„Alles wie immer“: Vom Glück, ein Stammgast zu sein

“Beck’s, Beck’s Lemon oder Corona?”

Die Dame hinter der Bar lächelt mich breit an und erwartet meine Bestellung. Ich verziehe kurz den Mund. Alles nicht so meins. “Ein Beck’s klingt super!”, entscheide ich mich, platziere in gewohnter Manier mein Buch vor mir – und fühle mich ein wenig fehl am Platz.

Rechts neben mir versuchen sich drei Kerle in Hemd und Jacket, sich gegenseitig mit ihren sportlichen Leistungen zu beeindrucken. “Also ich war gestern nach Feierabend noch zehn Kilometer laufen!”. Herzlichen Glückwunsch, denke ich mir und nehme einen Schluck Beck’s.

Vor den großen Fenstern des “Legend’s” fällt der erste Schnee des Jahres, und ich frage mich, was ich hier eigentlich mache. Ich säße gar nicht hier, hätte ich mich nicht dabei ertappt, wie ich nach Dienstschluss fast blind und wie ferngesteuert in die U4 gestiegen wäre, um auf einen Feierabend-Schoppen in “Feinstaub” oder “NORD” vorbeizuschauen.

Gerade noch so konnte ich mir in Erinnerung rufen, dass es doch gut tue, hin und wieder die eingetreten Pfade zu verlassen. Auch nach Feierabend, versteht sich, oder gerade dann. Und es ist ja auch so: Insbesondere Frankfurt frohlockt mit schier unendlich vielen netten Bars und Kneipen für ein Kaltgetränk zum Feierabend. Alle Entscheidung ist da mitunter schwierig, und so neige auch ich eben dazu, immer wieder dieselben Orte aufzusuchen.

Doch heute, da wollte ich quasi todesmutig neue Wege beschreiten, endlich einmal ausbrechen aus dieser spätabendlichen Feierabend-Routine, woanders lesen, während Freunde schon schlafen. Mir selbst ein Bild von den Bildern aus den Stadtmagazinen machen. Ein bisschen frischer Wind konnte doch nicht schaden?

Statt in die U4 bin ich also auf ein Call-a-Bike gestiegen, eisige Novemberluft schadete kurzzeitig meinem Wohlbefinden. So war das aber nicht gemeint mit dem „frischen Wind“!

Als Ziel auserkoren wart das „Legends“, weil gefühlt jeder schon dort gewesen war – außer eben ich. Diesen Zustand wollte ich beenden, doch nun, wo ich hier sitze, fühle ich mich fremd.

Ich vermisse das „Zuhause“-Gefühl, welches man als Stammgast kennt. Ich vermisse die persönliche Begrüßung, das gerenseitigr Erkundigen nach dem jeweiligen Wohlbefinden. Vermisse das „Wie immer?“, vermisse den großen, sauren Apfelwein, der nach kurzem Nicken daraufhin vor mir abgestellt wird.

Vermisse all die Leute, die auch immer hier sind, die man eben kennt, sei es auch nur vom Sehen. Die Toilette blind zu finden, den Heimweg sowieso: Ebenfalls `ne dufte Sache. Doch sind es nicht gerade diese Annehmlichkeiten, die mich immer wieder an die selben Orte zogen, an die selben Theken trieben?

Ich leere mein Beck‘s und beschließe, nächstes Mal wieder ein anständiges Bier zu trinken. Mache der – wirklich sehr netten – Dame hinter dem Tresen deutlich, dass ich zu zahlen gedenke. Fische unbeholfen im Münzfach meines Portemonnaie herum – äh; was kostete der Spaß hier doch gleich? Oha, ja, gar nicht mal so günstig. „Stimmt so!“

Während ich nach Hause fahre, muss ich grübeln. Fuck yeah, ich hab‘ meinen Horizont erweitert – aber wäre ich in diesem Moment nicht glücklicher gewesen, wäre ich meinem Trott gefolgt, hätte ich die letzte Stunde in vertrauter Umgebung verbracht?

Nun, zumindest hätte ich wohl kaum „face to face“ gleich einer ganzen Armada von Ghettoblastern pinkeln können.

 

Am nächsten Tag:

Ich habe frei (hurra!), ertappe mich nach dem Laufen frischgeduscht dabei, wie ich mich instinktiv auf in mein Stammcafé „Sugar Mama“‘ machen möchte.

Gerade noch rechtzeitig entsinne ich mich jedoch auf meinen Plan für den heutigen Tag: Ein Kumpel schwärmte neulich vom besten Cappuccino der Stadt, und den gebe es im „Anïs“, müsse ich mal probieren.

Dies galt es zu überprüfen; statt wie sonst an die alte Brücke sollte es heute also auf ins Ostend gehen. Frischer Wind und so, ihr wisst schon.

Ich trete ein, freue mich über die Wärme. Die zwischenmenschliche Wärme aber, die fehlt mir. Kein “Hey Matze, schön dich zu sehen!” zur Begrüßung, keine Umarmung. Kein “Setz’ dich schon mal!”, kein großer Kaffee mit Sojamilch, der mir serviert wird – ohne dass ich ihn bestellt haben müsste. Seufz. 

Ich vermisse meinen Schaukelstuhl, mein Sofa – und sitze obendrein recht unbequem, auf diesem wackligen Metallstuhl im Ostend. Zwar ist man auch hier sehr nett zu mir, der Milchschaum meines Cappuccino (der wirklich ziemlich gut ist!) zeigt sogar einen Schneemann.

Doch bin ich hier eben nur ein Gast unter vielen, Geschäftspartner, Kaffeetrinker. Und eben nicht: Wohlbekannter Stammgast.

 

Ich hab’ genug der Experimente. Schlürfe aus, steige wieder auf mein Fahrrad, um die neuen Ufer zu verlassen – und laufe gewissermaßen ein in meinen Heimathafen. “Hallo, Roberta!”, begrüße ich meine liebste Kellnerin in meinem Stammcafé. “Matze, wir haben schon auf dich gewartet!”, strahlt sie mich an. Und ich? Fühle mich ein wenig schlecht, wie ein untreuer Ehemann, der seine Gattin betrogen hat. Ich grüße all diejenigen, die auch immer hier sind und freue mich über den duftenden Kaffee, der mir gereicht wird. Schön, wieder zu Hause zu sein!

Vielfalt hin, Abwechslung her

Die Vielfalt all der Cafés, Bars, Restaurants und Kneipen in Frankfurt lässt die Wahl leicht zur Qual werden. Ein ganzes Leben reicht wohl nicht, um überall einmal einen Kaffee getrunken, ein Stück Kuchen gegessen zu haben. Kaum hat man erstmal einen Laden gefunden, in dem man sich pudelwohl fühlt, kaum hat man sich erst einmal mühevoll durch hartnäckige Besuche den Status eines Stammkunden “erarbeitet” – da nagt schon wieder das schlechte Gewissen. Zumindest an mir.

Doch haben mir meine beiden Exkursionen der letzten Tage gezeigt:
Ich hätte nichts weiter verpasst außer das wohlige Gefühl, “zu Hause” zu sein.
Ich kann mich glücklich schätzen, meine liebsten Fleckchen Frankfurts bereits entdeckt zu haben – und nehme dafür künftig nur allzu gern in Kauf, all die anderen sträflichst zu vernachlässigen.

Stammgast zu sein: Das ist nicht langweilig, das ist ein großes Glück. Und ständig an denselben, schönen Orten rumzuhängen großartig! 

Seid ihr meiner Meinung? Seid ihr auch so gerne Stammgast, oder habt ihr Freude daran jeden Tag neue Cafés und Bars entdecken zu können? Ist es euch wichtig, dass man euch kennt – oder könnt ihr es genießen, ein Unbekannter unter Vielen zu sein? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

 

 

Adé, Anonymität? Von einer neuen Sehnsucht nach der Nachbarschaft

Ach, was war das doch früher schlimm auf dem Dorf, in dem wir groß geworden sind! Ein jeder der zweitausendeinhundertachtzehn Einwohner kannte, grüßte und beobachtete sich. Uns natürlich eingeschlossen, sodass wir stets fürchten mussten, Teil des berüchtigten Dorfklatsches zu werden.

Wer ist neulich noch nach Mitternacht über hinuntergeklappte Bürgersteige marschiert, wer hat den sonntäglichen Gottesdienst versäumt, wer hat beim Fest der freiwilligen Feuerwehr nach dem zwölften Bier ein gar unflätiges Lied angestimmt? Wer hat mit der Pfarrerstochter techtelmechtelt, wer gar die Mülltonne abweichend vom amtlichen Müllkalender vor den Vorgarten gestellt? Und überhaupt, war dessen Rasen überhaupt akkurat gemäht – oder drohten Anzeichen der Verwahrlosung und somit neuer Stoff für Klatsch in der Schlange des einzigen Supermarkts im Dorf?

Ja, es hatte seine Gründe, warum wir alle irgendwann – ob zu Beginn des Studiums, oder zum Zeitpunkt des ersten Gehalteingangs – die Flucht in die Großstadt angetreten sind.

Wir alle haben uns danach gesehnt, in jener Anonymität zu versinken, die ein Großstadtleben verspricht. Gesehnt nach dem “Endlich-tun-und-lassen-was-ich-will”, nach unserer ganz persönlichen Freiheit.

Auch ich selbst bin diesem Reiz erlegen, sehnte mich danach, nurmehr Einer von Vielen zu sein. Unbeobachtet mein Ding machen zu können, was auch immer das auch sein sollte. So wie der Großteil meiner Generation, Stichwort: Landflucht.

