Aus gegebenem Anlass: 5 Survival-Tipps für tropische Sommerhitze

Freunde, ist es denn zu glauben? Nicht lange her, da hab’ ich mich noch ausgiebig über den bislang ausbleibenden Sommer beschwert, und nun: Potzblitz, gerade einmal Mitte Juni, schwupps ist die Dreißig-Grad Marke geknackt!

Gestern, da war ich knapp vier Stunden lang im wohlklimatisierten ICE (ja, sowas soll’s noch geben!) von Leipzig nach Frankfurt unterwegs. Angenehm, ließ sich aushalten. Zumindest bis der Frankfurter Hauptbahnhof erreicht war und ich prompt gegen eine Wand aus stockender Hitze lief, die mir mit 33 Grad Celsius prompt jegliche Energie aus dem Körper sog. Meine Poren schalteten auf Hochbetrieb, alleine auf dem kurzen Weg hinab zur U-Bahn hatte ich mehrfach den Hitzetod vor Augen. Glücklicherweise konnte ich die rettende U-Bahn unbeschadet erreichen, in der mir – dicht gedrängt an meine hechelnden Mitreisenden –  dann auch deren konzentrierte Ausdünstungen egal waren, die den Fahrgastraum der U5 erfüllten. Viel wichtiger war nun, mir meine Überlebens-Strategie zurechtzulegen, und bis zur Haltestelle “Glauburgstraße” provisorisch einen Liter Wasser in meinen Flüssigkeitshaushalt zu befördern.

Wie gut, dass ich mir über die Jahre hinweg, die ich nun schon in Frankfurt lebe, mehrere Möglichkeiten geschaffen habe, die mir den Überlebenskampf in tropischer Hitze so angenehm wie möglich gestalten.

Damit auch ihr euch den Überlebenskampf jenseits der 30 Grad möglichst angenehm gestalten könnt, hier fünf brandheiße (ha! ha!) Tipps für euch:

 

I: Der Badesee in Walldorf

“Auf zum Badesee!” – das ist gewissermaßen DER Klassiker, wenn’s darum geht, sich in schöner Umgebung ein wenig Abkühlung zu verschaffen:

Im kühlen Nass planschen, ‘ne Runde schwimmen, anschließend auf der faulen Haut liegen, bis die Hitze wieder ins Wasser lockt. Ich weiß: Nicht besonders einfallsreich, wärt ihr sicher selbst drauf gekommen. Und dennoch: Ich find’s klasse, dass ein so wunderschöner See wie der Badesee in Walldorf so schnell von Frankfurt aus erreichbar ist. Mit dem Auto sowieso, die Umweltbewussten unter uns sind aber auch mit S-Bahn und/oder Fahrrad ganz schnell bei ihrer heiß ersehnten Abkühlung.

Und im Gegensatz zu seinem “großen Bruder”, dem Langener Waldsee, ist der Walldorfer Badesee auch selten überlaufen. Parkplätze findet man meist schnell, der Eintritt fair – und das klare, kalte Wasser erst… hach, ich gerate schon wieder ins Schwärmen. Ihr wisst schon, was ich meine.

 

II: Auf den verschlungenen Pfaden des Hauptfriedhofs

Nun dürft ihr mich gern endgültig für verrückt erklären:

Wenn in der Stadt flimmernde Luft herrscht und jede kleinste Bewegung zur schmerzhaften Anstrengung gerät, dann verziehe ich mich gern hinter die hohen Mauern des Hauptfriedhofs im Nordend.

Nicht nur, dass die verworrenen Wege ein idyllisches Labyrinth bilden, das seinesgleichen sucht: Dank zahlreicher Bäume ist es hier auch schattig und angenehm kühl, wenn anderswo schon der Asphalt schmilzt. Eine unüberschaubare Anzahl von wunderschönen kleinen Statuen, Mahnmälern und bunten Pflanzen lassen mich hier immer wieder die Zeit vergessen. Ich könnte wirklich ewig hier spazieren gehen und mich auf den Irrwegen zwischen Grabsteinen und Gruften verlieren.

 

Außerdem empfinde ich immer wieder eine tiefe Dankbarkeit für das Leben, wenn ich mich hinter den Mauern des Friedhofs befinde. Dass jede Existenz nur endlich ist: Diese Erkenntnis ist wohl nirgends greifbarer als hier. Und bei all der Dankbarkeit dafür, dass ich am Leben bin – da ist mir dann auch die schlimmste Hitzewelle irgendwann schlicht und einfach wurscht.

 

III: Im Verkaufsraum des “Kiosk 45”

Achtung, Insidertipp! Kennt ihr schon das “Kiosk 45” in der Bornheimer Wiesenstraße? Lasst euch vom schlichten Namen nicht täuschen, denn dieses Kiosk hat es in sich:

Der Verkaufsraum selbst ist nämlich ein einziges Kältelager. Unabhängig jeglicher Außentemperaturen herrscht hier stets ein angenehm frostiges Klima nahe dem Gefrierpunkt. Auf den endlosen Regalen des tiefgekühlten Verkaufsraum warten über 1.000 (!) Sorten Bier darauf, von euch verkostet zu werden.

Klar, dass das mit der Entscheidungsfindung dann auch mal etwas länger dauern kann. Gut für euch – je länger ihr euch hier während des Entscheidungsfindungsprozesses aufhaltet, desto angenehmer könnt ihr mal so richtig von innen heraus abkühlen.

Kurz bevor sich erste Eiszapfen auf eurer Haut bilden, da solltet ihr euch für ein eisgekühltes Bier entschieden haben – mit dem ihr es euch anschließend im nahe gelegenen Günthersburgpark gemütlich machen könnt. Sobald’s euch dann wieder zu heißt wird, könnt ihr euch dort in den Wasserspielen ein wenig Abkühlung verschaffen.

Sollte bis dahin euer Bier schon wieder leer sein (man soll ja schließlich viel trinken bei der Hitze!) – dann könnt ihr euch gleich wieder auf den kurzen Weg ins “Kiosk 45” machen und euch nochmals ordentlich durchfrosten lassen. Mit Frischbier versorgen, rüber in den Park – und das Spiel beginnt von vorn!

 

IV: Runter unter die Erde – Exzessives U-Bahn-Fahren!

Zahlt auch ihr Monat für Monat ein Schweinegeld für eure RMV-Zeitkarte?
Dann ist genau jetzt die Gelegenheit gekommen, endlich einmal so richtig davon zu profitieren! Wenn ihr euren gesamten Sommertag nämlich ausschließlich in den kühlen U-Bahn-Tunneln verbringt, dann bekommt ihr nämlich endlich den innerstädtischen Nahverkehr mal so richtig exzessiv in Anspruch nehmen. Schließlich zahlt ihr auch ‘nen Haufen Kohle dafür!

Wichtig ist hierbei lediglich, dass ihr ausschließlich zwischen den Endstationen der Tunnelstrecken hin- und herpendeltet. Sobald eure U-Bahn die unterirdischen Bauwerke nämlich verlässt, da droht euch das Ungemach in Form der prallen Sonne und der damit verbundenen Hitze wieder einzuholen.

Für die Fahr-Anfänger unter euch empfehlen sich folgende Touren:

Bockenheimer Warte – Seckbacher Landstraße (U4)
Frankfurt Süd – Miquel-/Adickesallee (U1, 2, 3, 8)
Kirchplatz – Eissporthalle/Festplatz (U7)

Nicht nur, dass ihr hier endlich mal so richtig was geboten bekommt für euer Geld: Bestenfalls bekommt ihr bis zum Sonnenuntergang keinen einzigen Sonnenstrahl ab. Spart Geld für Sonnencreme, und obendrein habt ihr die Chance, zahlreiche nette Bekanntschaften mit sympathischen Mitreisenden zu machen. Nur ein wenig tolerant gegenüber diverser menschlicher Ausdünstungen und Schweißgeruch, das sollte man als Dauer-Fahrgast wohl sein.

 

V: Unter den Baumkronen des Stadtwalds

Zum Abschluss ein weiterer Klassiker, der hier dennoch unbedingt erwähnt werden muss: Unser phänomenaler Stadtwald! Er bietet euch auf einer Größe von stolzen 5785 Hektar Schutz vor UV-Strahlen, jeglichen Temperaturen und trockener Luft. Die schattigen Waldwegen unter den Baumkronen bieten einen hervorragenden Zufluchtsort, um nicht vom Hitzschlag getroffen publikumswirksam auf der Zeil zu kollabieren.

Und wenn’s gar nicht anders geht, dann sind die vielen kleinen Seen des Stadtwalds und der Jakobiweiher nicht weit! Mit Freunden kann so ein Tag im Wald sogar richtig Spaß machen:

Ganz ehrlich, wann habt ihr schon eure letzte Party im Gehölz gefeiert?


Ich hoffe, ihr könnt ein wenig von meinen Survival-Tipps profitieren und dem Sommer nun gelassen entgegen sehen. Soviel sei sicher: So ein sommerlicher Überlebenskampf, der kann sogar richtig Spaß machen!

Und nun seid ihr gefragt: Welches sind eure Lieblingsplätze, um unerträglicher Hitze ein Schnippchen zu schlagen und dem Sommer-Sensenmann von der Schippe zu springen?

Kommt mir gut durch den Sommer, Freunde!

 

Als Tourist in der eigenen Stadt: Auf ein Bier im “Frankfurt Hostel”

So sehr man auch angekommen ist in Frankfurt, so gut man sich auch auskennen mag in seiner Heimatstadt, so sehr man ihren Duft bereits geatmet haben mag:

Es gibt dann doch ein paar Facetten des Stadtlebens, in die man als Frankfurter in der Regel keinen Einblick hat. Diejenigen, die eigentlich den Touristen und Besuchern unserer Stadt vorbehalten sind.

Nachdem ich bereits “undercover” und bestens als Tourist getarnt im roten Sightseeing-Bus eine Rundfahrt durch meine Heimatstadt gemacht habe, stellte sich mir noch eine andere Frage:

 

Wie schaut es eigentlich hinter den Fassaden der zahlreichen Hostels aus?

Welche Menschen trifft man dort an, woher stammen sie wohl, wie mögen ihre Eindrücke von Frankfurt sein?

Zeit, das herauszufinden. Klar, ein Hostel betritt man als Einheimischer eher selten. Wozu auch, wenn man praktischerweise eine Wohnung hier hat. Nicht nur zu Besuch ist, sondern das Glück hat, hier leben zu dürfen. Doch meine Neugierde treibt mich dann nach Feierabend dann doch einmal an einen Ort, an dem ich mit Sicherheit auf keine Einheimischen stoßen werde:

Dem “Frankfurt Hostel”, gelegen direkt am Kaisersack unweit des Hauptbahnhofs. Mittendrin im Bahnhofsviertel – also nicht unbedingt ein Ort, der in den Stadtführern ganz oben auf der Liste der sehenswerten Gegenden stehen dürfte.

Noch während ich vor dem Eingang stehe und darauf warte, dass ein Hostel-Gast die prunkvolle Eingangstür öffnet (ich habe schließlich keine Zimmerkarte und muss mich folglich unauffällig hineinschmuggeln), rechne ich aus, ob es angesichts der Mietpreisentwicklung nicht sogar günstiger wäre, würde icheinfach  meinen Hauptwohnsitz in ein Hostel verlegen.

 

 

Noch ehe ich meine Überlegung zu Ende führen kann, möchte dann tatsächlich ein junger Mann samt großem Rucksack das Hostel betreten. Ich husche flink hinterher und bedanke mich fürs Türaufhalten artig mit einem “Thank you”.

Endlich drinnen, staune ich schon mal nicht schlecht über das feudale Treppenhaus. Habe ich vorher eigentlich bereits jemals einen der Pracht-Altbauten des Bahnhofsviertel betreten?

 

 

 

Wohin bloß zum Feiern? Nach Alt-Sachs, natürlich!

Möglichst souverän (möchte ja nicht weiter als Nicht-Gast auffallen) steige ich die Treppen hinauf in den dritten Stock. Schaue mich ein wenig um. Auf den ersten Blick, da schaut es aus wie in jedem beliebigen anderen Hostel dieser Welt:

Einladungen zum abendlichen Pasta-Essen, zu einer “Free Walking Tour”. Auf einer Weltkarte haben die Besucher mittels Pins ihre Herkunft dokumentiert, ja, die ganze Welt war schon zu Gast in Frankfurt.

Ein wenig schmunzeln muss ich dann jedoch über die “What to do in Franfkurt” – Tipps, die an der Wand zu finden sind. Eigenartig, diese Empfehlungen als Einheimischer zu betrachten.

