verpassen!  

Nicht nur, dass ein ganzes Wochenende lang zahlreiche der Museen mit nur einer einzelnen Eintrittskarte vergünstigt besucht werden können:
Auch zahlreiche Bühnen auf beiden Seiten des Mains locken mit buntem Programm. Zahlreiche Fress- und Suffbuden dürfen freilich ebenso wenig fehlen wie das große Feuerwerk zum Abschluss, welches schließlich einen fulminanten Schlussstrich unter die Saison Frankfurter Sommerfreuden zieht.

Auch ich wollte natürlich nichts verpassen und hab’ mich in die Menge gestürzt. Am Ende kam nicht nur das Feuerwerk, sondern gleichsam alles anders – zurück bleibt ein durchwachsenes Fazit…

 

“Ich mach’ mich auf den Weg gen Bühne am Holbeinsteg, schicke dir gleich meinen Standort!”

Diese WhatsApp-Nachricht eines Kumpels ist auch für mich Befehl zum Aufbruch zum diesjährigen “MUF”-Besuch. Es ist früher Samstagabend, und nach einer ganz wunderbaren Auszeit in Kroatien bin ich noch nicht lange wieder zurück in Frankfurt, hab’ mich die letzten Tage allerdings erst einmal lediglich ausgiebig meinem Bett, meinen Schallplatten und meinen neuen Schwarzweißabzügen gewidmet. Nun aber, da strotze ich vor Energie – und Vorfreude auf das größte der Frankfurter Sommerfeste.

Ich schwinge mich also aufs Fahrrad, lasse mich beschwingt vom Nordend hinab gen Main rollen. Allein, dass ich – kaum den Frankensteiner Platz erreicht – weit und breit keinen freien Parkplatz für mein Velo finden lassen kann, hätte mir im Nachhinein schon Omen genug sein müssen. So aber bin ich erstmal genervt, bis ich dann irgendwann doch irgendwo in einer Sachsenhausen Seitenstraße ein einladendes Straßenschild finde, an das ich mein Fahrrad kette.

Ein Blick aufs Handy: Immer noch keine Standortmeldung meines Kumpels. Macht ja nix, flaniere ich schon mal langsam Richtung Holbeinsteg und schau’ mir unterwegs das rege Treiben an. Dieses besteht zunächst aus essenden wie trinkenden Menschen, die an den zahlreichen Buden entlang des Mainkais für mächtig Umsatz sorgen. Hier wie dort erblicke ich auch kleine Stände diverser Frankfurter Geschäfte, Kunsthandwerk, Klamotten. Warum ich ausgerechnet jetzt dort irgendetwas kaufen sollte, erschließt sich mir nicht ganz. So auch, warum ich ausgerechnet jetzt eines der Museen am Museumsufer besuchen sollte – kann ich schließlich auch das ganze Jahr über, dann sogar mit Bewegungsfreiheit.

Ich schieb’ mich also weiter gen Osten, die laute Musik der Bühnen unter mir am Main verwebt sich zu einem einzigen basslastigen Lärmteppich in meinen Ohren und zehrt an meinen Nerven.  Immer noch kein Standort. 

“Hey, bist du Raucher?” – ein junger Kerl am Promo-Stand eines Zigarolle-Herstellers lenkt meine Aufmerksamkeit vom Trubel ab. 

“Klar!”, sag’ ich und trete näher. Er bietet mir ‘ne Vanilla-Fluppe an, ich nehm dankend an und einen ersten Zug. Rauchen fetzt! Doch klar, der junge Herr hier handelt nicht aus Nächstenliebe. Seine Mission heißt: Geschäfte machen, Umsatz ist sein Auftrag. Und das versucht er dann auch, in Form eines “unschlagbaren Angebots”: Wenn ich ‘ne Schachtel kaufe, erhalte ich gleich zehn einzeln verpackte Zigarillos obendrein, ach was, ZWANZIG, weil ich es bin – und damit nicht genug: Auch gleich sechs Feuerzeuge soll ich nach dem Schachtelkauf mein Eigen nennen dürfen. Ich lache, lehne dankend ab. Nichts gegen Zigarillos, aber ich möchte ungern gleich ‘ne ganze Tüte voll mit Produktproben und Feuerzeugen spazieren tragen.

Wesentlich besser gefällt mir da schon das große Glücksrad am car2go-Stand, an dem auch ich mal drehen darf. Wenn schon kein Glück in der Liebe, dann Glück im Spiel: Ich staube fünfzehn freie Fahrtminuten ab. Dies sollte dann aber auch der letzte freudige Moment dieses Abends auf dem MUF bleiben, denn: Immer noch keine Standortmeldung vom Kumpel, auch meine Nachrichten scheinen ihn nicht zu erreichen. Naiv beschließe ich, ihn schon irgendwie ausfindig zu machen – und steige die Treppe hinab ins Gedränge direkt am Mainufer.

 

Die schiebende Masse gibt dem Begriff “Ellenbogengesellschaft” eine gänzlich neue Bedeutung.

Nach nur wenigen Metern stecke ich in der Menge fest; ein Weiterkommen scheint unmöglich. Die “R:Y:M”-Bühne unerreichbar. Fremde Schultern prallen gegen meine, eine junge Frau rammt mir unsanft die Griffe ihres Kinderwagens in die gebrochenen Rippen. Mit Kleinkind zum Museumsuferfest – wohl auch ‘ne recht pfiffige Variante, sich des ungeliebten Nachwuchs zu entledigen. Ich selbst sehe mich derweil meiner Nerven entledigt, nein, so wird das nix. Ich mache in einem waghalsigen Move kehrt und steige wieder auf den Mainkai herauf. Lasse meinen Kumpel wissen, dass das wohl nix mehr wird heute. Die Nachricht kann nicht zugestellt werden.

Wohl aber die Nachricht, die mich von einem anderen Freund erreicht: Er sei an der Bühne vor dem MainCafé, ob man sich denn treffen wolle. “Ich eile!”, antworte ich, bahne mir meinen Weg durch die Trinkenden und Fressenden.

Noch einmal kurz durchatmen, noch einmal herunter ans Mainufer. Doch auch hier das selbe Bild, hier meinen Freund zu finden, scheint ein unmögliches Unterfangen.
Auch meine Nachrichten an ihn versacken im digitalen Nirvana der Netzüberlastung.

Überlastet sind nun auch endgültig meine Nerven, ich beschließe, diesen Abend nach nunmehr drei Stunden im Gedränge einfach abzuhaken und mit einem kalten Apfelwein ausklingen zu lassen. Ich befreie mein Fahrrad vom Straßenschild und flüchte schleunigst vor all dem Trubel. Erreiche das Kiosk am Frankensteiner Platz, erstehe eine eisgekühlte Dose Apfelwein. Herrlich, ist das ruhig hier! 

 

Meine ganz eigene und schlussendlich bessere Alternative

Ich beziehe Stellung am Tisch vor dem Eingang. Der erste Schluck Apfelwein des Tages entspannt mein Gemüt, ich zücke meine Zeitschrift und lese. Zumindest, bis ich von einem Herren in Jeanshemd unterbrochen werde. “Darf ich mich dazustellen?” fragt er, “Klar!” sag’ ich. Er hebt sein Bier, wir stoßen an, ich widme mich wieder meiner Lektüre. Bis ich abermals unterbrochen werde.

“Du liest gern”, stellt der Mann im Jeanshemd fest, “das find’ ich gut.”
Tja, so schnell ist man halt im Gespräch in Frankfurt. Wir beginnen, uns über das Lesen zu unterhalten, über Frankfurt, das MUF, den großen Andrang.

Auch er war natürlich da, erzählt er, habe aber irgendwo in der Menge Frau samt Kinder verloren. Aber das, gesteht er zu meiner allgemeinen Erheiterung, sei ihm ganz recht: Endlich habe er mal Zeit die Zeit dazu, sich einfach ungestört “gepflegt einen reinzuschädeln”. Er entschuldigt sich kurz, kehrt mit gleich zwei Bier zurück, bietet mir eines an.

Wir sinnieren gerade über Hesses “Glasperlenspiel”, als zwei junge Damen sich zu uns gesellen. Eine von beiden spricht mich unvermittelt an.

“Ey, du bist doch der Typ, der immer durch die Koselstraße joggt – und auf dem Rückweg immer kurz vorm Kollaps scheint!”

Verdammt. Ja, der bin dann wohl ich. Es hätte mir zwar mehr geschmeichelt, hätte sich mal als “den Typen mit dem coolen Blog” erkannt, dennoch freue ich mich über diese unverhoffte Begegnung mit einer Nachbarin. Hier, am mittlerweile späten Samstagabend, an einer Trinkhalle in Sachsenhausen.

Wir schwadronieren ein wenig, die beiden Damen verabschieden sich. Zurück bleiben der Mann im Jeanshemd, der sich mittlerweile als Manfred aus Oberrad vorgestellt hat. Außer unserer Vorliebe für Hermann Hesse teilen wir beide viele Erinnerungen an die Stadt Dortmund, in denen wir ausgiebig schwelgen.

Dabei scheinen wir einen überaus vertrauensvollen Eindruck zu machen. Zunächst strauchelt nämlich ein offensichtlich recht betüddelter junger Mann auf uns zu und bittet uns, kurz auf seine Zigarette aufzupassen. Kein Problem doch, machen wir! Der junge Mann ward nicht mehr gesehen.

Kaum ist seine Kippe verglommen, werden abermals unsere wachsamen Augen gefragt. Ein nochmals betüddelterer junger Mann tritt neben uns, bittet uns, doch bitte kurz auf den Kanzlerkandidaten der SPD aufzupassen. Also nicht Martin Schulz in persona, vielmehr auf sein übergroßes Konterfei, das auf einem Wahlplakat prangt. Ich grinse in mich hinein – dass die Leute im Suff auch immer sinnlose Dinge stehlen müssen! Manfred, ich und ein breit lächelnder Martin Schulz säumen nun also den Aluminiumtisch, aus der Ferne ist die laute Musik des „MUF“ zu hören. Eigenartige Zusammenkunft, aber unterhaltsam. „Sorry, hatte keinen Empfang“ – eine erste Antwort meines Kumpels erreicht mich auf dem Telefon. Sei’s drum, ist jetzt auch zu spät.

