Urlaubspanik: Allein ins Ausland.

Kinder, ich hab’ Angst. Ich fürchte, da was ganz doofes getan zu haben, scheue den Gedanken an den nächsten Dienstag. Schiebe ihn noch mal ganz weit beiseite.

Doch was ist eigentlich passiert?

Ich habe Urlaub und zehn Tage frei.
“Moment mal”, werdet ihr euch nun denken. “Das ist doch allemal ein Grund zur Freude, wieso hat der gute Kerl denn nun Angst?”

Nun, ihr habt ja recht. Vorfreude statt Bammel wäre angebracht, ich hätte allen Grund, mich auf einen Tapetenwechsel freuen. Darauf, ein paar Tage lang die geschundene Großstadtseele baumeln lassen zu können.

Eigentlich.

 

Wer sich auf andere verlässt, der ist verlassen

Die bittere Trefflichkeit dieses Ausspruchs, der glatt von meiner Großmutter stammen könnte, musste ich unlängst am eigenen Leibe spüren.

Mein Kumpel, mit dem ich ein paar entspannte in Mailand und am Gardasee verbringen wollte, hat mir spontan mal eben abgesagt. Und ich stand da.
Alleine, planlos, reichlich spät dran für alternative Bemühungen.

Schnelle Fragerunde im Freundeskreis: Haben nicht frei, müssen brav ins Büro. Ich beneide sie darum. Und auch die Flugpreis-Suche verrät: Die Schnäppchen, die sind längst vergriffen.

Was tun? 10 Tage lang in Winterschlaf verfallen, tagelang in Schockstarre im Café verharen, ganz Wikipedia ausdrucken und lesen?

Auch keine Alternative. Doch eine Möglichkeit, die bliebe mir.
Ein halbwegs finanzierbares Angebot, das war schließlich doch noch zu finden:

Budapest.

Die ungarische Hauptstadt, die steht schon lange auf meiner Bucket List.
Ich klicke ein bisschen durch die Flugzeiten, würde passen. Schaue einfach mal ganz unverbindlich nach Hostels: Uuuh, ebenfalls bezahlbar.

Wär’ ja ziemlich einfach, Flüge und Unterkunft nun fix zu buchen.

Wenn, ja wenn ich dafür nicht meine Komfortzone verlassen müsste.
Und sich damit die Angst vor dem Unbekannten bemerkbar machen würde.

Alleine durch Deutschland reisen, alleine Zeit vertreiben: Gar kein Problem für mich. Doch allein ins Ausland? Das hab’ ich auch mit fast 30 noch nie getan. Und nun könnte ich das ändern.

Ich trinke mir mit zwei Gläsern Wein ein wenig Mut an. Frage eine liebe Freundin, die gerade von ihrem vierwöchigen Roadtrip alleine durch Neuseeland zurückgekehrt ist und mir gestern erst begeistert ihre Erlebnisse berichtet hat.

“Ja klar, mach’ das, das wird super!”

So ihre eindeutige Empfehlung. Genau diese Art der Motivation  hab’ ich jetzt gebraucht. Wenn die schon ‘nen ganzen Monat lang durch Neuseeland kurvt, dann werd’ ich vier Tage in Budapest wohl locker überstehen! Soweit die Theorie.

 

Noch ein Schluck Wein.

Ich buche. Geht ja ziemlich einfach heutzutage, ein Klick hier, ein Klick da, fertig ist das Abenteuer.Drucke Bordkarten und Reservierung für mein Zimmer aus.

Am nächsten Tag: Ich kaufe einen Reiseführer. Berichte meinen Eltern von meinem abenteuerlichen Unterfangen.

“Ohjeh… Muss es denn Budapest sein? Osteuropa, das ist doch eine fiese Gegend…”.

Verdammt. Hätte ich meinen lieben Eltern wohl mal lieber nichts erzählen sollen, solche Zweifel und Warnungen kann ich nun gar nicht brauchen.

Aber: Eine Reiserücktrittsversicherung, die hab’ ich nicht abgeschlossen. Fakten schaffen, das ist immer gut – rede ich mir zumindest ein.

Und so blättere ich in meinem Reiseführer, schaue all die schönen Bilder an.
Empfinde zwar noch keine Freude, doch immerhin mein Interesse an der Perle an der Donau, das ist geweckt.

 

An Herausforderungen, da soll man wachsen

Trotzdem, da frag’ ich mich: Ist das nicht ein wenig albern, dass ich mit meinen knapp 30 Lenzen nun Panik empfinde wie ein 12-Jähriger vor dem ersten Kuss oder ein Mensch mit Höhenangst auf dem Free Fall Tower?

Könnt ihr mich verstehen – oder meistert ihr Ausflüge ins Ausland ganz alleine ganz souverän? Denkt ihr euch “der arme Kerl, ist der denn des Wahnsinns” – oder vielleicht sowas wie “höhöhö, mit fast dreißig einen auf bloggenden Weltbürger  machen, aber zu feige für vier Tage Ungarn sein?”

Man sagt ja, an Herausforderungen, da wächst man.
Und ich hoffe mal, ich komm’ ein wenig größer zurück.+

Und einen lieben Gruß aus Budapest, den schick’ ich euch.

Ganz versprochen!

Frühlingsgedicht

Kinners, ich komme ja zu gar nix mehr.

Ich weiß ja nicht, wie euch es ging – aber ich habe jeden einzelnen Sonnenstrahlen der letzten Tage in mich aufgesogen wie ein durstiger Wanderer das frische Quellenwasser.

Allemals für ein paar Bilder und ein kleines Gedicht hat es gelangt, während ich die aufblühende Stadt und die wiederentdeckte Lebensfreude ihrer Bewohner genossen habe.

Viel Freude beim Lesen und Betrachten – und dann nix wie wieder raus mit euch. Am Rechner versauern und irgendwelche Blogs lesen könnt ihr später noch, tankt Sonne, genießt das Leben!

 


Endlich wieder auf dem Lohrberg sitzen
im T-Shirt in der Sonne schwitzen
Der Blick schweift übers weite Land
‘nen kalten Schoppen in der Hand

Endlich wieder Sonne tanken
im Ostpark, unter Blumenranken
den ersten Grill endlich entzünden
mit Freunden Zeit der Ruhe finden

Endlich wieder breit ausbreiten
auf des Maines grünen Seiten
am Maincafé sich kühl erfrischen
und auch das Dönerboot war wieder fischen

Endlich Frühling in der Stadt
man wird der Sehnsucht niemals satt
man lacht, man trinkt, man liest, man plauscht
die Menschheit wirkt wie ausgetauscht.

Von einer Flucht in die Stadt der Quellen: Ein Kurztrip nach Bad Vilbel

Es ist mein einziger freier Tag der Woche. Ich eile über die Berger Straße, ein paar Termine gilt es noch wahrzunehmen. Man kam ja sonst zu nichts die letzten Tage, ich bin froh, wenn ich’s gepackt habe – und freue mich auf einen Ausflug, den ich für heute mit einem guten Freund geplant habe. Endlich raus aus der Arztpraxis, das Handy vibriert: “Sorry”, heißt es in der Nachricht vom Kumpel, “bin krank.” Auch das noch. Ich steige aufs Fahrrad, ein rüstiger Rentner ermahnt mich, mein Fahrrad gefälligst zu schieben. “Spießer!”, rufe ich ihm hinterher. Erneuter Blick aufs Telefon, ja, an was ich noch alles denken soll. Und meine Finanzen, ja, die wollen heute auch noch geregelt werden.