Die Nachbarschaft? Das sind die, denen wir allenfalls höflich zunicken, wenn wir ihnen im Fahrstuhl begegnen. Das sind allenfalls diejenigen, die unsere Pakete entgegennehmen, während wir Überstunden schieben, um uns unsere Einzimmerwohnung im Szene-Viertel überhaupt noch leisten zu können.

Auch zwischen meiner eigenen Nachbarschaft und mir waren über Jahre hinweg die flüchtigen Begegnungen im Treppenhaus die einzigen Berührungspunkte. Die laute Musik von oben, das Schlangestehen am Müllcontainer. Das in meinem Flur herumstehende Paket, das die Dame aus dem Hinterhaus doch längst abgeholt haben sollte. Meine Nachbarschaft und ich, das war ein bloßes Zurkenntnisnehmen.

 

Doch irgendwas hat sich verändert.

Vielleicht an diesem Nachmittag im Sommer, an dem ich – wie immer ein wenig spät dran – das Treppenhaus hinunter schoss, den Müllsack in der Hand. Und um ein Haar sie gekracht wäre, in die Frau aus “dem Zweiten”, die zusammengekauert auf einer Stufe saß.

Sie fasste sich an ihre Brust und atmete tief. War alles in Ordnung mit ihr? Offensichtlich nicht. “Können Sie kurz bei mir bleiben?”, fragte sich mich. “Mir ist gerade ganz komisch, ich habe Herzrasen und mir ist schwindelig”. Ich beugte mich zu ihr hinunter und kam in die Bredouille. Ich musste zum Dienst, und zwar pronto. Aber konnte ich deswegen ihr Hilfegesuch ignorieren, mit Scheuklappen von dannen ziehen? Keinesfalls.

Ich beruhigte sie, bevor ich ihr erklärte, dass ich es gerade ein wenig eilig habe. Ich bot ihr an, bei einem der Nachbarn zu klingeln. “Aber ich kenne doch niemanden hier im Haus…”, sagte sie skeptisch. “Tja”, dachte ich mir insgeheim, “ich auch nicht”.

Letztlich blieb ich bei ihr, bis es ihr besser ging. Ich rang ihr das Versprechen ab, den Krankenwagen zu rufen, sollte ihr Schwindel zurückkehren. Drückte ihre Hand und murmelte “Alles liebe!”, bevor ich sie alleine ließ. Zum Dienst kam ich natürlich zu spät.

Noch auf dem Weg zur Arbeit kam ich ins Grübeln:
Ist es nicht traurig, nicht den Hauch einer Ahnung zu haben, wer all die Menschen überhaupt sind, mit denen man sich immerhin den eigenen Lebensraum teilt? Keine Ahnung von den Geschichten zu haben, die sie zu erzählen hätten? Ja, nicht einmal zu wissen, wen man überhaupt um Hilfe bitten sollte, wenn man in Not steckt? Oder sich auch nur gerne eine Leiter borgen würde?

Welchen Stellenwert hat “Nachbarschaft” heutzutage überhaupt noch? Und wie viel Potential liegt ungenutzt in ihr brach? Nach reiflicher Überlegung bin ich mir sicher: Nachbarschaft kann mehr als Klatsch & Tratsch.

 

Wenn ich mit offenen Augen durch mein Viertel spaziere, dann stelle ich fest:
Mit dieser Überlegung scheine ich nicht alleine.

Bunte Zettel laden ein zum Sommerfest mit “Grillparty & Cocktails für die Nachbarn oder zum spontanen Nachbarschafts-Konzert. Ein Blick auf den allabendlich gut besuchten Matthias-Beltz-Platz bezeugt: Auch Abhängen an Trinkhallen scheint wieder en vogue. Statt nach Feierabend mit Kollegen in Szene-Bars zu posen, trifft man sich mit den Nachbarn auf ein Bier am Büdchen. Dort hinterlegt man ausrangierte Bücher, vielleicht freut sich ja ein Nachbar drüber. Und wenn zu Hause mehr ausgerümpelt wird als Bücher, wird eben kurzerhand ein Hof-Flohmarkt veranstaltet. Das Viertel gibt, das Viertel nimmt. 

Auch im virtuellen Lebensraum scheint die Nachbarschaft wieder auf dem Vormarsch: Auf Facebook blühen Gruppen wie “Frankfurter Nachbarschaftshilfe”, Plattformen wie “nebenan.de” sind soziale Netzwerke allein für Nutzer einer räumlich definierten Nachbarschaft. Auch Apps wie “nachbarschaft.net” versprechen unkomplizierte Vernetzung und dem Nutzer schnelle Abhilfe, wenn er mal schnell ‘ne Bohrmaschine oder einen Hundesitter braucht.

Dabei haben erwähnte Plattformen haben längst den Sprung aus dem Internet heraus auf die Türschwelle der Menschen gewagt; zumindest in Form von breit gestreuter Werbung. So zog ich neulich neugierig einen kleinen Umschlag aus meinem Briefkasten – adressiert an “unsere liebe Nachbarschaft”, ergänzt um meine Anschrift. Den Umschlag aufgerissen, hielt ich ein nettes, kleines Kärtchen in den Händen – welches sich dann schnell als Werbung für die Plattform “nextdoor.de” entpuppte. Nun kann man über Postwurfsendungen geteilter Meinung sein: Doch dieser kleine Brief ist allemal Beleg dafür, dass hier nicht nur ein Bedürfnis entstanden ist, dass es zu stillen gilt – sondern mit dem gar ‘ne Menge Geld zu machen scheint.

Aus Neugierde hatte ich mich angemeldet und einmal umgeschaut in meiner virtuellen Nachbarschaft, die mir in echt so fremd ist. “Babysitter im Nordend gesucht”, lese ich da. “Dringend benötigt: Starker Mann mit Bohrmaschine”. Kaum zu glauben, dass es für solcherlei Belange heutzutage kommerzielle Online-Plattformen benötigt. “Auf eine schöne, lebendige Nachbarschaft in Frankfurt am Main” scheint jedenfalls nicht nur Werbe-Slogan , sondern gleichfalls Wunsch des urbanen Menschen.

Täusche ich mich also, oder ist da irgendwo in den Tiefen des Großstadtdschungels eine neue Sehnsucht nach dem Miteinander gewachsen? Erlebt die Nachbarschaft eine Renaissance? Eine Nachbarschaft,in der man einander kennt, sich mehr zu sagen hat als “Guten Morgen!” und “Entschuldigen Sie die Störung, aber Sie haben doch ein Paket für mich” ?

 

“Das Label der Urbanität ist hip geworden” 

All diese Fragen möchte ich gern jemandem stellen, der sich damit auskennt.
Und wer sollte das schon besser als Doreen*? Die 27-jährige Frankfurterin hat urbane Kultur, Gesellschaft und Raum studiert und sich bereits in ihrer Master-Arbeit mit dem Thema “Nachbarschaft” befasst. Heute arbeitet sie in einem städtischen Projekt, welches die Aufwertung von Wohn- und Lebenssituation sowie die Stärkung des sozialen Zusammenhangs in ausgewählten Stadtgebieten zum Ziel hat.

Ich treffe Doreen am Luisenplatz im Frankfurter Nordend. Es ist ein lauer Spätsommerabend, der Platz noch gut gefüllt: Anwohner haben es sich gemütlich gemacht auf den Bänken und Stühlen, genießen die letzten Sonnenstrahlen mit Buch in der Hand oder kaltem Bier und Gesprächen. Und durchaus passender Ort also für die Fragen, die ich ihr stellen mag.

Gude, Doreen
Wir sitzen hier mitten im Nordend, dem urbanen Hotspot einer Stadt, die sich selbst auch gern mal eine Metropole schimpft. Welche Bedeutung hat “Nachbarschaft” überhaupt im großstädtischen Miteinander – insbesondere im Vergleich zu ländlichen Wohngebieten?

Nachbarschaft und Großstadt, das mag auf den ersten Blick nicht zusammenpassen – kein Wunder, schließlich leben oftmals in einer einzigen Straße mehr Menschen als in einem gesamten Dorf, die obendrein noch seltener in Kontakt stehen. Eine Stadt ist geprägt durch Menschen mit sehr unterschiedlichen Lebensstilen, von verschiedenen Kulturen und Kontoständen. Wo unterschiedliche Interessen aufeinander prallen da erscheint ein Miteinander zunächst nachrangig. Der urbane Raum hält eine Vielzahl von Angeboten wie Parties, Bildungsmöglichkeiten und Gesundheitsversorgung bereit. Da liegt der Gedanke nahe, eine Nachbarschaft dort sei überflüssig. Auf dem Lande besteht einfach auch eine grundsätzliche Notwendigkeit, sich zusammen zu schließen – ohne Dorffeste und Vereinsleben wäre da nämlich tote Hose!

Trotzdem rentiert sich eine gute Nachbarschaft auch innerhalb einer Großstadt. Vor allem dann, wenn Menschen selbst nicht über ausreichend Mittel verfügen, um an all den Angeboten teilzunehmen. Ich denke hierbei nicht nur an den Geldbeutel, sondern auch an den entsprechenden Gesundheitszustand oder Lebensumstand. Auch hier lohnen sich Symbiosen: Wenn die älte Nachbarin hin und wieder unentgeltlich auf das Kind ihrer anderen Nachbarin aufpasst, und diese dafür für sie einkaufen geht – dann profitieren beide Nachbarn. Noch wichtiger ist eine solche gegenseitige Unterstützung, wenn Familien weit entfernt leben. Und dies ist in Städten dann doch weit häufiger der Fall…

Das klingt für mich plausibel! Doch hast du gerade viel von hilfsbedürftigen Menschen gesprochen. Welchen Stellenwert hat denn eine funktionierende Nachbarschaft überhaupt noch für junge Menschen, die ein sehr eigenständiges Leben führen können? 