Martin Schulz wird wieder abgeholt, der glückliche Dieb bedankt sich übermütig für unsere Dienste. Der Platz des Kanzlerkandidaten wird prompt von einem jungen Pärchen eingenommen, das sich in unseren netten Plausch einklinkt und dann doch noch dafür sorgt, dass ich an diesem Abend ein wenig nette Unterhaltung gefunden habe. Ein Familienvater ohne Familie, ein schlafloses Liebespaar und ich: Diese Runde erscheint mir ganz plötzlich als die viel bessere Alternative zum Museumsuferfest.

Irgendwann zieht es aber auch mich einmal gen Bettchen. Noch während des Heimwegs beschließe ich, das „MUF“ am morgigen Sonntag erst einmal links liegen zu lassen. Nur das Feuerwerk am Abend, das mag ich mir anschauen – das war in den vergangenen Jahren nämlich wirklich immer schön.

Und als ich dann Sonntag mit ein paar Freunden (die ich tatsächlich auf Anhieb finden konnte!) in den Frankfurter Abendhimmel schaue und die bunten Raketen aufsteigen sehe, kann ich nur bestätigen: Jawoll, hat sich auch in diesem Jahr wieder einmal gelohnt. Auf den Rest allerdings, auf all das Gedränge und Geschriebe, das Rumstehen, das Verzehren astronomisch teures Fast Foods, das Konsumieren der ach-so-fancy-sommerlichen Kaltgetränke, auf all das hätt’ ich auch verzichten können.

 

Zeit für mein persönliches Fazit zum „MUF“ 2017

Seit ich in Frankfurt lebe, habe ich Jahr für Jahr das „MUF“ besucht. Und anfangs, da fand’ ich’s auch immer so richtig geil, laute Musik unter freiem Himmel, Remmidemmi, Apfelwein. Doch mittlerweile, da fühl’ ich mich irgendwie zu alt für den Scheiß, empfinde vor allem das große Gedränge als anstrengend. Komisch, hatte mich früher irgendwie nie derart gestört.

Wobei: Früher, also ganz früher, fand ich’s auch ziemlich geil, in überhitzten Kerbzelten Asbach-Cola aus Gießkannen zu trinken.

Klar:

Fressen, Saufen und im Gedränge tanzen, auch das mag irgendwo Kulktur sein. Nur allerdings wohl nicht mehr meine. Allein das Feuerwerk empfand ich nach wie vor als sehenswert.

Mein eigentliches Highlight dieses Wochenendes, das war jedoch die so vollkommen absurde nächtliche Zusammenkunft an der Trinkhalle, die man mit all ihrem Unterhaltungswert
so niemals hätte planen können.

Ob ich das Gefühl habe, irgendwas verpasst habe? Wenn ich ganz ehrlich bin: Nein. Und das ist okay so, glaube ich.
Wart auch ihr beim „MUF“? Hattet ihr eine lange, wilde Partynacht – oder ebenso die Schnauze voll vom Trubel?

Die Stunde der Unschuld

In einem meiner Lieder hatte ich Frankfurt jüngst als “Diva, die nie schläft” bezeichnet. Dies ist ganz sicher richtig, aber dennoch:

Es gibt da einen einzigen Moment in der Woche, eine einzige Stunde, in dem die Stadt so jungfräulich und verlassen wie sonst nie. In der eine seltsame Ruhe herrscht, die Straßen leergefegt. Eine Stunde, in der selbst Frankfurt ein wenig unschuldig wirkt.

Es ist die Stunde am Sonntagmorgen, 06.30 Uhr.
Der durchschnittliche Frankfurter befindet sich noch irgendwo im Reich der Träume. Endlich einmal ausschlafen. Oder aber, er ist gerade erst ins Bett gefallen, ob ins Eigene oder das einer nächtlichen Bekanntschaft. Schläft seinen Rausch aus nach einer glückseligen, langen Nacht der wilden Feierei.

Ich indes wäre auch lieber im Bett und würde selig schlummern, aber es hilft ja nichts: Dienst ist Dienst, Frühschicht ist Frühschicht – und ein ansehnlicher Sonntagszuschlag (steuerfrei, versteht sich!) entschädigt mich dafür, dass mich mein zur Unzeit klingelnder Wecker aus meinen Träumen gerissen hat.
Und außerdem, da darf ich diesen Moment erleben, der den Allermeisten verwehrt bleibt:

Die Stunde der Unschuld.

Kalte Dusche, notdürftig die Frisur herrichten, zwei schnelle Tassen Kaffee. Rucksack schultern, ein letzter Blick in den Spiegel. Auf geht’s, die Pflicht ruft.
Ich trete aus dem Haus, hey Frankfurt, auch schon wach?

Am Matthias Beltz-Platz zeugen jede Menge leere Bier- und Weinflaschen von den Geschehnissen der letzten Nacht. Einige davon zertrümmert, und auch der Mülleimer schaut nicht mehr ganz gesund aus: Schwarz und deformiert, kaltes Plastik auf dem Asphalt. Hat wohl wieder mal jemand angezündet.

Die Stadt, sie wirkt verwundet, irgendwie. Gleichsam aber endlich einmal in Ruhe gelassen, von all den Menschen, von all der Hektik, die sie ansonsten permanent in ihren Straßen versprühen. Ich steige aufs Rad, auf dem Baum über dem Fahrradständer höre ich Vögel singen.

 

Rolle die Friedberger Straße hinab, werfe einen Blick nach hinten: Kein Auto weit und breit, der Blick nach vorn: Kein Auto bis zum Horizont. Ein ganz und gar surrealer Anblick, weiß man, welch Blechlawine hier ansonsten das Straßenbild bestimmt. Die Ampel indes, die wechselt ungeachtet dieser Tatsache dennoch ganz pflichtgemäß munter zwischen Grün, Gelb und Rot umher.

Die Straßenbahnhaltestelle zieht vorbei, die Anzeige verrät:
Nächste Straßenbahn in 22 Minuten. Was ansonsten sofortige Empörung, zahlreiche Taxi-Bestellungen und Beschwerde-Mails an die VGF nach sich ziehen würde, interessiert in dieser Stunde jedoch keine Sau.

Auch mich nicht, bin ja schließlich mit dem Fahrrad unterwegs. Ich erreiche das Hessendenkmal, biege rechts ab. Auf den Tischen des Phuket Thai-Imbiss kauern diejenigen, die es nicht mehr nach Hause gepackt haben. Wo ansonsten dampfende Teller von Udon-Suppe und Hühnchen-Curry stehen, präsentieren sich grüne Flaschen eines weithin bekannten Kräuterlikörs aus Wolfenbüttel. Ehe ich mir die Frage stellen kann, wo Wolfenbüttel eigentlich liegt, passiere ich die Große Friedberger Straße.

Guten Morgen Zeil, du sündige Meile des Konsums. 

Leere Flaschen treiben im Brunnen, zeugen von Freuden und Exzessen der letzten Nacht. Einige sind zerschlagen –  ja, auch Aggressionen und Gewalt hat es sicher wieder gegeben in der letzten Nacht. Das übliche Gehabe junger Männer, zu viel Frust, zu viel Energie.

Die Morgensonne streichelt mein Gesicht wie auch das Pflaster der Zeil. In den Eingängen der Geschäfte liegen reglose Gestalten auf Pappkartons. Die Geschäfte, die werden heute einmal nicht öffnen, gönnen sich einen einzigen Tag lang eine Verschnaufpause. Amazon wird’s freuen. Und auch die schlafenden Gestalten, die ihre Eingänge säumen, die scheinen endlich ihren Frieden gefunden zu haben. Wenn auch nur für kurze Zeit.

Cafés und Lokale sind noch verrammelt, Tische und Stühle brav zusammengeklappt und angekettet. Nicht mehr lange wird es dauern, und die beflissentlichen Kellner werden sie wieder aufstellen, damit die Frühaufsteher zum Sonntagsbrunch ausströmen können. “Entspannt in den Sonntag starten”, wie sie so schön zu sagen pflegen. An Entspannung ist bei mir derweil nicht zu denken, ein langer Arbeitstag liegt vor mir. Ich schalte einen Gang hinunter, die Talfahrt ist beendet.

Hallo Hauptwache, ich biege halb links ab, erreiche das Bahnhofsviertel. Passiere das “AMP”, wo wenige Stunden zuvor ganz sicher noch lauter Techno die Stille der Nacht zerrissen hat. Biege ein in die Münchner Straße. In einem Hauseingang entdecke ich Leben in Form eines eng umschlungenen Paares. Leidenschaftliche Küsse, wenn auch beide nicht mehr ganz standfest auf den Beinen scheinen.

Wenige Meter weiter, ich spähe im Vorbeifahren durch die geöffnete Tür einer Kneipe. Am Tresen sitzt jemand, offensichtlich Inhaber, ‘ne Menge Scheine in der Hand. Er zählt die Einnahmen der letzten Nacht – ob es sich wohl gelohnt hat für ihn? Bald wird auch er im Bett liegen, vielleicht wird auch er endlich noch ein Bier trinken können nach all dem Trubel der letzten Nacht, all seinen Gästen auf der Suche nach dem Irgendwas. Im Zweifel dem Vergessen.  

Ich weiche Erbrochenem auf der Straße aus. Auch dies ein seltener Anblick, ich weiß genau: Es dauert nicht mehr lange, bis die fleißigen Jungs der FES mit Dampfreinigern dafür sorgen werden, dass selbst die Straßen des Bahnhofsviertels wieder aussehen werden wie geleckt. So, als wäre hier nie etwas passiert, als habe nie etwas stattgefunden auf diesem “heißen Pflaster”.