Kurzum: Es ist einer dieser Momente, in denen ich kurz vorm Durchdrehen bin.

Und ganz schnell raus muss aus dem Großstadt-Stress, ein paar Stunden für mich durchatmen muss. Genau für diese Momente, da führe ich praktischerweise eine Liste allerlei Dinge, mit denen ich mir selbst schon immer mal eine Freude machen wollte (sollte jeder tun!).
Ein kurzer Blick darauf, Bad Vilbel, da wollte ich schon immer mal hin. Ist auch nicht allzu weit weg, aber immerhin: weg.

Ich springe also mitsamt Fahrrad hinein in die Straßenbahn der Linie 18 – um einen kleinen Ausflug zu beginnen, der mich Stress und Trubel zumindest für einige Stunden lang vergessen lässt.

Und weil’s mir so gut gefallen hat in der Stadt der Mineralquellen, da will ich euch gern dran teilhaben lassen – damit auch ihr euch einen kurzen Tapetenwechsel gönnen könnt, wenn euch mal wieder alles über den Kopf wächst.

 

Auf geht’s in die Quellen-Stadt!

Die 32.000 Einwohner zählende Kleinstadt, die ihren Aufstieg den dortigen Mineralwasserquellen zu verdanken hat, liegt direkt an der Nidda und ist somit hervorragend mittels einer kleinen Radtour am Flussufer entlang zu erreichen.

Als Ausgangspunkt hab’ ich den “Gravensteiner Platz” als Endhaltestelle der Straßenbahn-Linie 18 gewählt, da diese vom Nordend ganz bequem mit dem Fahrrad zu erreichen ist. Alternativ könnt ihr auch mit den U-Bahnen der Linie 5 bis zur Haltestelle “Preungesheim” fahren, die nicht weit entfernt ist.

Wenn ihr Glück habt, findet am Gravensteiner Platz gerade der Wochenmarkt statt, an dem ihr euch mit ein wenig Proviant eindecken oder für den Ausflug stärken könnt.

Danach könnt ihr euch aufs Fahrrad schwingen und über die Straße “Am Dachsberg” gen Norden fahren. Dort erreicht ihr das schnuckelige Flecken Frankfurt Berkersheim, wo ihr ein wenig Dorfluft atmen könnt und entlang der Berkersheimer Bahnhofsstraße schlußendlich die Nidda erreicht. Auf dem Weg lassen sich Apfelbäume, Pferde und sogar Traktoren beobachten – wie damals auf dem Dorf, gelle?

 

Kurz anhalten, innehalten und genießen

Ihr habt’s gehabt: Die Großstadt ist hinter euch! Rechts der Nidda entlang verläuft ein Radweg, von dem aus ihr Frischluft, Flora & Fauna der Niddauen genießen könnt.

Nach kurzer Durchquerung der ersten Vilbeler Ausläufer gilt es nun die Nidda auf einem Steg zu überqueren, die nahe Eisenbahnbrücke im Blick.

 

Und dann heißt es auch schon: Willkommen in der Stadt der Mineralbrunnen!

Ihr könnt es machen wie ich, euch einen Kaffee schnappen, auf den Treppen vor der Stadtbibliothek Platz nehmen. Mit Blick auf die Nidda die Großstadtseele baumeln lassen. Oder aber ihr macht es wie die “Locals”, die während meines Besuchs gleich nebenan den Marktplatz säumten und sich mit Eisbechern den Winterfrust herunterschleckten.

Hello, Locals! Nice to be here! 

 

Blütenpracht im Kurpark, Festung im Wasser & putzige Tierchen

Nun ist es – ganz klar – an der Zeit für ein wenig Sightseeing und Kulturprogramm. Eis und Kaffee gibt’s ja schließlich auch in Frankfurt.

Im Kurpark könnt ihr eine Runde drehen und euch an der Blütenpracht erfreuen. Dort findet ihr auch den Tempel, der die seit Urzeiten sprudelnde Hassia-Quelle umschließt und euch vom Etikett der gleichnamigen Mineralwasserflaschen bekannt sein dürfte.

Bad Vilbel, das ist schließlich die Stadt des Mineralwassers. Lange Zeit verdankte die Stadt ihren Reichtum allein seinen zahlreichen Quellen, dessen Abfüllung und Export viele Arbeitsplätze schuf. Davon zeugen auch heute noch die vielen bunten Skulpturen in Form von Wasserflaschen, die das Stadtgebiet schmücken. 

Wenn ihr den Park durchquert habt, stoßt ihr auf die unverfehlbare alte Wasserburg, deren ältesten Teile noch aus dem zwölften Jahrhundert stammen. Schaut euch auch unbedingt den schönen Innenhof der Burg an, den ihr über einen Steg erreichen könnt!

Mein ganz persönliches Highlight jedoch, waren all die putzigen Tierchen, die an den Wassergräben der Burg herumtollten.Von den Enten war ich schnell gelangweilt, kennt man ja schließlich, quak quak. 

Vielmehr waren es die putzigen Nagetierchen, die meine Aufmerksamkeit auf sich zogen.

“Oh wie süüüüüß, ein Biber!”, stieß ich einen Ruf der Entzückung aus. Kniete mich hernieder, staunte über die Zutraulichkeit der Viecher. Umgehend jedoch, da korrigierte mich ein älteres Ehepaar. Nein, keine Bieber seien das, ich solle doch mal auf die Füßchen gucken. Tatsächlich: Flossen.

“Nutrias sind das”, klärt mich die nette Dame auf. “Auch bekannt als Biberratten”. So oder so, ich bin verliebt und spiele Streichelzoo. 

 

Heilbrunnen und Wissensdurst

Folgt ihr der Nidda noch ein Stück weiter, so findet ihr einen Heilbrunnen, an dem ihr euren Durst stillen könnt. Euren Wissensdurst allerdings kann erst gestillt werden, nachdem ihr über eine kleine Brücke die Nidda überquert habt:

Dort befindet sich in einem schmucken Fachwerkhaus nämlich das Mineralbrunnenmuseum.

Ebenso schmuck ist auch das Rathaus, wenn auch nicht ganz so imposant wie der Römer.

Ich schließe meine Großstadtflucht mit einem kleinen Bummel über die Einkaufsstraße ab, bevor ich wieder auf dem Fahrrad sitze und mich entlang der Nidda Frankfurt nähere. Und mich schon deutlich besser fühle.

Wer außer Puste ist, kann natürlich auch bequem mit der S-Bahn fahren, welche euch in nicht einmal zwanzig Minuten zurück nach Frankfurt bringt.

 

Dankeschön, Bad Vilbel!

Wieder einmal habe ich festgestellt, dass manchmal schon ein paar Stunden Wunder wirken. Einfach raus, einfach weg, einfach mal kurz Tapetenwechsel. Als schnell erreichbares Ausflugsziel bietet sich Bad Vilbel dafür ganz hervorragend an, zumal die Anfahrt der Nidda entlang bereits Genuss ist.