Ich kann nicht sagen, ob man man das allgemeingültig sagen kann – nur, weil wir eben die “Generation Smartphone” sind. Der Stellenwert der Nachbarschaft für den Einzelnen einfach viel mit der derzeitigen individuellen Lebenssituation zu tun.

Mehr und mehr mache ich die Beobachtung, dass Veranstaltungen wie Flohmärkte oder Grillfeste ganz explizit als “nachbarschaftlich” gestaltet und beworben werden. Existiert vielleicht so etwas wie eine neue Sehnsucht nach der Nachbarschaft? 

Mir persönlich fällt momentan vor allem eine Hochkonjunktur des Begriffs “urban” auf. Die Werbebranche scheint ihn als Synonym für Lebendigkeit, Vielfalt und Modernität schlechthin für sich entdeckt zu haben. Angefangen vom Lifestyle-Magazinen wie “Prinz: Das Magazin für urbane Lebenskultur” bis hin zu Automobilherstellern wie Nissan, die eines ihrer Fahrzeugmodelle beispielsweise mit dem Slogan “Nissan Micra: Das Stadtauto, das Konventionen bricht”.

Es ist in, Produkte mit dem Label der Urbanität zu versehen. Doch so hip der Begriff momentan auch sein mag, für viele Menschen ist er gleichzusetzen mit Anonymität und Einsamkeit. Ja, wir wissen diese Anonymität zu schätzen – und trotzdem scheint eine Sehnsucht nach dem nachbarschaftlichen Miteinander in den Köpfen zu existieren. Davon profitieren zur Zeit sogar ganze Online-Plattformen!
Sie erheben diese Sehnsucht zum Geschäftsmodell. Da wundert es kaum, dass in diesem Jahr erstmals ein “Deutscher Nachbarschaftspreis” verliehen wurde. Klingt erstmal nach einer tollen Sache – ist im Endeffekt aber lediglich eine Werbemaßnahme für die Plattform “nebenan.de”.

Das wusste ich selbst noch gar nicht! Wünschenswert, dass die Community solcher Plattformen tatsächlich von ihnen profitieren kann. Ich selbst habe bislang nie eine ausprobiert. Doch lass’ uns mal kurz zu dir kommen: Wie viel Wert legst du ganz persönlich auf deine eigene Nachbarschaft? 

Ich selbst bin für mein Studium aus der tiefsten süddeutschen Pampa nach Frankfurt gezogen. Klar, die Anonymität der Großstadt habe ich erst einmal ausgiebig genossen. Doch schnell habe ich gemerkt: Es fällt schwierig, sich “zu Hause” zu fühlen, wenn man Tür an Tür mit Unbekannten lebt. Wir Großstädter sind Meister darin, Unangenehmes auszublenden und uns auf uns selbst zu fokussieren. Doch macht ein solcher Tunnelblick wirklich glücklich? 

Ich beispielsweise habe mir angewöhnt, konsequent alle Ladenbesitzer und bekannten Gesichter anzulächeln. Seitdem fühle mich gleich viel wohler in meinem “Kiez”! Natürlich aber ist Lächeln kein Patentrezept für gute Nachbarschaft. Als ich mich nämlich mit meinem Nachbarn verkracht hatte, weil er gern mal ein wenig laut war – da half dann auch kein Lächeln mehr…

Zusammenfassend kann ich aber sagen: 
Wer denkt, keinen Wert auf die Nachbarschaft legen zu müssen – der sollte mal bei 7% im Handy-Akku seinen Haustürschlüssel verlieren. Das kann ein echter Augenöffner sein! (lacht) 

Danke dir für das Gespräch, Doreen! Ich sag’ dann mal: Auf gute Nachbarschaft! 


… und was ist nun mit MEINER Nachbarschaft?

Ja, auch ich merke, wie ich mich nach einer guten Nachbarschaft sehne. Wie oft wäre es schön, nach einem langen Arbeitstag noch ganz gemütlich auf einen Plausch beim Lieblings-Nachbarn vorbeischauen zu können, statt sich noch einmal auf den Weg in die Stadt zu machen, um Freunde zu treffen?

Auch die Weihnachtszeit steht mittlerweile vor der Tür. Ist denn ein vom und für den “Kiez” veranstalteter Weihnachtsmarkt nicht gleich um Welten besinnlicher als ein eiliges Schieben und Drängeln vor der Glühweinbude am Römerberg?

Ich muss Doreen recht geben. Auch ich wünsche mir Nachbarschaft als eine wertvolle Symbiose, ein Geben und auch Nehmen.

Ich bin gern bereit, zu geben – weit mehr als nur meine Steckdose, wenn des Nachbarn Handy-Akku leer ist. Ja, ich wünsche mir ein wenig mehr Beschaulichkeit und Vertrautheit im oft so anonymen großstädtischen Gefüge.

 

 

Und damit scheine ich nicht alleine. Nachbarschaft hat Zukunft – da bin ich mir ganz sicher… 

 

Nun seid ihr GEFRAGT:
Welchen Stellenwert hat “Nachbarschaft” für euch? Ignorieren, nett im Flur grüßen – oder ist da doch ein wenig mehr? Welche Erfahrungen habt ihr machen können? Ich bin gespannt auf eure Geschichten aus der Nachbarschaft!

*Name vom Verfasser geändert

Hüttenkäse & American Dreams: Neues aus der Innenstadt

Nein, man muss unsere Innenstadt nicht mögen. Dass sich in ihr aber ständig etwas tut: Das kann man ihr nicht absprechen.

Gleich zwei neue Freizeitangebote locken seit wenigen Tagen in Frankfurts Zentrum. So unterschiedlich sie auch sein mögen: Beide sind mir es wert, erwähnt zu werden:

 

“CityAlm”: Was soll der Hüttenkäse?

Was haben Trachtenmode und Maßkrugstemmen mit Frankfurt am Main gemeinsam? Rein gar nichts. Insofern blieb mir während des Frankfurter Oktoberfestes nichts übrig, als mich zwei Wochen lang fremdzuschämen – in der wohligen Gewissheit, dass der Spuk alsbald vorbei sein wird.

Auch das Dach eines Innenstadt-Parkhauses hat mit einem Strand in etwa so viel gemein wie die B-Ebene des Hauptbahnhofs mit einer heimeligen Wohlfühloase oder das Nordend mit erschwinglichen Mieten. Nichtsdestotrotz haben windige Geschäftsleute auf dem Dach des Parkhauses Konstablerwache schon vor geraumer Zeit den Strandclub “CityBeach” errichtet. Okay, man mag hier zugute halten, dass der gemeine Bänker wirklich eine schöne Aussicht auf Stadt und Skyline hat, wenn er sich an einem lauen Sommerabend den Champagner-Cooler kredenzen lässt, während er – ganz ohne Armani-Socken – die Füße im Pool baumeln lässt. Auch Abkühlung tut schließlich Not.

Nun haben ebendiese windigen Geschäftsleute aber feststellen müssen, dass auch in Frankfurt jeder Sommer mal zu Ende ist. Was also tun?

Ihr habt es vielleicht befürchtet: Während der kalten Tage ist ab sofort statt einem Strandclub eine Almhütte auf dem Dach des Parkhauses zu finden. Ja, eine ALMHÜTTE. Ich könnte jetzt die Frage danach stellen, was bitteschön die angepriesene “Hüttengaudi” mit Frankfurt am Main zu tun hat, noch dazu auf einem PARKHAUSDACH (!). Mach’ ich aber nicht, sondern schüttele einfach mal fassungslos den Kopf – und wünsche schon mal viel Spaß dabei, der “Resi” ins Dekolletee zu glotzen.

Bildrechte: genussmagazin-frankfurt.de

In einer Almhütte. Auf einem fucking Parkhausdach in Frankfurt am Main. Was soll der Hüttenkäse? Ein weiterer Grund, sich auf den kommenden Sommer zu freuen….

Banaler Alltag, inszenziert im Pavillon: “Buddies”

Nächste Frage: Was haben ein US-amerikanisches Wohnzimmer voller leerer Pepsi-Dosen mit Frankfurt gemein? Richtig, ebenso wenig.

Anders als bei der Almhütte auf einem Parkhausdach darf der Besucher jedoch einen kulturellen Mehrwert erwarten, wenn er derzeit den Pavillon des Frankfurter Künstler-Kollektivs “saas.fee” betritt. Dort gastiert bis noch bis zum 2. Dezember die Ausstellung “Buddies”, gemeinsam vom Künstlerduo Yarisal & Kublitz mit dem Berliner Andreas Koch erschaffen.

Die Ausstellung ist eine Hommage an deren gemeinsame Zeit in Toronto, im Pavillon wird ein vermeintlich stereotypisches, mittelamerikanisches Eigenheim inszeniert. Alltagsgegenstände sollen durch Kombination mit wertigen Materialien in ihrer Banalität gesteigert werden und zu Kunst verschmelzen, Symbole aus der virtuellen Welt sollen haptisch werden und Fragen aufwerfen.