So ist der heißeste “Nightlife”-Tipp, wie sollte es auch anders sein: Alt-Sachsenhausen, pardon: “Old-Sachsenhausen”.

“Music: Ballermann” – klar, wenn man schon zu Gast in Deutschland ist, dann mag man sich natürlich gerne ein wenig Klischee gönnen.

Nun ja, irgendwie bin ich ja auch froh, dass all die Orte, die ich gerne aufsuche, bislang von Touri-Massen verschont geblieben sind. Wär’ ja noch schöner, hätten wir Frankfurter keine Rückzugsorte mehr, an denen wir ganz unter uns sein können. Wobei ich den Austausch mit Fremden durchaus schätze, schließlich bin ich genau deswegen hier.

Und wo kommt man am besten mit solchen ins Gespräch? Richtig, an der Bar. Ich geh’ rein, staune nicht schlecht über den regen Betrieb – es ist Montagabend, schon halb elf.

Erstmal genieße ich die nächtliche Aussicht auf den Hauptbahnhof, anschließend lasse ich meinen Blick kreisen: Man tratscht an der Theke, sitzt mit Klapprechner an den Tischen, lässt einen schönen Daytrip ausklingen.
Ich selbst tue derweil weiter unauffällig, bestelle mir ein eisgekühltes Tannenzäpfle, nehme Platz an einem Tisch am Fenster, zücke mein Buch.

 

“The most multi-cultural city I’ve been visiting in Germany”

Aber Halt, ich bin ja auch nicht zum Lesen hier. Zeit für ein bisschen Austausch!
Mir gegenüber sitzt eine junge Frau, die auf ihr MacBook starrt und sich offensichtlich ein wenig müde und gelangweilt durch die gängigen Social-Media-Plattformen klickt.

Ich sag’ mal “Excuse me”, nein, sie spricht kein Deutsch, nur Englisch. Kein Problem, ich improve ja gern meine foreign language skills.

Ich oute mich als Einheimischer, die junge Frau lacht. Warum ich denn dann in der Bar eines Hostels sitze, will sie wissen. Ich erzähle ihr von meiner Intention, sie mag meine Idee. Und schon entwickelt sich ein nettes Gespräch.

Yukie, so heißt sie, lebt in den USA – in Montana, um genau zu sein. Frankfurt ist die letzte Station ihrer Europareise: In Prag war sie vorher, in Dresden, Leipzig und Berlin. Eastern Germany. Schon morgen geht ihr Flieger in die Heimat. Und ein bisschen, sagt sie, freue sie sich schon auf ihr Zuhause. Sie sei des Sightseeings mittlerweile schon ein wenig überdrüssig. Ich frage sie, wie das Leben in Montana so ist – sie erzählt mir von den National Parks, den wunderschönen Seen, den Bergen. Der Nähe zu Kanada, die sie so schätzt.

Wie denn ihr Eindruck von Frankfurt sei, will ich wissen. 

Frankfurt, das sagt sie bestimmt, sei die auf den ersten Blick multikulturellste Stadt in Deutschland, die sie bislang besucht hat. Ich spreche sie auf die Umgebung des Hostels an, frage, ob sie sich wohl fühlt hier. Zu meinem Erstaunen scheint sie sich wirklich nicht von all den armen Gestalten hier am Kaisersack zu stören. Aus den USA sei sie da viel Schlimmeres gewöhnt, “where’s the problem” ?

Auch den Main habe sie sich bereits angesehen, der sei auch ganz nett. Aber Flüsse, die gäbe es ja auch in Dresden und Berlin, wäre jetzt nichts besonderes gewesen. Mein Frankfurter Stolz ist kurz angegriffen, lautstarken Protest spüle ich mit einem Schluck Tannenzäpfle hinunter.

Wir tratschen noch eine Weile, ich erzähle von meinem Roadtrip durch die USA im letzten Jahr. Als mich das Nordend ruft, verabschiede ich mich, wünsche ihr einen guten Flug gen Übersee.

 

Zig Nationen und Geschichten – in einem Raum. Wie spannend!

Als ich wieder auf dem Pflaster der Kaiserstraße stehe, da freue ich mich. Ich meine, ganz zentral in der eigenen Stadt auf zig Menschen aus verschiedenen Kulturen treffen zu können, die allesamt von ihren Eindrücken, Reisen und – ganz besonders schön! – von ihrer Heimat berichten können: Wie geil ist das denn?!

Ich bin mir ganz sicher, demnächst mal wieder vorbeizuschauen. Ganz undercover, versteht sich. Café und Bar haben schließlich 24 Stunden am Tag geöffnet, die Preise sind moderat – und “Free WiFi”, das gibt’s natürlich auch. Und wieso nicht einmal hier arbeiten statt im Café (sorry, Sugar Mama!) ?
Außerdem hab’ ich mal wieder mein Englisch ein wenig aufgefrischt – und davon profitiere ich dann spätestens nächste Woche, wenn ich selbst im Hostel in einer fremden Stadt sitzen werde. Auf einer kleinen Reise durch Portugal, als leibhaftiger Tourist. Mit Zimmerkarte, versteht sich. 

 

Hattet ihr auch schon unterhaltsame, aufschlussreiche und interessante Gespräche mit Besuchern unserer Stadt? Ich bin gespannt auf eure Geschichten!

 

 

Auf Trinkhallen-Tour mit den Experten: “Im Kaleidoskop der Wasserhäuschenkultur”

Dass ich ein großer Freund der Frankfurter Wasserhäuschen-Kultur bin:
Das sollte nicht erst allgemein bekannt sein, seitdem ich all den Büdchen unserer Stadt im Rahmen meiner Reihe “Talentfrei Musizieren” eine eigene Hymne gewidmet habe.

Somit ist es nicht weiter verwunderlich, dass ich mich unmittelbar für einen Stadtspaziergang mit dem etwas vagen Titel “Im Kaleidoskop der Wasserhäuschenkultur” angemeldet habe, den ich in den Untiefen des WWW entdeckt habe.

Die Tour reiht sich in die lose Reihe diverser Stadtspaziergänge an, die vom Open Urbane Institute Frankfurt organisiert werden. Diesmal sollte Christoph Siegl vom “OUI” jedoch fachkundige Unterstützung der Trinkhallen-Experten der “Linie 11” erhalten. Was für ein paar Kumpels als spaßige Idee begann (nämlich das Abfahren der Straßenbahnlinie 11 verbunden mit der Einnahme von entsprechenden Kaltgetränken an den Wasserhäuschen jeder einzelnen Unterwegshaltestelle), ist mittlerweile längst zu einem leidenschaftlichen Projekt mit entsprechendem Einfluss und zunehmender Präsenz geworden.

Ich bin jedenfalls schon gespannt darauf, die ausgemachten Experten der Frankfurter Wasserhäuschen-Kultur kennen zu lernen!

In der Beschreibung wurde etwas vage “ein Spaziergang zur Erkundung des Ursprungs sowie der heutigen Bedeutung der Frankfurter Wasserhäuschen-Kultur” versprochen, “mit besonderem Fokus auf deren Einfluss auf den sozial- und städtebaulichen Bereich”.

Kurzum: Ich hab’ keine rechte Ahnung, was da auf mich zukommen mag.
Aber hey: Klar, dass ich dabei bin! 

 

Wetterfest in Bockenheim

Es ist Dienstagabend, 18 Uhr, als ich pünktlich den Treffpunkt am Kurfürstenplatz erreiche. Dass man sich bereits an der dortigen Trinkhalle positioniert hat, hätte ich mir ja denken können. Ich sag’ mal “Hallo” und treffe neben Christoph vom Urban Institute auf gleich zwei Vertreter der “Linie 11” auf gleich 15 weitere Trinkhallenkultur-interessierte Frankfurter, die sich bereits mit Wegebier und gemischter Tüte versorgt haben. Man mag schließlich gerüstet sein für all das, was während des Spaziergangs kommen mag!

Schnell komme ich ins Gespräch, einen hervorragenden Opener liefert hierbei das Wetter: Dieses zeigt sich nämlich justament von einer ganz und gar nonchalanten Seite. Windböen und Regen: Nicht gerade das ideale Wetter für einen gemütlichen Spaziergang.

Wir werden vom freundlichen Trinkhallenbetreiber (an den Büdchen scheint der Kunde wirklich noch König!) umgehend mit Sonnenschirmen versorgt, die gleichsam Schutz vor Regen bieten, und flüchten unter einen nahestehenden Baum.

Unter dessen Krone werden wir herzlich begrüßt und bekommen eine grobe Übersicht über das, was uns erwarten mag. Schnell wird klar:
Das Ruder hier haben eindeutig die Jungs von der “Linie 11” in der Hand. Und einen besseren Führer als die beiden Büdchen-Experten könnte ich mir wahrlich nicht vorstellen!

Sie erzählen uns von der Geschichte der Wasserhäuschen in Frankfurt am Main. Kaum zu glauben, aber in den frühen Jahren das 19. Jahrhunderts war das Frankfurter Trinkwasser derartig verunreinigt, dass die Frankfurter es bevorzugten, ihren Durst – insbesondere während der Arbeit! – mit Schnaps und Bier zu löschen.

Die Stadt wollte diesem der Volksgesundheit nicht unbedingt dienlichem Zustand nun Einhalt gebieten und installierte vor den einzelnen Industriestätten kleine Buden, die sauberes Trinkwasser und Limonaden anboten.

Uns wird eine “Klickerflasche” präsentiert – diese Erfindung ermöglichte es erstmals, kohlensäurehaltige Getränke ohne “Prickelverlust” abzufüllen. Und die “Büdchen” entwickelten sich schnell zu deren Hauptumschlagsplatz. Wer hätte gedacht, zu Hochzeiten etwa 800 (!) Wasserhäuschen im Frankfurter Stadtgebiet existierten?

 

“Gezapftes Bier macht Kopfschmerzen!”

Wind und Regen flauen ab, wir sind im Begriff, unseren Spaziergang zu beginnen.
Da läuft ein Besucher der Trinkhalle zu uns, bittet, ein kurzes Wort an uns richten zu dürfen. Natürlich darf er das, deswegen sind wir hier!

Es folgt ein kämpferisches Plädoyer für die Frankfurter Wasserhäuschenkultur.
“Ich habe reichlich Trinkerfahrung”, sagt er. “War in jeder Kneipe dieser Stadt, kenne ein jedes Wasserhäuschen”.

“Geht nicht in Kneipen!”, rät er uns. Das gezapfte Bier sei dort nicht nur schweineteuer, sondern auch gesundheitsschädlich. Da die Zapfleitungen stets metallisch verunreinigt seien, verursache Bier vom Fass Kopfschmerzen. Am Büdchen jedoch, da würde lediglich Flaschenbier verkostet: Und das sei in der Regel nicht nur kalt, sondern gleichfalls günstig und verursache keine Kopfschmerzen.

Zugegeben: Eine etwas gewagte Theorie. Aber ich jedenfalls freue mich über die unvorhersehbare Gastrede. Schließlich sollen die Wasserhäuschen einem jeden Menschenschlag eine Heimat bieten, genau dies macht deren Authentizität für mich schließlich aus. 

Wir bedanken uns für die Worte des gut gekleideten Mannes mit Binding Export in der Hand, werfen einen hoffnungsvollen Blick gen Himmel, beginnen unsere Tour. Ich stärke mich mit einem Schluck Cola, gerade mal halb sieben, will ja noch ein Weilchen aufnahmefähig bleiben.

 

Vom Selbst-Öffnen und Vor-Ort-Trinken

Unser Spaziergang führt uns gen Westen, schnell machen wir einen ersten Halt an einer Trinkhalle am Beginn der Hamburger Allee. Die Ersten sind nämlich schon wieder durstig, wie gut, dass es hier Frischbier gibt!

Die Trinkhalle liegt zwischen zwei Wohnhäusern in einer Baulücke und ist somit kein waschechtes Wasserhäuschen, wie uns berichtet wird. Per Definition ist ein echtes Wasserhäuschen nämlich freistehend, verfügt über keinerlei für Gäste zugängliche Räume – dafür aber stets über eine Toilette.

 

 

 

Und dass die frisch erstandenen Biere hier direkt auf dem Bürgersteig vor der Trinkhalle verköstigt werden können, das liege allein daran, dass die Flaschen lediglich vom netten Verkäufer ausgehändigt, aber nicht geöffnet wurden. Anderenfalls wären nämlich eine Ausschankgenehmigung sowie die Vorhaltung von sanitären Einrichtungen vonnöten. In unserem Fall werden aber somit nur mitgebrachte Getränke in öffentlichem Raum konsumiert.

Nachdem ausführlich die rechtliche Lage erörtert wurde, stelle ich wieder einmal fest: Gar nicht immer so einfach, in Deutschland zu leben und trinken.

