Und irgendwie dann doch vermisst…

Und irgendwie dann doch vermisst…S-Bahnen rollen wieder durch die Stammstrecke


Und irgendwie dann doch vermisst…

S-Bahnen rollen wieder durch die Stammstrecke

sbahn

Die meisten Dinge im Leben lernt man ja erst zu schätzen, sobald man sie verloren hat. Nun haben die Frankfurter ihre S-Bahn zwar nur zwischenzeitlich verloren:

Zwecks Sanierung des 1978 eröffneten Stammstreckentunnels der S-Bahn zwischen Hauptbahnhof und Lokalbahnhof bzw. Mühlberg war für den Zeitraum der hessischen Sommerferien der innerstädtische S-Bahn-Betrieb sechs stolze Wochen lang eingestellt.

Schlau von der Bahn: Weil eh schon mal Ruhe war im Tunnel, nutze man die Zeit gleich dazu, Vorbereitungsarbeiten für den Anschluß eines elektronischen Stellwerkes zu tätigen, welches 2018 in Betrieb genommen werden soll.

Diese sind nun pünktlich (an der Deutschen Bahn könnte sich die VGF einmal ein Beispiel nehmen!) abgeschlossen; seit 25.August rumpeln die S-Bahnen wieder unter der Innenstadt hindurch.


S-Bahn-Bashing hat Tradition

Nun ist es ja so, dass sich der durchschnittliche Frankfurter mindestens genauso gern und regelmäßig über „seine“ S-Bahn aufregt wie über das überlaufene Museumsuferfest, wuchernde Mietpreise und den überaus teuren, dafür umso schlechteren Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt:

Meist hoffnungslos überfüllt sei sie, die Stationen verdreckt, innen ist’s wahlweise zu heiß (Sommer) oder zu kalt (Winter), unfähiges Personal – und ohnehin ständig zu spät: Geschimpft und verbal eingedroschen wird wahrlich viel.

Und ich gebe unumwunden zu:

Auch bin war regelmäßig schwer genervt von Zugausfällen, den harten Sitzen (sofern ich mal einen ergattern konnte) und dem endlosen, nervigen Dauer-Gequatsche des Fahrgastinformationsystems der neuen S-Bahn-Triebzüge der Baureihe ET430.

Sechs Wochen ohne S-Bahn: Das klang für mich zunächst durchaus aushaltbar und fast wie Urlaub.

Diese sind nun vorbei, und ich gelobe feierlich: Ich werde mich künftig tunlichst zurückhalten beim Meckern!

Nach anderthalb Monaten des Ausweichen-Müssens auf Straßen- und U-Bahn musste ich nämlich feststellen: Nein, es ist nicht alles schlecht bei dir, liebe S-Bahn. Und ja, ich bin gar unendlich froh darüber und erleichtert, dass du wieder fährst, pardon: verkehrst.


Was also ist passiert?

Angenehmer temperiert

Ich habe festgestellt, dass der Wohlfühl-Faktor in U-Bahnen gänzlich OHNE Klimaanlage dann doch maßgeblich geringfügiger ausfällt als in S-Bahnen mit immerhin schlecht eingestellter Klimaanlage.

Weitere Erkenntnisse:

Ausfälle

Auch Straßenbahnen fallen genauso gerne mal ersatzlos aus wie die S-Bahn. Letztere informiert die ungeduldig Wartenden aber immerhin, statt sie unwissend, ratlos und frierend am Bahnsteig zurückzulassen.

Der Kampf mit dem Fahrrad

Ich hätte fast vergessen, welch Qual es bedeutet, mit dem Drahtesel Straßenbahnen oder U-Bahnen älteren Typs zu besteigen. Die Einzige für das Abstellen von Fahrrädern vorgesehene Fläche ist meist von Kinderwägen oder Herumstehenden besetzt. Aber ohnehin, ein Durchkommen zu dieser Fläche ist ja sowieso aufgrund der zahlreichen Mitreisenden unmöglich. Stattdessen verhakt man sich permanent mit dem Lenker in den Haltestangen und blockiert unfreiwillig die Türen. Mit diesem Verhalten provoziert man dann für gewöhnlich bürgerkriegsähnliche Zustände während der Aus- und Zustiege.

Nun bin ich froh, wieder jede Menge Platz für mich und mein geliebtes Fahrrad zu haben. Auch muss ich andere Fahrradbesitzer nicht mehr als Konkurrenten fürchten, weil ausreichend Stellfläche vorhanden ist. Zu der dann auch ein Durchkommen meist möglich ist.