Zurück in Frankfurt, da fühl’ ich mich bedeutend besser, kann wieder klar denken. Dafür ein dickes Dankeschön, Bad Vilbel – war echt schnieke und ich komm’ gern wieder!

Wenn euch also mal wieder die Decke auf den Kopf fällt, euch alles zuviel wird und ihr kurz vorm Durchdrehen seid – dann schwingt euch rauf aufs Rad und folgt der Nidda!

Dass die Stadt deutlich hübscher anzuschauen ist als die “Geschlossene” von innen – davon konnte ich euch hoffentlich überzeugen.

Ich mach’ mich derweil mal schlau,  ob sich ein Nutria als Heimtier eignet.

Vom Suchen und Finden der Liebe.

Manchmal, da reicht es ja aus, einfach zu beobachten. Beobachten kann man schließlich viel in der Stadt; in so ziemlich jeder Ecke passiert ja immer irgendwas. Neulich reichte eine solche Beobachtung, um mich sehr nachdenklich zu stimmen. 

Doch der Reihe nach: 

 

Woran denkt ihr, wenn ihr das Wort “Liebe” hört?

Denkt ihr an die innige Beziehung zweier Menschen, die sich einander versprochen haben? Vielleicht sogar in Form der Ehe?

Denkt ihr an eine Mutter, die voll Stolz ihr Kind ansieht? An den Vater, der zu töten bereit wäre, um es zu verteidigen?

Oder denkt ihr vielleicht an die Liebe der Gemeinschaft, in der man einander hilft, füreinander da ist – vor allem in schlechten Zeiten? Denkt ihr an Liebe als Ursprung einer Leidenschaft, an die Liebe zur Musik, zum Tanz, zum Bundesligaverein?

Ihr seht: DIe Liebe hat viele Gesichter. Liebe ist ein Grundbedürfnis, das jeder Mensch zu stillen sucht. Ob bewusst oder unbewusst – das weiß nicht nur der Psychologe. 

 

Fünf Buchstaben, ein Foto

Neulich hatte ich beim Wort “Liebe” jedoch lediglich jene Skulptur im Sinn, an der ich beim Joggen im Anlagenring schon so oft vorbei gelaufen bin. “Das muss sich doch irgendwie in Szene setzen lassen”, so dachte ich mir. Packte meine analoge Kamera samt jungfräulichem Schwarzweiß-Film ein, schwang mich aufs Rad. Und hoffte inständig, dass sich die fünf großen Stahlbuchstaben irgendwie motivisch in Szene setzen ließen. Insgeheim hoffte ich auch das nächstbeste Liebespaar, das für einen Facebook-Beitrag zur Dokumentation seines jungen Glücks davor ein Selfie schoss. Vielleicht würde ich ja auch Zeuge eines Heiratsantrags werden, aber zumindest ein Hand an der Skulptur vorbeispazierendes Ehepaar würde ja wohl drin sein.

Meine Hoffnungen werden jedoch zunichte gemacht, als ich mein Fahrrad unweit der Skulptur abstelle und die Kamera zücke. Außer mir ist zunächst anwesend: Niemand. Der ewige Frust des Fotografen. 

Ich will nicht umsonst hergefahren sein, mache ein paar Aufnahmen. Bis sich dann, ja dann…

 

Von einem, der die Liebe suchte

Während ich also auf dem feuchten Rasen kniete, gerade zum letzten Mal den Auslöser betätigen wollte – da schlich sich eine traurige Gestalt hinein in den rechten Bildrand. Ich ließ die Kamera sinken, blickte auf. Ein Mann kam des Weges, langsam, eine Plastiktüte in der Hand.

Deren Inhalt drapierte er formvollendet auf dem mittleren Strich des letzten “E”:
Eine Flasche Wodka samt Discounter-Orangensaft aus dem Tetrapak.

Ich drückte nochmals Auslöser, fühlte mich schlecht dabei, den Mann zu fotografieren. Beschränkte mich fortan aufs Beobachten. Der Mann erklomm das letzte “E”, trank abwechselnd aus Wodkaflasche und Tetrapak.

Ich wurde trübsinnig. Dieser Anblick des Mannes mit dem ungepflegten Bart, der auf dem Wort “Liebe” saß und mittags um 2 dort Wodka trank. War dieser Anblick nicht viel aussagekräftiger als das beliebige Pärchen, das ins Smartphone grinste?

Dieser Mann suchte wohl die Liebe, und fand sie lediglich in Form eines modernen Kunstwerks und hartem Alkohol. Ich fühlte Mitleid in mir aufkommen, das Bedürfnis, ihm irgendwie etwas Gutes zu tun. Mir fiel nichts ein.

Ich packte meine Kamera ein, verließ meine kniende Fotografen-Position.

Während ich zum Fahrrad ging, rief ich ihm zu:

“Einen schönen Tag wünsch’ ich dir! Lass’ es dir gutgehen.”.
Er starrte mich mit leerem Blick an, erwiderte nichts.

 

Liebe suchen, Liebe finden

Ziemlich nachdenklich radelte ich gen Innenstadt; die Begegnung mit dem bärtigen Mann hatte mich trübselig gemacht. Ich wünschte ihm jemanden, der ihn liebt. Hetzte über die Zeil, ja, man hat ja so viel zu erledigen und besorgen heutzutage. Hielt kurz inne an der Hauptwache und beobachtete.

Ein Haufen junger Mädchen, die um einen Rollstuhlfahrer standen, erweckte meine Aufmerksamkeit. Sie schienen begeistert von den Tönen, die er seiner Flöte entlockte, während er auf dem Pflaster der Zeil saß. Klatschen im Takt zu seiner Musik. Und warfen nach einiger Zeit ihr Kleingeld in den Flötenkoffer vor ihm.

Dieser Mann hatte sie nicht nur gesucht, die Liebe. Sie gefunden in Form der Nächstenliebe, in Form der Liebe für seine Musik. In Form der Anerkennung durch eine finanzielle Gabe. Von diesem Anblick eigenartig berührt, drückte ich nochmals auf den Auflöser. Und zog nachdenklich von dannen.

 

Love is in the Air

In dieser Stadt schien die Liebe überall präsent zu sein. Im Suchen wie im Finden, in traurigen wie hoffnungsvollen Augenblicken. Manche zerbrechen während der Jagd nach ihr, manche schöpfen Kraft aus kleinen Gesten der Nächstenliebe.

Die liebe Liebe also. Der kleinste gemeinsame Nenner, der uns allesamt verbindet. Und wohl gerade deswegen überall präsent ist. In jeglichen Formen. Ich wünsche niemandem, sie lediglich in Form von metallenen Großbuchstaben und Spirituosen zu finden. 

Verratet mir doch: Was waren eure berührendsten Begegnungen mit der Liebe in Frankfurt?

Und bis dahin: Liebt euch.

Buzzfeed, Baby! 10 Dinge, an denen es in Frankfurt eindeutig mangelt.

Der aufmerksame Leser weiß natürlich längst: 

Ich singe oftmals Lobeslieder auf unsere Heimatstadt am Main. Schwärme von einer Vielfalt, die auf nicht einmal 250 Quadratkilometern Stadtfläche dafür sorgt, dass selbst mir seltenst langweilig wird.