 

Trinkhalle, Büdchen, Späti – ja, was denn nun eigentlich?

Wir ziehen weiter, überqueren die Emser Brücke. Von hier aus haben wir einen hervorragenden Ausblick auf das Europaviertel zu unserer Linken sowie das alteingesessene Gallusviertel zu unserer Rechten. Ein Kontrast, der prompt interessante Diskussionen hervorbringt. Ich jedenfalls hab’ meine ganz eigene Meinung zu all den “Montag bis Freitag – Frankfurtern”, die mit ihren Einheitseigentumswohnträumen die sozial Schwächeren zunehmend verdrängen.

Derweil wird uns erzählt, wie die Konzessionen für den Trinkhallen-Betrieb einst unter nur wenigen Pächtern aufgeteilt wurden. Diese hatten ihre jeweils eigenen Farben – was zur Folge hatte, dass die Wasserhäuschen stets in den Farben des Pächters, dem sie angehörten (beispielsweise rot-weiß oder gelb-grau) gestrichen wurden. Hab’ ich auch noch nicht gewusst.

Nun unterhalten wir uns schon eine ganze Weile über all die Büdchen in der Stadt.

Aber: “Büdchen”, “Wasserhäuschen”, “Kiosk” oder gar “Späti” – wie heißt’s denn nun eigentlich wirklich?

Klar, dass die Jungs von der Linie 11 hier weiterhelfen können:

Im allgemeinen Sprachgebrauch meinen alle Begriffe dasselbe. Das “Wasserhäuschen” bezeichnet im engsten Sinne jedoch auch heute noch ein freistehendes Büdchen, während ein “Kiosk” meist in eine Häuserzeile integriert. Der Begriff der “Trinkhalle” dagegen stammt aus dem Nordrhein-Westfälischen Sprachraum, während der “Späti” als Späteinkaufsmöglichkeit vor allem in Berlin ein beliebter Treffpunkt für die Nachbarschaft ist. Wieder was gelernt! 

Wasserhäuschen Einst & Jetzt

Wir lassen Emser Brücke und somit Bockenheim hinter uns, betreten das Terrain des Gallusviertels. Es ist nicht weit bis zum “Wasserhäuschen Kölner Straße”, einem echten Prachtbeispiel des Frankfurter Büdchenbaus.

Hier werde dann auch ich schwach: Mittlerweile hat sich der Himmel aufgeklärt, die Abendsonne zeigt sich von ihrer besten Seite. Jetzt ein kühles Henninger Export – ja, das hätte was. Gedacht, bestellt!

Beim Frischbiergenuss diskutieren wir über den jüngsten Wandel der Frankfurter Wasserhäuschen. Verleugnen sie ihre Idee als soziokulturellen Treff für jedermann, mutieren sie zu Hipster-Buden – oder machen sie sich fit für die Zukunft, um ihre Funktion in kommende Generationen weiterzutragen?

Klar, dass es nicht lange dauert, bis die Sprache auf das “GUDES” am Matthias Beltz-Platz kommt. Und hier hab’ ich als direkter Anwohner, als Angehöriger einer jüngeren Generation, natürlich was zu sagen – und zeige besonderes Interesse. Schließlich erlebe ich tagsüber wie nachts all das Treiben am Büdchen und auf dem angrenzenden Matthias-Beltz-Platz, der in der Vergangenheit bereits oftmals Schlagzeilen aufgrund von der Nachbarschaft mitgebrachten Sitzmöbel sowie Parties bis in die Morgenstunden gemacht hat.

Auch das “Fein” in der Eschenheimer Anlage hat einen denkwürdigen Wandel vollzogen:

Mit einer hochwertigen Siebträger-Kaffeemaschine und putzigen Sitzmöbeln mutet das Wasserhäuschen nunmehr wie ein vollwertiges Café an und zieht auch entsprechendes Klientel an.

“Sich der sozialen Verantwortung nach wie vor bewusst sein”

Kein Problem, findet die Linie 11. Am wichtigsten sei schließlich, dass das Konzept des “Wasserhäuschens” überlebensfähig bleibt. Nur ebenso wichtig sei es, dass sich die Betreiber ihrer sozialen Verantwortung bewusst seien, auch weiterhaft eine Anlaufstelle für das klassische “Wasserhäuschen-Publikum” seien und dieses nicht verdrängen würden. Und somit freue man sich darüber, dass es beim “Fein” nach wie vor auch grundsolides Flaschenbier zu kaufen gibt.

 

“Hart klassisch” geht es weiter

Gemeinsam mit dem Wandel der Trinkhallen hin zum “hippen Treffpunkt für die Nachbarschaft” hat sich derweil auch die Ansicht auf die Büdchen-Kultur in breiten Teilen der Frankfurter Bevölkerung geändert:

So ist es schon längst nicht mehr verpönt, ein Bier am Wasserhäuschen trinken zu gehen. Unsere Trinkhallen also auf dem Weg zur allgemeinen sozialen Akzeptanz?

So einfach scheint es nicht. Denn nach wie vor, so wird uns neugierigen Teilnehmern berichtet, existiere sie:

Die Kategorie der “hart klassischen Trinkhallen”. Wie bitte? 

“Hart klassisch”, diese adverbiale Zusammensetzung war mir selbst zuvor nicht geläufig. Ich beschließe jedoch, diese umgehend in meinen Wortschatz aufzunehmen.

Unter “hart klassisch” ist, so auch eine andere Teilnehmerin, eine Trinkhalle zu verstehen, an der sich nach wie vor nahezu ausschließlich das klassische Wasserhäuschen-Klientel zu treffen pflegt, um bereits am Morgen das ein oder andere Bierchen zu zischen. Jene Art von Trinkhallen, auf deren unmittelbare Nachbarschaft man vielleicht nicht unbedingt stolz ist.

Aber dennoch, so finde ich: 

Auch vermeintliche “gescheiterte Existenzen”, die gehören einfach zu unserer Stadt. Auch ihnen soll ein Raum des Austauschs geboten sein. Und wie sagen es die Jungs von der “Linie” so schön: “Wäre es besser, sie alleine auf dem Sofa dem Fernseher zu überlassen?”. Ganz meine Meinung. 

Ein schönes Beispiel einer so “hart-klassischen” Trinkhalle wird uns prompt mit einem Besuch des “Einkaufskiosk Kölner Straße” geboten. Gelegen inmitten des Gallusviertels, altgedientes Arbeiterviertel.

Und hier werde ich dann auch schwach: Zu schön die Abendsonne, die mittlerweile den Regen verdrängt hat. Zu sehr lacht mich das eisgekühlte “Henninger Export” an. Mal fix eines erworben, macht dann 1,30 Euro, besten Dank auch und Prost. Ich fühle mich umgehend ein wenig hart bis klassisch und genieße den ersten kalten Schluck Bier.

 

Wie steht es also um die Zukunft?

Wir setzen unseren Spaziergang fort, mittlerweile sind wir Teilnehmer warm geworden miteinander und betreiben munteren Austausch.

Unser Ziel ist ein berühmt-berüchtigter Ort, nämlich der alte Wachturm der Gallusanlage. Unmittelbar unterhalb des Turmes konkurrieren seit zwei Jahrzehnten gleich zwei Trinkhallen in direkter Nachbarschaft:

Die eine – nun ja, “hart-klassisch” eben, geöffnet 24 Stunden am Tag – die andere recht familiär und mit weit weniger aggressivem Marketing-Auftritt.

Die durstigen ordern noch ein Bier, ich schwenke derweil über zum Kaffee. Wir tauschen uns über die Zukunft der Frankfurter Wasserhäuschen aus.

“Kann man finanziell denn eigentlich noch überlegen – als Betreiber eines Wasserhäuschens” ? 

Diese berechtigte Frage kommt uns auf. “Klar”, sagen die Experten, “heutzutage, wo jeder zweite REWE bis Mitternacht geöffnet hat, wo sich auch die ganze Nacht lang noch ein Bier an der Tankstelle nebenan kaufen lässt – da ist der Anreiz gering, eigens zum Getränke-Erwerb noch das nächstgelegene Büdchen aufzusuchen”.

Ein Großteil der Betreiber habe sich darüber hinaus ein Zuverdienst als Paket-Annahmestelle oder Lotto-Station gesichert. Anders ginge es eben nicht mehr. Sei dann der Pachtvertrag noch entsprechend alt und günstig, ginge das schon noch irgendwie, mehr schlecht denn recht.

Aber die soziokulturelle Funktion eines Wasserhäuschens, die dürfe eben nicht unterschätzt oder gar verloren gehen.

Mein Fazit

Die Dämmerung beginnt, wir spazieren weiter durch den Abend. Die nächste Anlaufstelle ist ein weiteres Beispiel einer “hart-klassischen” Trinkhalle:

Das “NEDO”, das zwar nicht mehr so heißt, seit der Inhaber gewechselt hat – aber dennoch als solches bekannt ist. Dort lassen wir den offiziellen Teil des Spaziergangs zu Ende gehen. Wie uns der kleine Streifzug durch die Frankfurter Wasserhäuschen-Kultur gefallen hat?

Ich für meinen Teil kann sagen: 

Ich habe nicht nur eine Menge wissenswertes zur Geschichte der Frankfurter Wasserhäuschen erfahren, ich hatte obendrein einen echt netten Abend mit netten Menschen.

Und obendrein wurde mein Bewusstsein dafür geschärft, dass Wasserhäuschen eben viel mehr sind, als nur Gelegenheit zum Bier- und Süßigkeiten kaufen:

Die Frankfurter Wasserhäuschen sind ein Original, ein Stück Kulturgut, das es zu bewahren gilt. Und viel öfter sollte auch ich meinen Beitrag leisten, dieses zu erhalten.

Einfach mal 1,50 Euro am Büdchen zahlen statt 89 Cent im Supermarkt – dafür aber bestenfalls noch interessante, bestenfalls nette Menschen aus der Nachbarschaft treffen. Ein bisschen tratschen über Dies und Das. Und wo ich schon mal da bin, vielleicht noch ein paar Briefmarken mitnehmen.

Auf gute Nachbarschaft! 

Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich die Stadtspaziergänge des “Urban Open Institute” bislang gar nicht kannte. Und es gibt noch so viele davon, dass in deren Vielfalt mit Sicherheit für jeden von euch etwas dabei ist!

Für den Spätsommer ist übrigens auch eine neue Auflage des “Wasserhäuschen-Stadtspaziergangs” angekündigt.
Neugierig geworden? Dann schaut einfach hier vorbei:

https://www.facebook.com/openurbaninstitute/

Pfingsten in Frankfurt: Vielfalt im Stadtwald, Fachwerk & Natur im Umland

Nach diesem Pfingstwochenende, da weiß ich mal wieder ganz genau, warum Frankfurt einfach “meine Stadt” ist.

Dabei fing das lange Wochenende eher freudlos an für mich:

Freitagabend, Nachtschicht. Unterwegs in der S-Bahn in Stuttgart (jaja, ihr wisst schon – dieses Epizentrum der Spießigkeit, in einem Talkessel im Südwesten der Republik…).

Dumme Anmache von, nun ja, Mitbürgern offensichtlich abendländlichler Herkunft. Bin genervt, fühle Anspannung in mir. Und auch als ich den Hauptbahnhof erreiche und an zahlreichen Menschen eher aggressiver Grundstimmung vorbeilaufe, Kopf gesenkt und Musik an, da fühle ich mich nicht unbedingt sicherer.

Immerhin, die Rückfahrt nach Frankfurt, die verläuft reibungslos. Soll noch mal jemand sagen, auf die Deutsche Bahn wäre kein Verlass! Nun schnell vom Bahnsteig zum Parkplatz. Als ich das übliche Hauptbahnhofs-Klientel herumhängen sehe, da bin ich fast erleichtert: Die sind wenigstens seltenst aggressiv, im Direktvergleich mit dem nächtlichen Publikum des Stuttgarter Hauptbahnhofs fast als “Normalos” zu werten. Car2Go mieten, ab nach Hause.
Nun, da ich Main und Hochhäuser im Blickfeld habe, als ich im Smart nach Hause fahre, da macht sich doch ein wenig Freude in mir breit.

Ausschlafen! Langes Wochenende! Und nicht nur irgendeines, nämlich: Pfingstwochenende!

Und Pfingsten in Frankfurt, das bedeutet bekanntlich vor allem Eines: Wäldchestag!

Man sagt über die Frankfurter ,dass sie zwar unheimlich stolz auf ihren riesigen Stadtwald sein, auf all das von Wander- und Radwegen durchzogene Idyll. Trotz aller Lobeslieder auf den die Stadt umgebenen Wald pflegt der Frankfurter jedoch lediglich ein einziges Mal im Jahr den Weg dorthin aufzunehmen: Am Wäldchestag.