Ich zucke zusammen, als ich – noch ein wenig schlaftrunken – in eine Gruppe bärtiger Männer fahre, bekleidet im strahlenden Gewand samt Takke, der traditionellen Kopfbedeckung für das muslimische Gebet. Sie sind auf dem Weg zum Frühgebet in die nahe gelegene Moschee.

“Was muss das für ein Glaube sein, der einen bereits zu dieser Unzeit zum Gebet treibt”, denk’ ich mir. Mein Glaube, der gilt in diesem Moment allerdings allein dem pünktlichen Dienstantritt sowie dem damit verbundenen pünktlichen monatlichen Gehaltseingang. Living for capitalism. 

Mein Ziel ist erreicht, die Hallen des Hauptbahnhofs erstrecken sich  vor meinen Augen und erbieten Ehrfurcht. Ich schließe mein Fahrrad an, eile hinab in die B-Ebene. Die Treppen sind gesäumt von den ärmsten Existenzen unserer Stadt. Ja, selbst die Junkies haben einen kurzen Moment lang Schlaf und Ruhe gefunden. Es wird nicht mehr lange dauern, und ihre Sucht wird sie aufwecken, wird sie dazu bringen, all ihre restliche Kraft aufzuwenden, um an den nächsten Stein, den nächsten Schuss zu bekommen.

Der Moment, in dem selbst Junkies schlafen. Der Moment zwischen dem letzten Drink einer durchgefeierten Nacht und den ersten Anzeichen sonntäglicher Aktivität, den ersten Radfahrern, die mit verschlafenen Augen ihre Touren beginnen,den ersten Joggern, die die Gunst der frühen Stunde nutzen möchten – dieser Moment ist nur von kurzer Dauer. Dieser Moment ist wohl der einzige, in der die Stadt dem Menschen ganz unschuldig zu Füßen liegt. Verletzt, erschöpft und ruhig.

Es ist eine ganz eigene Art der Romantik. Doch sie erleben zu dürfen macht es allemal wett, überhaupt wach sein zu müssen in dieser Stunde. Sonntagmorgens, Sechs Uhr Dreißig.

 

Die Rolltreppe speit mich herauf auf die Bahnsteige des Hauptbahnhofs.

Erstmals bin ich wieder mittendrin im Leben.

“Meine Damen und Herren auf Gleis 9, der InterCityExpress nach Berlin verspätet sich aufgrund eines Böschungsbrandes um voraussichtlich 15 Minuten…” 

Trolleys schleifen auf dem Bahnsteigpflaster, Reisende starren ungeduldig auf die Uhr. Der Hauptbahnhof, wohl tatsächlich der einzige Ort, an dem gerade alles ist wie immer.

Wenn ich heute Abend meinen Dienst beendet haben werde und nach Hause radeln werde, dann wird der Kaisersack wieder von den üblichen Gestalten bevölkert, werden die Lokale auf der Kaiserstraße wieder gefüllt sein. Die Menschen werden sich sich dann doch irgendwie aus dem Bett gequält, den Sonntag verbracht haben. In Museum oder Kino, auf Fahrrad oder Sofa. Und abends dann noch zum Essen oder Trinken treffen, der Ausklang eines Wochenendes.

Sie alle werden morgen wieder ihrem Alltag nachgehen. Am Montagmorgen, wenn auch die Friedberger Landstraße wieder von Autos verstopft, die Zeil dem Shopping-Rausch erlegen sein wird.

Doch dann, so lächele ich in mich hinein, werde ich noch ‘ne ganze Weile lang im Bett liegen. Und endlich einmal selbst ausschlafen. 

 

 

 

Unter Touristen unterwegs: Bei der “Free alternative walking Tour” in Frankfurt

Dass ein kleiner Perspektivwechsel niemals schaden kann und oftmals mancherlei Erkenntnisse hervorbringt kann, ist wohl zweifelsfrei mehr als bloße Binsenweisheit.
Dies gilt natürlich auch für die eigene Stadt! Es lohnt sich allemal, einmal die Scheuklappen des Einheimischen abzunehmen und die Perspektive von Besuchern der Heimatstadt einzunehmen.

Wie präsentiert sich ihnen die Stadt? Welche ersten und zweiten Eindrücke erhalten sie, was gefällt ihnen besonders gut – insbesondere im Vergleich zu ihrer eigenen Heimat?

Um Antworten auf diese spannenden Fragen zu bekommen, hatte ich mich bereits auf Deck eines der roten Doppeldecker-Sightseeing-Busse gewagt und mich undercover in ein Frankfurter Hostel geschmuggelt.

Mein Wagemut, der wurde schließlich jedesmal belohnt:
Mit neuen Eindrücken und Gedanken sowieso – vor allem aber: Mit netten Gesprächen und Bekanntschaften mit Menschen aus aller Welt.

 

Ein Stadtspaziergang unter “Touris”

Nun begab es sich jüngst – es war ein schnöder Donnerstag, das Wetter so lala -, dass mich die Langeweile packte. Joggen kam aufgrund zweier gebrochenen Rippen nicht in Frage, auch eine Radtour erwies sich mangels intaktem Zweirad (fragt mal besser nicht nach) als nicht durchführbar.

Als einzige Form der Bewegung blieb also das Spazierengehen. Allein schon, um brav dem Rat meines Arztes zu gehorchen.

Und prompt traf mich ein Geistesblitz:
Wieso nicht mich einfach einer “Free Walking Tour” anschließen? Einem jener von Einheimischen geführten Spaziergänge, vorbei an Sehenswürdigkeiten und begleitet von einigen Anekdoten zu Geschichte und Gegenwart der Stadt?

An solchen Spaziergängen hatte ich als Tourist schon in verschiedenen europäischen Städten teilgenommen. Wieso also nicht einmal keck sein und sich als Einheimischer unter die Touristenscharen mischen?

Gesagt, getan! Eine schnelle Recherche führte mich zur “Frankfurt free alternative Walking Tour“, die täglich um 14 Uhr beginnt, Treffpunkt Kaiserstraße. Ein kurzer Blick auf die Uhr: Eine gute Stunde hatte ich noch, das sollte reichen. Nichts wie auf ins Bahnhofsviertel!

Als ich in der Straßenbahn sitze und dem Treffpunkt entgegen fahre, da bin ich schon ein bisschen aufgeregt. Wer werden wohl die Führer sein? Was motiviert sie dazu, unentgeltlich Besuchern unser schönes Frankfurt zu zeigen? Was haben sie zu erzählen, welchen Eindruck von unserer Stadt werden sie den Teilnehmern vermitteln?

 

Backpacker aus Australien vs. niederösterreicher Seniorenkegelverein

Und natürlich: Wer werden sie sein, die Teilnehmer? Werde ich auf aufgeschlossene, junge Menschen treffen – oder doch auf griesgrämige Rentner aus Kärnten? Werde ich umringt sein von einer Horde wild quasselnder und fotografierender Chinesen, von kaugummikauenden Surfertypen aus Kalifornien, gar von einem bekifften Junggesellinenabschied aus den Niederlanden?

Welchen Eindruck sie wohl von Frankfurt haben, welche Geschichten aus ihrer Heimat zu erzählen haben werden? Werde ich mich langweilen – oder am Ende selbst noch unbekannte Ecken entdecken, gar etwas lernen?

Die sympathische Bandansage der VGF reißt mich aus meinen Gedanken. Ich rufe mir noch schnell einige englische Vokabeln in Erinnerung, steige aus und eile schnellen Schrittes zum Treffpunkt.

 

“Hello there, I’m Matze!” 

Ich brauche gar nicht lange Ausschau halten: Vor der auf der Homepage angegeben Adresse schart sich bereits eine Menschenmenge von gut 25 Personen um einen lauthals gegen die Lautstärke des Kaisermarkts nebenan anredenden jungen Mann, der ganz offensichtlich unser Guide für den heutigen Spaziergang ist.

Dass ich mir rechtzeitig ein paar Brocken Englisch ins Gedächtnis gerufen hatte, erweist sich zudem unmittelbar als eine gute Maßnahme. Der Guide begrüßt uns nämlich in breitestem Weststaaten-Slang; fast bin ich mir sicher, hier einen waschechten Texaner vor mir stehen zu haben. Umso erstaunter bin ich dann, als er sich als gebürtiger Frankfurter vorstellt. Prompt schäme ich mich ein wenig für den Akzent meines eigenen Englisch, der mich überall im Ausland prompt als Deutscher entlarvt.

Ich zünde mir derweil eine Zigarette an, mustere die zahlreichen Teilnehmer. Allemal mehr als ich dachte – nicht schlecht für einen Donnerstag! Überwiegend sind es junge Menschen, in Gruppen und – wie ich – alleine. Mit Kamera und Sonnenbrille, ganz dem gängigen Touristen-Klischee entsprechend, aber auch ganz unauffällig und aufmerksam den Worten unseres Guides folgend. Klar, dass auch die obligatorischen mit Kamera bewaffneten Asiaten nicht fehlen.

Der Guide, der sich als Thomas vorstellt, startet erste Interaktion mit seiner Gefolgschaft. Wo wir denn her seien, will er wissen – und auch mich interessiert diese Frage gerade recht brennend. “We’re from Russia”, antworten drei junge Frauen, die ihre Gesichter hinter großen Sonnenbrillen verstecken. Ein Kerl im Jeanshemd erzählt, er sei aus Boston, ein paar Wochen lang in Europa unterwegs, eine junge Chinesin studiert in München und nutzt ihre freien Tage, um ein wenig in Deutschland umherzureisen. Ein bunt gemischter Haufen also.

“You guys look German! Where are you from?” 

Thomas richtet sich an drei halbstarke Jungs zu meiner Rechten.
Ich schmunzele in mich hinein, als die Jungs entgegnen, sie seien mitnichten deutsch, vielmehr Niederländer aus Utrecht. Wenn schon Holländer einen deutscheren Eindruck machen als ich selbst, kann es um meine Tarnung ja nicht allzu schlecht bestellt sein. Hell, yeah!