Von all den Möglichkeiten, die sich hier auftun, den unterschiedlichen Menschen, die ein einfaches Gespräch zu einem besonderen Moment werden lassen können. Und natürlich vom “Stadtrausch”, von einer Metropole im steten Wandel, vom immerwährenden Umbruch, all der Bewegung.

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Dennoch muss ich hier mal klarstellen: 

Es gibt auch Dinge, die ich hier schmerzlich vermisse.
Umstände, über die ich mich maßlos ärgere.
Tatsachen, die in anderen Großstädten unserer Republik undenkbar wären – oder längst selbstverständlich sind.

Und hey, da “BUZZFEED” bei den jungen, hippen Leuten von heute ja so angesagt ist, schließe ich mich diesem Trend freilich gerne an!

Et voilà, Vorhang auf und Bühne frei: 

Hier ist es, mein Top 10 – Ranking der Dinge, die in Frankfurt einfach fehlen.

 


 

Platz 1: Bezahlbarer Wohnraum. Für alle.

 

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Jawoll, dass es in Frankfurt insbesondere an bezahlbarem Wohnraum für alle Schichten der Bevölkerung mangelt, ist ein längst bekannter Umstand.
Der Anteil der städtisch geförderten Wohnungen schrumpft kontinuierlich, wogegen die Mietpreise der privaten Wohnungen ungehindert wuchern.

An diesem Umstand änderte auch die 2015 eingeführte und gefeierte “Mietpreisbremse” nichts. Im Gegenteil, im Städtevergleich ist für die heimischen Wände schon lange lediglich in München mehr zu berappen.

Das Vorhaben, neue Wohngebiete zu erschließen, gestaltet sich als Drama – nicht zuletzt  begründet in der bereits hochverdichteten, kleinen Fläche der Stadt.

Und so werden auch weiterhin Wohnungssuchende verzweifeln, werden “Ur-Frankfurter” in die äußeren Stadtteile verdrängt, während die angesagten Bezirke der Innenstadt lediglich von besser verdienenden, oft Zugezogenen Menschen dominiert werden.

Eine gelungene “soziale Durchmischung” geht anders. Nicht sonderlich erfreulich – außer für Immobilienbesitzer. 

 

Platz 2: Kneipenkultur

 

Wir Frankfurter haben unser “Wasserhäuschen”. Einst verschrien, wurde es unlängst als sozialer Treffpunkt, als Ort für Klatsch, Tratsch & Feierabend wiederbelebt. Eine Entwicklung, die mich durchaus erfreut!

Was wir dagegen nicht haben:

Eine echte Kneipenkultur. So wie generell in Frankfurt alles ganz besonders sein muss – in jüngster Zeit gerne in Form einer möglichst umfangreichen Craftbier-Karte, Tastings unzähliger Gin-Sorten oder auch lediglich von exorbitanten Preisen – so versuchen auch die meisten Bars und Kneipen, möglichst exklusiv zu sein.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ich in diesem Augenblick, in dem ich diese Zeilen schreibe, in der “Kinly Bar” sitze. In der ich an  meinem Old Fashioned schlürfe, dessen Vorzüglichkeit ihren berechtigten Preis hat.

Und gleichzeitig eine Sehnsucht nach den vielen vielleicht einfachen, aber lebhaften Kneipen verspüre, die ich in anderen Städten als selbstverständlich wahrgenommen habe.

Ja, wir haben verdammt gute Bars. Vermutlich sogar die beste Bar-Szene des Landes.

Wo aber sind all die gemütlichen Eckkneipen, die ein Jedermann aufsuchen kann, wenn nach dem Feierabend nicht der Sinn nach dem heimischen Sofa steht? Wo in der Nachbarschaft verbirgt sich hinter getönten Scheiben ein öffentliches Wohnzimmer, in dem auch unter der Woche erstmalige Besucher so herzlich aufgenommen werden, als gehörten sie längst zum Mobiliar?

Kneipen, in denen  auch ein gewöhnlicher  Dienstagabend noch bei Kaltgetränken, Gesprächen und Musik einen schönen Abschluss finden kann. Ganz ohne Extraveganz und prall gefülltem Portemonnaie.

Und nein, ich rede nicht von all den Absturz-Kneipen in Alt-Sachsenhausen, in denen Shots nur einen Euro kosten und der Vollrausch auch für 16-jährige Umlands-Bewohner mittels Taschengeld finanzierbar ist.

Nach sechs Jahren in Frankfurt am Main stelle ich fest:

Der gemeine Frankfurter trifft sich in angesagten Bars zu wahnsinnig guten, aber teuren Drinks. Trifft sich zum Essen im neu eröffneten Szene-Restaurant mit der exotischsten Lifestyle-Küche. Im Sommer auch gerne mal auf der Rooftop-Bar, versteht sich. Oder beim Afterwork, für dessen Besuch es erst einmal Eintritt zu errichten gilt. Hat ja schließlich seinen Preis, Bänkern beim Köpfen ihrer Champagner-Flaschen zuzuschauen.

Oder er bleibt gleich ganz zu Hause.

Was man hier dagegen viel zu selten macht: 
Einfach noch mal raus gehen “auf’n Bier ums Eck”.

Gern auch alleine, weil man ja eh jemanden kennt. Und wenn nicht, eben kennenlernen wird.

In einer Kneipe, die wochentags nicht ausschließlich von dubiosen Gestalten an Spielautomaten bevölkert ist, in der bestenfalls sogar geraucht werden darf. Und in der irgendwann aus einer Laune heraus beschlossen wird, nach dem dritten Bier auf den Tischen zu tanzen.

Was am Wochenende kein Problem darstellt, offenbart sich hier von Montag bis Donnerstag zur einem echtem Mangel. Mag auch daran liegen, dass viele Studenten der Frankfurter Universitäten lieber nach Frankfurt Ein- und Auspendeln, statt hier zu leben. Womit wir wieder bei Punkt 1 wären.

Sorry, Frankfurt, aber: Kneipenkultur? Fehlanzeige. 

 

Platz 3: Eine echte alternative Szene

 

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Dies führt bereits zum dritten Platz, der mich persönlich wirklich ärgert:

So bunt auch Frankfurts Vielfalt, so kaum vorhanden auch eine alternative Szene. Freunde von lauter Gitarrenmusik, Tattoos & schwarzer Kleidung tun sich hier schwer bei der Suche nach Gleichgesinnten und Orten, an denen man auf eben diese treffen kann.

Die alternative Club-Szene beschränkt sich auf nicht weniger als zwei Tanzlokale, die da wären das “Final Destination” und das “The Cave“.

Die beiden Läden besuche ich zwar selbst sehr gerne, verglichen mit den alternativen Clubs in anderen Städten (sogar ausgerechnet Augsburg hat die “Rockfabrik”!) bieten auch diese aber ein geradezu trauriges Bild ab.

Unter der Woche herrscht tote Hose, sodass bis zum Wochenende auf alternativ angehauchte Kneipen ausgewichen werden muss.

Doch – ihr ahnt es bereits – auch dies ist in Frankfurt nicht so einfach, lassen sich diese doch an einer Hand abzählen.

Eine der bekanntesten Kneipen, die sich selbst als “alternative Musikbar” bezeichnet, besuche ich zwar selbst sehr gerne:

Das “Feinstaub” im Frankfurter Nordend.