So wie – das versteht sich von selbst! – auch ich das vorhabe. Bin zwar nur zugezogenen, aber hey, ich zeige stets größte Integrationsbereitschaft.

Aber erstmal, da gilt es auszuschlafen. Gelingt mir recht gut, ab ins Bettchen, der Wecker bleibt zur Abwechslung mal ausgeschaltet.

10 Stunden später: Duschen, Kaffee, kleiner Spaziergang zwecks Lebensmittelversorgung über die Feiertage. Nun kann’s losgehen, Turnbeutel und gute Laune eingepackt: Wäldchestag, ich komme!

Vom Nordend mache ich mich auf, Umsteigen am Hauptbahnhof. Nehme Platz in der Linie 20, noch ein Red Bull zwecks endgültigem Ausmerzen meines Schlafdefizits.. Gegenüber von mir ein Kerl gleichen Alters, der mich in unangenehmer Weise an meine “nette” Bekanntschaft aus der Stuttgarter S-Bahn in der letzten Nacht erinnert.

Noch ein wenig in der Zeitung blättern, die Traum überquert den Main, bahnt sich ihren Weg durch Niederrad. Kurz vor meiner Zielhaltestelle, dem Oberforsthaus, da werde ich aus meiner Lektüre gerissen, weil ich herzlich lachen muss:

Schon seit Anfang Mai kann sich der Fahrgast in den Trams der VGF nämlich an Haltestellenansagen der Berufskomiker von “Badesalz” erfreuen. Und die vom Oberforsthaus, die hörte ich zum ersten Mal:

Nun ja, ich pruste vor mich hin, der Typ mir gegenüber nimmt seine Kopfhörer aus den Ohren. “Jetzt bitte keinen Stress”, denk’ ich mir, noch etwas nachgeschädigt von meiner “Bekanntschaft” in der Stuttgarter S-Bahn in der letzten Nacht.

Aber Halt, ich bin ja hier zu Hause, in Frankfurt, und so ernte ich statt einem “Hey, was bist’n du für einer, was willst du hier?” dann auch lediglich die Frage nach dem Grund meines spontanen Lachanfalls.

Gern beantworte ich diese Frage, leiste Aufklärungsarbeit in Sachen Badesalz und dem hessischen Dialekt. Nun lacht auch mein Gegenüber, “Und ich hör’ Musik – wie doof von mir!”. 

Ob ich denn auch zum Wäldchestag wolle, was’ ne Frage, wer will das heute nicht – ach, und übrigens, er sei der Amir. “Freut mich”, sag’ ich, “bin der Matze. Auch aus Frankfurt?”

Wir geben uns die Hand, steigen gemeinsam aus und bahnen uns nebeneinander den Weg durch den Stadtwald. Ich frag’ Amir, wo seine Wurzeln sind. Aus dem Iran ist er, verrät er mir, lebt seit sechs Jahren hier. Ist aber heute zum erstem Mal beim Wäldchestag, ist mir dankbar dafür, dass ich ihm den Weg zeigen kann.

Wir sinnieren noch ein wenig über Herkunft und Heimat. “Frankfurt ist geil”, findet er.

“Hier ist es scheißegal, wo jemand herkommt, ganz egal wer jemand ist – hier ist einfach jeder einfach Frankfurter”. 

Kann ich ihm nur beipflichten, gerade deswegen liebe ich diese Stadt schließlich auch so sehr. Nur, dass Berlin vielleicht noch ‘nen Ticken “geiler” sei – diese Ansicht teile ich nach reichlicher Überlegung dann doch gar nicht.

Lustigerweise, so stellt sich heraus, haben wir das selbe Ziel.
Seine Freunde wie auch meine Freunde warten auf uns im “Regenbogen-Zelt”.

Wer’s nicht kennt: Ein Zelt, in dem die schwule und lesbische Community der Stadt alljährlich ‘ne fette Party schmeißt.

Und schon wieder: Hier ist’s egal, wer du bist und wie du tickst. Ich bin jedenfalls weder schwul noch lesbisch, hab’ hier trotzdem Jahr für Jahr meine helle Freunde.

Man ist hier schließlich nicht Homo- oder Hetereosexuell, ist nicht Ausländer oder Deutscher, ist nicht Zugezogen oder Einheimisch: Man ist ganz einfach Frankfurter, nicht mehr und nicht weniger. 

Amir stößt prompt auf seine Leute, ich halte weiter Ausschau. Wir verabschieden uns, “cool, dich kennen gelernt zu haben, sehen uns ja eh später wieder”. 

Ich werde derweil fündig an den Bänken vor der Bühne. Noch gibt’s Live-Musik, das beste der Siebziger. Bei diesem Soundtrack dürften sich meine Eltern kennengelernt haben, denk’ ich mir. Jetzt ‘nen Apfelwein, hach, schmeckt das herrlich – endlich frei haben. Endlich leben.

Punkt 21.30 Uhr ist dann aber Schluss mit Livemusik, und wie auf Befehl verlassen die Besucher schlagartig ihre Bierzeltgarnituren und strömen ins Festzelt.

 

Hier geht die Party nämlich weiter, bis nachts um 1. Die Instrumente bleiben eingepackt, die Musik kommt aus der Dose: Jeden Abend geben sich Frankfurter DJ’s hier ein Stelldichein: Mein Favorit hierbei ist “DJ Hildegard”, die, ohne weiter ausschweifen zu wollen, so gar nicht aussieht wie eine typische “Hildegard”. Aber das ist eine andere Geschichte.

 

Tradition, Moderne, Techno

“Tradition trifft Moderne”, das ist in Frankfurt eben kein schnöder Satz aus dem Stadtmarketing – vielmehr wird ein Nebeneinander von Alt und Jung hier schlicht gelebt. Eben noch Siebziger, zehn Meter weiter, rumms, Techno.

Auch ich stehe mittlerweile im Zelt, wenige Takte genügen, um mich in Tanzlaune zu bringen. Hab’ ich eigentlich schon mal erwähnt, dass ich nirgends besser abschalten kann als beim Technotanzen?

Und so steh’ ich hier, links und rechts wird bereits geknutscht. Daran, dass sich hier auch gerne Mann und Mann sowie Frau und Frau die Zunge in den Hals stecken, daran stört sich hier niemand. Was in Dresden vermutlich einen gewalttätigen Aufstand hervorrufen und in Stuttgart zumindest befremdliche Blicke hervorrufen würde, das ist hier vor allem eines: Scheißegal. Auch, dass ich als Heterosexueller hier nicht unbedingt zur “Szene” gehöre: Scheißegal. Darum geht’s hier nicht, es zählt der junge Mensch, es zählt die Feier.

 

Frankfurt, das ist nämlich auch und vor allem eines: Unendlich tolerant. 

Ich bin in Stimmung, zünde mir eine Zigarette an. Und muss schmunzeln beim Gedanken, dass mich in einer Vielzahl der anderen Bundesländern – und ja, auch in Stuttgart! – nun die Security des Zeltes verweisen würde. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Frankfurt wirklich mag?

Jemand schlägt mir auf die Schulter, ach, mein persischer Freund aus der Straßenbahn mal wieder. Prost, Amir, weitertanzen. Ich treffe auf Kollege, Schwule wie Nicht-Schwule. Ich bezeichne meinen Kumpel (Bulgare) im Scherz als “Wirtschaftsflüchtling”, er schimpft mich einen “Deutschen mit Stock im Arsch und Bausparvertrag”. Hach, ich liebe Klischees.

Ja, und irgendwann ist die Party dann auch vorbei, aufmachen zur Straßenbahn. Diese ist dann vollbesetzt mit zahlreichen Bravo-Abonnenten der Mittelstufe: Zeitgleich und Nebenan im Waldstadion findet nämlich das “World of Club Dome” – Festival statt.

Wozu also zum Nürburgring fahren und sich dort mit ärgerlichen Terror-Verdachtsmomenten herumschlagen müssen, wenn man doch auch einfach in Frankfurt bleiben kann?

Ganz besonders toll finde ich ja, dass auch um Mitternacht noch Familien hier sind. Ohne Angst haben zu müssen. Glaube kurz, ich wäre als Kind auch schon gerne hier gewesen. Aber man kann sich’s ja nicht aussuche, gelle? Von Fahrgeschäften hab ich zumindest früher nie genug bekommen, heute erzeugt der Gedanke an drei Runden “Breakdancer” am Stück jedoch bereits Übelkeit in mir. Man wird ja auch nicht jünger!

 

Irgendwann lande auch ich dann wieder mal im Bett. Bin ja auch nur ein Mensch mit gelegentlichen Schlafbedürfnissen.

Nicht ohne zuvor noch ein paar Nachbarn am “GUDES” getroffen zu haben, man trifft ja auch ständig Bekannte hier in Frankfurt. Wer auch immer sagt, München sei das kleinste Dorf der Welt – der war noch nie in Frankfurt.

 

Wäldchestag zum Zweiten

Am nächsten Abend, ganz klar, da lande ich natürlich wieder auf dem Wäldchestag. Diesmal aber ein wenig gediegener.

Und als ich im Riesenrad sitze und die Gondel ihren Höhepunkt erreicht. Als ich meinen Blick über die Baumkronen streifen lasse, mein Blick an der Skyline kleben bleibt.  Als ich von unten Musik höre, und weiß, dass genau dort unten gerade Menschen jeglicher Herkunft, sexueller Orientierung und Couleur gemeinsam feiern:

Da erfüllt es mich mit ein wenig Stolz, diesen Ort meine Heimat nennen zu dürfen.

 

 

Stiller Wald, weite Felder und ein zuckersüßes Umland

Huch, ist denn immer noch Pfingsten? Kaum zu glauben, wie lange ein solches Wochenende sein kann. Mich soll’s freuen! Schließlich schätze ich Frankfurt auch sehr dafür, ein wunderbarer Ausgangspunkt für lange Nachmittage auf dem Fahrrad zu sein.

 

Meine heutige Tour führt mich durch die stillen Weiten des Frankfurter Stadtwaldes, vorbei an Dreieichenhain, wo ich kurze Rast an der alten Wasserburg mache und das zuckersüße Fachwerk der kleinen Altstadt bewundere.

 

 

 

Weiter geht’s, ich trete eifrig in die Pedale und statte der Grube Messel einen Besuch ab. Die Ausgrabungsstelle als Weltkulturerbe hatte ich alter Kulturbanause nämlich tatsächlich noch nie zuvor besucht.

So gerne ich auch unter Menschen bin, so sehr brauche ich auch hin und wieder einfach Zeit für mich alleine. Will ohne Rücksicht auf andere meinen Entdeckerdrang ausleben, will in die Pedale treten wie es mir beliebt. Will rasten, wo und wie lange es mir beliebt. Und für einen kurzen Tapetenwechsel muss ich nicht mal weit weg fahren oder gar fliegen: Der Stadtwald und damit die große, grüne Welt beginnt gleich hinter dem Sachsenhäuser Berg!

Den hab’ ich zwischenzeitlich aber längst hinter mir gelassen, haben unterwegs Bekanntschaft mit einer Entenfamilie im Weiher und einem adretten Storchenpaar gemacht.

 

 

 

Nächster Stopp dann in Dieburg: Auch hier finde ich eine sehenswerte, schnuckelige Altstadt samt meinem so geliebten Fachwerk vor. Bitte kurz ein freundliches Ehepaar, ein kleines Erinnerungsbild von mir auf dem Marktplatz zu schießen.

Nun führt mich der Weg durch weite Felder, hier wachsen Rüben, Kartoffeln und Salat. Soll ja nicht heißen, meine Generation kenne Gemüse nur aus dem Supermarkt! Im wahrsten Sinne des Wortes ganz diebisch freue ich mich dann, als ich ein Erdbeerfeld entdecke und mir ein paar der saftig-süßen Früchte mopse. Ist ja schließlich Sommer, und ein Sommer ohne Erdbeeren?! Geht ja schließlich gar nicht!

Mein Tagesziel soll da Groß-Umstadt sein. Kannte ich bislang nur vom Hörensagen, gerüchteweise sollten dort sogar Menschen leben. Nun kann ich bestätigen: Dem ist so!

Außer leibhaftigen Menschen verzückt auch diese Kleinstadt mich mit ganz viel Fachwerk, schmucken Kirchen und einem barocken Rathaus an einem wunderschönen belebten Platz.