 

Hurra, hurra, Klischee erfüllt!

Ein paar Hard Facts noch zum Bahnhofsviertel (jaja, Hipster und Junkies…) und wir ziehen los. Weit kommen wir vorerst nicht: Schon am Kaisersack kommen wir zustehen, ich versammle mich mitsamt meinen Spaziergangsgenossen im Halbkreis um unseren Führer Thomas. Dieser fühlt sich offensichtlich pudelwohl in seiner Rolle und blüht vollends in ihr auf: Er kann nämlich nicht nur wie ein gebürtiger Texaner reden, sondern auch noch ziemlich laut. Mit schweißrotem Kopf erzählt er von der Geschichte des Hauptbahnhofs als zweitgrößter Kopfbahnhof des Landes, deutet auf die große Atlas-Statue über der Haupteingangshalle. Jaja, kenn’ ich doch alles schon – fast schalte ich gedanklich ab, als er uns auf die beiden steinernen Figuren links und rechts der großen Bahnhofsuhr an der Fassade aufmerksam macht.

DONNERWETTER! Seit über einem Jahrzehnt bin ich fast täglich am Hauptbahnhof, und meint ihr, mir wären jemals die beiden Damen aus Stein aufgefallen, die – einmal wach, einmal schlafend – den Tag und die Nacht symbolisieren sollen? Sind sie nicht. Ich kann mir nicht erklären, wie ich sie eine solch lange Zeit lang so konsequent ignorieren konnte, schäme mich ein wenig. Merkt ja zum Glück keiner.
Aber hey: Noch keine zehn Minuten mit Thomas unterwegs, und schon was gelernt. So kann’s weitergehen!

A propos weitergehen: Wir setzen uns langsam wieder in Bewegung und trotten gen Westen. “Der wird doch jetzt nicht…”, denke ich mir noch, da macht unser Führer auch schon halt am Karlsplatz.

 

“Welcome at the most dangerous place in Frankfurt!”.

 

Oh nein.
Hat der das jetzt wirklich gesagt?  Ich hab’s ja befürchtet. Thomas berichtet, dass Frankfurt die gefährlichste Stadt Deutschlands sei (was so seit diesem Jahr gar nicht mehr stimmt), übertönt dabei sogar einen nur drei Meter neben ihm lautstark arbeitenden Presslufthammer. Ich find’s ein wenig schade, dass gleich zu Beginn der Tour das ewige Klischee des kriminellen Drogenmolochs manifestiert wird und hoffe schwer, dass sich im Verlauf der folgenden zweieinhalb Stunden noch zahlreiche positive Eindrücke in den Köpfen der Besucher einbrennen werden.

Davon kann aber zunächst keine Rede sein: Zielsicher biegt Thomas in die Taunusstraße ein, ohweh.

Nicht gerade die schönste Ecke unserer Stadt, hier braucht man ein dickes Fell. Über dieses scheinen zahlreiche der Teilnehmer allerdings nicht zu verfügen.

 

 

 

 

 

Als die ersten Junkies zu sehen sind, die in Hauseingängen ihrer Sucht frönen und sich am helllichten Nachmittag einen Schuss in die Venen jagen, blicke ich in entsetze Gesichter. Ich kann’s ihnen nicht verübeln. Dass Thomas’ Hinweis auf das legendäre “Cream Music” an diesem wenig schmeichelhaftem ersten Eindruck etwas ändern kann, wage ich jedenfalls zu bezweifeln.

Immerhin ist er so fair und weist die Teilnehmer darauf hin, dass es sich bei diesem Pflaster aber auch tatsächlich um “Frankfurt shadiest district” handelt. Ich hoffe, sie schenken seinen Worten Glauben.

Wir biegen in die Elbestraße, mitten rein ins Rotlicht. Im Bilden eines Halbkreises sind wir mittlerweile routiniert, wir positionieren uns vor dem größten Laufhaus der Stadt, dem “Crazy Sexy“.  Abermals blicke ich in ungläubige Gesichter, als Thomas erzählt, dass Prostitution in Deutschland kein Verbrechen ist. Scheint wohl nicht überall so selbstverständlich zu sein. Unser Führer offenbart erstaunliches Wissen zum Innenleben der Laufhäuser, reißt dabei noch ein paar Witze, auch ich muss lachen. Lustig ist er zweifelsfrei, unser Guide!

Und doch bin ich sehr froh, als wir dann endlich das Bahnhofsviertel verlassen und die Besucher unserer, ja meiner Stadt, endlich mal etwas anderes zu Gesicht bekommen als Elend und Prostitution. Wir machen Halt in der Taunusanlage, es folgen – na klar! – die unvermeidlichen Hard Facts zur Skyline, geht ja schließlich nicht ohne. Ich schalte ein wenig auf Durchzug, krame meine Kamera aus meinem Rucksack.

Meine Tarnung als Tourist will schließlich vorerst gewahrt werden, und schöne Aufnahmen von der Schillerstatue befinden sich tatsächlich noch nicht in meiner Sammlung.

 

Thema Skyline: Abgehakt!

Wir marschieren weiter, frohen Mutes gen Opernplatz. Unterwegs zeigt Thomas auf eine Statue, an der ich schon hunderte Male vorbeigejoggt bin, die mir aber – ich bin abermals entsetzt! – noch niemals zuvor aufgefallen ist. Laufe ich eigentlich blind durch meine Stadt? Ich gelobe mir Besserung, freue mich, als ich erfahre, dass Miss Sandstein die Märchengestalt “Schneeweißchen” darstellen soll. Die Brüder Grimm also, wen wundert’s, Hanau ist schließlich nicht weit.

Ich beschließe, dass es nun an der Zeit ist, ein wenig interkulturelle Konversation zu betreiben.
Als erster Gesprächspartner bietet sich ein drahtiger Kerl an, der gemütlich neben mir umhertrottet und – wie ich – ganz dem gängigen Touristen-Bild entsprechend seine Canon um den Hals baumeln hat. Ein Opener ist also gefunden, ich nutze die Gelegenheit.

Aus dem fernen Griechenland sei er, erzählt er mir.
“Beautiful!”, sag’ ich, “I’ve already been there and I really loved your orange fruits! They taste so much better than those you can buy in German supermarkets!”. Leider scheint er meine Schwärmerei nicht ganz verstanden zu haben. Nach dem dritten “I didn’t get the question” stelle ich fest, dass entweder mein oder sein Englisch für einen unverbindlichen Plausch dann doch ein wenig unzulänglich scheint. Oder er ganz einfach keine Lust drauf hat. Ich wünsche nett einen schönen Aufenthalt, “beautiful time in Frankfurt” und so, schließe auf zum Rest der Gruppe. Der ist nämlich mittlerweile am Opernplatz angekommen, der – obwohl neben Römerberg Touristenmagnet schlechthin – auch zu meinen eigenen Lieblingsorten meiner Heimatstadt gehört. Es folgen die üblichen Erläuterungen, ich amüsiere mich derweil am Anblick tobender Kinder. Der Abenteuerspielplatz ist nämlich wieder mal zu Gast. Kind müsste man sein. 

German Beer vs. Cerveza Fría

Wacker setzen wir unseren Spaziergang fort. Klar, dass auch Goethestraße (teure Kleidung) und die Fressgass (teures Essen) bei einer ultimativen Touri-Stadtführung nicht fehlen dürfen!

Ich überquere die Hauptstraße in bester Frankfurter Manier bei roter Ampel. Thomas, der bereits auf der anderen Straßenseite steht, weist freundlich darauf hin, dass das Überqueren von Straßen bei halt gebietender Lichtzeichenanlage in Deutschland üblicherweise nicht gestattet ist und mit Geldbuße von satten fünf Euro sanktioniert wird. Aber, das sei die gute Nachricht, noch nie habe er erlebt, dass von dieser drastischen Strafmaßnahme seitens der Polizei gebraucht gemacht geworden wäre. Kann ich so bestätigen!

 

“Excuse me, what did he tell about the the building? Is it a rebuild?”

Zwei Mädchen sprechen mich an unddeuten auf das “Thurn und Taxis” – Palais, sie haben wohl etwas nicht mitbekommen. Fragend blicken sie mich aus ihren braunen Augen an, die mich bereits ahnen lassen, welcher Nationalität die beiden wohl angehören.

Ich leiste kurze Aufklärungsarbeit und sorge für Gewissheit.
Dacht’ ich mir’s doch: Aus dem schönen Spanien sind sie!

Schnell entwickelt sich ein Gespräch, natürlich wollen auch sie wissen, woher ich bin. Ich beschließe, meine Tarnung ihnen gegenüber aufzugeben, ich möchte niemandem ins Gesicht liegen. Dass ich ein “Local” bin, das finden sie ein wenig verrückt, aber nicht minder interessant.

Neugierig frage ich sie nach ihren Reiseplänen. “Wir fahren zwei Woche lang durch Deutschland”, verraten sie mir, während wir Kurs auf die Börse (na klar!) nehmen. Und dabei lassen sich die beiden nicht lumpen! Frankfurt ist nur ein kleiner Zwischenstopp auf ihrer Reise. Und direkt aufgefallen ist ihnen, dass Frankfurt irgendwie different ist. Es gäbe keine Altstadt und kein Downtown, alles liege so dicht beisammen. Ich glaube, sie haben das Wesentliche bereits erkannt. Sie erzählen mir von ihrer Reise. In Lübeck sind sie schon gewesen, haben den Kölner Dom bestiegen, waren wandern im Schwarzwald gewesen. Ach, und natürlich, zwei Tage Hannover!

Wie bitte? HANNOVER?!


Das verwundert mich dann doch ein wenig.
Ich frage die beiden nach ihrem schönsten Erlebnis in der niedersächsischen Landeshauptstadt.