Manches erschließt sich erst auf den zweiten Blick, manch ist offensichtlich: Wie die Message der US-Flagge, die ihre “Stars & Stripes” verloren hat, welche nun heillos durcheinander vor ihr auf dem Boden liegen.

Ein guter Grund, sich in die Innenstadt zu wagen. Nach einem Rundgang durch die Ausstellung gibts selbstverständlich auch ne Pepsi aus dem Stehkühlschrank.

www.saasfee.de/pavillon 
Bleichstraße 64-66
Mi-Fr 11-18 Uhr 

 

Von alten Sendern und der Luftabwehr: „Lost Places“ am Heiligenstock

Für ein Projekt für das Stadtmagazin “Frankfurt, du bist so wunderbar” war ich neulich gemeinsam mit einer Kollegin auf der Zeil unterwegs, um 100 Frankfurter nach ihren Lieblingsorten zu befragen. Das war gleichermaßen aufregend, anstrengend wie aufschlussreich: Welche Orte die Befragten wohl nennen würden?

Am Ende haben wir ganze 65 verschiedene Lieblingsorte von den 100 Befragten genannt bekommen. Manche der Antworten haben mich schlicht verwundert (Die Zeil als Lieblingsort? Echt jetzt?), überraschend oft wurden allerdings auch Namen von Cafés & Bars genannt, die auch mein Herz haben höher schlagen lassen.

Gastronomiebetriebe als Lieblingsort?

Doch sind auch Cafés und Bars letztlich nur Orte des Konsums. Es stimmt mich nachdenklich, dass offensichtlich vielen Frankfurtern als erstes Gastronomiebetriebe in den Sinn kommen, wenn sie an ihren liebsten Ort denken.

Wir kennen all die Szene-Cafés der Stadt, in denen wir mit Vorliebe herum-hipstern. Immer präsent sein, stetig am konsumieren, ein schneller Post auf Instagram.
Latte Macchiato, Pastrami & W-LAN: Fertig ist er, der Lieblingsort unserer ach so urbanen Generation. Nein, auch ich bilde hier nicht immer eine Ausnahme.

Umso schöner und überraschender aber war der Lieblingsort, den ich dem 17-jährigen Yannick entlocken konnte, der es sich auf einer Bank inmitten der Zeil gemütlich gemacht hatte. Ein netter Kerl, dessen Alltag vermutlich noch eher aus Klausuren denn aus 3rd-wave-coffee bestehen dürfte. Ohne lange nachdenken zu müssen verriet er mir nämlich ein ganz besonderes Fleckchen Frankfurts. Café, Szene-Bar oder Konsumtempel? Pustekuchen! 

“Wann immer ich Zeit für mich brauche, fahre ich zu den Ruinen des alten Senders Heiligenstock und setze mich auf eines der verfallenen Fundamente. Von dort aus den Sonnenuntergang zu beobachten, ist ein wunderschöner Moment! Kennst du die Ruinen?”

Nein, ich kannte nicht. Zwar hielt ich mich bislang für recht bewandert, was meine Heimatstadt anbelangt – doch ich hatte keine Ahnung, wovon Yannick sprach. Die Ruinen einer alten Sendeanlage als Lieblingsort: Diese Antwort wich dann doch angenehm von denjenigen der vielen zuvor Befragten ab.

Wieder einmal ward meine Neugierde geweckt. Yannick versuchte sich bereitwillig an einer Wegbeschreibung zu den Ruinen: “Am Lohrberg vorbei, am alten Zollhaus links in Richtung Nidda, mitten auf dem Berger Rücken”.

Ich bedankte mich recht herzlich – und beschloss, diesen “Lost Place” schnellstmöglich auch für mich zu entdecken.

Die kurze anschließende Recherche ergab:
Der Sender Heiligenstock war von 1926 an in Betrieb und versorgte das Sendegebiet mit einer 122 Meter hohen Antenne mit Mittelwellenrundfunk, bis sie 1967 dann dem inzwischen ebenfalls eingestellten Sender Weißkirchen weichen musste. Die Antenne wurde abgerissen – übrig blieben Fundamente und die Ruine des Technikgebäudes…

 

Planlos über Stock & Stein

Man mag es kaum glauben, doch auch im Jahr 2017 gibt es noch Orte, die nicht auf Google Maps verzeichnet oder auf Yelp gelistet sind. Als ich mich aufs Fahrrad schwinge, um den Überresten des Senders einen Besuch abzustatten, muss ich mich auf Yannicks Wegbeschreibung verlassen.

Bis zum alten Zollhaus finde ich ohne Probleme – doch wo genau nun links abbiegen? “Am Heiligenstock”; dieser Straßenname liest sich gut und zielversprechend. Der Oktober zeigt sich von seiner schönsten Seite, als ich auf schmalen Pfaden rolle, stetig Ausschau halte nach irgendwelchen Ruinen.

Ich erreiche Felder, der Blick reicht bis in den Taunus – nur irgendwelche Betonfundamente vermag ich auch nach einer knappen Stunde nicht zu entdecken. Dafür aber einen alten Mann, der sich seinen Weg quer über die Wiese bahnt. Ich spreche ihn an, wir kommen ins Gespräch.

“Der alte Sender?”, fragt er und schmunzelt. “Da sind Sie hier aber ganz falsch!”. Auf der falschen Seite zumindest, vom Friedhof, ich solle doch den Weg noch einmal zurück fahren. Dann auf die andere Seite des Friedhofes am Heiligenstock wechseln, und ich würde endlich fündig. Wir unterhalten uns noch ein wenig. Sein Hund sei gestorben, nun bleibe ihm nichts anderes übrig, als alleine seine Runden zu drehen. Aber frische Luft, die halte eben fit. Ich bedanke mich herzlich, trete wieder in die Pedale.

Eine weitere halbe Stunde späte weckt eine bunte, große Mineralwasserflasche erste Zweifel in mir, auf dem richtigen Weg zu sein. Hatte ich diese Flaschen-Statuen nicht immer in Bad Vilbel gesehen? Ein Ortsschild verfasst Gewissheit: Verdammt, ich bin zu weit. Und mittlerweile in Bad Vilbel gelandet. Ich ärgere mich und werde ungeduldig, doch aufgeben zählt nicht. Ich treffe einen weiteren Mann, diesmal mit Hund.

Er verspricht, mir weiter zu helfen. Wieder zurück, dann aber doch bitte rechts halten und querfeldein. Abermals ein großes Dankeschön, abermals schnurstracks zurück, ich biege seiner netten Auskunft gemäß rechts ab und finde mich erneut ziemlich verloren inmitten einer großen Wiese vor. Nur dass dieses Mal auch ein Mann mit Metalldetektor einsam über die Felder streift. Ich bin beruhigt, bin wohl doch nicht der einzige hier, der auf der Suche nach irgendetwas ist.

Die Zeit verstreicht, die Verzweiflung wächst. Sollte mir Yannick einen Bären aufgebunden haben? In der Ferne kann ich den Europaturm und die Sozialbauklötze des Frankfurter Bergs erspähen, und – Gott sei Dank, einen Spaziergänger! Doch Moment mal, ist das nicht… der einsame Mann ohne Hund!

 

… und irgendwann dann doch gefunden!

Als ich ihn erreiche, muss er laut lachen. “Sagen Sie jetzt nicht, Sie seien immer noch auf der Suche?”. Ich sage nichts, er versteht. “Dann führe ich Sie jetzt persönlich hin!”. Ich bin dankbar, steige vom Fahrrad und trotte fortan treudoof an seiner Seite. Er erzählt mir vom Krieg, wie viel Munitionsreste er bei seinen Spaziergängen selbst schon in den Feldern entdeckt habe. Und vom alten Sender, an den er sich noch erinnern kann….

Meine Freude ist groß, als ich endlich vor einem alten Wachhäuschen stehe, das Graffiti-Künstlern als Leinwand diente.

“Und sehen Sie den Beton-Klotz da?” Klar tue ich das. “Das sind Fundamente der Flugabwehr der Wehrmacht. Bis heute hat sich niemand dazu berufen gefühlt, sie zu entfernen”. Ich erkunde neugierig die Relikte aus düsterer Zeit. Unheimliche Zeitzeugen. Wenig später dann haben wir unser Ziel erreicht: Die Überreste des alten Senders Heiligenstock.

Gut zu erkennen sind tatsächlich heute noch die vier Betonsockel, auf dem einst die Stahlstreben des Turmes ruhten. Auch die Verankerungen, an denen der Sendeturm einst abgespannt war, haben die Zeiten überdauert. Das verfallene ehemalige Technikgebäude aber zieht mich zweifelsfrei am meisten in seinen Bann. Nur noch Ruine, Überreste eines Lagerfeuers vor dem Eingang. Irgendwie unheimlich. 

Auch hier haben Graffiti-Künstler die alten Mauern als Leinwand genutzt, zaubern diesem abgelegenen Ort ein ganz besonderes Flair. Ich mache ein paar Fotos und lächele.Ich kann mir gut vorstellen, wie einzigartig es sich anfühlen muss, von hier aus einsam den Sonnenuntergang zu genießen.

Klar, ich hätte diesen freien Nachmittag auch wie so oft mit Buch und Cappuccino im Café verbringen können. Doch wäre ich vom Café-Besuch hinterher gleichermaßen fasziniert gewesen? Hätte ich anschließend das tolle Gefühl verspürt, nach langer Suche endlich etwas gefunden zu haben?