Die Regionalbahn bringt mich innerhalb von einer Stunde wieder heim nach Frankfurt. Wie toll es doch einfach ist, von Frankfurt aus ganz schnell ein so wunderschönes Umland genießen zu dürfen! Und – ebenso toll! – auch ganz schnell wieder zurück in der Großstadt zu sein. Und während ich die weite Landschaft vor dem Fenster vorbeifliegen sehe und ein perfektes langes Wochenende Revue passieren lasse, bis die Landschaft wieder Häuserschluchten weicht, als der Tunnel meine S-Bahn verschluckt und ich mich bald wieder zu Hause wähne:

Da weiß ich einmal wieder ganz genau, warum dieses Flecken Erde meine Heimat ist. Und nach Stuttgart, da mag ich wirklich so bald nicht mehr. 

Aber erst einmal, da fliege ich nun nach portugal. ich bin aufgeregt und gespannt auf all die eindrücke im äussersten westen des Kontinents. Aber weiss schon jetzt ganz sicher:
Ich werde froh sein, wieder zurück zu sein. Weil ich hier zu Hause bin.

 

Wenn Fischers Fritz im Bahnhofsviertel frischen Fisch fischt…

… dann wird’s zwar nicht immer ansehnlich, aber ganz schön lecker!

Neulich hatte ich ja wieder ein wenig zu viel Zeit. Zeit, die ich für einen kleinen Spaziergang durchs Bahnhofsviertel genutzt habe. Bisschen gucken hier, bisschen stöbern dort: Das mach’ ich wirklich gerne. Einfach mal den Flair des Viertels atmen.

Kaufen, wo die “Locals” kaufen

Man sagt, man solle sich ja immer an die Einheimischen halten, wenn’s ums Einkaufen und Schlemmen geht. Und die “Einheimischen” hier im Bahnhofsviertel, die gehen – mit Verlaub – meist lieber in einen der zahlreichen türkischen oder asiatischen Lebensmittelläden, statt zu REWE CITY.

So landete ich irgendwann in der Elbestraße, um genau zu sein: Vor “Zerouali Lebensmittel”. Angelockt von den zahlreichen Obst- und Gemüsekisten auf dem Gehsteig betrat ich das Ladengeschäft. Und, siehe da: Unmittelbar fand ich mich in einem Laden wider, den ich mir genau so auch im im fernen Orient vorstellen könnte.

Besonders angetan hatte es mir die Fischtheke. Gut auf Eis gekühlt präsentierten sich hier allerlei frische Fische und Meeresfrüchte.

 

Aus Dosen und als Stäbchen

Ich bin ja bekanntlich auf einem kleinen Dorf in der hessischen Provinz aufgewachsen. Die einzige Metzgerei des Orts bot zwar Fleisch in allen Variationen, als Kind bekam ich hier zum Dank für den Einkauf noch ‘ne Scheibe Bärenwurst in die Hand gedrückt. Würde heutzutage wahrscheinlich einen vegetarischen – wenn nicht gar veganen – Aufschrei verursachen, damals hat es niemanden gekümmert. Tatsache!

Jedenfalls, an Fleisch hat’s nicht gemangelt auf dem Dorf, weder in der Metzgerei noch bei HL.

Doch frischer Fisch? Fehlanzeige. 

Fisch jedoch, der war mir lediglich als Thunfischfilet aus der Dose oder Fischstäbchen von Iglu bekannt. Ein Bismarckbrötchen, spendiert von Papa vor dem Möbelhaus, das war da schon ein echtes Highlight.

Meine erste Fischtheke, die dürfte ich dann erst nach meinem Wegzug in die Großstadt gesehen haben. Und zwar bei REWE. So lecker die Ware dort auch präsentiert wurde, so unappetlich jedoch die Preise. Nee, muss nicht sein, konnt’ ich mir verkneifen.

Nun aber bin ich im Frankfurter Bahnhofsviertel. Und entdecke, dass frischer Fisch gar nicht teuer sein muss. Ich beschließe, mal welchen mitzunehmen.

Ich entscheide mich für eine Hand voll Sardellen (kannte ich bislang nur als Pizzabelag) für 3,99 das Kilo sowie ‘ne fetten fetten Merlanfisch zu je 5,99 das Kilo. Soweit erschwinglich, alles klar, freundlich wurde mir die Tüte (ja, sie roch nach Fisch!) in die Hand gedrückt. Und nun schnell ab nach Hause, von wegen Kühlkette nicht unterbrechen und so!

 

Fisch zubereiten – wie war das doch gleich?

Zu Hause angekommen, erinnere ich mich: Oh, einfach Dose öffnen ist hier nicht. Doch mittels Youtube-Tutorial gelingt es mir, mehr schlecht denn recht den Merlanfisch zu filetieren und mitsamt Gemüse zwecks Dünstvorgang in einen Topf zu verbrachten. Vorher noch fein Salz und Pfeffer drauf, ‘nen Schuss Zitronensaft, ab auf den Herd! Dünsten tue ich das Ganze übrigens im guten “Rapp’s Meisterschoppen”. Ein wenig Schoppen-Aroma kann schließlich nie schaden!

Die Sardellen indes verschwinden im Backofen. Und nun heißt es… abwarten!

Verdammt, zu lange gewartet. 

Der Merlanfisch auf Gemüsebett mutierte innerhalb von Minuten zu einer Art Fischpürree, weswegen ich euch ein Bild erspare.

Die Sardellen im Backofen machen dagegen eine weitaus bessere Figur: Was soll’s, ist ja noch kein Sternekoch vom Himmel gefallen. Ab auf den Teller, und – moah! – lecker. Trotz leicht breiiger Konsistenz.

Anblick hin, Anblick her: Ich freue mich über mein fischiges Experiment, schau’ ganz sicher bald mal wieder vorbei in einem der kleinen Lebensmittelläden im Bahnhofsviertel.

 

Ich meine, hey, ist das nicht geil?

Frankfurt ist international. Multikulturell, multiethisch. Das mag zwar mitunter auch Probleme mit sich bringen, unter dem Strich ist diese wilde Mischung aber eine absolute Bereicherung für unser aller Alltag.

Ich meine, wie geil ist es denn, dass ich mich immer wieder in der eigenen Stadt wie im Urlaub fühlen kann? Sogar frische Lebensmittel aus aller Welt fast jederzeit verfügbar sind – gleich ums Eck? Wo der türkische Gemüsehändler gleich neben dem asiatischen Supermarkt zu finden ist, in einer Straße, auf der am Wochenende die Bauern aus dem Umland ihre Stände aufbauen?

Die Deutsche Küche, so behaupte ich mal, ist nicht sonderlich experimentierfreudig. Ich jedoch genieße es, hin und wieder einfach mal was auszuprobieren. Frischen Fisch ausnehmen und filetieren zum Beispiel.

Auch wenn’ ich das mit der Zubereitung dann vielleicht doch noch ein wenig üben sollte… 

“Talentfrei Musizieren” präsentiert: Ein Sommerurlaub am MainCafé

Ich hab’s  mal wieder getan:

Nachdem ich neulich in einem kleinen Beitrag Einblick in meine zweifelhaften musikalischen Talente gegeben habe und mich mit mäßigem Erfolg mit als Singer-Songwriter und Hipster-Rapper versuchte, habe ich nun erneut zu Notizbuch und Klampfe gegriffen.

Entstanden ist dabei mein nächster Anschlag auf die Trommelfelle meiner arglosen Mitmenschen: Ein Loblied auf einen Sommerurlaub, ganz einfach zu Hause, ganz einfach in Frankfurt!

“Er bemühte sich redlich…”:

Diese mir altvertraute Leistungsbewertung aus dem Musikunterricht dürfte auch bei meinem neuesten Werk recht zutreffend sein. Sei’s drum, mir hat’s Spaß gemacht – und vielleicht sorgt das Lied ja auch bei euch für ein wenig Unterhaltung?

Werft euch ‘ne Schmerztablette ein, dreht die Boxen auf Anschlag, ich präsentiere:

Sommerurlaub am MainCafé!

 

Eine Bootsfahrt, die ist lustig… von Frankfurt aus in alle Welt! Oder zumindest nach Aschaffenburg.

Denkt man an Frankfurts Bedeutung als Verkehrsknotenpunkt und internationale Drehscheibe, dann kommt einem vermutlich zuerst der Flughafen in den Sinn.

Über 600 Flüge am Tag verbinden von hier aus unsere Stadt mit der ganzen Welt, was unseren Airport zum größten und wichtigsten der Republik werden lässt.

Vielleicht denkt man auch an unseren Hauptbahnhof, der seit seiner Eröffnung im Jahre 1888 schnell zum wichtigsten Eisenbahnknotenpunkt des Landes wurde. Heute sorgen über 340 Züge des Fernverkehrs, 290 Züge des Nahverkehrs sowie über 1.000 S-Bahn-Halte am Tag dafür, dass Reisende vom wichtigsten Eisenbahnknoten Deutschlands aus schnell und bequem mit der Bahn durchs ganze Land verreisen können. Auch Metropolen im benachbarten Ausland werden von hier aus angefahren; sogar nach Marseille existiert eine tägliche Direktverbindung!

Vielleicht, da denkt man auch noch an all die Menschenmassen an der Konstablerwache, die sich – insbesondere zur “Rush Hour” – von den unterirdischen Bahnsteigen aus ihren Weg durch die heruntergekommene B-Ebene bahnen, dabei Rolltreppen verstopfen. An all die Straßenbahnen und Busse, die sie besteigen, sobald das Tageslicht erreicht ist.

Frankfurt ist eben immer in Bewegung. Ob Flugzeug, Bahn, Tram oder Bus: Zahlreiche Verkehrsmittel sorgen zu jeder Tag- und Nachtzeit dafür, dass man Frankfurt schnell verlassen kann. Zu Lande und in der Luft. 

Ebenso schnell lässt es sich freilich auch wieder ankommen in Frankfurt: Und macht das Ankommen hier nicht ohnehin am meisten Freude? 

Eher selten jedoch denkt man an die Schiffe, mit denen es sich auch zu Wasser von Frankfurt aus ganz hervorragend verreisen lässt!

Auch ich habe den Schiffverkehr der Stadt lange Zeit vollkommen ausgeblendet. Klar, ich hab’ mich immer sehr des Anblicks erfreut, wenn mal wieder weißes Schiff den Main entlang schipperte. Ich hab’ mich gefreut, wenn die Fahrgäste an Deck den am Mainufer flanierenden Menschen zugewunken haben. Erhob eifrig beide Hände, um die Grüße zu erwidern.

Nie jedoch habe ich mich gefragt, was wohl die Ziele von den weißen Riesen und ihren Schiffsreisenden sein mögen. Dies änderte sich erst, als ich eines Tages beim Joggen am Mainufer meinen Blick über die Schiffsanleger am Dom streifen ließ.

“Köln-Düsseldorfer” und “Primus Linie”: Sollte Frankfurt etwa auch Bedeutung für den internationalen Personenschiffsverkehr haben?

Ich kam nicht umhin, ein wenig Online-Recherche zu betreiben.

Zugegeben, es gibt bedeutendere Seehäfen als Frankfurt mit seinen kleinen Anlegestellen am Main. Auf das Einlaufen eines Kreuzfahrschiffes wird man hier vergeblich warten, vom Main aus in die Karibik reisen sollte man dann doch besser vom Flughafen aus.

Dennoch, ich war erstaunt, dass von den Anlegestellen am Römer aus tatsächlich ein planmäßiger Schiffsverkehr stattfindet.

Da das Schiff als Verkehrsmittel zwischenzeitlich leider ein wenig aus der Mode gekommen ist, werden von hier aus zwar überwiegend touristische Ziele angesteuert: Davon aber doch erstaunlich viele!

Sowohl Köln-Düsseldorfer sowie die Primus-Linie bieten planmäßige Linienfahrten an. Ob mainabwärts nach Heidelberg oder Aschaffenburg, mainaufwärts bis nach Rüdesheim zum Spazieren auf der Drosselgasse, am Rhein entlang bis zum deutschen Eck nach Koblenz oder sogar auf ein Kölsch bis Köln. Wird ein Umstieg in Kauf genommen, kann sogar die Mosel auf dem Seewege erreicht werden! Seefahrerherz, was willst du mehr? 

 

Ticket kaufen, Leinen los!

Klar, dass meine Schiffs-Reiselust geweckt war. ‘Ne steife Brise auf dem Main, mit dem Schiff nach irgendwohin, statt auf den Main mal vom Fluss aus auf die Ufer schauen. Das musste ausprobiert werden!