Die S-Bahn ist einfach praktisch

Der Sinn und Zweck einer Stadtschnellbahn, kurz: S-Bahn, ist es für gewöhnlich, Stadt und Umland umsteigefrei und hochfrequent zu verbinden. Innerstädtisch sind die Linien (in Frankfurt mit Ausnahme der S7), in einer Stammstrecken gebündelt. Dies ermöglicht eine noch höhere Taktung sowie eine Vielzahl an Fahrtmöglichkeiten in das Umland.

Ein ziemlich geniales Konzept, eigentlich! Leider betrachtet man dessen Vorzüge schnell als selbstverständlich – ja, bis die S-Bahn dann mal Pause macht und man anstelle von der S-Bahn nun uumso genervter über ständiges Umsteigen, Umwege und Fahrzeitverlängerungen ist.

Mein Fazit

Ich gelobe feierlich, dich künftig mehr zu schätzen, liebe S-Bahn. Es ist doch nicht alles schlecht an dir, zumindest ist’s woanders schlechter oder auch nicht besser. Und wenn ich das nächste Mal einmal wieder kurz vor einem Tobsuchtsanfall stehe, weil du mich ärgerst, dann werde ich mich einfach an die zurückliegenden sechs Wochen erinnern.

Und mich schnell wieder daran erinnern, wie schön es ist, dass es dich gibt.

DANKE, DASS DU WIEDER FÄHRST!

By MatzeFFM on August 26, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.

Eine Radtour, die ist lustig… Unterwegs im Grüngürtel

 

Wozu in die Ferne schweifen, wenn das Schöne ist so nah?”— so sprichwörtlich wie wahr.

Vor allem, wenn man in einer Stadt leben darf, welche von einem Grüngürtel umschlossen wird, der seinem Namen alle Ehre macht!

Auf knapp siebzig Kilometern Länge führt er einmal rund um Frankfurt, durch Berge, Felder, Wald & Wiesen. Und unterwegs gibts neben allerlei Idylle auch ansonsten einiges zu sehen. Das ideale Programm also für eine sonntägliche Erkundungstour mit dem Fahrrad.

In der Stadt unterwegs ist der gemeine Frankfurter ohnehin oft genug — und ein bisschen Bewegung schadet ohnehin auch ihm nicht. Schließlich will bis zum Sommer die Strand-Figur erreicht sein — und auch mir soll ja bitteschön niemand vorwerfen, ich würde in meiner Freizeit ausschließlich in Cafés und Bars herumhängen und bei Zeitung und Wacker-Kaffee die Zeit vertrödeln. Oder gar belanglose Artikel für “hallofrankfurt” schreiben.

Spielt auch ihr mit dem Gedanken, einmal den Grüngürtel zu erkunden? Oder seid nun neugierig geworden, weil ihr bislang dachtet, Frankfurt bestünde ausschließlich aus Zeil, Nordend und Bornheim? Anbei ein kleiner Bericht über mein außerstädtisches Abenteuer — verbunden mit Tipps, Eindrücken und Bildern.

Die Vorbereitung

So ungeduldig und gespannt ich auch war — ein wenig Vorbereitung wollte wohl sein. Für diese empfahl sich mir nach kurzer Online-Recherche die “Grüngürtel-Freizeitkarte” der Stadt Frankfurt, welche kostenfrei HIER bezogen werden kann. Und wo gibt’s schließlich noch was geschenkt?

Die Karte, welche gefühlte 20 Quadratmeter misst und sich somit auch hervorragend als Abdeckplane eignet, kam dann tatsächlich auch nach wenigen Tagen portofrei per Post zu mir. Verzeichnet in ihr sind außer der Radfahrroute auch noch die Wanderwege ringsum der Stadt sowie die einschlägigen Sehenswürdigkeiten an und fernab des Grüngürtels.

Zwischenzeitlich musste ich allerdings feststellen, dass ich mir die Karten-Bestellung auch hätte sparen können. Hey, wir schreiben das Jahr 2016 — und gedruckte Karten sind sowas von 1974!

In der Fitness-App “RunTastic”, erhältlich für iOs und Android, ist nämlich bereits die Route des Grüngürtels hinterlegt, welche bequem exportiert und mitsamt praktischer GPS-Ortung genutzt werden kann.

Die gesamte Distanz des Gürtels von 70 Kilometern wollte ich dann auch nicht an gleich nur einem Tag zurücklegen. Befinde mich schließlich nicht in der Vorbereitung für die nächste Tour de France, und ein wenig Zeit für gemütliche Pausen und ein wenig Umschauen zwischendurch wollte wohl sein. In Ermangelung radfahrwilliger Freunde beschloss ich weiterhin, mich alleine auf den Weg zu machen — und dies kann ich nur empfehlen! So bleibt die Zeit, auch ganz gemütlich und spontan einmal vom Rad zu steigen und sich an den Stopps unterwegs ein wenig umzuschauen.