Und verrate ihnen gleich mein ganz eigenes, schönstes Erlebnis in Hannover:
Als am Hauptbahnhof der ICE nach Frankfurt einfuhr, pünktlich auf Gleis 3. Nie werde ich vergessen, wie sich zischend die Türen schlossen, sich 360 Meter Stahl in Bewegung setzten, Hannover Stück für Stück gen Horizont entschwand. Immer wieder gern erinnere mich an dieses schönste all meiner Hannoveraner Erlebnisse!

Die beiden lachen nicht, offensichtlich finden sie mehr Gefallen an Hannover als ich. Immerhin bringe ich die beiden zum Schwärmen.
Und zwar, ihr ahnt es kaum: Von der Deutschen Bahn AG!
Ja, ich weiß, muss man erstmal sacken lassen.

Der Eisenbahnverkehr in Deutschland, der sei echt super, da sind sich die beiden einig. Ob im Fern- oder Nahverkehr, die Züge führen ständig, zuverlässig, in alle Richtungen. Interessant, solch Lobeshymen über das bestgehassteste Transportunternehmen der Republik, die hab’ ich von Deutschen noch nie vernommen.

Wir haben die Börse erreicht, Thomas referiert eifrig über die Geschichte des Judentums in Frankfurt, steigende und fallende Kurse, Bull & Bear.

Ich bin angefixt, will wissen, was genau die beiden Spanierinnen außer der Deutschen Bahn noch so vermissen werden, sobald sie nach zwei Wochen in deutschen Landen wieder heimische Gefilde erreichen. Ihre Antwort, die verblüfft mich. Nicht das deutsche Bier werden sie am meisten vermissen, nicht irgendwelche Kuckucksuhren, nicht die schönen Fachwerkhäuser.
Nein: Die freundlichen, hilfsbereiten Menschen und die vielen Buchläden, die werden sie vermissen, sagen sie.

What the hell?
Freundlichkeit und Büchereien also. Nun, nicht unbedingt die Dinge, für die Deutschland gemeinhin in der Welt bekannt ist. Hätte ich so nicht erwartet.
Morgen geht die Reise weiter für die beiden, Berlin ist ihr Ziel. Vielleicht werden sie das mit den “freundlichen, hilfsbereite Menschen” noch einmal überdenken.

Nachdem wir einen Blick auf das Eschenheimer Tor geworfen haben, passieren wir die Zeil. Die “Zeile” von Häusern, die einst die Grenze zu den mittelalterlichen Stadtgrenzen markierte, wie Thomas sachkundig erklärt.

“Und gibt’s auch was, das euch in Deutschland fehlt? Habt ihr ein wenig Heimweh?”, will ich von den beiden netten Spanierinnen wissen. Beide sind sich einig: Unmittelbar nach ihrer Rückkehr werden sie sich im spanischen Essen geradezu suhlen. Kann ich ihnen nicht verdenken, sonderliches Ansehen genießt die deutsche Küche im Ausland schließlich zurecht nicht. Sie erzählen mir von ihrer Heimat, ich bekomme Lust auf Urlaub.

Eine Frage aber, die brennt mir dann doch noch unter den Nägeln.
Die Frage aller Fragen, sozusagen:

Welches Bier schmeckt eigentlich besser? Das weltbekannte deutsche – oder doch das eiskalte Cerveza an spanischen Stränden? 

Die beiden sind sich einig: Ganz klar das deutsche, natürlich!
Seit einem Biergartenbesuch in München samt Augustiner im Maßkrug seien sie sich da ganz sicher. Wer könnte den beiden auch widersprechen?

 

Von ollen Latschen & dem Weinanbau

Nun hab ich’ ich mich gut unterhalten, so schön ausgetauscht, dass ich fast nicht bemerkt habe, dass unsere illustre Runde bereits Kurs auf die Paulskirche nimmt.
Thomas überrascht mich abermals mit kuriosem Wissen: Dass Birkenstock nämlich, der Hersteller dieser fiesen Arztpraxen- und Öko-Sandalen, seine erste Filiale anno 1896 in Frankfurt eröffnete, das wusste auch ich nicht. Ich weiß nicht, ob ich als Frankfurter stolz auf diese Tatsache sein soll – werde sie aber auf jeden Fall in Erinnerung behalten, um mich mit unnützem Wissen profilieren zu können.

Kurzer Abstecher in die Paulskirche, kenn’ ich ja alles schon hier. Viel interessanter wird’s für mich, als wir den Innenhof des Frankfurter Weinguts betreten. Ja leck’ mich doch, wie kann es sein, dass ich hier unzählige Male vorbei gelaufen bin – aber niemals einen Fuß in den Hof hinein gesetzt habe?

Ich blicke herauf auf die Fassaden, betrachte die Gemälde. Szenerien der Apfelernte und des Weinanbaus. Und damit sind wir auch beim Thema. Unser Guide beweist sympathische Ehrlichkeit, indem er erwähnt, dass in Frankfurt zwar Weinanbau betrieben werde – das Endprodukt jedoch nicht mehr sei als ungenießbare Plörre. Frankfurt ist halt auch kein Südhang. Auch sei Frankfurt nicht unbedingt für seine Braukunst bekannt. Klar, da gäbe es BINDING – Bier. Unbedenklich genießbar, immerhin – doch das Römer-Pils, das sei nicht Seins. Das Export, “a light Lager Beer” schon eher, jawoll, der Mann weiß, wovon er spricht.

Stilecht betrinken, das täte man sich in Frankfurt eben mit Apfelwein. Ich nicke innerlich. Und kann ihm nicht verübeln, dass er die inzwischen doch recht laufmüden Teilnehmer wissen lässt, dass es dann doch einige Gläser benötige, um Gefallen am “Stöffche” zu finden. Am besten ginge das in Alt-Sachsenhausen, nun ja, man kann ja eben doch nicht immer eine Meinung sein.

Wir stellen uns auf zum obligatorischen Gruppenbild, treten anschließend die letzte Etappe an: Ab zum world-fucking-famous Römerberg, wohin auch sonst?

Dort endet die “Free Walking Tour”, Thomas bedankt sich artig für unsere Aufmerksamkeit, erntet zurecht Applaus. Geldscheine werden ihm in die Hand gedrückt, auch die hat er sich verdient! Die Führung ist zwar kostenfrei, doch können – und sollten! – die Mühen des Guides mit einem kleinen Trinkgeld honoriert werden.

Die multikulturelle Zusammenkunft verteilt sich in alle Himmelsrichtungen, auch ich sage den beiden netten Spanierinnen Goodybe.

Zurück bleiben: Thomas, der Guide – und ich. Zeit, um jegliche Maskerade aufzugeben. Ich spreche ihn auf deutsch an, von Frankfurter zu Frankfurter sozusagen. Verwundert wirkt er nicht, auch ohne großes Publikum ein durch und durch sympathischer Kerl eben. Aufgewachsen in der berüchtigten Nordweststadt, wie er mir verrät.

Ich freue mich, als er vorschlägt, den Weg bis zur Konstablerwache gemeinsam zu bestreiten. So hab’ ich Zeit, ihm ein paar Fragen zu stellen, die mich brennend interessieren….

 

“Ich meine ja immer noch, dass Frankfurt die perfekte Stadt für einen Wochenend-Besuch ist!” 

Jetzt bin ich neugierig: Wie bist du denn überhaupt dazu gekommen, Besuchern als Guide eines Stadtspaziergangs unsere Stadt zu zeigen? Reich wirst du damit sicher nicht – was treibt dich also dazu an? Was reizt dich an diesem Job?

Mein Lebenslauf ist wohl derjenige des typischen Millenial-Globetrotters. Ich war als Austauschschüler in Amerika, dann als Student  irgendwann auch mal in Japan, China und Spanien. Ich schlief also öfters in Hostels als zu Hause, und so lag es nahe, an der Rezeption zu jobben. Als ich dann zurück in Frankfurt war, musste ich dann auch gar nicht lange überlegen, womit ich mein Geld verdienen soll. So hab’ ich also an der Rezeption eines Frankfurter Hostels Gäste betreut, und ständig wurde ich nach einer “Free Walking Tour” gefragt. Zum damaligen Zeitpunkt konnte ich ihnen allerdings nur antworten: “Sorry, gibt’s nicht in Frankfurt”.  Irgendwann hat ein Bekannter dann erstmals eine angeboten – und endlich musste ich die Gäste nicht mehr enttäuschen, wenn sie mich nach einem Stadtspaziergang mit einem Guide fragten. Nachdem es mich dann nochmals in Ausland verschlagen hatte, konnte ich nach meiner Rückkehr nicht mehr an meinen Arbeitsplatz im Hostel zurückkehren. Und dann hab’ ich die Gelegenheit beim Schopf ergriffen, mich als Guide beworben – und habe kurz darauf “meine” erste Gruppe begrüßen dürfen!

Klar, reich werd’ ich nicht mit dem Job. Doch das Trinkgeld ist ein schöner Anreiz, wirklich mein Bestes zu geben. Der größte Ansporn jedoch ist meine Liebe zu meiner Heimatstadt. Es ist frustrierend, dass Frankfurt nach wie vor einen solch zu Unrecht schlechten Ruf hat – und ich will meinen kleinen Beitrag dazu leisten, dass sich daran etwas ändert! Klar, von Frankfurts Altstadt blieb nach dem Krieg nicht viel übrig. Doch der Gedanke, das “alte Frankfurt” durch Erzählungen wieder ein wenig aufleben zu lassen, der gefällt mir!

Auf den ersten Blick besteht Frankfurt natürlich erst einmal vor allem aus viel Glas und Geld, doch je mehr man sich mit ihr beschäftigt, umso mehr man in die Details in ihrer Geschichte versinkt, da merkt man: Frankfurt hat so viel zu erzählen, gibt so viele Geschichten preis! Ich leite die Touren nun schon seit neun Monaten, entdecke selbst immer wieder Neues, Fantastisches und Spannendes.