Ich entschied mich für eine Fahrt vom fernen Aschaffenburg nach Frankfurt.
Klar, dass mein Freund Michael nicht fehlen durfte! Die Tickets waren schnell gekauft, und nur wenige Tage später steigen wir am Frankfurter Südbahnhof die Regional-Bimmelbahn, welche uns in einer knappen Stunde in die fränkische Kleinstadt bringen sollte. Noch können wir kaum glauben, dass die Rückfahrt nach Frankfurt mit dem Schiff geschlagene 4,5 Stunden brauchen solle!

Erst einmal freuen wir uns aber darüber, genügend Zeit zu haben, um Aschaffenburg ein wenig zu erkunden. Ob die Kleinstadt wohl noch mehr zu bieten hat als Bier von “Schlappeseppel” und eine Namen, der sich für eine Vielzahl von Wortspielen missbrauchen lässt?

Sollte man Gott tatsächlich für Alles danken, sogar für ein Unterfranken? 

Als wir bayrischen Boden betreten und den Bahnhof verlassen, sind wir gespannt…

 

Metzgereien! Überall Metzgereien!

Nachdem wir ein wenig durch die angenehm fußläufige Altstadt gestreift sind, da ist uns vor allem eines aufgefallen: Gefühlt jedes zweite Geschäft scheint hier ein Metzger zu sein. Die Aschaffenburger scheinen wohl über eine derart große Gelüste nach toten Tieren zu verspüren, dass diese anderweitig nicht gestillt werden können als durch eine omnipräsente fleischverarbeitende Infrastruktur.

Nun ja, was in Frankfurt wohl unverzüglich ethisch-moralische Aufstände und eingeworfene Schaufensterscheiben zur Folge hätte, scheint hier ganz selbstverständlich zum Straßenbild zu gehören. Dass wir – konsequent, wie die Unterfranken diesbezüglich zu sein scheinen – keinen einzigen Bio-Supermarkt entdecken können, ist für uns zwei Frankfurter eine willkommene Abwechslung.

Zurück zum Thema, dieser Beitrag will euch schließlich von einem Ausflug mit dem Schiff berichten und nicht zum touristischen Leitpfaden für Aschaffenburg ausarten.

Innerhalb vier Stunden können wir uns schlussendlich dann doch noch davon überzeugen, dass Aschaffenburg noch viel mehr zu bieten hat, als Leberkäsebrötchen (die hier allerdings “Weck” heißen) und einen recht funktionellen Hauptbahnhof.

So fanden wir inmitten einer wunderschönen Grünanlage die Kirchruine vor, welche einen märchenhaften Anblick bot.Schallplattenläden wie aus Oma’s Zeiten ließen insbesondere mein Herz höher schlagen, während mein Freund Michael große Begeisterung für die wirklich schmucke Stiftsbasilika hegen konnte. Die Innenstadt ist recht schnucklig und wirkt insgesamt gleich viel weniger hektisch als ihr nervzehrendes Pedant in Frankfurt: Hach, schön, so ein Kurzurlaub!

Ein imposantes Schloss am Mainufer haben wir genauso vorfinden können wie ein süßes Café, sodass wir mit adäquatem Koffein-Pegel pünktlich an der Anlegestelle eintreffen.

Und nun lass’ ich einfach noch ein paar Bilder sprechen… 

 

Unterwegs an Bord der “Nautilus”

Ebenso pünktlich legt dann auch die “Natulis” ab, nimmt ihre Fahrt mainaufwärts auf. Entsprechend Saison, Wochentag & Wetter ist nicht viel los an Bord, was uns sehr gelegen kommt. Wir schauen uns ein wenig auf den beiden Decks um: Erstaunlich, wie viel Platz hier drinnen ist! Hätte ich – als ich das Schiff von Land aus betrachtete – gar nicht gedacht.

Aber einmal drin, da stell’ ich fest: Hier könnte man ganze Parties feiern!

 

Ein letzter Blick zurück auf das große Schloss – hoffentlich werd’ ich nicht seekrank! 

Da es nicht regnet, beschließen wir, auf dem Oberdeck Platz zu nehmen. Von dort aus hat man nämlich den besten Rundum-Blick und kann publikumswirksam den Landratten an den Ufern zuwinken. Und tatsächlich, immer wieder entdecke ich links und rechts des Mains Angler, Familien beim Picknick und sogar unerschrockene Badende.

Für echten Nervenkitzel an Deck sorgen dagegen die beim Unterfahren nur wenige handbreit über unseren Köpfen hinwegziehen. Tod auf dem Main durch “Kopf ab”? Ich hab’ ja schon ein wenig Angst. Immerhin den Tod durch Ertrinken muss ich nicht fürchten, schließlich entdecke ich zwei große Kisten mit insgesamt 600 Schwimmwesten an Deck. Ich bin beruhigt, vorerst jedenfalls. Lasse wieder das Mainufer an mir vorbeiziehen, das hier so viel wilder scheint als in heimischen Gefilden.

 

Hoch und Runter: Die Sache mit den Schleusen.

Es dauert nicht lange, und unsere Fahrt verlangsamt sich. Der Grund, der ist schnell ausgemacht: Eine Schleuse liegt vor uns, die der Kapitän gekonnt ansteuert. So langsam dämmert uns, wieso die Fahrt nach Frankfurt stolze viereinhalb Stunden dauern soll: So ‘ne Schleuse, das geht nicht schwuppdiwupps, das dauert. Und bis Frankfurt, so ahnen wir, sollte dies nicht die letzte Schleuse sein.

Gemütlich senkt sich das Schiff Zentimeter um Zentimeter, bis sich dann endlich die Schleusentüre öffnet und die “Nautilus” wieder mit dröhnendem Motor Kurs gen Frankfurt nehmen kann.

Ich schau’ derweil mal weiter links und rechts, lasse mir den Fahrtwind ins Gesicht wehen, bis dann eine blecherne Lautsprecherstimme ertönt:

“Wir erreichen in Kürze unsere nächste Anlegestelle: Seligenstadt!” 

Wie schön, hierher bin ich doch neulich erst mit dem Fahrrad gefahren. Nett, die Stadt einmal vom Main aus anschauen zu dürfen. Ich winke den Rentnern, die zusteigen (wir dürften mit Abstand die Jüngsten an Bord sein), bevor es weiter geht gen Frankfurt.

 

Der Weg ist das Ziel!

Wir legen wieder ab, das nunmehr bekannte Brummen des Schiffsdiesels ist wieder zu vernehmen. Michael sitzt mir gegenüber und liest ein Buch, ich beschließe, es ihm gleich zu tun. Das Kraftwerk “Staudinger” zieht auf Höhe Großkrotzenburg vorbei. Hin und wieder ein Blick über die Reling, ich entdecke Camper, Seitenarme, Wälder, kleine, namenlose Dörfer. Wie ruhig der Main doch hier ist. 

Wieder einmal verlangsamt sich die Fahrt, die nächste Schleuse naht. Es sollten auf dem Weg bis Frankfurt insgesamt fünf davon zu passieren mal, fünf mal “Rauf und Runter”, fünf mal nur noch horizontale Fortbewegung.

“Eigentlich sind wir ziemlich blöde”, sag’ ich zu Micha. “Wir fahren von Aschaffenburg bis Frankfurt mit einem Verkehrsmittel, dessen Durchschnitsgeschwindigkeit wir vermutlich locker zu Fuß übertreffen würden. Ich glaube, wären wir gewandert – wir wären schneller wieder in Frankfurt… 

“DU bist vielleicht blöde!”, sagt der Micha. Wir fahren doch nicht Schiff, um von von A nach B zu kommen. Bei einer Bootstour, da gilt: Der Weg ist das Ziel!

Recht hat er, der Michael. Mir gefällt der Gedanke, einfach mal zu reisen. Nicht weil man reisen muss, nicht weil man sich schnell fortbewegen möchte. Zu Reisen um des Reisens Willen.

Mein kreatives Oberstübchen meldet sich zu Wort, ich packe Notizbuch ein und verabschiede mich auf ein Käffchen ins Unterdeck. Ideen für ein Gedicht wollen schließlich zügig festgehalten werden!

 

 

“Endlich wieder Frankfurter Niveau!” – zurück im Heimathafen

Nachdem ich mein Werk vollendet habe, kehre ich zurück aufs Oberdeck. Wir passieren gerade die letzte Schleuse auf unserer Fahrt, die “Nautilus” befindet sich bereits auf Höhe Fechenheim. Als die letzte Schleuse passiert ist, rufen zwei Damen neben uns: “Endlich wieder Frankfodder Niveau! Auf Offenbacher Pegel hätt’ ich’s net mehr lang ausgehalte!”. “Recht haben Sie!”, rufe ich hinüber. Frankfurter sollten sich schließlich jederzeit solidarisch zeigen und offen zu erkennen geben!

Den Einlauf in den Heimathafen, den will ich freilich nicht verpassen. Ich erwarte keinen Empfang mit militärischen Ehren, aber einen für mich unbekannten Anblick meiner Stadt von der Mitte des Mains aus.

Und dieser raubt mit den Atem. 

Obwohl mittlerweile leichter Regen begonnen hat und uns eine echt steife Brise um die Näschen weht, haben wir ganz vorn auf dem Oberdeck Stellung bezogen. Erhaben nähert sich die Stadt am Horizont. Nachdem wir die Honsellbrücke unterquert haben, da fehlen mir die Worte:

Aus dieser Perspektive hab’ ich meine Stadt noch nie gesehen. Ehrfürchtig erhebt sich die Skyline vor dem Bug, Passanten winken vom Eisernen Steg herab, während ich ihn vom Schiff aus streicheln könnte.

Dies ist für mich unbestreitbar der schöne Moment unserer Schifffahrt, ach was, des Tages, wenn nicht gar der Woche.

Frankfurt, ich liebe dich. Immer wieder schön, wieder bei dir anzukommen! 

Lust bekommen?

Vielleicht konnte ich ja ein wenig Seefahrer-Stimmung in euch wecken! Es lohnt sich definitiv, auch mal mit dem Schiff von Frankfurt aus zu verreisen. Oder auch auf dem Wasserweg wieder dort anzukommen, das ist nämlich ein ganz besonders schönes Gefühl.

“Reisen um des Reisens Willen” – das macht man heute ja ohnehin viel zu selten, eine Fahrt mit dem Schiff wirkt da ganz wunderbar entschleunigend.

Natürlich muss es nicht Aschaffenburg sein, die PRIMUS-Line steuert auch zahlreiche andere Ausflugsziele an.

Eine Übersicht zu den einzelnen Routen findet ihr hier! 

 

Zum Abschluss ein Gedicht.

Ach; hatte ich nicht erwähnt, dass ich ein kleines Gedicht geschrieben habe?
Falls ihr neugierig geworden seid: Bitteschön!

 

Von Bayern bis zum Eiser’n Steg
reisen auf dem Wasserweg
“Leinen los!”, heißt es zur Mittagszeit
man schippert los, das Ziel noch weit
Macht sich’s am Oberdeck bequem
der Blick zurück aufs Schloss so schön
die Fahrfreude währt jedoch nicht lange
die Schleuse naht, mir wird ganz bange
Man fühlt das Schiff langsam absinken
Zeit, einen Kaffee zu trinkien
Bis man erreicht das Flussniveau
Nix passiert, man zeigt sich froh
Und weiß sich endlich zu verzücken
an den uferseitigen Eindrücken
ein Kirchturm da, ein Kraftwerk dort
wie hieß doch gleich da dieser Ort?
Man winkt den zahlreichen Flaneuren
und lässt sich zunehmend betören
von dieser Art, langsam zu reisen
geht kurz in sich, kann nur verweisen
Auf das Sprichwort, altbekannt
welch ein Jeder kennt in diesem Land
dank Langsamkeit sieht man so wahrlich viel
denn auf dem Schiff ist noch der Weg das Ziel

Eine Null zu viel: Von einem mißglückten Samstagabend

Es ist Samstag. Während sich der gemeine Frankfurter ab spätestens 14 Uhr mittels Weinschorle an Kleinmarkthalle oder Rauscher auf dem Wochenmarkt bereits wieder zielsicher an den Pegel vom Vorabend heran trinkt, schiebe ich Dienst.

Ich bin seit 13 Stunden unterwegs, als ich am frühen Abend endlich meine Wohnung betrete. Meine Einkäufe verstaue, ein bisschen Erwachsenen-Zeugs erledige (Rechnungen begleichen, Schriftwechsel mit der Krankenkasse- ja, auch das gehört eben dazu…), schlussendlich heilfroh im Bett lande.

An Schlaf jedoch, da ist nicht zu denken.