Eine tolle Bar, aber “Musikbar”? Hello there, schon mal im “Engel” in Düsseldorf gewesen? Wo man sich aufgrund der brachial lauten Musik kaum mit seinem Gegenüber unterhalten kann?

Okay, will man dort eh nicht, denn was zählt ist dort: Musik, headbangen, abgehen, Alltag vergessen. Mag das (Alt-)Bier auch noch so ungenießbar sein.

Die Musik im Feinstaub dagegen: Bloße Hintergrundmusik. Schade.

Klar, es gibt Locations wie das “Café Exzess” oder die “Au“, welches ich allerdings eher als politisch denn alternativ betrachte. Und die legendäre Batschkapp sowie deren ehemaliges Anhängels “Elfer” haben sich längst zur reinen Veranstaltungs-Location beziehungsweise Techno-Club gewandelt.

Als Freund der alternativen, lauten Musik hat man’s leider wahrlich schwer in Frankfurt.

Ein schwacher Trost: Marburg und Darmstadt sind nicht weit. 

 

Platz 4 : Ein fähiger Verkehrsverbund

 

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Frankfurt am Main schmückt sich gerne damit, eine Metropole zu sein. Schön wäre es allerdings, wäre ein öffentlicher Nahverkehr vorhanden, der der Infrastruktur einer Metropole auch gerecht würde.

Verantwortlich für diesen Mangel:

Deutschlands wohl grottigster Verkehrsverbund, der Rhein-Main-Verkehrsverbund.

Dieser bestellt im Auftrag des Landes Hessen die Nahverkehrsdienstleistungen bei den unterschiedlichen Verkehrsunternehmen. Ebenso vorgegeben werden Fahrpläne, Linien und Fahrpreise.

Leider ist es dem RMV auch nach 20 Jahren seit seiner Gründung nicht gelungen, ein transparentes Preissystem zu erschaffen, welches vom durchschnittlichen Fahrgast (der doch einfach nur einen Fahrschein kaufen möchte) auch ohne abgeschlossenes Studium der Verkehrsgeographie sowie der Wirtschaftsmathematik verständlich und nachvollziehbar wäre.

Und klar, dass zum Fahrplanwechsel im letzen Dezember gleich noch eine saftige Preiserhöhung aufgetischt wurde.

Ach, wie schön das doch in anderen Städten ist: Da gibt es Ringe oder Streifen, nach einem schnellen Blick auf den Netzplan ist ersichtlich, wie viele von ihnen auf dem Weg zum Fahrtziel durchquert werden müssen – und folglich, welch Fahrpreis zu entrichten ist. Bestes Beispiel hierfür ist Berlin: Ring A, Ring B, Ring C – drei Ringe, drei Fahrpreise, fertig. Wie einfach das doch sein kann!

Die Fahrpreise indes sind im Dunstkreis des RMV obendrein happig: Auch Monatskarten sind im bundesweiten Vergleich unangefochten teuer. So kostet eine Monatskarte allein für das Stadtgebiet Frankfurt (pardon: Tarifgebiet 50) stolze knappe 90 Euro. Da ist sogar München – obwohl wesentlich größer – erheblich günstiger.

Der jüngste Versuch, das eigene Preissystem zu reformieren und endlich fair und verständlich zu gestalten, endete äußerst peinlich:

So wurde das als Revolution gefeierte Projekt “rmvSmart” noch während der Erprobungsphase für gescheitert erklärt.

Wäre ja zu verschmerzen, stünde den exorbitanten Fahrpreisen wenigstens ein entsprechendes, einer selbsternannten “Metropole” angemessenes Angebot entgegen. Ein echter Mangel besteht freilich auch an Parkplätzen, jedoch ließe sich dieser leicht beheben, würde es gelingen, mehr Menschen zur Nutzung von Bus & Bahnen zu bewegen. Dies setzte jedoch ein erschwingliches wie attraktives Angebot voraus.

Dem ist nicht aber so:

Nicht einmal am Wochenende verkehren – zumindest stündlich – S- und U-Bahnen. Erzählte man dies einem Nordrhein-Westfalen oder Berliner, dürfte man allenfalls ungläubiges Kopfschütteln ernten. Oder wahlweise schallendes Gelächter.

Aber hey, wer Samstag nachts nach ein Uhr noch nach Hause möchte, kann ja auch die restlichen Stunden der Nacht bei einer Rundreise kreuz und quer durch die Stadt im überfüllten Nachtbus verbringen. Unterhaltung durch Mitreisende garantiert!

Und wozu überhaupt eine nächtliche S-Bahn nach Offenbach oder Hanau? Da will doch eh niemand hin. Nicht freiwillig.

 

Platz 5: Polizeipräsenz in der Innenstadt

 

Die Polizei Frankfurt mag auf Facebook & Twitter überaus präsent sein. Und das nicht einmal erfolglos: Immer wieder stellen die Social Media-Beamten unter der Beweis, dass sie eine zeitgemäße wie humorvolle Kommunikation mit der Bevölkerung beherrschen. Über die Story vom von der Polizei gefundenen Poesie-Albums der kleinen Mila wurde sogar in der Berliner Zeitung berichtet. 

Wo sie dagegen weniger präsent ist: An den Brennpunkten der Frankfurter Innenstadt. 

So werden unweit der Polizeiwache 1 direkt an der Konstablerwache völlig ungeniert Drogen gehandelt. Man macht sich nicht einmal mehr die Mühe, zwecks Abwicklung der Geschäfte in die nächste dunkle Ecke zu verkrümeln:

Geld- wie Rauschgiftübergabe vollziehen sich am hellichten Tage gänzlich unbedarft und vor den Augen der Flaneure. Auch ich werde fast immer danach gefragt, ob ein akutes Bedürfnis nach Drogen meinerseits bestünde, wenn ich über die “Konsti” schlendere. Hab’ ich in anderen Städten so noch nie erlebt, stört mich aber nicht weiter. Die Dealer sind schließlich zumeist friedlich. Passanten mit weniger dickem Fell mögen jedoch durchaus eingeschüchtert sein. Mal ganz abgesehen davon, dass öffentlicher Drogenverkauf in Deutschland schlicht illegal ist. Warum die Polizei unter diesen längst stadtbekannten, florierenden Handel nichts unternimmt, ist bisweilen schleierhaft.

Was mich dagegen sehr stört: 

Wer am Wochenende nachts über die Zeil wandert, erhält unfreiwillig einen Einblick in menschliche Abgründe. Aggressive Betrunkene, randalierende Jugendliche und pöbelnde Halbstarke sorgen auch bei mir für eine innere Alarmbereitschaft. Eine teils aggressive Bettel-Mafia hat sich auf der Zeil etabliert und nimmt denen ihre Bühne, die wirklich bedürftig sind. Auf Münzen in ihrem Hut angewiesen sind, um zu überleben.

Das selbe Bild in den unterirdischen Bahnhöfen. Hier trifft man auf das selbe Klientel oder auch Süchtige, die auf Bahnsteige urinieren oder mit Crackpfeifen und Spritzen hantieren. All das kann man nächtens hier bewundern, jedoch eines nicht: Den Anblick von Uniformierten.