 

Eindrücke mit Nachhall

Dieser Ort ist ein ganz besonderer, den ich ohne Yannick wohl niemals entdeckt hätte. Und dafür sag’ ich “Danke!”, genau wie dem Spaziergänger – der zwar keinen Hund mehr hatte, dafür aber jede Menge spannendes zu erzählen. Die schönsten Orte jedenfalls, das sind doch die, die Emotionen wecken. Stumme Zeitzeugen, die nicht nur kurzzeitige Bedürfnisse befriedigen (Durst! Hunger!)

Ob all die Leute, die als ihren Lieblingsort die Zeil angaben (WTF?!) ahnen, welch versteckte Überraschungen die Stadt sonst noch so bereithält? Die Eindrücke, die ich an diesem Tag im Herbst erhalten durfte, die hallen nach – so wie einst die Rundfunkwellen des alten Hörfunksenders…

Habt denn auch ihr einen Lieblingsort, den man nicht einmal bei Google Maps finden kann? Der rund um die Uhr für euch ganz kostenfrei geöffnet hat, euch immer wieder eine wohlige Gänsehaut beschert? Einen Ort, an dem ihr Einsamkeit sogar genießen könnt?

Dann scheut euch nicht, ihn mir zu verraten! Ich nämlich hab’ so richtig Lust darauf bekommen, das nächste Relikt aus alten Tagen zu entdecken….

 

On Air bei Radio X: “Und da sprech’ ich jetzt rein?” – meine Premiere am Mikrofon

Ein Samstag im Herbst, zehn Uhr am morgen.Oder auch:
Mitten in der Nacht, gefühlt jedenfalls, ist eben gar nicht so meine Zeit.

Die vier hinuntergestürzten Kaffee wollen ihre Wirkung noch nicht recht entfalten, als ich etwas verloren in einem Bockenheimer Hinterhof stehe und einen Eingang suche. Den vom Studio von Radio X zum Beispiel. Zu meiner Unausgeschlafenheit gesellt sich Aufregung.

“Verrückt, dass ich hier stehe”, denke ich mir noch.
“Ist das hier nicht der schönste Beleg dafür, dass es sich lohnt, etwas zu erschaffen? Zu gestalten und netzwerken .- statt lediglich zu konsumieren….”

Die Geschichte einer glücklichen Fügung

Ein schneller Blick auf meine Armbanduhr. Noch eine halbe Stunde bis zum Beginn der Sendung. Während ich immer noch – mehr und mehr hilflos – den richtigen Eingang suche, rekonstruiere ich die Verkettung all der glücklichen Umstände, die mich letztendlich in diesem Bockenheimer Hinterhof hat landen lassen. Zur absoluten Unzeit, wie ich nochmals betonen möchte!

Hätte ich diesen Blog niemals erschaffen, dann hätte ich wohl niemals eine mir lange gänzlich unbekannte treue Leserin gefunden. Und hätte ich nie die Idee gehabt, ein PubQuiz zu veranstalten, das ich über “Mainrausch” beworben hatte – ja, dann wäre diese treue Leserin niemals darauf aufmerksam geworden.

Hätte sie ihre Teilnahme daran nicht postwendend angemeldet, dann hätte sie mich am Ende des PubQuiz auch niemals angesprochen und sich mir vorgestellt.

“Hi, ich bin die Dagi! Wie schön, dich einmal kennen zu lernen!”, sprach sie und schüttelte meine Hand. Hätten wir uns anschließend nicht so nett und länger unterhalten, hätte sie niemals erwähnt, dass sie für Radio X am Mikrofon sitzt und damit mein Interesse an dem Frankfurter Radiosender geweckt.

Ich wäre folglich niemals auf die Idee gekommen, einen Blick hinter die Kulissen des anlässlich des 20. Geburtstag des Senders für eine Woche ausgelagerte Studio im sasfee-Pavillon zu werfen. Ich hätte Dagmar – die ich fortan weiter “Dagi” nennen will, weil sie das so lieber mag – niemals begeistert von meinem Besuch berichtet.

Ja, und schlussendlich hätte sie mir diese eine Frage niemals gestellt:

“Sag’ mal, Matze: Du bist doch auch ein Frankfurt-Liebhaber. Willst du nicht einmal als Gast-Moderator in meiner Rätselsendung mit dabei sein?”

Ich glaubte zunächst, mich verhört zu haben.
Iiiich? Im Radio? Live? Um Gottes Willen, die arme Hörerschaft! Das kann ja nur schiefgehen!

Meine Antwort lautete folglich: “Ja, aber NATÜRLICH will ich dabei sein – nichts lieber als das!”

Ein Termin war schnell gefunden, ein Skript zur Sendung erstellt.Mit einigen eigenen Fragen für die Rätselrunde durfte ich mich sogar an der Programmgestaltung beteiligen. Ich fühlte mich ja schon ein wenig geehrt! Die Sendung “Rätsel mit Hausmeistern” befasst sich im Wechsel mit den verschiedenen Frankfurter Stadtteilen; die Folge mit meiner Person als zweifelhafter Bereicherung sollte ihren Fokus auf das Nordend legen. Wie passend aber auch!

All das geht mir durch den Kopf, während ich inständig darauf hoffe, im Studio noch irgendwas mit Koffein abgreifen zu können. Notfalls intravenös, egal.

Dagi öffnet eine der Türen und beendet meine hilflose Suche. Sie nimmt mich in Empfang, und dann geht alles ganz schnell: Noch ganz benommen von den vielen neuen Eindruck des Studios trage ich plötzlich Kopfhörer und sitze vor einem Mikrofon. Und während ich mir noch nervös Notizen mache, leuchtet plötzlich die “ON AIR”-Lampe.

 

Von Selbstläufern und akustischem Waterboarding

Und dann? Ja, und dann läuft auf einmal alles wie von selbst. Die Aufregung kehrt erst zurück, während ich während einer Musik-Pause schnell eine Zigarette einatme. Denn: Es läuft nicht irgendeine Musik oder irgendetwas, das man zumindest entfernt als “Musik” bezeichnen könnte.

Nein, es ist tatsächlich eines der Lieder aus meiner Reihe “Talentfrei Musizieren”, das da über den Äther schwappt und per Ultrakurzwelle auf die Trommelfelle unschuldiger Hörer losgelassen wird.

Ich fürchte böses Hörer-Feedback, ein Blick auf Twitter verrät: Zurecht.
“Oh mein Gott, das ist akustisches Waterboarding”, äußert sich ein Hörer.
Tja, das war’s dann wohl, Quote im Keller.

Weitergemacht wird natürlich trotzdem, ich habe prächtigen Spaß mit den Moderatoren und Anrufern. Und ehe ich mich versehe, sind die zwei Stunden Sendezeit schon rum. Wenn Zeit doch nur immer so verfliegen würde!

Auch meine Befürchtung, dass aufgrund der unmenschlichen Uhrzeit ohnehin niemand zuhört und wir somit quasi unter Ausschluss der Öffentlichkeit senden, hat sich nicht bewahrheitet: Die Anrufer-Leitungen waren nämlich fast durchweg belegt.

Ein Großteil von euch jedoch, liebe Leser, werdet diesen Samstag-Morgen. derweil noch im Bett verbracht haben. Vollkommen zurecht, wie ich finde – und ja, auch mir sind diese bereits vor 14 Uhr stets gut gelaunten Radiomoderatoren schon immer suspekt gewesen.

Neugierig geworden?

Ihr wollt dennoch wissen , was ihr verpasst – oder auch nicht verpasst – habt?
Oder seid schlicht neugierig, wie sich euer Lieblings-Blogger wohl am Mikrofon macht? Wollt euer Frankfurt-Wissen auffrischen und erweitern?

Hier ist der Link zum Mitschnitt der Sendung.
Viel Freude euch beim Hören!

Nachlesen könnt ihr den Sendungsinhalt übrigens auch auf alfa-beet.de .

Mir dagegen bleibt nur noch eines: Ein fettes, fettes “Dankeschön” an Dagi loszuwerden! Dankeschön für diese wunderbare, kurzweilige, unterhaltsame nd aufregende Erfahrung, die du mir ermöglicht hast. Hey, ich bin dir was schuldig!
Einen Gastartikel auf “Mainrausch” vielleicht, eine geführte Radtour – oder zumindest ein großes Bier! 😉

 

Goetheturm: Zum Gedenken und zur Hoffnung

Zunächst glaubte ich an einen schlechten Scherz, als während meiner Nachtschicht auf mein Handy starrte. Der Goetheturm sei abgebrannt, vermeldete die Frankfurter Rundschau. 

War ich nur übernächtigt, gar bereits am Träumen?
Die traurige Antwort lautet: Nein.

Der hölzerne Turm im Stadtwald, der bereits 1931 errichtet und erst 2014 aufwendig saniert wurde, ging lichterloh in Flammen auf. Auch die Feuerwehr konnte ihn nicht mehr retten, konnte das Wahrzeichen nur noch kontrolliert einstürzen lassen.

Dass bereits im Frühjahr diesen Jahres der Pavillon des chinesischen Gartens sowie der der koreanische Garten im Grüneburgpark Opfer der Flammen wurden, verleiht diesem Ereignis einen ganz besonders bitteren Beigeschmack: In beiden Fällen war nämlich Brandstiftung die Ursache.