Schlussendlich habe ich den Gürtel dann in drei etwa gleich lange, einzelne Touren “gesplittet”. Dies erwies sich als gute Entscheidung: Mit jeweils knapp über 20 Kilometern Streckenlänge ist auch der Freizeit-Radler nicht überfordert, und es muss nicht gleich ein ganzer freier Tag für die Rundfahrt geopfert werden.

Erster Abschnitt: Vom Heiligenstock aus bis zur Altstadt Höchst

Den “Heiligenstock” kann man bequem von der Innenstadt heraus mit der Straßenbahnlinie 18 oder dem Bus erreichen. Kaum zu glauben, wie grün die Umgebung schon wenige hundert Meter hinter der Friedberger Warte wird. Das Fahrrad aus dem Bus gewuchtet, ging es dann auch direkt los. Noch ein letzter Blick auf die Route im Smartphone, und schon konnte ich durch die Felder rollen. Schnell stellte ich fest, dass der Grüngürtel wirklich gut beschildert ist — gefühlt alle zehn Meter weist der “Grüngürtel-Pfeil” den Weg, und im Grunde genommen hätte ich nicht einmal die im Smartphone hinterlegte Route benötigt.

Nach einigen Kilometern, in denen ich Fahrtwind und Wiesenduft genießen durfte, dann ein mittelalterliches Dorf: Moment mal, das ist doch Berkersheim! Und das gehört wirklich noch zu Frankfurt? Wahnsinn.

Berkersheim ist schnell durchquert, und der Radweg schlängelt sich an Niddaufer entlang Richtung Westen. Bald ist die erste Station erreicht, welche sich für eine kurze Verschnaufpause geradezu aufdrängt:

Der alte Flugplatz Bonames. Auf der ehemaligen Landebahn des alten Militärflughafens lassen sich einige Runden drehen, und im “Tower-Café” nebenan gibt’s lecker Kaffee & Kuchen. Oder auch ‘ne kalte Cola.

Die Landebahn des alten Flugplatz Bonames.Nebenan befindet sich das “Tower-Café”.

Erfrischt und beschwingt geht’s weiter der Nidda entlang, vorbei an Praunheim (wieder solch ein kleines, süßes Dorf, welches man sich nur schwerlich als Stadtteil einer Großstadt vorstellen kann) und durch den niemals enden wollenden Brentano-Park, in dem ich aufpassen muss, nicht grillende Großfamilien, Frisbee spielende Kinder und Boule-spielende Herrschaften mit dem Fahrrad umzusensen. In Rödelheim dann muss ich schließlich eher auf mich selbst aufpassen: Die alten Brücken, die hier unterquert werden, sind teils gerade einmal 1,65 m hoch. Da gilt es auf dem Fahrrad rechtzeitig den Kopf einzuziehen!

Wieder trifft Radweg auf die Nidda, nächstes Highlight: Der Niddastrand, eine Strandbar inmitten der Niddaauen. Schreit direkt nach der nächsten Pause!

Unterwegs am Niddaufer. Nett hier!

Der letzte Teil meiner ersten Etappe führt dann weiter an der Nidda entlang bis hin zur Altstadt Höchst, wo die Nidda in den Main mündet. Den Abschluss meiner ersten Grüngürtel-Tour begieße ich dann an der Alten Schiffsmeldestelle — eine Oase mit Standkörben, Sonnenliegen und Reggaemusik. Lässt sich wirklich aushalten hier!

Erschöpft rette ich mich bis zum Bahnhof Höchst, wo ich mein Fahrrad in die S-Bahn verfrachte. Natürlich nicht ohne vorher noch eine Runde durch die wunderschöne Altstadt Höchst zu drehen und mir das alte Schloss anzuschauen! Wie überrascht ich doch immer wieder von Frankfurts Schönheit bin. Und auf die zweite Etappe freue ich mich schon jetzt!

Zweiter Abschnitt: Vom Heiligenstock aus bis zur Oberschweinstiege

Für meine zweite Etappe wähle ich den selben Ausgangspunkt wie bei meiner ersten Runde: Den Heiligenstock oberhalb der Friedberger Warte. Nur starte ich diesmal gen Osten statt gen Westen. Bereits die ersten Meter haben es in sich, und als ich den Lohrberg erreiche, weiß ich wohl, warum sich dieser LohrBERG schimpft. Die schmerzenden Waden ist mir der Ausblick auf die Skyline im Tal dann aber allemal wert!

Wer mag, kann sich im “MainÄppelhaus” im Lohrpark noch einen frischen Apfelwein munden lassen, da ich meine Tour aber gerade erst begonnen habe, begnüge ich mich vorerst mit einem großen Schluck aus meiner Wasserflasche.