Klar, soziale Probleme lassen sich nicht allein durch Polizeipräsenz lösen. Dennoch löst dessen Anwesenheit ein subjektives Sicherheitsgefühl aus, welches ein jeder Bürger verdient hat. Und insbesondere in noch größeren Städten wie Berlin oder Köln, mal ganz zu schweigen von München (in denen ich oftmals unterwegs bin!) wäre eine von den Hütern des Gesetzes vollkommen verlassene Innenstadt unvorstellbar.

So gut ihr das mit diesem Facebook auch hinbekommt, liebe Polizei Frankfurt: Traut euch doch ab und an auch mal hinter euren Bildschirmen hervor und zeigt Präsenz in der Stadt. Bürger und Ruf der Stadt werden es euch danken. 

 

Platz 6: Konzertkultur

 

Frankfurt darf sich vollkommen zurecht als Geburtsort des Techno bezeichnen und bietet auch heute noch eine hervorragende Club-Szene. Auch im HipHop hat sich die Stadt früh einen Namen gemacht – ich erinnere an diese Stelle mal an das “Rödelheim Hartreim Projekt”.

Für handgemachte Musik bietet die Stadt leider wenig Platz. Insbesondere lokale Künstler haben es schwer, ihre Musik an ein Publikum zu bringen.

Die ganz großen Bands lassen Frankfurt derweil oftmals gleich ganz außen vor und bevorzugen den “Schlachthof” in Wiesbaden als Spielstätte.

Schön, dass Initiativen wie “OHRWURM” versuchen, mit Wohnzimmer-, Cafe – und Bar-Konzerten der Stadt ein wenig mehr musikalisches Leben einzuhauchen. Auch kleinen Künstlern eine Bühne zu bieten.

Klassische kleine Konzert-Locations sind derweil wenige vorhanden – seit Sinkkasten & die “alte” Batschkapp verschwunden sind, verblieben lediglich wenige davon. Hierbei seien das “Mampf” im Ostend erwähnt (Jazz), der “Dreikönigskeller” in Sachsenhausen sowie das “Spritzehaus” in Alt-Sachsenhausen.

Insbesondere im Vergleich zu Hamburg und Berlin hat Frankfurt hier echte Defizite. Doch die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt! 

 

Platz 7: Berge, Meer & Seen

 

 

“Ich liebe die Schiffe, das Meer und den Hafen” – das sangen Fettes Brot schon vor langer Zeit. Kein Wunder, würde ich ihn Hamburg leben – ich wäre wohl ähnlich angetan.

Der Münchner wiederum weiß die Alpen quasi vor seiner Haustüre und liebt sie für das Panorama, um welches sie seinen bayrischen Horizont erweitern. Okay, außer, er beschwert sich gerade wieder einmal über den Fön.

Doch ein spontaner Wander-Ausflug in die Berge? Ein Spaziergang am Meer? Ein ganzer Sommertag am See? In Frankfurt leider nicht ohne weiteres drin.

Ein paar Hügel, ja, Flüsse gibt’s auch ein paar in der Umgebung – das wars dann aber auch.

Wen die Lust auf Berge und Meer packt, ist dies erst einmal mit einer längeren Reise verbunden. Gut, dass man hier  wenigstens den größten Flughafen des Landes in der Nähe weiß – und die Welt dennoch recht schnell offen steht.
Wenn auch nicht für einen spontanen Ausflug.

Immerhin im Umkreis gibt es einige schöne Seen, welche teils sogar zum Baden genutzt werden dürfen und an denen es sich im Sommer schön fläzen und braun werden lässt. Prominentes Beispiele hierfür sind Langener Waldsee und Walldorfer See, die leider in der Hochsaison hoffnungslos überlaufen sind.

So schön die Seen auch sind, ohne Auto oder Bahn sind sie nur schwierig zu erreichen. Schade, dass im Stadtgebiet kein öffentliches Gewässer zum Baden zur Verfügung steht. Einzige Ausnahme ist der Schwedlersee, das kühle Nass ist jedoch ausschließlich den Mitgliedern des dort residierenden Schwimmclubs vorbehalten. Schade!

Platz 8: Gelassenheit der Stadtverwaltung

 

Kommen wir zu einem meiner absoluten persönlichen Top-Aufreger:
Die Stadt Frankfurt feiert sich nur allzu gern dafür, eine offene, urbane und lebenswerte Stadt zu sein. Lässig eben.

Leider gar nicht so lässig geben sich derweil Stadtverwaltung und Ordnungsamt, wenn es um Umsetzung und Einhaltung von Paragraphen geht. Eine öffentlich Ordnung will schließlich gewährleistet sein – gern auch mal auf Anordnung. Frankfurt liegt schließlich immer noch in Deutschland!

Drei Beispiele hierfür aus der jüngsten Zeit dürften dem Bürger noch in guter Erinnerung sein:

So entwickelte sich das von zwei jungen Kerlen übernommene Wasserhäuschen “GUDES” zum geschätzten Treffpunkt für die Nachbarschaft im Nordend.

Der angrenzende Matthias Beltz-Platz wurde als Open Air-Wohnzimmer genutzt, sogar Tische und Stühle wurden von den Besuchern aufgestellt und erfreuten sich großer Beliebtheit.

Dies alles ging der Stadt – die urbane Entwicklungen vordergründig begrüßt – dann doch zu weit. Zuerst wurde dem Wasserhäuschen mangels Ausschankgenehmigung untersagt, die verkauften Getränkeflaschen zu öffnen.

Dann schickte man sich gleich mehrfach an, die auf dem Matthias Beltz-Platz aufgestellten Möbel als wilden Sperrmüll zu entsorgen. 

Erst nach lautstarkem Protest der Nutzer des Platzes und langen Diskussionen auf politischer Ebene erbarmte sich die Stadt, 40 einheitliche Klappstühle zu finanzieren und dort aufzustellen. Behördlich genehmigt, versteht sich.

Ähnliches Ungemacht ereilte auch den Kiosk “Yok Yok” im Bahnhofsviertel, das von der Stadt ach so gern für seine Lebendigkeit gepriesen wird.

Ausgerechnet Letztere war dem Ordnungsamt dann doch ein Dorn im Auge:

Es untersagte kurzerhand den Verkauf von alkoholischen Getränken nach 22 Uhr. Inhaber Nazim Alemdar hat gemäß´Verfügung außerdem dafür zu sorgen, dass sich vor dem Kiosk nach 22 Uhr keine Menschen mehr aufhalten und ihre Getränke dort verzehren.

Konsequenz des Ganzen: Die Menschen “verzehren” ihre Getränke jetzt 5 Meter nebenan, außerhalb des “Einwirkbereichs seiner Gastsätte”. Jawollja, Ordnung muss sein!

Über den dritten Fall wurde gar überregional berichtet: 

Der Obdachlose Reiner Schaad, bekannt als “Eisenbahn Reiner”, gehörte seit Jahren zum Stadtbild. Die Frankfurter kennen und mögen ihn, grüßen ihn, wenn er allmorgendlich seine Spielzeugeisenbahn an seinem Stammplatz in der Liebfrauenstraße aufbaut. Hey, hat echt niemanden gestört. Nun ja – fast niemanden.