Die preisexklusive Wohnlage im “lebhaften und urbanen Nordend” zollt dank Friedberger Landstraße und samstäglich belegtem Matthias Beltz-Platz eben ihren Tribut. Ursprünglich, da wollte ich ja mit einer Bekannten feiern gehen. Angesichts meiner Verfassung – es ist mittlerweile kurz vor Mitternacht, ich bin seit fünf Uhr heute Morgen auf den Beinen – erscheint es mir jedoch als keine gute Idee, noch irgendwo Eintritt zu bezahlen, um wenig später auf der Tanzfläche einzuschlafen.

Ein Kumpel schreibt, er befinde sich in einer stadtbekannten Musikkneipe in Alt-Sachsenhausen. “Puh”, denk ich mir, “es ist Samstagabend, ich habe morgen frei – wann kommt das schon mal vor?” – ein Apfelwein, der ist sicher noch drin.

Ich eile ins Bad, rette, was zu retten ist. Stürme das Treppenhaus hinunter, eile zur Straßenbahnhaltestelle.

Nur noch mal kurz Kohle kaufen

Man darf ja auch mal Glück haben: Die nächste Achtzehn kommt in drei Minuten. Reicht gerade noch zum Geldholen.

Ich eile zur Sparkasse, stecke meine Karte in den Geldautomaten, wähle routiniert “anderen Betrag auswählen”. Will den für einen Samstagabend obligatorischen Fuffi abheben, tippe auf der Tastatur herum – huch, ja, eine Null zuviel, herzlichen Glückwunsch:

Ich halte einen 500-Euro-Schein in der Hand. Scheiße. Sollten die nicht eigentlich längst abgeschafft sein? Damit durch Alt-Sachsenhausen zu schlendern, das erscheint mir als keine gute Idee.

Also: Gleich herübergeeilt zum gegenüberliegenden Einzahlungsautomaten.
“Für Kunden fremder Sparkassen ist eine Bargeldeinzahlung leider nicht möglich”. Fuck, wollte ich nicht bereits vor sieben Jahren meine Hausbank wechseln?

Aber: Kein Stress, keine Panik. Ich bestaune kurz die enorme Größe des 500ers, die Pizzeria ums Eck hat noch geöffnet. “Können Sie mir eben wechseln?”, ich zücke meinen lila Schein, man zeigt mir den Vogel. “Sie spinnen wohl!”. Na, schönen Dank auch.

Also: Wieder ab nach Hause, den “Lilanen” ins Kopfkissen einnähen.
Als ich den lila Riesen in der Hand halte (der ist wirklich großformatig!), da komme ich kurz in Versuchung.

Was nun tun mit dem “Lilanen”?

Zusammenrollen, ‘ne Linie Koks draus ziehen – das hätte doch Stil!
Blöderweise habe ich aber weder Drogen noch Drogenerfahrung, und alleine zu Hause weißes Pulver ziehen, das erscheint dann selbst mir als ein wenig unangebracht. Auf der Toilette des Gibson müsste das schon sein – blöderweise habe ich allerdings weder Lust auf das dortige Bänker-Stelldichein noch Bargeld für den Eintritt. Oder akzeptieren die auch Kreditkarte? Scheiß’ drauf, Koksen ist eh nicht meins. Auch wenn es bekanntlich wach machen soll – hätte ich nötig gerade. Wo ich aber gerade unverhofft wieder zu Hause bin, tut’s aber noch ein schneller Espresso.

Die Straßenbahn ist zwischenzeitlich längst weg, ich besteige mein Fahrrad, auf ein Neues zur Sparkasse. Hebe ich dieses Mal eben ganz gewissenhaft 20 Euro ab. “Von Ihrem Konto sind derzeit leider keine Verfügungen möglich.

Scheiße, das Tageslimit von 500 Euro an Bargeld ist erreicht, ich bin mittellos. Und es ist kurz nach zwölf. Kein Geld für mich also bis Montag.

Immerhin, mein Fahrrad fährt ganz kostenlos, ich rolle hinab gen Sachsenhausen. Unterwegs rufe ich meinen Kumpel an, der wird mir doch sicher was leihen können. “Der Teilnehmer ist momentan…” – statt Kumpel in Musikkneipe meldet sich die Mailbox. Ja, leckt mich doch alle am Arsch.

Setz’ ich halt mich erstmal in die Kneipe nebenan. Drahtesel angeschlossen, trete ein, nehme Platz an der Theke. Hab’ zwar kein Geld mit, dafür aber die “Extra News”, die BILD des kleinen Mannes (und das will was heißen!), die ich aus einem Briefkasten ziehen konnte. Werde darauf angesprochen von meiner Sitznachbarin, nette Frau, mein Alter.

Es entwickelt sich ein Gespräch, schlussendlich berichtet sie mir davon, dass es neulich ziemlich übel gerochen habe in ihrer Wohnung in Oberrad. Ob es denn an den sieben Kräutern gelegen habe, frag’ ich sie im Scherz – sonst fällt mir ja nicht viel ein zum äußeren Stadtteil an der Grenze Offenbachs. “Nee”, ist ihre Antwort. “Als ich vom Urlaub kam, da musste ich feststellen, dass ich vorher vergessen hatte, abzuspülen. Und meine Pisse, die hatte nach all den Tagen echt zu stinken angefangen”.

Ich schaue verstört, too much Information. Lenke das Thema schnell auf mich, schildere den bisherigen Verlauf meines unschönen Samstagabends.

Bin dankbar, als sie mir aus Mitleid – ich habe ja WIRKLICH kein Geld dabei – einen Apfelwein spendiert. Stoße mit ihr an, lenke das Gespräch auf interessante Inhalte. Aha, aha, Quarterlife-Crisis- oder schon “Midlife”? Man weiß es nicht genau, philosophiert. Und das in Alt-Sachsenhausen. Dass ich das noch erleben darf!

Mein Kumpel meldet sich, er hat offensichtlich wieder Empfang. Ich verabschiede mich höflich von meiner neuen Bekanntschaft aus dem fernen Oberrad, eile herüber ins Musiklokal. Immer noch stocknüchtern, ein Apfelwein allein war schließlich noch nie Garant für die eine “Nacht des Lebens”:

 

Endlich im Musiklokal

Hallo auch Kumpel, ohjeh, die haben’s aber auch alle hinter sich. Schon eigenartig, hier zu sein – stocknüchtern, während der ganze Rest vermutlich bereits rauschbedingt so ‘nen “richtig geilen Abend” hat. Der schlussendlich darin besteht, zu trinken und die immergleichen Lieder mitzusingen. Mag spaßig sein, jedoch nicht nach einem kleinen Apfelwein. Verdammt, ich erahne erste Defizite angesichts meines Alkoholpegels.

Ich klage mein Leid, mein Kumpel (Du bist der Beste!) erbarmt sich, mir einen Apfelwein auszugeben. Ja denn, zum Wohl, ich beobachte. Der Rest schwankt, ich stehe. Der Rest singt, ich schweige. Nee, das ist nicht mein Abend. Hätte gleich im Bett liegen bleiben sollen.

Verabschiede mich höflich wie nüchtern, besteige den Nachtbus. Bin froh, als ich mich im Flur meines Wohnhauses befinde. Zu meiner Irritation befindet sich bereits eine ganze Horde vor dem Aufzug im Treppenhaus: Um genau zu sein eine Horde offensichtlich englischsprachiger Touristen, die den rechten Arm zum Himmel strecken, ein akzentuiertes “Heil Hitler!” brüllen.

“Oh, just kidding, German brother”, sagen sie zu mir, peinlich erwischt. Ich teile mit ihr den engen Raum des Aufzuges, Baujahr 1962 – made in good old Germany.

Bin unendlich froh, als ich meine Wohnungstür aufschließe. Meinen Laptop aufklappe, um mir meinen Frust von der Seele zu schreiben. Und morgen nüchtern zu sein – um etwas “zu haben vom Sonntag”, wie man so schön sagt in meinem Alter.

Habt auch immer was, ihr Lieben – und wenn es nur die tragische Komik ist.

Wohin schon am Dienstagabend? Zum Beispiel zur Jam-Session im “Spritzehaus”.

Montags- und Dienstagabends ausgehen in Frankfurt, das ist mitunter etwas tricky. Ab dem Mittwoch, da beginnt die Stadt sich auf das Wochenende einzustimmen oder zieht die Feierei gleich vor in die Wochenmitte.

Die ersten beiden Tage einer Woche, die bieten kein allzu buntes Ausgehprogramm. Am Montagabend bleibt da eigentlich nur die Partyreihe “What’ up Monday” des Velvet (blöde nur, wenn man nicht gerade Student ist) oder das PubQuiz im O’Dwyers Irish Pub (blöde nur, wenn man kein Ratefuchs ist).

Am Dienstagabend dann kann man zwar im “Orange Peel” allwöchentlich die Jazz/Blues/Funk – Session von Tommie Harris & Freunden genießen, aber jeden Tag Currywurst schmeckt ja irgendwann auch nicht mehr.

Neulich aber – es war einer jener Dienstage – begab es sich, dass ich wie üblich schlaftrunken zum Briefkasten wankte, um mich der Lektüre meiner Frankfurter Rundschau widmen zu können. Eine ganze Sonderseite war da Alt-Sachsenhausen gewidmet. Alt-Sachs, das sei nämlich mehr als nur Shisha-Bar und Ballermann. Wer sich davon überzeugen wolle, der solle doch gleich heute Abend mal der “Jam-Session” im Spritzehaus beiwohnen. Ich nahm den Artikel derweil wohlwollend zur Kenntnis.

Im Laufe des Tages dann meldete sich mein Freund Arne. Er habe Besuch und Langeweile, ja ob ich denn verfügbar wäre am Abend. Klar war ich das, hatte schließlich frei – und wir einigten uns auf das “Speak Easy” als Treffpunkt, schließlich sei sein Besuch ein Freund gepflegter Gitarrenmusik.

Ganz unverhofft landete ich an diesem Dienstag dann also doch in Alt-Sachsenhausen, den Artikel vom Morgen noch im Hinterkopf.

Es lag also nahe, die wenigen Meter hinüber in die alte Sachsenhäuser Feuerwache zu riskieren, um mal vorbeizuschauen bei der “Jam-Session”.

 

Und nun zur Kernaussage

Als wir die Türen öffnen und unter die Feuerwehrschlauch-behangenen Decken treten, sind wir kurz irritiert: Das Publikum scheint “ein wenig” älter, wirklich viel los ist auch noch nicht.

Aber hey, verdammt: Die Musik ist geil! 

Die drei Musiker auf der Bühne (Schlagzeug, Gitarre, Bass) machen Laune, wir beschließen zu bleiben.

Und siehe da: Kaum haben wir Platz genommen und angestoßen, da füllt sich die alte Feuerwache. Zwei Mädels gesellen sich zu uns, wir versinken im Tratsch.

Und irgendwann, da wird die Bühne freigegeben für jedermann. Ich habe bereits mehrere Besucher beobachtet, die ihre Instrumente mit ihm Gepäck haben – und nun die Bühne entern dürfen.

Hey, für ‘nen Dienstag, da ist das ziemlich gut hier. 
Und wieder mal hat es sich gelohnt, einfach mal was Neues auszuprobieren. Gibt eben auch an einem schnöden Frankfurter Dienstag mehr zu erleben, als man meinen möchte, 

Probiert es aus!

Last Exit Sossenheim: Auf der Suche nach den echten Frankfurtern

“Und, woher kommst du ursprünglich?”

Es dauert meist nicht lange, bis im Gespräch mit neuen Bekanntschaften fast unweigerlich diese Frage gestellt wird. Dass man woanders aufgewachsen ist, nur aufgrund unglücklicher Umstände (meist war’s der Beruf, seltener die Liebe), gilt unter der innerstädtischen Frankfurter Bevölkerung als fast selbstverständlich.

Im Nordend oder Bornheim einen waschechten Frankfurter kennen zu lernen, das ist ungefähr so wahrscheinlich wie ein Mittwochmorgen ohne Blechlawine auf der Friedberger Landstraße –  oder eine bezahlbare Zweizimmerwohnung an der Berger Straße zu finden.

Wie schade eigentlich! Und hey, irgendwo müssen sie sich doch verstecken, die Frankfurter Originale. Schon seit langem habe ich die Theorie entwickelt, dass sie irgendwo da draußen in den Stadtteilen weitab der ach so “hippen” Innenstadt zu finden sind.

Und, ganz ehrlich: Wer von euch war schon mal in Zeilsheim, Schwanheim, Nieder-Eschbach, Hausen? Oder gar in Sossenheim?