Nun geht’s steil bergab durch das Enkheimer Ried. Weite Feldlandschaften, Äcker, Familien nutzen den Sonntag zum gemeinschaftlichen Erdbeerpflücken. Links und rechts des Weges präsentieren sich große Weiher, in denen ich sogar Reiher und Schildkröten (!) entdecken kann. Ich erreiche Fechenheim (wusste gar nicht, wie idyllisch Alt-Fechenheim doch ist!) und zögere kurz, als mich der Grüngürtel-Pfeil dazu auffordert, die Main-Seite zu wechseln. Natürlich weiß ich, was das bedeutet: Ich wechsle über auf Offenbacher Terrain. Nun ja, sieht mich ja zum Glück niemand.

Das Offenbacher Mainufer weiß mich dann aber ebenso zu beglücken, ich mache Rast in einem zum Café umgebauten alten Eisenbahnwagen auf dem Gelände der ehemaligen Hafenbahn und quatsche ein wenig mit dem netten Betreiber sowie anderen Ausflüglern. Nochmals: In einem alten Waggon. Crazy Shit!

Weiter geht’s an der Gerbermühle vorbei, und wieder einmal lässt die folgende Steigung meine Waden schmerzen. Ich erreiche mit letzter Kraft den Stadtwald und bald darauf den legendären Goetheturm. Diesen zu erklimmen, kann ich jedem nur empfehlen! Die Aussicht vom alten Holzturm herab auf die Stadt macht mich sprachlos.

Wieder festen Boden und Pedale unter den Füßen, presche ich weiter durch den angenehm kühlen Stadtwald bis zum Ziel meiner heutigen Etappe: Der Oberschweinstiege. Dort kann sich im gleichnamigen Wirtshaus belohnt und erfrischt werden, bevor die Straßenbahn — welche praktischer weise nebenan und groteskerweise mitten im Wald hält — bestiegen werden kann. Und — zack! — nur wenige Minuten später befindet man sich wieder in der geschäftigen Innenstadt. Wahnsinn!

Dritter Abschnitt: Von der Oberschweinstiege bis zur Höchster Altstadt

Ich trete die dritte (und somit leider letzte!) Etappe meiner Gründgürtel-Radrundreise an. Die Anreise zur Oberschweinstiege erfolgt wieder mit der Straßenbahn. Direkt zu Beginn umrunde ich den Jakobiweiher, ein idyllischer Flecken Natur mitten im Stadtwald.

Auf meinem Weg durch den weitläufigen Stadtwald mit seinem Labyrinth-artigen Wegenetz entdecke ich Quellen, alte Brunnen und Denkmäler.

Irgendwann — der Weg durch den Wald kommt mir wirklich endlos vor! — erreiche ich Schwanheim. Nach kleiner Ortsrundfahrt wieder einmal die Feststellung: “Wow! Und das ist wirklich auch noch Frankfurt?”.

Ich fühle mich fernab jedes Großstadt-Trubels und genieße den Blick auf blühende Felder und den Landduft in meiner Nase, welchen ich fast vergessen glaubte. Zumindest, bis der Radweg den Industriepark kreuzt — uuuh, eher weniger idyllisch hier.

Die letzten Kilometer rolle ich dann außer Atem hinab gen Main. Und dort wartet bereits das schwimmende Highlight auf mich, welches ich mir als “ultimativen Abschluss” meiner Tour aufgespart hatte:

Die Mainfähre Höchst!

Diese bietet für einen doch eher symbolischen Obolus in Höhe von einem Euro dann die Überfahrt des Mains an. Während der Schiffsdiesel vor sich hinbrummelt, lasse ich vom Wasser aus meinen Blick auf die Altstadt Höchst schweifen.

Nachdem die Fähre das andere Ufer erreicht hat, lasse ich mich nach einigen wenigen Metern abermals in einen der Liegestühle der “Alten Schiffsmeldestelle” fallen.

Ich bin glücklich, sämtliche der siebzig Kilometer geschafft zu haben — und möchte keinen einzigen davon versäumt haben!

Rauf aufs Rad

Ich kann einen Ausflug durch den Grüngürtel jedem nur wärmstens empfehlen! Ich bin froh, in einer Stadt zu leben, in der ich in eine Tram einsteigen kann, welche mich nach nur einigen Minuten “mitten im Grünen” ausspuckt.

Verfahren kann man sich dank hervorragender Beschilderung so gut wie gar nicht. Und obendrein: Wann gelangt der gemeine Innenstädtler schließlich sonst einmal in die umliegenden, so schnuckeligen wie dörflichen äußeren Stadtteile?

Euch eine allzeit gute Fahrt und viel Freude beim Erkunden des Grüngürtels!

P.S.: Nur wenige Tage, nachdem ich die letzte Etappe absolviert hatte, wurde mein geliebtes Fahrrad dann aus dem Innenhof meines Wohnhauses im Nordend gestohlen. Das ist dann wohl die weniger schöne Seite unserer Stadt…

By MatzeFFM on June 16, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.