 

Der Goetheturm und ich

Ich kann nicht anders, als mich augenblicklich an die vielen schönen Momente zu erinnern, die ich mit dem Goetheturm verbinde. Brauchte ich Zeit für mich zum Nachdenken, so bestieg ich seine Stufen und ließ meinen Blick über die Wipfel des Stadtwalds kreisen. Mal kahl, mal saftig grün, mal schneebedeckt.
Bekam so manches Mal Gänsehaut, wenn ich die Stadt so tief unter mir liegen sah.

Wenn ich während einer Fahrradtour eine Pause brauchte, dann kehrte ich gern im Café zu seinen Füßen ein. Der Weihnachtsmarkt am Goetheturm war immer der schönste von allen – und hatte ich Besuch, dann durfte der Turm beim “Sightseeing” niemals fehlen. Selbst der größte Frankfurt-Skeptiker ließ sich zumindest ein langes “Oooooooh….” entlocken, wenn er erst einmal die Stufen erklommen hatte und die Stadt ihm zu Füßen liegen schien. Und sollte ich in ferner Zukunft einmal einen Heiratsantrag machen wollen, so war ich mir stets sicher, den Goetheturm als perfekten Ort dafür zu wählen.

Verdammt, ich bin traurig. Und unfassbar wütend, sollten sich die bisherigen Vermutungen bestätigen, nach denen abermals Brandstiftung einen weiteren meiner Frankfurter Lieblingsorte zerstört haben sollte. Es wäre unseriös, etwaigen Tätern schon jetzt die Pest an den Hals zu wünschen. Erst einmal gilt es abzuwarten, zu ermitteln und beweisen. Sollten sich die Vermutungen aber als wahr erweisen, dann…
ihr wisst schon. 

 

Bilder zum Gedenken und zur Hoffung

Während meiner zahlreichen Besuche sind natürlich auch einige Bilder entstanden. Ob auf Schwarzweißfilm ob auf Handy-Speicher, stets war es mir ein Bedürfnis, meinen Besuch festzuhalten. Einige dieser Bilder stelle ich zu meinem ganz persönlichen Gedenken an einen meiner Frankfurter Lieblingsorte ein.

In der Hoffnung, dass der Turm bald wieder errichtet werden möge….

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.. lasst uns gemeinsam auf einen Wiederaufbau hoffen. 

 

Es werde Licht: Römer erstrahlt zur Buchmesse

Unsere französische Partnerstadt Lyon hat uns zur Buchmesse ein ganz besonderes Geschenk gemacht: Noch bis zum 14. Oktober verwandeln bunte Farben den Römer in ein Lichtkunstwerk, sobald es dunkel wird.

3…2…1… BUNT!

Am heutigen Abend des 9. Oktober präsentierten Oberbürgermeister Peter Feldmann und sein französischer Amtskollege das Spektakel. Per Knopfdruck verzauberten sie nach einer kleinen Festrede den Rathauskomplex in eine irre, farbige Augenweide.

Klar, dass ich mir das nicht entgehen lassen habe – und auch ihr solltet dringend mal vorbeischauen. Es lohnt sich! 

Hörfunk aus dem Pavillon: Reingeschaut bei “Radio X”

“Radio hören”, das ist für mich eigentlich so ziemlich 1998.
Ein Relikt aus dem früheren Jahrtausend eben, süße Erinnerung.

Es ist jedenfalls lange her, dass ich Freitagabends in meinem Jugendzimmer vor meiner Kompaktanlage saß und das perfekte Timing abpasste, um meine Lieblingslieder aus der “Rob Green Show” auf Kassette aufzunehmen. Mein Walkman, der wollte schließlich gut bestückt werden, um anschließend mit dem heißesten Scheiß auf den Bändern der King im Schulbus zu sein.

Wenn ich daran zurückdenke, muss ich schmunzeln. Ist das wirklich schon so lange her? Längst ist das Radio jedenfalls Spotify, Soundcloud und meinen Schallplatten gewichen. Die Rundfunklandschaft dagegen? Sie interessiert mich längst nicht mehr.

Eine Ausnahme bildete hierbei stets eigentlich nur “Radio X”, das ich zwar viel zu selten verfolge – dem ich aber als freier Frankfurter Hörfunksender eine große Sympathie entgegenbringe.

Schon seit der vollständigen Liberalisierung des deutschen Hörfunks im Jahr 1997 sendet Radio X als Stadtradio ein buntes, unkonventionelles Programm, gestaltet und moderiert von ehrenamtlichen Musik- und Kulturliebhabern.

 

Und das bedeutet: 20 Jahre “RadioX”!

“Radioprogramm von Menschen aus Frankfurt und dem Umland – für Frankfurter und Menschen aus dem Umland” ist Devise des sympathischen Senders mit dem so angenehm alternativem Programm.

Üblicherweise wird aus dem eigenen Studio in Bockenheim gesendet, für die Jubiläumswoche vom 21. bis zum 28. September hat man allerdings einen ganz besonderen Sende-Standort gewählt:

Den Saasfee*-Pavillion des gleichnamigen Frankfurter Künstlerkollektivs, das von Beginn an mit einem eigenen Format auf Radio X vertreten war.

Eine ganze Woche waren lang alle Hörer und Interessierten dazu eingeladen, das provisorische Studio in der Bleichstraße zu besuchen und den Radiomachern beim Produzieren ihrer Live-Sendungen zuzuschauen.

Muss ich überhaupt erwähnen, dass ich diese Chance nicht verstreichen ließ?

 

On Air am Tapeziertisch

Es ist später Dienstagabend, als ich – soeben aus Berlin gekommen – nach einiger Sucherei den gut versteckten Pavillon in einem unscheinbaren Hinterhof erreiche.
Als ich eintreffe, wird gerade live die Sendung „the supernova corp. – Indie-Labels zwischen 1997 bis 2017“ produziert und über den Äther gejagt. Hui, ist das spannend! .

Ich nehme neben einigen anderen gebannt auf die Moderatoren Starrenden platz und beobachte das Geschehen. Das Studio vor mir sieht reichlich improvisiert aus: Ein langer  Tisch, darauf stapeln sich Mischpult, gleich mehrere Plattenspieler, CD-Player als deren neuartiges Pedant, überall Kabel.

„ON AIR“ verkündet ein Leuchtschild, dahinter die Moderatoren. Links bedient der Tontechniker irgendwelche hoch komplexen Techniktürme, von denen ich erst recht nichts verstehe. Ich sehe Kopfhörer und Mikrofone. Mehrere davon.

Noch mehr Kabel, nee, blick‘ ich nicht durch. Aber bin ja nicht hier, um Toningenieur zu werden.

Weiter im Programm!

Wenn ich daran denke, dass dies hier nur eines von rund 90 Formaten auf Radio X ist, dann bekomme ich fast ein schlechtes Gewissen. Wie oft finde ich selbst noch die Gelegenheit, einzuschalten? Zu selten, stelle ich fest.

Es ist auf die Sekunde genau 23 Uhr, als Moderator Roberto pünktlich an Alissa & Kan übergibt.  Die beiden jungen Damen übernehmen im Untergeschoss des Pavillon mit ihrem Format „Kanalak“ das Programm und senden für den Rest der Nacht elektronische Klänge per UKW hinaus in die große,weite Hörfunkwelt.

Moderator Roberto hat nun Feierabend. Ich nutze die Gelegenheit, um ihm ein paar Fragen zu stellen, die mir auf dem Herzen liegen. Roberto erweist sich auch ohne Mikrofon vor dem Gesicht als angenehmer und geduldiger Gesprächspartner.
Ich freue mich.

 

“Ganz sicher: Radio hat Zukunft!” 


Gude, Roberto!
‘nen schönen Feierabend dir erst einmal! Schön, dass du dir kurz Zeit für mich nimmst. Ich unterstelle dir einfach einmal, all dies hier nicht hauptberuflich zu machen. 
Wie kamst du also zu dem recht ungewöhnlichen Hobby, Radio zu machen? 

Das hat sich irgendwie ergeben (lacht). Eigentlich fing es mit einem Besuch unserer Austauschschule an. Die hatte nämlich einen eigenen Radiosender, was ich unglaublich spannend fand. Ich habe – wieder zu Hause – dann Radio X entdeckt, und bin über das “Hörerfenster” in Kontakt mit den Machern gekommen. Ich hatte richtig Lust drauf, mitzumachen – und sammelte erste Erfahrungen als Redakteur bei der Sendung “x wie raus”. Und seit mittlerweile sieben Jahren sitze ich nun schon selbst am Mikrofon!

Nun stellt sich mir die Frage: Hörst du als Radiomacher überhaupt selbst noch Radio? 

Auf jeden Fall! Klar, ich höre natürlich nicht das durchformatierte Programm von “Hit Radio FFH”. Aber abseits des Mainstreams, da gibt es so viele spannende Sender und Formate zu entdecken – und es macht mir immer wieder großen Spaß, einzuschalten!

… und was bereitet dir am RadioMACHEN die meiste Freude?

Alleine schon die Zusammenarbeit mit unserem Team! Wir alle haben die unterschiedlichsten Hintergründe und Berufe, leben unterschiedliche Leben. Und dennoch teilen wir eine Leidenschaft: Das Radio.

Es ist immer wieder schön, sich gegenseitig zu inspirieren. Und beim Vorbereiten meiner Sendung bekomme ich immer wieder neuen Input. Ich bekomme beispielsweise Hörproben gesendet, die mich begeistern – und stoße auf diese Art und Weise auf Musik, die ich wohl ansonsten nie für mich entdeckt hätte.

Konventionelles Radio misst sich gerne an der Einschaltquote. Wie sehr interessiert dich eigentlich deine eigene? Würdest du auch moderieren, wenn dir niemand zuhörte? 