Nicht zuletzt  macht es aber auch nur Spaß, wenn sich die Leute auch interessiert und aufgeschlossen zeigen. Und da sind die Teilnehmer sehr unterschiedlich! Viele von ihnen nehmen bei den Touren teil, weil sie tagsüber ohnehin nichts anderes zu tun wüssten, die Teilnahme ohnehin umsonst ist.  Das führt manchmal dazu, dass nicht alle so großes Interesse an der Stadt und ihrer Geschichte haben. Umso mehr freue ich mich aber über all diejenigen, die WIRKLICH interessiert sind an meiner Stadt. Und wenn ich nur ein paar von ihnen begeistern kann, dann bin ich glücklich! Das ist mein größter Lohn.

Das erklärt zumindest, dass du Englisch sprichst wie ein Muttersprachler! Frankfurt jedenfalls, das ist eine äußerst vielfältige und kontrastreiche Stadt. Ist es nicht ungeheuer schwierig, den Teilnehmern einen dennoch möglichst vielseitigen und authentischen Eindruck zu vermitteln, der dieser Stadt gerecht wird? Zumal die Besucher ja oftmals nur wenige Tage hier am Main verbringen…

Ich meine ja immer noch, dass Frankfurt die perfekte Stadt für einen Wochenend-Besuch ist! Sicherlich gibt es auch noch coole Dinge außerhalb des Anlagenrings, aber das Wichtigste findet sich eigentlich inmitten des Anlagenrings. Mal abgesehen von Sachsenhausen! Ich finde, in diesem Raum kann man den Charakter der Stadt schon recht ausführlich erleben. Streetart, Bonzenstraßen, den Kaiserdom und kleine, urige Lokale – all das lässt sich in der Innenstadt entdecken, sogar zu Fuß! .

Dabei möchte ich Frankfurts Besucher gern als Guide unterstützen. Und ich probiere jedes Mal neue Methoden aus, um auch komplexe geschichtliche Zusammenhänge unterhaltsam darzustellen! 

Mal butter bei die Fische: Welchen Eindruck von Frankfurt sollten die Touristen idealerweise mit nach Hause nehmen? 

Wir als Veranstalter wollen allgemein den Leuten natürlich alle Facetten der Stadt zeigen. Dazu gehören Drogenproblematik, viel Geld und Geschichte gleichermaßen! Mich persönlich interessiert der geschichtliche Aspekt jedoch am meisten. Meine Stadt finde ich einfach rundum faszinierend. Es sind vor allem die kleinen Dinge, die es zu wissen und entdecken lohnt! Klar, viele der Touristen werden sich davon nicht alles behalten können – aber es ist eben mein Wunsch, dass sie Frankfurt als eine wirklich coole Stadt empfinden und ihren Freunden begeistert von Frankfurt erzählen. 

Die Teilnehmer scheinen ja wirklich aus aller Welt zu stammen. Hast du eigentlich eine Art „Lieblings-Teilnehmer“?

Lass’ mich mal überlegen… Geschichtslehrer vielleicht? Nein, Lieblings-Teilnehmer hab’ ich nicht wirklich. Natürlich ist es einfacher, nur mit Leuten unterwegs zu sein, deren Muttersprache englisch ist. Dann kann ich mir ganz sicher sein, dass jeder wirklich alles verstehen kann. Ansonsten ist mir einfach wichtig, dass die Gruppe gut gelaunt und wissbegierig ist! Und natürlich viele Fragen hat, sonst wird’s ein wenig einseitig. Aber solange die Leute über meine Jokes lachen, da hab’ ich meinen Spaß! 

Na, ein paar Mal musste auch ich ja herzlich lachen! Ich wünsch’ dir nen schönen Feierabend, ich empfehle dich und deine Tour gern weiter! 

 

Auch als Frankfurt-Fuchs noch was gelernt: Mein Fazit

Ich bedanke mich nochmals herzlich für den schönen Nachmittag, wünsch’ Thomas einen wohlverdienten Feierabend. An der Konstablerwache trennen sich unsere Wege. Ich  falle in die Straßenbahn (endlich sitzen!) und muss gar nicht lange überlegen:

Dieser Nachmittag hat sich mehr als nur gelohnt und durchweg Spaß gemacht!

Dass ausschließlich die klassischen Sehenswürdigkeiten unserer Stadt angesteuert wurden, hat mich kaum verwundert. Die Führung beschränkte sich auf das Bahnhofsviertel und die Innenstadt – aber ist ja auch ganz schön, dass in Bornheim oder Nordend wir Frankfurter noch weitgehend unter uns sein können. Auch Einheimische brauchen schließlich Rückzugsorte!

Klar, es mutet zunächst ein wenig komisch an, sich als Einheimischer in der eigenen Stadt einen Sightseeing-Spaziergang für Touristen anzuschließen.

Doch einmal über den eigenen Schatten gesprungen, bereitet ein solches Unterfangen durchweg Freude!

Wo sonst kann man schon Bekanntschaft mit jungen Menschen aus aller Welt schließen und aufschlussreiche Gespräche mit ihnen führen, ohne selbst verreisen zu müssen?

 

Nicht zuletzt können bei diesem Abenteuer vor der eigenen Haustür auch Frankfurt-Füchse wie ich noch etwas lernen und sich ein wenig kurioses Wissen aneignen. Außerdem, da wusste bereits Oma schon:

Bewegung an der frischen Luft, die tut einfach gut. Genau wie gelegentlicher Perspektivwechsel. 

 

Lust bekommen?

Habt auch ihr nun Lust bekommen, euch einmal unters Besuchervolk zu mischen und eure Heimatstadt zu Fuß neu zu erkunden?


Gruppenbild: Wer entdeckt den Autor? 

Die Führungen finden täglich statt, Treffpunkt ist jeweils um 14 Uhr vor der Kaiserstraße 69. Die Teilnahme ist kostenlos; Spenden sind jedoch gern gesehen.

Alle weiteren Informationen erhascht ihr unter:

http://alternative-walking-tour.com/

 

 

Wie viele Cafés braucht der (Großstadt-)Mensch?

Eines vorweg: Ich bin süchtig nach liebe Kaffee! Und noch viel mehr, da liebe ich Cafés. Kein Scheiß, ich wüsste nicht, wo ich einen Großteil meinen Freizeit verbringen sollte, wenn nicht nach absolvierter Jogging-Runde im Café.

Mich meiner Lektüre widmen, arbeiten, diesen Blog am Leben halten, Freunde treffen, Menschen kennen lernen, bunten Austausch pflegen, gern auch mal handfest diskutieren, einfach mal die Seele gestresste Großstadtseele baumeln lassen und dabei  im besten Fall noch ein wenig braun werden:

Ich wäre vermutlich ein ziemlich einsamer und unproduktiver Mensch, wäre das Café nicht erfunden worden. Notorisch müde mangels Koffeinversorgung ohnehin.

Warum ich so unendlich gerne und am liebsten alleine ins Café gehe, habe ich bereits in einem meiner bisher meistgelesen Beiträge ausführlich eruiert.

 

Kein Mangel in Frankfurt

Nun lebe ich glücklicherweise in einer Stadt, in der wahrlich kein Mangel an zauberhaften Cafés herrscht. Gott und die Welt strömt in die Kaffeehäuser, sei es um des Kaffees Willen (Craft Coffee ist schließlich schwer im Kommen!), zum W-LAN schnorren mit MacBook oder schlicht zwecks Treffens und Tratschens Und – das wird ja manchmal ein wenig unterschätzt – in den meisten Cafés, da lässt es sich außerdem oftmals auch vorzüglich speisen.

Cafés sind Institution und aus dem Frankfurter Nachtleben nicht mehr wegzudenken. Auch ihre soziokulturelle Aufgabe Funktion meistern sie mit Bravour!

Das Glück, in einer mit Cafés derart gefluteten Stadt Leben zu dürfen, weiß ich insbesondere zu schätzen, da ich hauptberuflich mitunter munter in der gesamten Republik unterwegs bin. Und wisst ihr, wie schwierig es beispielsweise ist, ein handelsübliches Café in klassischem Sinne in Leipzig zu finden?

Klar, Kaffee gibt’s auch hier an jeder Straßenecke, in jedem Restaurant und einem jeden Kiosk. Doch Cafés, die sucht man selbst in den Szenevierteln rund um die “Karli” oder in Plagwitz vergeblich.

Schön also, in einer Stadt zu leben, die eine solche Fülle und Dichte an Kaffeehäusern bietet. So weit, so schön – so gut?

 

Breite Vielfalt & schneller Wandel

Mitnichten. Denn kann eine solche breite Auswahl an Cafés auch schnell überfordern. Kleines Beispiel gefällig?

Vor anderthalb Jahren bin ich von Bornheim ins Nordend gezogen. Es galt also, ein neues Stammcafé in fußläufiger Erreichbarkeit zu finden. Ich war zu dieser Zeit zwar ziemlich oft im “Place to be” in der Innenstadt, doch will man sich ja öfters auch lediglich mit möglichst wenig Kraft- und Zeitaufwand von Bett oder Sofa zu einer duftenden Tasse Kaffee und der Tageszeitung schleppen.

Recht schnell war ich also ziemlich oft und gerne im Glauburg-Café, zu dem ich notfalls hätte krabbeln können. Ich fühlte mich pudelwohl dort, es dauerte nicht lange, bis man mich als Gast kannte und meine Bestellung lediglich mit den Worten “Wie immer?” entgegennahm. Die Vorzüge des Stammgast-Daseins eben.

Irgendwann jedoch, ein Konzertbesuch war Schuld daran, habe ich das “Café AWAKE” am Nibelungenplatz entdeckt. Und direkt war ich verliebt!