Frankfurt vs. Berlin

„Frankfurt ist das neue Berlin“ –  dies verheißt der Schriftzug auf diversen Aufklebern, die man überall in der Stadt entdecken kann. Und auf Turnbeuteln und T-Shirts prangt gar ein fettes „BERLIN KANN JEDER — FRANKFURT IST KUNST!“. Selbstbewusstsein haben wir ja, wir Frankfurter. Doch ist unsere Mainmetropole der Hauptstadt tatsächlich ganz und gar überlegen? Ich war malwar zu Besuch in Berlin und wagt einen Direktvergleich mit Augenzwinkern…

Ich lebe wirklich gern in Frankfurt, aber auch mich packt hin und wieder das Fernweh. Einfach mal ein paar Tage weg, Main und Skyline den Rücken kehren. Mal was anderes sehen, treiben lassen, durchatmen. Freunde besuchen. Zum Beispiel in Berlin — Hauptstadt der Republik, der unerfüllten Sehnsucht, aller Trends sowieso. Und praktischerweise in gerade einmal knapp über 4 Stunden bequem mit dem ICE aus von Frankfurt erreichbar. So machte ich mich jüngst für ein paar Tage auf an die Spree — mit dem festen Vorsatz, herauszufinden, ob Frankfurt nun wirklich das „neue Berlin“ ist. Oder ob in Berlin tatsächlich alles fescher, schneller, trendiger ist. Zu welchen Schlüssen ich in meinem Direktvergleich wohl gekommen bin?

Hier ist er, mein ultimativer Städte-Vergleich: 
Ring frei für “Frankfurt vs. Berlin”! 

 

Cafés

Erste Mission:
Ganz klar, erstmal `n schickes Café finden und einen Blick in die Zeitung werfen. An Cafés herrscht sowohl in Frankfurt als auch in Berlin kein Mangel  – am Kaffeedurst dürfte jedenfalls in beiden Städten noch niemand gestorben sein.

Allerdings sind diese in Berlin von außen viel schwieriger als Kaffeehaus zu identifizieren. Große Namenszüge an der Fassade sucht man ebenso vergeblich wie die Frankfurter Rundschau. Oftmals hilft nur ein Blick hinter die Scheibe, um feststellen zu können, ob man es mit einer leerstehenden Ladenfläche oder einem Café zu tun hat. Gelegentlich vereinfachen zahlreiche helle Apple-Logos auf Rückseiten von aufgeklappten Macbooks allerdings das Auffinden.

Innendrin dann aber: Ganz, ganz viel Charme! Auch wenn die Inneneinrichtung gern mal vom Sperrmüll stammt oder bei der letzten Haushaltsauflösung abgegriffen wurde, so bin ich begeistert vom schnuckeligen, minimalistischen Flair der Berliner Café-Welt. So leid es mir tut: 1:0 für die Hauptstadt!

 

Rowdytum vs. Ampeltreue

Interessante Feststellung: Als Frankfurter bin ich es gewöhnt, Ampeln allenfalls als dekoratives Schmuckelement einer jeden Kreuzung zu betrachten. So wie alle anderen hier eben auch. Ein Blick auf die Straße, kommt kein Auto: Laufen! Ob da jetzt gerade grün oder rot ist, auch wurscht. Eine Art großstädtisches Rebellentum vielleicht. Das mag man hier gewöhnt sein, in Berlin ist man es offensichtlich nicht.

Beim Versuch einer Straßenüberquerung wurde ich von einer ganzen Horde Wartenden rüde zurechtgepfiffen („Is‘ noch rot!“), als ich es wagte, eine rote Ampel überqueren zu wollen, obwohl weit und breit kein Auto in Sicht war.

Meine Sinne geschärft für dieses Phänomen, machte ich diese Beobachtung fortan ständig: Ob Hipster, Geschäftsmann oder Obdachloser: Wenn rot ist, dann is` rot und man wartet geduldig im Kollektiv, bis eben grün ist. Abweichler werden nicht geduldet. Mag vielleicht daran liegen, dass die Ampelmännchen in Berlin auch viel niedlicher sind. Verdammter Mist aber auch: Schon wieder ein Punkt für die Hauptstadt!

 

Wochenmarkt Konsti vs. Wochenmarkt Neukölln

 

 

 

 

 

 

 

Kleiner Abstecher nach Neukölln. Ist ja schwer am kommen, munkelt man. Direkt am Hermannplatz (quasi das Zentrum von Neukölln) findet — analog zu unserer Konsti als Zentrum unserer Stadt — dann auch ein Wochenmarkt statt.