Man weiß um diese Stadtteile, nimmt sie wohlwollend als Bestandteil von Frankfurt zur Kenntnis. Stört sich nicht weiter an ihnen, liest ihre Namen oft als Endhaltestellen auf den Zielanzeigen diverser S-Bahn- oder Buslinien. Und gerüchteweise kann man sogar leben dort. Nur wirklich einmal mal dort gewesen: Das sind die wenigsten von uns Zugezogenen. Doch genau da, so vermutete ich, da tummeln sich all die echten Frankfurter. Ganz unter sich, in Ruhe, verschont von jeglichem Pseudo-Schick, Szene-Gehabe und Mietpreis-Wucher.

Das wollte ich ändern. Wollte das “andere Frankfurt” erkunden, sie endlich finden, die wahren Frankfurter. Wollte Rucksack und Freund Michael packen, mich einfach mal auf den Weg machen und treiben lassen.

 

Wieso also nicht mal nach Sossenheim?

Sossenheim also. Bekannt war mir der Stadtteil bislang vor von der Frankfurter Band “Die Quietschboys”, die ihrem Heimat-Stadtteil eine gleichnamige Hymne widmeten: “Sossenheim – hier leb’ ich gern, da kauf ich ein!”

Weit weniger lebensfroh dagegen muten die bissigen Karikaturen an, die der Künstler Chlodwig Poth unter dem Namen “Last Exit Sossenheim” veröffentlichte.

Gibt man “Sossenheim” bei Google ein, ahnt man schnell, woher der zweifelhafte Ruf des Stadtteils kommt. Wohntürme, mit teuren Autos und Goldkette posenden Gangster-Rapper. ProSieben nutzte Sossenheim einst als Schauplatz einer Reportage über das “Frankfurter Ghetto”.

Gewalt, Drogenhandel, Straßengangs also – muss ich nun Angst um körperliche Unversehrtheit und Wertsachen haben? Meine Neugierde jedenfalls, die ist geweckt. Und selbst wenn: Auch das ist eben Frankfurt. Und auch diese – vielleicht düstere Seite – der Stadt, die möchte ich kennen lernen. Immerhin nennen über 16.000 Frankfurter den Stadtteil ihr Zuhause.

 

Eine Busfahrt, die ist lustig…

Es ist Ostermontag und ziemlich kalt, als ich mich mit meinem Freund Micha an der Konsti treffe. Während ich mich in den Gefilden der zentralen Staddteile äußerst zielsicher mit den öffentlichen Verkehrsmitteln bewege, erfordert die Fahrt nach Sossenheim dann doch einen kurzen Blick in die Verbindungsauskunft. Erstmal mit der S-Bahn nach Rödelheim. Jawollja, auch das habe ich schon mal gehört, klingt machbar. Vor Ort wird’s dann ein wenig komplizierter: Einen Bus der Linie 55 gilt es zu finden.

So so, es gibt also noch Busse fernab der Linien 30, 32 und 36: gut zu wissen! Endlich bekomm’ ich hier mal was geboten für das viele Geld, das ich Monat für Monat für mein RMV-Ticket bleche. 

Wir fahren nochmals zwanzig Minuten durch bislang unbekannte Gefilde der Stadt. Kaum zu glauben: Wir befinden uns in unserer Heimatstadt, dennoch erscheint jede Straßenecke hinter der Fensterscheibe wie eine gänzlich neue Welt. “Nächster Halt: Sossenheim Kirchberg”, so ertönt die wohl vertraute VGF-Computerstimme. Wir sind dann wohl da. Da,wo die Frankfurter wohnen, da, wo Frankfurt noch Frankfurt sein muss.

 

Fachwerk! Kirchen! Dorfidylle!

Der Kirchberg, so analysieren wir messerscharf, heißt Kirchberg, weil auf ihm neben einer – leider geschlossenen – Stadtbibliothek eine Kirche thront. Und die ist schmuck anzuschauen, mindestens genauso wie die schnuckeligen Fachwerk-Häuser auf der gegenüberliegenden Straßenseite.

Keine Filialen einschlägiger  Aufback-Ketten weit und breit, stattdessen Bäckereien. Wir sind entzückt. Hübsch haben sie es hier, die echten Frankfurter! Nur, von denen, da ist leider noch niemand zu sehen. Wir schlendern ein wenig durch die Straßenzüge, entdecken hier und da Menschen ihre Autos putzen oder Wäsche auf den Balkonen der Zweifamilienhäuser aufhängen.

Alles in allem: Ein schöner, dörflicher, gutbürgerlicher Eindruck, der sich uns hier präsentiert. Und das hier soll sozialer Brennpunkt sein? Können wir kaum glauben. Kaum zu glauben auch, dass wir uns immer noch in Frankfurt befinden. Wie unterschiedlich diese Stadt doch immer wieder sein kann! 

 

Am Sulzbach, wo der Reiher reihert

Micha und ich, wir streunen weiter vollkommen planlos durch Sossenheim. Einen echten Ortskern, den entdecken wir nicht. Dafür aber einige Gasthäuser, und ja, sogar Fremdenzimmer werden hier auf Schildern offeriert! Warum nicht mal übers Wochenende nach Sossenheim?

Wir erreichen einen Spielplatz, ja, hier soll es wohl auch den Kleinen gut gehen. Hinter dem Spielplatz wird es überraschend grün, es muss der Sulzbach sein, der sich hier am Wegesrand durch die Wiesen schlängelt. Wir beschließen, dem Weg zu folgen, genießen die Natur. Auch einem Reiher scheint es hier zu gefallen, er stolziert durch den Bach, schaut einer Entenfamilie beim Schwimmen zu. Er nimmt reißaus, als zwei Hunde angetobt werden.

 

Auch wir schauen uns besser mal um, und tatsächlich: Die beiden Hunde gehören zu zwei Frauen, die ihre Vierbeiner mittels Ballwurf bespaßen.

Das müssen sie sein, die echte Frankfurter! 

Ich packe die Gelegenheit beim Schopf, frage, ob die beiden Hunde-Besitzerinnen denn in Sossenheim lebten. Als sie bejahen, könnte ich jubeln: Wir haben sie endlich gefunden, die Alteingesessenen! Ich frage, wie es sich so lebe, hier im Sossenheim. Man sei zufrieden, erzählen die beiden – es sei schön hier, nicht weit ins Grüne, ruhig. Ich komme auf die Gerüchte über einen sozialen Brennpunkt zu sprechen. “Nun ja”, bekomme ich zu höre, “bei den Hochhäusern ist’s sicherlich nicht ganz so schön. Aber davon bekommen wir nichts mit”.

Ich muss dann einfach doch sicherheitshalber noch danach fragen, ob die beiden denn schon immer hier leben. Und prompt folgt die Ernüchterung:

“Nein, wir sind hier auch nur Zugezogen!”. Ich lasse die Schultern hängen, wünsche den beiden einen schönen Tag. Verdammt noch mal, wo sind sie nur zu finden, die Originale?

 

Ein Café wie aus Omas Zeiten

Wir sind schon eine Weile unterwegs, die Beine schreien nach einer Pause. Wir laufen zurück gen Kirchberg, halten Ausschau nach Einkehr. Und schnell, da werden wir fündig:

“Café Kitzel” lesen wir an einem Häuschen an der Hauptstraße, jetzt ein Kaffee wäre fein. Wir treten ein – und fühlen uns um mindestens 4 Jahrzehnte in die Vergangenheit zurückversetzt.

Die Wände voller Bilder, eine Standuhr, klassische Kaffeehausmöbel. Verschiedenste Kuchenstücke in der Auslage, genau so muss es ausgehen haben, als Oma noch ein junges Ding war. Das Café Kitzel ist gut besucht, wir nehmen Platz neben einem Herren nebst Begleitung.

Wie schön und gemütlich hier. Auch ohne Blick in die Karte bin ich mir ganz sicher, dass man hier vermutlich nicht einmal weiß, wie “Latte Machhiato” überhaupt geschrieben wird. Auch nach Sojamilch brauche ich vermutlich gar nicht erst zu fragen. Gut so!

Ich bestelle also ein Kännchen grundsoliden Filterkaffee, Micha tut es mir gleich und nimmt noch ein Stück des duftenden Apfelstreusel mit dazu.

Hier lässt es sich gut Seelebaumeln:
Rentnerpaare statt bunte Sneaker, Goldrand-Tassen statt Milchschaum. Früher, da war eben doch nicht alles schlechter. 

Ich entschuldige die Störung, frage den netten Herren neben uns, ob er denn öfters hier sei. “Leider viel zu selten”, sagt er. Aber er sei in Sossenheim geboren und schon immer gern hierher gegangen.

Ich könnte jubeln. Wir haben ein Original gefunden, einen waschechten Frankfurter entdeckt. In Sossenheim, inmitten eines herrlich antiken Cafés. Wusste ich’s doch gleich! Mission completed, ich bin glücklich. Der Kaffee tut sein Übriges.

Wir bleiben, bis das Café schließt. Fragen auch die liebe Dame von Bedienung, ob sie denn von hier sei. Na klar, noch ein Volltreffer. Wir bezahlen, kommen ins Gespräch, geben uns als Touristen aus der Innenstadt zu erkennen.

“Wie schön, dass ihr euch hier wohlfühlt”, sagt sie. Es gebe ja sonst kaum noch Cafés, die Tag für Tag frisch ihre Torten und Kuchen backen. Und der Preis, der spreche doch auch für sich. Einen Besuch im Café Kitzel, den solle sich schließlich jeder leisten können. Wie recht sie doch hat, die nette Frau.

Wir wünschen einen schönen Feierabend, ziehen weiter.

 

Von kleinen, gelben und von hohen, grauen Häusern

Unsere Zeitreise scheint noch nicht zu Ende zu sein. An einer Straßenkreuzung stoßen wir erneut auf ein Relikt aus vergangenen Zeiten: Frankfurts vermutlich letzter Münzfernsprecher in einem gelben Telefonhäuschen. Wann hab’ ich das zuletzt gesehen?

 

Auch Micha ist begeistert, kramt ein paar Münzen hervor. Noch einmal aus einem gelben Telefonhäuschen die Eltern anrufen, das will er sich nicht nehmen lassen.

Etwas später, der Himmel zieht langsam zu, ist’s dann aber schnell vorbei mit Retro-Charme und Dorfidylle: Es gibt sie nämlich doch, die hässlichen Wohnhochhäuser, die in ihrer grauen Gesamtheit eine bedrohliche Kulisse bilden.

Einen kleinen Streifzug durch die als “sozialer Brennpunkt” verschrienen Straßenzüge lassen wir uns dennoch nicht nehmen. Kinder spielen auf einem Fußballplatz, ein paar Jugendliche lungern vor den Häusern herum. Nein, hier möchte ich nicht leben. Es muss traurig sein, hier jeden Morgen aufzuwachen und allabendlich wieder zurückzukehren in diese hohen Säulen aus Waschbeton. Wie glücklich ich mich doch über meine Dreizimmerwohnung im Nordend schätzen darf.

Es beginnt zu regnen, wir retten uns in den Bus zurück gen Innenstadt. Sagen Sossenheim auf Wiedersehen, vielleicht schauen wir ja mal wieder vorbei.

 

Auch das ist eben Frankfurt

Wieder einmal hat mich diese Stadt mit ihrer Vielseitigkeit überrascht. Es tut gut, die eigene innerstädtische Komfort-Zone zu verlassen und anzuschauen, wie und wo andere Frankfurter so leben.

Vermutlich lebt ein Großteil der alteingesessenen Frankfurter tatsächlich in den umliegenden Stadtteilen, die ich selbst bislang viel zu selten besucht habe. Vielleicht, weil sie schon immer dort leben. Vielleicht aber auch, weil sie sich die Mietpreise der innerstädtischen Viertel nicht mehr leisten können.

So oder so, ich finde es ein wenig schade. Ein paar mehr Alteingesessene wären ganz sicher eine Bereicherung für das zentrale Frankfurt, sie hätten sicher viel zu erzählen.

Über Frankfurt, wie es früher einmal war. Früher, als man Anrufe noch aus gelben Häuschen getätigt und ein Kännchen Filterkaffee statt Latte Macchiato bestellt hat. Auch die ärmeren Frankfurter hätten sicher spannende Lebensgeschichten zu erzählen – wie schade, dass sie “irgendwo da draußen” in den hässlichen, hohen Wohntürmen weitgehend unter sich sein dürften. Frankfurt, das ist jedenfalls weit mehr als Sachsenhausen, Nordend, Bornheim und all denjenigen Vierteln, die bei Zugezogenen ganz hoch im Kurs sind. 

Ich jedenfalls habe mir vorgenommen, meinen ganz persönlichen Horizont in Zukunft noch viel öfter in Richtung der weniger populären Stadtteile zu erweitern. Wer weiß schon, welch Überraschungen Ginnheim, Heddernheim & Co für mich parat haben ?
Bleibt neugierig, Freunde.