 

Verliebt in den guten Kaffee, all die bequemen Polstermöbel, den riesigen Ohren-Sessel, in den ich so schön versinken konnte. Liebte es, bei Regen aus dem Fenster zu schauen und das hektische Treiben auf der Friedberger Landstraße zu betrachten, mich selbst im warmen wissend. Außerdem sorgten die vielen Studenten von gegenüber, die hier Lernten oder an ihren Arbeiten tüftelten, für eine wohlige Arbeitsatmosphäre, in der ich mich ganz hervorragend konzentrieren konnte.

Tag für Tag hatte ich fortan die Qual der Wahl:

Auf’ne Tasse Wacker und die Rundschau ins Glauburg-Café, oder doch lieber im Ohrensessel des Café AWAKE versinken?

Zu diesem Zeitpunkt ist es mir ja noch gelungen, meine Besuche entsprechend zu variieren. Ich war mal hier, mal dort – und konnte mich darüber freuen, dass ich gleich zwei so wunderschöne Stamm-Cafés vor der Haustür habe.

Dieses Glück währte jedoch nicht lange: Aus der Fensterfront des Glauburg-Café war bereits absehbar, dass der Kiosk gegenüber einem weiteren Café weichen würde.

 

Und tatsächlich, wenig später war’s dann auch soweit: 

In den Räumlichkeiten der ehemaligen Trinkhalle eröffnete das Glückskaffee.
Und ich erstmal so: Uff. 

In den einschlägigen Stadtmagazinen hatte ich nur Gutes über das neu eröffnete Café gelesen; ein Besuch war also Pflicht. Und ja, was soll ich sagen? Vorbeigeschaut, nett bedient worden, begeistert gewesen von den gemütlichen Räumen und der Essens-Karte.

Sollte ich mich also künftig gleich zwischen drei Cafés entscheiden müssen, die  in Spuckweite meiner vier Wände mit Gemütlichkeit und Käffchen lockten?

Erste Anzeichen der Überforderung machten sich breit. Ich besann mich derweil die Vorteile des Stammkunden-Daseins, pendelte weiter munter zwischen Glauburg-Café und AWAKE umher.

Bis dann die Metzgerei gegenüber schloss.
Und nun ratet mal, was in deren Räumlichkeiten bald eröffnen sollte!

Ihr habt es sicher bereits geahnt, statt Fleischtheke sollte das “Lucille” künftig Kuchenauslage präsentieren, Siebträgermaschine statt Fleischwolf, Kaffee und Kuchen statt Hackfleisch und Salami.

Das vierte Café in meinem engsten Nordend-Radius also, mittlerweile hatte sich mir längst die Frage aufgedrängt, ob der Markt nicht längst gesättigt sei, die vielen Cafés sich nicht bald gegenseitig kannibalisieren würden. Vielleicht sprachen auch einfach nur die zwei Semester BWL aus mir, die ich mal mit überschaubarem Erfolg studiert hatte.

Klar, dass ich mal dort war, Kaffeedurst und Neugierde wollten schließlich gestillt werden. Doch insgeheim da hatte ich die Hoffnung, endlich einmal so richtig enttäuscht zu werden. Pustekuchen, denn das Gegenteil war der Fall:

Die Fliesen der Metzgerei gaben dem LUCILLE ein ganz besonderes Flair, der Schallplattenladen im Nebenraum war ein Grund, hier unbedingt öfters vorbeizuschauen. Lediglich, dass mich die Kellnerin trotz etwa gleichen Alters gesiezt hatte, das nahm ich persönlich.

Die Eröffnung des mittlerweile stets gut besuchten LUCILLE war in etwa der Zeitpunkt, in dem ich mich endgültig ausgeklinkt hatte. So verlockend es auch war, neues Flair auf mich wirken zu lassen und mich immer wieder in kleine Details zu verlieben: So liebenswert jedes einzelne Café in meiner Nachbarschaft auch sein mochte, ich wollte mich nicht ständig entscheiden müssen und wollte mein Café-Dasein lieber auf “MEIN” Café beschränken.

So kam es schließlich auch:

Das “Café Sugar Mama” bot mir – mal abgesehen vom WLAN – so ziemlich alles, was mein Herz begehrte. Leckeren Kaffee zum fairen Preis, echten Shabby-Schick zum Wohlfühlen, wechselnde Kunstausstellungen. Immer nette Leute – und vor allem: Ein Team, das charmanter gar nicht sei könnte.

Dass in “meinem Kiez” zwischenzeitlich noch das Café No.48 eröffnete, es im “Nordlicht” nebenan angeblich den besten Brunch der Stadt gab und mit dem Casual Café neruerdings ein selbsternanntes Nachbarschafts-Café zu Kaffee und Kuchen lud, das nahm längst nur noch schulterzuckend zur Kenntnis. Auch die Craft Coffee – Bude Hoppenworth & Ploch, die ich von meinem Balkon aus sehen kann, nahm ich lediglich wohlwollend als Teil meiner unmittelbaren Nachbarschaft wahr.

Lediglich dem WIR KOMPLIZEN in der Egenolffstraße erweise ich seit dessen Neueröffnung hin und wieder gern die Ehre; außer mit Kaffee weiß der sympathische Laden nämlich obendrein mit einer beträchtlichen Auswahl an Craft Beer.

 

Wie konnte sich das nur lohnen?

Zurück blieb also ich, meist täglich im Café Sugar Mama, mit Büchern, Zeitung und der Frage: Wie zum Teufel soll sich das für die Betreiber lohnen? Wie sollten all die Cafés wirtschaftlich überlegen, wenn sie geradezu umringt von anderen sind?

Und nicht zuletzt: Wieso mutiert gefühlt jeder leerstehende Geschäftsraum kurzerhand zum Café? Zur Hölle, gibt’s denn sonst nichts mehr in dieser Stadt?
Hat Frankfurt bald mehr Cafés als Einwohner? Und ist es nicht töricht von mir, all diese Vielfalt zu ignorieren und mich weiterhin fast täglich in meinem geliebten Schaukelstuhl des “Sugar Mama” zu fläzen, weil es mir hier doch an gar nichts mangelt?

Verstehen wir uns nicht falsch:

Jedes inhabergeführte Café ist eine echte Bereicherung und allemals begrüßenswerter als einer der berüchtigten blau-weißen Handyläden.

Auch fühle ich mich umweht von Röstaromen deutlich wohler als vor zugeklebten Scheiben einer Spielhalle (alternativ einem Wettbüro). Gibt’s schließlich schon viel zu viele davon. Wo aber sollte das hinführen, würde die Schwemme der Café-Eröffnungen ewig so weitergehen?

Zur Erinnerung: Ich erzählte bislang ausschließlich vom Frankfurter Nordend.
Doch anderswo in den “angesagten” Stadtteilen, da schaut es schließlich auch nicht anders aus. So durfte ich heute folgendes erleben…

Ein Blick nach Bornheim

B O R N H E I M   M I T T E !

Der Inbegriff der Frankfurter Urbanität. Hier wollen sie alle hin, bestenfalls hier leben, zumindest aber präsent und Teil des “Savoir-vivre” sein, das die Bornheimer Bohemian hier zelebriert.

Ich selbst wohne zwar leider nicht mehr hier, doch bin auch ich noch in schöner Regelmäßigkeit hier, um einfach Platz zu nehmen und die Welt ‘nen schönen Ort sein zu lassen.

 

Ganz besonders gern natürlich im Café Wacker, einer Filiale der alteingesessenen Frankfurter Rösterei am Uhrtürmchen. Ich mag den klassischen Kaffeehaus-Flair, den betörenden Duft der Kaffeebohnen, die hier am Tresen grammgenau an Mann und Frau gebracht werden.

Die Sojamilch-Fraktion dagegen lässt es sich gleich schräg rechts gegenüber im Café Corners gutgehen, präsentiert bunte Sneakers und nuckelt am laktosefreien Latte-Macchiato. Soweit,so Bornheim. Eben für jeden was dabei hier.

Der heutige Grund meines Aufenthalts in “Bernem” ist allerdings weit weniger erfreulich: Im Sinne der persönlichen Gesundheitsfürsorge gilt es einmal wieder, den Zahnmediziner meines Vertrauens aufzusuchen. Mit Ach und Krach hab’ ich die Behandlung allerdings wider Erwarten dennoch überlebt, und so verlangt es mir nach einem Kaffee zur Belohnung meiner Tapferkeit.

Mein lieber Freund Michael ist in der Nähe; dank WhatsApp sind wir schnell auf ‘nen Kaffee verabredet. Als ich noch in Bornheim lebte, war ich selbst am liebsten im Café Süden, nun stehen wir aber bereits vor dem Kaffeehaus Wacker. Ich werfe noch einen Blick nach gegenüber, da, wo einst die Frankfurter Filiale des “Veganz” – Supermarktes war. Ihr ahnt ja sicher bereits, dass dessen Nachfolge – wie könnte es auch anders sein – ein Café angetreten hat.

Neugierde schreit in mir auf, “mal was Neues probieren?” höre ich mich Michael fragen. Ich deute auf das “Picknick Café“, so der Name der neuen Bornheimer Bereicherung.

Michael ist d’accord, wir schlendern hinüber, ein schöner Platz im Freien ist schnell gefunden. Prompt ist auch die Bedienung da. “Hey Matze, bist du’s?” – noch nie hier gewesen, und doch erkannt worden. Kurzer Blick in den Innenraum: Wahnsinn, da hat man offensichtlich Mühe gegeben. Daran, dass sich hier noch vor kurzem Tofu-Würstchen und Sojaschnitzel in Regalen türmten, erinnert wahrlich nichts mehr. Stattdessen erspähe ich nun eine echte Wohlfühl-Oase mit fernöstlichem Touch.

Wir bestellen unseren ersehnten Kaffee (nur echt mit einem Schuss Sojamilch und Leitungswasser), der uns prompt mitsamt ein paar netten Worten gebracht wird. Als ich die Tasse sehe, da muss ich lachen: Das mir wohlbekannte Firmenlogo der Rösterei Wacker prangt darauf. Hier gibt’s offensichtlich den gleichen Kaffee wie in der Wacker-Filiale gegenüber, was mir nur recht sein kann.