Oder zumindest das, was man hier so „Wochenmarkt“ schimpft. Ein paar Stände mit Obst und Gemüse, die obligatorische Bratwurstbude daneben — fertig ist der urbane Bauern-Basar.

Ein Weinstand, an dem die gesamte Stadt zusammenfindet und den Feierabend zelebriert? Ein gigantischer Stand mit endlosen Warteschlangen von Frankfurtern, die auf ihren heißersehnten Schluck frischen „Rauscher“ warten? Ein gigantisches Angebot von Obst und Gemüse, von dem der Durchschnittsdeutsche bis dato noch nie gehört hat? Fehlanzeige, gähn. Grabredenstimmung in Neukölln. Das kann Frankfurt besser!

 

Kleinmarkthalle vs. Markthalle Neun

 

Wir bleiben kulinarisch: Wofür man unsere Kleinmarkthalle so lieben kann, brauche ich euch nicht zu erklären. Und auch über ihre Vorzüge wurde wohl schon alles geschrieben.

Umso neugieriger wurde ich, als ich erfahren habe, dass es in Berlin ein Pendant gibt: Die „Markthalle 9“, eröffnet in einer ehemaligen Eisenbahnwerkstätte in Kreuzberg. Also: Nix wie hin!

Als ich die große Flügeltüre in die Halle hinein öffne, bin ich zunächst begeistert. Ja, die großen Stahlbögen und die Dachkonstruktion machen schon was her und allemals mehr Eindruck als das baufällige Gerippe unserer Kleinmarkthalle. Nachdem ich die wunderschöne Halle ausgiebig bestaunt habe, schaue ich mich ein wenig um. Es folgt Ernüchterung.

Es ist mittags um 12, und ich bin gefühlt der einzige Besucher — während ich in Frankfurt vermutlich bereits eine Stunde Wartezeit in der Schlange vor der Metzgerei Schreiber verbringen dürfte. Es herrscht allgemeine Tristesse. Ferner stehen überall die obligatorischen Food-Trucks (was haben die bitte hier zu suchen?!) herum, welche immerhin lustige Bezeichnungen tragen: Dass die „Tofu-Tussies“ hier Fleischersatz aus Soja kredenzen, bringt mich immerhin zum Schmunzeln.

Abschließend stelle ich mir noch die Frage, was zum Teufel eine Kik-Filiale sowie ein Aldi in einer Markthalle zu suchen haben und schicke ein Stoßgebet gen Frankfurt. Ganz klarer Sieg für unsere geliebte Kleinmarkthalle!

Kneipen

Richtige Kneipen gibt’s in Berlin an jeder Ecke. Allerdings sind diese — ähnlich wie die oben beschriebenen Cafés — nicht immer eindeutig als solche zu identifizieren, da von außen mehr als unscheinbar.

Auch bei den Kneipen scheint man ganz und gar auf Bodenständigkeit und Minimalismus zu stehen. Die Inneneinrichtung wohl noch aus Nachkriegstagen, das letzte Mal gewischt zur Mondlandung, der Kicker notdürftig auf Bierkisten abgestützt: Egal, es zählen schließlich die Menschen!

Und die amüsieren sich hier trotzdem prächtig, so wie auch ich. Liegt vielleicht auch an den Preisen, die als ebenso bodenständig zu bezeichnen sind: Großes Bier 1,50, Gin Tonic 3,80 — dafür gibt’s in Frankfurt wohl nicht mal ein Glas Leitungswasser. Das Publikum macht auch sonst einen lockeren Eindruck auf mich und ich komme unweigerlich schnell ins Gespräch. Da ist Frankfurt doch deutlich versnobter und un-authentischer. Und urige Kneipen gibt’s am Main sowieso viel zu wenige.

Ganz klarer Sieg für Berlins Kneipenwelt!

 

VGF vs. BVG

„Du hast auch frei? Klasse, dann komm‘ ich dich auf einen Kaffee besuchen. Bin gleich bei dir!“ — diesen Satz kann man in Frankfurt nahezu immer sagen, denn egal wo man in der Stadt auch wohnt, die Wege sind kurz. Vom einen Ende zum Anderen der Stadt braucht der Frankfurter mit dem Nahverkehr der VGF allenfalls eine Stunde, innerhalb der Innenstadt ist man meist sogar deutlich schneller am Ziel oder kann gleich ganz mit dem Fahrrad fahren.

Und hat man sich erst einmal in das Frankfurter Nahverkehrs-System hineingefuchst, gelingt es auch schnell, „blind“ zu fahren. Einen Blick auf den Fahrplan kann man sich dann sparen, denn die Bahnen und Busse fahren in hoher Frequenz und die Anzahl der Umsteigevorgänge hält sich in Grenzen.