Natürlich! In erster Linie mache ich Radio, weil es mir Spaß macht. Und irgendwelche Quoten, die  erfahre ich eigentlich gar nicht. Und doch bin ich immer wieder erstaunt darüber, wie oft Hörer sogar nach einer Sendung anrufen und sich für mein Programm bedanken. Das ist eine schöne Art der Bestätigung!
Radio machen, das ist für mich niemals Zeitverschwendung, solange auch nur ein einziger Hörer Freude an der Sendung hat.

Die größte Frage, die ich mir persönlich stelle, lautet: 
Hat das Radio als Medium überhaupt eine Zukunft? 

Auf jeden Fall! Klar, Radio wird in Zukunft immer weniger linear sein. Das Fernsehprogramm wird bereits zunehmend in den Mediatheken abgerufen. Auch die Art, Radio zu hören wird sich ändern – etwa in Form von Podcasts.
Aber eine Zukunft, die hat das Radio in jedem Fall!

… und die sei ihm gegönnt! Danke dir für deine Zeit! 

 

Öfters mal reinhören

Ich verabschiede Roberto in seinen wohl verdienten Feierabend. Doch eine Frage, die brennt mir noch unter den Nägeln: Wie zum Teufel gelangt das Programm von diesem chaotischen Tapeziertisch aus zu den Hörern? Wird es von Zauberhand in Ultrakurzwellen transformiert?

Aus einem neugierigen Impuls heraus schnappe ich mir Tontechniker Alex, der sich ebenfalls viel Zeit für mich und meine Fragen nimmt. Ausführlich erzählt er mir von Tonsignalen, Mischpulten, DSL und Standleitungen zum Europaturm. Vom Kabelnetz, Internet und Smartphone-App. Und am Ende, da gestattet er mir sogar einen Blick aus nächster Nähe auf das Equipment der DJanes im Untergeschoss.

Wow, dieser Besuch hat sich gelohnt! 
Als ich weit nach Mitternacht zu Hause bin, mache ich mir Gedanken. Und teile am Ende Robertos Auffassung: Ja, das Radio hat Zukunft. Nicht in seiner klassischen Form, das mag sein – aber ein unkonventionelles Programm voll Herzblut, wie Radio X es bietet: Das wird auch weiterhin hörenswert bleiben. 

Ich jedenfalls wünsche RadioX  und all seinen fleißigen Radiomachern nur das Beste für die nächsten 20 Jahre – und nehme mir fest vor, künftig öfters mal einzuschalten.

Wollt auch ihr mal reinhören?
Dann klickt einfach auf den Livestream! 

„Das hier ist öffentliches Rumhängen“: Ich zu Gast im Podcast

Einen eigenen Podcast aufnehmen, das kann mittlerweile jeder mitteilungs- und geltungsbedürftige Vollhorst, sofern er a) irgendeiner Sprache mächtig und b) sich intellektuell annähernd dazu in der Lage befindet, halbwegs unfallfrei in ein Mikrofon zu sprechen.

Herauskommen tut dabei oftmals wirklich dämliches. Manchmal aber auch wahrlich Unterhaltsames, mit Glück Interessantes, Spannendes oder zum nachdenken Anregendes.

Nun begab es sich vor einiger Zeit, dass ich auf dem Frankfurter Blogger-Stammtisch einem jungen junggebliebenem Frankfurter begegnete. Netter Kerl, muss ich ja sagen! Was er beruflich so macht, das hab’ ich heute nicht ganz genau verstanden, jedenfalls aber macht er gemeinsam mit Kumpel Farid einen Podcast mit dem grandiosen Namen “Intellektuelle Privatinsolvenz”.

Das Konzept des Podcasts ist schnell erklärt: Es gibt keines. 

Die beiden treffen sich, positionieren sich vor ihren Mikrofonen – und quatschen einfach mal frei Schnauze und herzlich planlos drauflos. Nachdem ich einigen Folgen des Podcasts gelauscht hatte, stellte ich aber schnell fest: Hey, das kann tatsächlich ziemlich unterhaltsam sein.

Nun bin ich gemeinhin ein echter Fan von Vorbereitung und Konzepten. Auch bin ich wohl ein talentierterer Schreiberling denn Redner. Trotzdem konnte ich das Angebot nicht ausschlagen, einmal als Gast im Podcast mit dabei zu sein. Zu groß war meine Neugierde – tja, und ehe ich mich versah, waren die beiden bei mir zu Gast, damit ich ihr Gast sein konnte. Oder so ähnlich.

 

“Wenn wir jetzt einfach zwei Stunden nichts sagen, ist das auch voll okay!“

Was passiert also eigentlich, wenn man drei mäßig begnadete Kerle, die doch eigentlich nichts als endlich berühmt werden wollen, an einen Wohnzimmertisch im Frankfurter Nordend setzt? Sie anderthalb verschwendete Stunden lang vollkommen konzeptbefreit in semi-professionelle Mikrofone sprechen lässt?

Wir haben das Experiment gewagt und einfach mal drauflosgequatscht.

Ob „Reich werden mit der iAA“, Rübenvollernter und sonstige Nutzfahrzeuge oder Scoville-Einheiten: Kein Thema erschien uns zu irrelevant, um nicht ausgiebig diskutiert zu werden.

Auch auf drängende Fragen unserer Zeit wollten wir Antworten finden:

Sollte man im Jahr 2017 noch Zeitung lesen? Darf man den „Weltspiegel“ verpassen, um auf Toilette gehen? Was passiert, wenn der Müllkalender im Amtsblatt nicht beachtet wird? Ist Dill eigentlich ein Gewürz?

All dies galt es zu debattieren.

Herausgekommen bei unserem Experiment sind 70 Minuten zweifelhafter Unterhaltung, während derer wir zwar intellektuelle Privatinsolvenz anmelden,  aber auch Unmengen an Kaffee vernichten konnten.

 

Ihr wollt erfahren, ob  Currywurst vom Foodtruck aus verkauft werden sollte und ob das Rothenburg ob der Tauber das neue Sri Lanka ist? Mal wieder ein paar saftige Kraftausdrücke hören?

 

Dann hört doch mal rein, werdet Fans – und macht die beiden Jungs endlich berühmt und reich!

 

 

 

Den PodCast könnt müsst ihr außerdem auch auf iTunes oder im RSS-Feed abonnieren. Viel Freude euch beim Zuhören!

Mediengeschichten neu erzählt: Neue Dauerausstellung im Museum für Kommunikation

Frankfurt am Main, es ist der 14. September.
Ein Blick aus dem Fenster. Der prasselnde Regen verrät: Das war’s dann wohl endgültig mit dem Sommer, der Herbst zeigt sich bereits von seiner ungemütlichsten Seite.

Mein morgendliches Joggen fällt dann jedenfalls ins Wasser. Was also tun an einem verregneten, freien Tag wie diesen? Ich beschließe, das Beste draus zu machen.

Das Beste, das ist in diesem Fall:
Endlich mal wieder ganz ohne Zeitdruck in’s Museum!

Ich gebe zu, bezüglich der hiesigen Museumslandschaft ein rechter Banause zu sein. Da lebe ich schon in einer Stadt mit einer beispiellosen Vielfalt an Museen, doch nur selten und oft widerwillig mache ich Gebrauch von diesem beachtlichen Angebot. Weder nämlich  interessiere ich mich für darstellerische noch für moderne Kunst. Auch mehrere Besuche des naturwissenschaftlichen Senckenberg-Museums warfen mich wahrlich nicht vom Hocker. Und Filme sowie Architektur? Ach, hör’ doch auf. 

 

Eine neue Chance fürs “MfK”

Das Museum für Kommunikation, kurz MfK, bildete da für mich neben dem großartigen Geldmuseum der Bundesbank schon immer eine große Ausnahme. Es ist eine meiner frühesten Frankfurt-Erinnerung, dieser Schulausflug, damals irgendwann um die Jahrtausendwende. Eine lange Fahrt im Bus, in die weit entfernte und so unfassbar große Stadt. Auch lange vor Whatsapp, Facebook & Co. fand’ ich das mit der Kommunikation recht spannend. Ich bewunderte das ausgestellte Abteil eines alten Postwagens der Bundesbahn ebenso wie die vielen klickenden Relais einer Vermittlungsanlage der Nachkriegszeit. Kommunikation, das war eben wohl schon immer mein Ding.

Jahre später, mittlerweile (zumindest laut Personalausweis) erwachsen und selbst Frankfurter: Erneut hatte ich das Museum aufgesucht, in freudiger Erwartung und Erinnerung. Nunmehr aber war ich etwas enttäuscht von der Dauerausstellung.
Klar, der Eisenbahnwagen ließ mich immer noch sentimental werden, nach wie vor verfolgte ich beeindruckt die Schaltwege der alten Vermittlungsanlage. Die alten Werbefilme der Bundespost ließen mich von der “guten alten Zeit” träumen. Die bildgewordene Illusion eines so beschaulichen Nachkriegsdeutschland.

Der Rest der Dauerausstellung dagegen? Eher so: Gähn. 

Zu viel Text, zu statisch, zu wenig Haptik. Ein Museum zum Durchlaufen, zum Zur- Kenntnis-nehmen. Ein Besuch tat mir nicht weh, riss mich aber wahrlich nicht vom Hocker. Altbacken eben, was daran liegen mag, dass das Museum einst als “Bundespostmuseum” eröffnet und somit einer echten bundesdeutschen Behörde angegliedert war.