Nach unserem Besuch, da muss ich sagen: Hey, das war wirklich nett hier. Ein Ort zum Wohlfühlen, bei einer wahrlich guten Tasse braunen Goldes. 

Ein weiteres Mal bin ich verwundert: Wie kann es sich nur rechnen, “face to face” gleich zwei so wunderbare Kaffeehäuser zu betreiben? In denen obendrein derselbe Kaffee serviert wird?

Klar, der Platz rund ums Uhrtürmchen ist ein viel frequentierter Ort. Doch ist es ja nicht so, dass hier lediglich zwei Cafés um Kundschaft buhlen würden. Im Gegenteil, Cafés dominieren mittlerweile das gesamte Bild des Platzes.

Gleich rechts neben dem Café Wacker, da befindet sich nämlich schon seit Ewigkeiten das Café “Baguette Jeanette“, wo es sich Gerüchten zufolge auch gut aushalten lässt. Wiederum rechts davon befand sich lange Zeit eine Damenboutique. BEFAND. Denn seit geraumer Zeit hat hier… ja, genau, ihr wisst schon. Ein Café eröffnet. Das “Sieben Sinne“, um genau zu sein.

Und ob das nicht genug wäre, ist gleich an der nächsten Kreuzung das “Café Klatsch” zu finden, welches mir ebenfalls gut gefallen hat und mit einigen Jahren auf dem Buckel schon so gut wie zum Bornheimer Stadtbild gehört. Ein Stückchen weiter gen Norden, das sei nur am Rande erwähnt, ist mit der “Mokkateeria” übrigens ein orientalisches Café zu suchen, das seinesgleichen sucht – und das ich ganz bestimmt noch öfter aufsuchen würde, müsste ich nicht gelegentlich diversen Verpflichtungen nachkommen. Den dienstlichen zum Beispiel, irgendwie will mein exzessiv praktiziertes Kaffeetrinken schließlich finanziert werden!

All das kommt mir in den Sinn, während ich Michael verabschiede. Darüber sollte ich dringend was schreiben, denke ich mir – allein schon um mein schlechtes Gewissen zu beruhigen, weil ich meistens doch nur im “Sugar Mama” herumhänge. Um meiner gelegentlichen Überforderung angesichts dieses Überangebots an Cafés Ausdruck zu verleihen, ebenso wie meiner Verwunderung darüber, wie sich das überhaupt rentieren kann. Und in Frankfurt derzeit eigentlich noch andere Geschäftsideen als “Café eröffnen” existieren.

 

Das Stammgast-Dilemma

Ich jedenfalls, das stelle ich immer wieder fest, stecke im “Stammgast-Dilemma”. Ich könnte täglich ein neues Café ausprobieren, eines besuchen, in dem ich schon lange nicht mehr war.

Am Ende jedoch, da lande ich dann aber meistens einmal wieder in meinem Stammcafé. Da kennt man sich, da weiß man was man hat, da fühlt man sich wohl – und genießt nicht zuletzt auch die ein oder anderen Privilegien.

Das Stammgast-Dasein ist ohne Frage ein schönes, ob im Café oder anderswo. Bei allen Annehmlichkeiten macht es allerdings auch eins: Faul, auch mal etwas Neues auszuprobieren. Und das ist in einer Stadt wie Frankfurt auch irgendwo schade.

 

Café-Flut, quo vadis: Was denkt ihr?

Als ich nach Hause komme und mich an die Tasten setze, da frage ich mich, wie ihr das seht.

  • Freut ihr euch uneingeschränkt über die breite und kaum mehr überschaubare Auswahl an Cafés in unserer Diva am Main? Oder seid auch ihr gelegentlich ein wenig überfordert davon?
  • Bevorzugt ihr es, Stammkunde in eurem Lieblings-Café zu sein – oder seid ihr lieber “mal hier, mal da”, um euch immer wieder überraschen zu lassen? Gehen euch Cafés vielleicht gar total am Arsch vorbei?
  • Sollten freiwerdende Gewerbeflächen weiterhin fast ausschließlich gastronomisch genutzt werden – oder würdet ihr euch eine andere Nutzung wünschen?
  • An was mangelt es euch in der Stadt – Ausstellungsräume, Schallplattenläden, Kneipen…?
  • Fragen über Fragen, die ich mir nicht einmal selbst vollends zu beantworten vermag.

Umso gespannter bin ich auf eure Meinung! Ich freue mich auf eure Kommentare!

 

Hinter den Bauzaun gespäht: Die neue Altstadt nimmt Gestalt an

Man kann nun wahrlich  nicht behaupten, dass der zweite Weltkrieg gänzlich spurlos an Frankfurt vorübergegangen ist:

Weite Teile der einstmals schönen Altstadt fielen dem Bombenhagel zum Opfer. Es entstanden große Lücken, die nach Kriegsende entweder bestehen blieben oder mit einer jener Bausünden der 1960er und 1970er Jahre geschlossen wurden. Das prominenteste Beispiel für jenen kalten Brutalismus ist mit Sicherheit das alte Technische Rathaus – na, wer erinnert sich?


(c) Archiv Neumarkt Dresden

Klar, da gibt es noch den Römerberg, der samt umliegenden Gebäuden schon Anfang der 1950er recht schmuck und ansehnlich wiederaufgebaut und restauriert wurde.

Doch mal ganz ehrlich:
Der Römer, das ist vornehmlich Sitz der Stadtverwaltung und ansonsten lediglich beliebtes Foto-Motiv für Touristenscharen und Selfie-Stick-Träger.

Wie viele Frankfurter trifft man dort für gewöhnlich, zwischen Souvenir-Shops und Schweinshaxe mit Kraut im Angebot? Eben, mich ja auch nicht. 

 

Eine neue Altstadt – Wohl einmalig in Deutschland

Umso erfreulicher, dass zwischenzeitlich zahlreiche der hässlichen Nachkriegsbauten der Abrissbirne zum Opfer gefallen sind und die Stadt Frankfurt beschlossen hatte, die historische Altstadt wieder aufzubauen und in altem Glanz erstrahlen zu lassen.

120 Millionen Euro (!) sollten investiert werden, um stolze 20 Neubauten originalgetreu zu errichten und 15 Fassaden in historischem Antlitz restauriert.
Ein in Deutschland wohl einmaliges Unterfangen.

Im Jahr 2012 war dann schließlich Baubeginn – und im September 2018 soll die historische Altstadt samt zahlreichen Details vollendet und den Frankfurtern als neuer Lebensraum zur Verfügung gestellt werden.

 

Blick auf Fassaden und hinter Zäune

Die letzten Jahre lang regierten hinter den hohen Bauzäunen vor allem Schutt, Staub und Lärm. Die Baustelle, die gehörte irgendwann einfach zum Stadtbild, und irgendwann hatte auch ich mich dran gewöhnt und zeigte weiter kein großes Interesse daran.

Doch nun – gut ein Jahr vor der vorgesehenen Vollendung – lässt sich endlich erahnen, an welchem Anblick sich auch künftige Generationen noch lange werden erfreuen dürfen.

Weite Teile der Großbaustelle und somit viele der Bauten sind noch unzugänglich und allenfalls zu erahnen. Einige Häuserzeilen aber, die überragen bereits in (fast) voller Pracht die Zäune und machen neugierig.

Klar, dass ich mich mal für einen kleinen Foto-Spaziergang auf den Weg gemacht habe – und auch den ein oder anderen Blick hinter die Zäune geworfen habe…

 

Heraus kam ein kleiner Bilderbogen vom aktuellen Bauzustand.
Schaut doch einfach selbst…! 

In der Braubachstraße: Jugendstil-Gebäude “Zum Glauburger Hof”, zurückversetzt in den Zustand von 1913. Von der Berliner Straße kann bereits ein Blick auf die vollendete Fassade geworfen werden. 

 

Auch das Nachbargebäude Braubachstraße 27 ist ein Neubau nach historischem Vorbild- 

 

Immer von der Berliner Straße aus betrachtet: Haus Braubachstraße 23. Abgesehen von einem kleinen Teil des Erdgeschosses wird das ganze Haus als Wohnimmobilie vermietet! 

 

Blick hinter den Bauzaun: Noch herrscht hier reger Baubetrieb. Ist dieser beendet, wird die freie Sicht auf den Dom weiter eingeschränkt sein. 

 

Das Haus “Markt 40 – Zu den drei Räumern” ist bereits jetzt eines meiner Lieblinge! 

 

Die Häuserzeile “Am Markt” im Gesamtanblick – wenn auch noch ein wenig hinter Zäunen versteckt… 

 

Rechts: Fertig! Links: Noch ein Haufen zu tun… 

 

Östliches Ende der Zeile “Am Markt”

 

… ist ja noch Zeit bis September 2018! 

 

Ich bekomme Lust auf mehr

Nach meinem kleinen Spaziergang freue ich mich umso mehr darüber, dass Frankfurt endlich wieder stolz auf eine Altstadt sein kann, die der Stadt würdig ist. Vor allem bin ich ganz gespannt auf die Bauten, auf die momentan aufgrund der Absperrungen noch kein Blick geworfen werden kann.

Bleibt zu hoffen, dass die neue Altstadt tatsächlich ein lebenswerter Wohn- und Lebensraum für alle Teile der Frankfurter Bevölkerung wird und nicht lediglich zum bloßen Postkartenmotiv verkommt.

Maßgeblichen Einfluss hierauf wird die Auswahl der Mieter der Ladengeschäfte sowie die Erschwinglichkeit des Wohnraums nehmen. Hier gilt es dringend, stadtplanerische Fehler der Vergangenheit zu vermeiden.

Ganz Neugierige können übrigens schon jetzt hier einen virtuellen Spaziergang durch die neu Altstadt unternehmen!

Es bleibt also spannend in der (neuen) Altstadt !
Habt ihr auch schon einen Blick hinter den Zaun geworfen ?