Kein geringerer als der Mönch “Bruder Paulus” reichte nämlich Beschwerde über diesen in seinen Augen wohl untragbaren Zustand ein. Genau, ich weiß schon, warum ich Heiligkeiten wie Scheinheiligkeiten nicht mag. Das Ordnungsamt reagierte – und konfiszierte Reiners Eisenbahn und untersagte ihm den künftigen Aufbau seines Lagers. Könnte ja schließlich jeder kommen. Ferner liege dem Obdachlosen keine “Sondernutzungsgenehmigung für öffentlichen Raum” vor – die er blöderweise ohne festen Wohnsitz niemals hätte beantragen können.

Nach einer großen Welle der Solidarität und zahlreichen, öffentlich wirksamen Protestaktionen, knickte die Stadt dann persönlich ein – nachdem sich Oberbürgermeister Feldmann persönlich zu einer Reaktion gezwungen sah.

Nach mehreren Wochen des Kampfes dann knickte der Verkehrsdezernent Klaus Oesterling ein und sprach “Eisenbahn-Reiner” ein Sondernutzungsrecht samt Ausnahmegenehmigung zu. Wohl, um weiteren Schaden des Ansehens der Stadt abzuwenden. Reiner indes ist derweil die Lust an seiner Eisenbahn vergangen – er möchte doch eigentlich nur seine Ruhe haben wollen.

Liebe Stadtverwaltung, liebes Ordnungsamt: 

Auch ohne, dass ihr es gerne propagiert – unsere Bürger SIND offen und pflegen ein entspanntes Miteinander. Hört endlich auf, dies mit eurer Engstirnigkeit zu gefährden und torpedieren! Danke.

 

Platz 9: Ein gutes Image

 

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Nach Berlin wollen sie ohnehin alle. “Kraftklub” vielleicht mal außen vor. München gilt gemeinhin als die “Perle des Südens”, jeder schwärmt vom dortigen Bier, der Gemütlichkeit der weltbekannten Biergärten.

Ich habe noch nie jemanden getroffen, der von einem Besuch in Hamburg zurückgekehrt wäre, und nicht von der Stadt geschwärmt hätte. Köln, das ist Karneval und rheinländische Heiterkeit, der Besucher Dresdens verliebt sich augenblicklich in die schöne Altstadt.

Heidelberg, ja, die quirlige Studentenstadt – oft bereist sogar von Asiaten und Amerikanern – mag auch irgendwie jeder, Freiburg wird ebenso schnell ins Herz geschlossen. Ebenso wie Nürnberg, das nicht nur zum Zeitpunkt des Christkindlmarktes gern besucht wird. Soll ja schließlich auch ziemlich gutes Bier dort geben. 

Und was ist eigentlich mit Frankfurt?

Frankfurt gilt vielen nach wie vor als ein großes Moloch.
Wie oft schon bekam ich zu hören, Frankfurt sei eine schmutzige, kalte Stadt voller Elend und Bänkern – insbesondere von Leuten, die “mal zu einer Messe” hier waren oder deren Frankfurt-Besuch ausschließlich zwischen Haupt- und Konstablerwache stattfand.

Ich bekomme dann stets das akute Bedürfnis, meine Heimat zu verteidigen.
Und sehe nicht ein, dass Frankfurt im Beliebtheits-Ranking deutscher Städte immer noch irgendwo zwischen Dessau und Castrop-Rauxel rangiert.

Doch, auch ich muss eingestehen, Frankfurt hat sich nicht mit Ruhm bekleckert, was die Stadtentwicklung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts betrifft. Insbesondere sozial- und verkehrspolitisch wurden zahlreiche Fehlentscheidungen getroffen, vom schon grotesk-hässlichen Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Innenstadt einmal ganz zu schweigen.

Erschwerend kommt hinzu: Jede Großstadt hat ihre Schandflecken und Brennpunkte. Blöderweise liegt der wohl jahrzehntelang größte davon direkt an dem Ort, den der gemeine Frankfurt-Besucher meist als erstes zu Gesicht bekommt: Dem Hauptbahnhof.

Kann ich es also jemandem verübeln, der – frisch in Frankfurt angekommen – den Hauptbahnhof verlässt und sich augenblicklich die Frage stellt:

” Um Himmels Willen . das hier soll also Frankfurt sein? Wann fährt der nächste Zug, der mich schnell wieder weg bringt von hier? “

Irgendwie nicht. Und das finde ich so schade! 

Frankfurt, du hast viel Mist gebaut in den letzten Jahrzehnten. Dir deinen Ruf als Verbrechens- und Betonhauptstadt hart erarbeitet. Wird Zeit, dass du dich mächtig ins Zeug legst – um einen Ruf zu erhalten, der dir als so lebenswerte, bunte und auch schöne Stadt gerecht wird. Meinen eigenen Beitrag hierfür steuere ich gern bei!

Platz 10: Waschechte Frankfurter

 

Läuft man durch die Straßen Münchens, so sind all diejenigen, die ihr gesamtes bisheriges Leben an der Isar verbracht haben, schnell und zahlreich auszumachen. Mit unverkennbarem Dialekt und einer herzlichen “Grantligkeit” sind die Münchner Kindl, wie sie sich selbst so gern bezeichnen, schnell auszumachen.

In der Hauptstadt ist der waschechte Berliner ebenso schnell auszumachen.
“Klar, dit ick von hier bin!”, fragt er, und schimpft über all die Touristen und Zugezogenen.

Im Ruhrpott ist der Durchschnitts-Westfale ebenso stolz auf Heimat und längst vergangene Zeiten, als im Pott noch rauchende Schornsteine Deutschlands Wohlstand sicherten.

So erfüllen eigentlich allerorts im Lande die Einwohner viele der Klischees, die man ihnen so nachsagt.

Doch was ist mit Frankfurt? Wo sind sie denn, all die Frankfurter Originale? 

Hand aufs Herz:
Wann habt ihr zuletzt einen waschechten Frankfurter kennen gelernt?

Diejenigen, die Apfelwein schon mit der Muttermilch aufgesogen haben, bereits ihre Kindheit hier verbracht haben – und auch aufgrund ihrer Redensart sofort als “Frankfodder” auszumachen sind?

Die der Eintracht die Treue schwören und selbstverständlich alljährlich über Pfingsten Urlaub nehmen, um im Stadtwald tagelang den “Wäldchestag” zu zelebrieren?

Mir passiert das wirklich selten. Schade eigentlich, verleihen doch gerade die schon immer Hier-Gewesenen ihrer Stadt einen unverwechselbaren Charakter.

Mag wohl daran liegen, dass viele Menschen allein aus beruflichen Gründen in der Mainmetropole landen. Die Fluktuation hoch, die Verweildauer begrenzt ist. 

Und vielleicht auch daran, dass “Frankfurter sein” mehr ein Gefühl der Zugehörigkeit als eine Frage der Herkunft ist. 

Trotzdem fordere ich all die Menschen, welche Frankfurt am Main als ihren Geburtsort im Personalausweis eingetragen haben, dazu auf:

Egal, wo auch immer ihr euch verstecken mögt: 

Verlasst öfters mal eure Wohnungen in Unterliederbach, Sindlingen, Zeilsheim, Hausen, Harheim oder Ginnheim – und mischt euch unter all die Zugezogenen!

Schließlich seid ihr eine echte Bereicherung für diese Stadt!