Völlig anders hingegen in Berlin: Hier wird der Besuch beim Kumpel schnell zum Tagesausflug. Mag sein, dass ich mich einfach noch nicht gut genug auskenne in Berlin, aber das dortige Nahverkehrs-System überfordert mich völlig. Von einem Ziel zum anderen präsentiert mir die Auskunfts-App gleich unzählige verschiedene Fahrtmöglichkeiten mit Tram, U-Bahn, Bus und S-Bahn. Umsteigen scheint grundsätzlich mit viel Lauferei verbunden und allein der Anblick des Liniennetzes verursacht mir Schwindel und Kopfschmerzen. Nun ja, vielleicht bin ich auch einfach zu blöde für den Berliner Nahverkehr.

Punkt jedenfalls für Frankfurt, hier verstehe sogar ich das Unterwegssein mit den „Öffentlichen“ und kam immer schnell ans Ziel. Bisher zumindest.

 

Wasserhäuschen vs. Späti

Auf unsere Wasserhäuschen sind wir Frankfurter ja — vollkommen zurecht, wie ich finde! — mächtig stolz. Nicht ohne Grund schreiben wir uns sogar ihre Erfindung auf die Fahnen. Und schon lange sind die „Büdscher“ nicht mehr als Treffpunkt für düstere Gestalten und einsamen Mitbürgern mit Alkoholproblem verschrien.

Im Gegenteil: Einige der Wasserhäuschen avancierten gar zum Szenetreff und fungieren — ausgestattet wie ein vollwertiges Café — als nachbarschaftliche Wohnzimmer. So zum Beispiel das mittlerweile doch sehr bekannte „GUDES“ im Nordend.

Ebenso berühmt ist aber auch Berlin für seine „Spätis“. Und diese walzen unsere Wasserhäuschen hinsichtlich ihrer Öffnungszeiten (das „SPÄT“ im „Spätkauf“ wird hier wörtlich genommen), ihrer Angebotspalette sowie ihrer Präsenz (gibt es in Berlin überhaupt ein Wohnhaus ohne „Späti“ im Erdgeschoss?) in Grund und Boden.

Klarer Punktsieg also für Berlin. Aber wer weiß schon, wohin sich unsere heißgeliebten „Büdscher“ noch entwickeln werden?

 

Wegzehrung und Verpflegung

Noch so’n Ding, das dem Berlin-Besucher unweigerlich und sofort auffällt: Jeder Passant und Flaneur hat irgendeine Art von Flasche in der Hand. Ob Club Mate oder Wegbier, ohne Getränk verlässt der gemeine Berliner seine Wohnung offenbar partout nicht. Wer weiß schon, was unterwegs alles passieren mag — da mag man wohl gewappnet sein für jeden Durst, der einen unterwegs einholen mag.


(c) www.berlinfoodstories.com

Auch den Hunger unterwegs scheint man zu fürchten, anders kann ich mir nicht erklären, wie die unzähligen Imbisse an jeder Straßenecke existieren können. Zumal die Preise mir als Frankfurter durchweg günstig und betriebswirtschaftlich eigentlich nicht tragbar scheinen. Man liebt den schnellen Döner auf die Hand, die Curry-Wurst, die China-Box. Klar, dass sich in der Hipster-Hauptstadt auch längst Tofu-Schlemmerbuden und Soja-Smoothie-Stations durchgesetzt haben.

Auch hier bin ich von Angebot überfordert, und angesichts der Preise dazu geneigt, einfach von ALLEM mal zu probieren. Wow — nichts gegen ein „Fußpils“ oder einen schnellen Imbiss auf der Zeil, aber in punkto Unterwegs-Verpflegung ist meine Heimatstadt der “großen Schwester” vollends unterlegen. Sorry, Frankfurt!

FAZIT

Endstand 5:3 für Berlin!

Ganz ernst gemeint ist mein Direktvergleich natürlich nicht. Zumal „Berlin“ nicht einfach „Berlin“ ist, sondern — das vergisst man gern — jeder Stadtteil allein schon so groß ist wie Frankfurt. Und den allergrößten Teil der Stadt kenne ich nun gar nicht. Dennoch, einige grundlegende Unterschiede lassen sich schnell ausmachen, und beide Städte versprühen ihren ganz eigenen Charme. Und diesem kann man sowohl am Main- als auch am Spreeufer erliegen. Unglaublich spannend und lebendig sind beide Städte mit Sicherheit. Und können ihre Einwohner beglücken wie in ihrer Größe überfordern und in ihrer Schnelllebigkeit auffressen. Ob Frankfurt nun tatsächlich das „neue Berlin“ ist, konnte auch ich nicht abschließend klären — möge sich ein jeder selbst ein Urteil bilden….