Nun las ich aber vor einigen Tagen von einer völlig neu konzipierten Dauerausstellung, die am 10. September eröffnet werden sollte.

Der Regen, er lässt nicht nach. Der Plan, er lautet also: Auf zum “MfK” !
Eine zweite Chance, das hat es sich wahrlich verdient.
Und ein Tag im Museum, der ist ganz sicher kein verschwendeter Tag.

Mediengeschichte(n) neu erzählt

Das ist der Titel und Versprechung der neuen Dauerausstellung. Als ich völlig durchnässt das Museumsufer erreiche und faire 5 Euro für den Eintritt investiere, bin ich gespannt: Gelingt es dem “MfK”, nun ein zeitgemäßeres Museumserlebnis zu schaffen, gleichermaßen lehrreich wie auch unterhaltsam?

An der Garderobe entledige ich mich zwangsweise Rucksack und Jacke (warum das ausnahmslos in allen Museen so ist, werde ich wohl nie verstehen…), immerhin werde ich dabei nett behandelt. Hab’ ich ja auch schon ganz anders erlebt.

Ich steige hinab ins Erdgeschoss, und tatsächlich:
Nichts mehr hier erinnert an die frühere Ausstellung. Statt statischer Rundgang zu sein, ist die neue Ausstellung in vier Themen-Inseln gegliedert: An den Feldern “BESCHLEUNIGUNG”, “VERNETZUNG”, “KONTROLLE” und “TEILHABE” soll der Besucher Mediengeschichte völlig neu erfahren können.

Diese lockere Aufteilung spricht mich an, denn ich kann nach Herzenslust hin- und herspringen. Allerdings leidet die Übersichtlichkeit ein wenig, ich sollte mich noch oftmals verlaufen und die Orientierung zwischen den lose verteilten Tafeln und Stationen verlieren. Wie schön, dass es auch den Mitarbeiter manchmal nicht besser ergeht, wie ich im netten Gespräch erfahre! Auch sie müssen sich wohl erst einmal einleben.

 

 

Ziehen, Hören, Tatschen, Drehen

Ganz direkt fällt mir auf, dass bei der Neukonzeption der Ausstellung großer Wert auf Interaktivität und Sinneserfahrung gelegt wurde. Überall gibt’s über Muschelhörer was zu hören, viele Schriftstücke befinden sich in Schubladen und wollen durch Herausziehen entdeckt werden.

Am Beispiel der berühmten Chiffriermaschine “ENIGMA” lässt sich mittels großer Walzen durch trickreiches Drehen eine eigene Botschaft verschlüsseln, viele Monitore mit Touchscreen präsentieren Filme per Fingerdruck.

 

 

 

 

 

 

Drücken kann man indes auch auf eine Taste, mittels der man einen “Shitstorm” auf Twitter auslösen kann, der mittels Blitzen und wütender Tweets auf dem Bildschirm visualisiert wird. Twitter im Museum – da muss ich ja schon ein wenig schmunzeln.

Schmunzeln muss ich auch, als ich mir im Themenfeld “VERNETZUNG” die Präsentation des ersten iPhone anschaue. Die hatte ich damals schon im Fernsehen gesehen – ist das wirklich schon so lange her? Ich fühle mich unendlich alt.

Ebenso alt fühle ich mich ebenfalls, als ich eine mit alten Mobiltelefonen gefüllte Mülltonne entdecke.

Ich wühle ein wenig durch die ausrangierten Handies, habe mehrfach Modelle in der Hand, die ich einst selbst ganz stolz besaß.

Indes wage ich mir gar nicht auszumalen, wie unfassbar groß die Müllmenge sein muss, die allein aufgrund all der weltweit nach nur wenigen Jahren entsorgten Handys entstanden ist. Aber hab’ ich dafür nicht selbst oft genug meinen Beitrag dazu geleistet?

 

Wiedersehen mit Wählanlage

Ich streife weiter munter umher. Einige Exponate kommen mir noch aus der vorherigen Dauerausstellung sehr bekannt vor, so wie all die alten Grammophone, die klobigen Apple-PC’s der späten 1980er oder der pseudofuturistische Wohnzimmerschrank mit integriertem Schwarzweißfernseher.

 

 

 

 

 

 

Vor der alten Schalttafel der Telefonvermittlung sitzt nun eine “Fräulein vom Amt” aus transparentem Kunststoff. Immerhin ein wenig aufgehübscht hat man also die älteren Exponate!

Groß ist meine Freude, als ich auch die alte Wählanlage wiederentdecke, deren Technik mich bereits als Kind so sehr begeistert hatte.

Klar, dass mir nicht verkneifen kann, auch an meinem heutigen Besuch an der Wählscheibe eines der alten Telefone zu drehen und fasziniert dem elektrischen Vermittlungsvorgang zu folgen!
Mein heißgeliebter Postwagen der Bundesbahn dagegen, der ist verschwunden und musste Raum schaffen für neue Exponate:

Für einen  Lochkartenzähler des “Rassenamt SS” zum Beispiel.

Einerseits entsetzt mich, dass in diesem Land jemals ein “Rassenamt” existieren konnte. Gleichermaßen entsetzt bin ich allerdings darüber, dass das US-Unternehmen IBM einst die SS belieferte und sich somit mitschuldig machte. Wieder was gelernt.

Neu hinzugekommen sind allerdings beispielsweise auch die Exponate der Tafel “Schöne neue Welt”. Fahrradhelme mit integrierter Gesundheits-App oder ein Kit zum implantieren von RFID-Chips unter die menschliche Haut sind war Zukunftsmusik, spannen aber gekonnt den Bogen zwischen Schiefertafeln aus der Steinzeit und der Kommunikation der Zukunft.

 

 

Spielerei mit Frust-Faktor

Ganz besonders toll und erwähnenswert finde ich all die Spielereien, die das Museum überall zwischen den Ausstellungsstücken versteckt hat.

Die Besucher können beispielsweise ihre Erinnerungen zu ausgewählten Exponaten in 30-Sekunden-Clips in ein Mikrofon sprechen und diese speichern. Anschließend lassen sich dann an der Rückseite des Mikrofon-Raums die Erinnerungen und Geschichten anderer Museumsbesucher anhören.

Auch ich spreche in das schmucke Mikrofon und gebe meine Erinnerungen an Gameboy, Walkman und Commodore 64 preis. Ziemlich blöde nur, dass sich nach dem Speichern der Rechner aufhängt und nichts mehr funktioniert. Etwas verärgert beschließe ich, mir dann eben die Aufzeichnungen anderer Besucher anzuhören. Ein paar Klicks auf dem Bildschirm, dann das selbe Spiel: Aufgehangen, nichts geht mehr. Ich bin gefrustet.

Zur Aufmunterung verspüre ich dann den Wunsch, mich an einer anderen Station im SMS-Tippen auf dem NOKIA 3210 zu messen.

Das hatte ich schließlich auch mal, doch ich vermute, dass meine Schnelltipp-Skills auf der kleinen Tastatur längst der iPhone-Routine gewichen sind.

Da ich alleine hier bin, verdonnere ich einen der Mitarbeiter des Museums zum Duell. Doch auch hier kommt schnell Frust auf, denn die Tasten auf der 3210-Nachbildung reagieren nicht oder nur verzögert auf meine Eingaben.

Immerhin – der junge Mitarbeiter verspricht, den Fehler entsprechend weiter zu geben.

Ich beschränke mich also aufs Anschauen und Lesen, bis ich dann irgendwann durch bin. Ich schaue noch kurz bei den beiden Wechselausstellungen vorbei, bevor ich aufbreche. Auf einen Besuch im Museums-Café verzichte ich, suche stattdessen das Café Sugar Mama auf, in dem ich diese Zeilen tippe. Im warmen und bestens versorgt mache ich mir Gedanken: Hat sich mein Besuch gelohnt?

 

Neues Konzept mit Schwächen: Mein Fazit

Ganz klar: Das Museum hat seinen Bildungsauftrag erfüllt, mich auch zum Nachdenken gebracht. Das neue Konzept der Themen-Inseln empfinde ich als gelungen, denn es trägt deutlich zu einer Auflockerung der ehemals etwas biederen und statischen Ausstellung bei. Allerdings, das mag ich nicht verschweigen, ist es auch nicht immer einfach, die Orientierung zu behalten.

Interaktiver und moderner ist die Ausstellung geworden, die Idee mit den kleinen Spielereien wie dem Erinnerungs-Aufnahmestudio oder dem NOKIA 3210 – Tippduell ist großartig.

Dass gravierende technische Mängel diese Spielereien allerdings unbenutzbar werden lassen und Frust aufkommen lassen, ist nicht hinnehmbar. Hier muss dringend nachgebessert und Abhilfe geschaffen werden.

Dank zahlreicher Exponate und Filme aus der Neuzeit gelingt es dem Museum allerdings, den versprochenen Brückenschlag der Kommunikationsgeschichte zu vollziehen.

Ich habe meinen Besuch nicht bereut. Zeit um Museum ist niemals verlorene Zeit – und auch, wenn ich mich stellenweise sehr geärgert habe, überwiegen jedoch die neuen Eindrücke und die Freude über das erfrischende Konzept der Ausstellung. 

Habt auch ihr die neue Ausstellung schon besucht?
Wie hat sie euch gefallen? 

Museum für Kommunikation
Schaumankai 53
Dienstag bis Freitag 09.00-18.00
Samstag & Sonntag 11.00-19.00