Ich bin jedenfalls froh, hier zu leben — aber immer wieder genauso froh, in Berlin sei zu dürfen. Wo nun ein jeder sein Glück finden mag, gilt es nun freilich selbst zu entscheiden. Doch sind es nicht ohnehin allein die Menschen, die ebendieses bescheren? 

CopyRight Berlin-Foto im Titelbild: https://www.Voss-photografphy.com

 

Kiezwechsel

 

Kinder, wie die Zeit vergeht. Seit nunmehr fast vier Jahren lebe ich mittlerweile in Frankfurt. Und von Beginn an — seit meinem Umzug im Jahre 2012 — durfte ich Bornheim als meine so lieb gewonnene, neue Heimat bezeichnen. Direkt an der Berger Straße habe ich eine turbulente Zeit verbringen dürfen. Habe mich schnell eingelebt, Cafés und Kneipen entdeckt, mich in deren eigenartige Mischung aus Tradition und Szene verliebt. Viele davon sind inzwischen längst wieder Geschichte.

Und auch mein Leben als Bornheimer ist nun Geschichte, seitdem ich gestern — mitsamt schickem Aufkleber auf meinem Personalausweis — das Einwohnermeldeamt verlassen habe. Und nun in die U5 statt in die U4 steige, um nach Hause zu kommen.

„Nach Hause“: Das ist jetzt das Frankfurter Nordend.

Ein merkwürdiges Gefühl. Bornheim ist keinen Kilometer entfernt, und dennoch fühle ich mich wie in einem neuen Leben in einer neuen Stadt. Ich vermisse Bornheim schon jetzt, obwohl ich es — sollte sich über Nacht nichts geändert haben — immer noch nicht einmal einen Kilometer entfernt weiter nordöstlich weiß. Ist es eigentlich eine Frankfurter Besonderheit, dass jeder Quadratkilometer, jedes Viertel sich gänzlich anders anfühlt? Und mit seinen ganz eigenen Vorzügen zu glänzen weiß?

Künftig müsste ich Bornheim jedenfalls explizit besuchen, statt vor die Türe zu treten und sofort Teil zu sein. Und hey — ehrlich gesagt bin ich lieber Teil als Besucher.

Verschuldet ist mein „Abenteuer Nordend“ dem Wunsch, mit meinem Besten eine WG zu gründen. Und nach langdauernder wie anstrengender Wohnungssuche wurden wir dann im Nordend fündig. Man darf nicht allzu wählerisch sein, und während unserer Suche wurde ich bereits mit Grauen daran zurückerinnert, wie wenig ich während der letzten 4 Jahre die Wohnungssuche in unserer Stadt vermisst habe.

Insofern hätte es uns schlimmer treffen können. Mit dem Nordend kann ich leben. Nein, IM Nordend kann ich leben. Denke ich.

Aus der U4 wird die U5, aus der Berger Straße wohl der Oeder Weg, einzig das von mir bereits so geschätzte „GUDES“ werde ich nun öfters frequentieren können. Ja, ich freue mich bereits auf den nächsten Sommer. Und bis dahin werde ich meinen neuen „Kiez“ kennen lernen. Die Menschen, die ihn bevölkern und ihm Leben einhauchen. Ein hoffentlich angenehmes.

Wo fängt man damit an? Ich glaube, auf der Suche nach einem neuen Lieblings-Café. Einem, in dem ich meine Nachmittage vertrödeln und Texte wie diesen in mein Notebook hämmern kann.

Ich sitze auf dem Fahrrad, fahre auf und ab. Erspähe neue Welten hinter einem jeden Straßenzug. „Glauburg-Café“: Das hört sich doch ziemlich gut an. Klar, nicht mein heiß und innig geliebtes Süden, aber ich werd‘ ihm eine Chance geben. Ein neuer Platz in meinem Herzen für ein „Stamm-Café“ ist schließlich frei. Immerhin gibt’s den Cappuccino hier auch mit Sojamilch. Klar, der Nordend-Hipster hat eben seine Ansprüche.

Und auch sonst bin ich gespannt auf mein Einleben. Darauf, ob sich auch „Apfelwein Solzer“ und das „Sugar“ irgendwie adäquat ersetzen lassen. Sage „tschüß“ zu einer schönen Zeit und werde künftig in unregelmäßigen Abständen über die Dinge berichten, welche ich in meinem „neuen Kiez“ entdecke und erlebe.

Stillstand ist schließlich Rückschritt. Und ich ahne, es wird spannend!

Lebt einer von euch Lesern bereits in meiner neuen Nachbarschaft? Kennt sich bereits aus, hat die schönsten Ecken bereits entdeckt?

Scheut euch nicht, mir „brandheiße“ Tipps in den Kommentaren zu hinterlassen. Ich freue mich darauf.

By MatzeFFM on June 15, 2016.

Exported from Medium on September 22, 2016.