Insbesondere in den innerstädtischen Stadtteilen lässt es sich bislang zwar vorzüglich über die Heimat des Gegenübers unterhalten –  aber ein paar Anekdoten von früher, ein paar Worte gepflegter Frankfurter Mundart, ein bisschen mehr Frankfurt dem Stadtleben: Ja, das wäre schön. Eine Bereicherung, mir eine große Freude. Traut euch!


 

Aber sonst…

 

Ja, aber sonst hat Frankfurt so ziemlich alles, was eine lebens- wie liebenswerte Großstadt auszeichnet. Und nirgends dürfte eine größere kulturelle, architektonische wie landschaftliche Vielfalt auf ähnlich kleinem Raum bestehen. 

Frankfurt – das ist oftmals Liebe erst auf den zweiten Blick. Doch wer sich einmal von der Stadt in ihren Bann hat ziehen lassen, der mag hier nicht mehr weg.

Und sagt man nicht gerade den Frankfurtern nach, sie seien nur glücklich, wenn sie ordentlich was zu meckern haben?

Mir jedenfalls gehts nun schon deutlich besser.

Und in einer perfekten Stadt zu leben – das wär’ ja auch irgendwie langweilig, oder?

 

 

Happy Birthday: Ein erster Hauch der QuarterLife-Crisis?

Nun sitze ich also hier, am Tresen meiner Lieblings-Kneipe in meiner unmittelbarer Nachbarschaft, mitten drin im Frankfurter Nordend.

Und beginne eine Ahnung von all den Gedanken, Zweifeln und Ängsten zu bekommen, die so ziemlich einen Jeden recht pünktlich zum 30. Geburtstag ereilen.

Zwar habe ich noch etwas Schonfrist, bis ich mich endgültig von meinen Zwanzigern verabschieden muss. Jedoch werde ich in exakt 48 Minuten meinen 29. Geburtstag feiern, und ich fürchte, auch mein nächstes Lebensjahr wird nur allzu schnell an mir vorüberziehen.

Einmal Frühjahr, einmal Sommer, noch ein Herbst – und zack, dann ist sie da, die Dreißig. Die doch irgendwie Symbol ist für ein endgültiges Erwachsensein.

Hey, war ich nicht gestern erst 20? Ich nehme einen Schluck aus meinem Gerippten und werfe einen Blick zurück.

Als Jugendlicher hatte ich einen väterlichen Freund, der damals in dem Alter gewesen ist, in dem ich mich heute befinde. “Ende zwanzig” eben.

 

Dieser väterliche Freund von mir, er war für mich der Inbegriff des Erwachsenseins:

Er hatte einen Job. Eine eigene Wohnung in einer Großstadt. Durfte spätabends noch ein Bier in der Kneipe trinken gehen, ohne dafür Schülerausweise fälschen zu müssen und unangenehme Fragen beantworten zu müssen. Und wenn ihm danach war, bis in die Morgenstunden hinein tanzen zu gehen, dann hat er das eben gemacht.

Kurzum:

Er, das war der erwachsenste Mensch für mich überhaupt. Grund für mich, mich im Zimmer meines Elternhauses auf dem Dorf nach dem Erwachsensein, einem unabhängigen Leben, meinem Traumberuf zu sehnen.

 

Sogar bügeln kann ich!

Und heute? Heute bin ich selbst so alt wie damals väterlicher Freund und mein Vorbild es war.

Lediglich: Ich fühle mich mitnichten “erwachsen”.
Und, ganz ehrlich: “Erwachsen sein”, was bedeutet das schon? 

Ich habe meinen Traumberuf ergriffen, der mich recht anständig verdienen lässt. Ich kann es mir leisten, in einer schicken Wohnung zu leben. In einer Großstadt, die erstmals ein Gefühl der Heimat in mir erweckt hat.

Ich habe viele Bücher gelesen, habe so manchen Ort der Welt bereist. Unzählige Menschen sind in mein Leben getreten, ebenso viele haben es wieder verlassen. Manche blieben länger, manche nur kurz. Nur meine Familie, die blieb für immer.

Ich kann für mich sorgen, ich kann Wäsche waschen, weiß einen Wischmopp zu benutzen. Und sogar Hemden bügeln kann ich!

Die Weisheitszähne habe ich verloren, dafür zieren bereits zwei Brücken mein Lächeln. Gut, dass ich über eine Zahn-Zusatzversicherung verfüge. Ja, auch solche profanen “Erwachsenen-Dinge” besitze ich.

Ich habe viele Feste gefeiert, manch Kater auskuriert. Ich habe gelacht, geweint, mal gewonnen, mal verloren. Mir mein Herz brechen lassen – und andere gebrochen. War mal der Arsch, mal das Häufchen Elend.

Erlebte Höhenflüge, bin so richtig abgestürzt. Habe Hilfe erfahren, habe mich neu entdeckt und mich mit meiner Liebe zu neu entdeckten Leidenschaften wieder aufgerappelt. Dieser Blog ist eine dieser Leidenschaften.

Die schönsten und bittersten Erfahrungen meines Lebens sind in Form von Tattoos auf meiner Haut verewigt.

Ich gehe arbeiten, habe Hobbies, verdiene Geld, gebe es aus. Verreise ab und zu, gehe nach wie vor auch gern mal feiern. Ich treibe Sport, wann auch immer die Zeit es zulässt – und bin froh, wenn ich meine Jungs treffe.

 

Könnte glatt so weitergehen, oder?

Es sind nun noch 34 Minuten bis zu meinem Geburtstag, und ich resümiere:

Jawollja, es ist mir gelungen, ein unabhängiges Leben aufzubauen. Jede meiner Entscheidungen habe ich aus freiem Willen treffen können, ich bin nur mir selbst Rechenschaft schuldig und habe auch ansonsten (gottlob!) keinerlei Schulden. Äh, auch meinen Deckel am letzten Wochenende hatte ich bezahlt. Glaube ich.

Herzlichen Glückwunsch also, Sie haben Ihr Ziel erreicht? 

Doch genau der Gedanke daran, dass es jetzt ja eigentlich so weiter gehen könnte: Er lässt mich verzweifeln und macht mir Angst.

Fast tröstlich, dass es nicht nur mir so geht. Mittlerweile wurde schließlich gar ein Begriff erdacht für dieses kritische Zurückblicken, gepaart mit der fatalsten aller Fragen: “War das jetzt schon alles?”.

“Quarter Life Crisis”, so hat man diese kleine Lebenskrise getauft. Die die Kraft hat, so manchen Endzwanziger kurzzeitig mal ordentlich aus der Bahn zu werfen.

 

Noch 23 Minuten

Und ich fürchte, ein Hauch dieser hat auch mich soeben erreicht. Klar, alles könnte gemütlich so weiter zu gehen. Aber hey, soll das tatsächlich schon alles gewesen sein? Bin ich angekommen, verharre nun mein restliches Leben lang im Alltag, den ich mir erschaffen habe?

Noch ist’s ja nicht zu spät, noch erwarte ich zu viel vom Leben. Aber was soll da noch kommen? Wie viele Orte dieser Welt muss man bereist haben, um “angekommen” zu sein? Wie viele Bücher soll ich noch lesen, um als “belesen” zu gelten? Welche Karriere soll ich noch machen, um mich mit stolz geschwellter Brust als “erfolgreich” bezeichnen zu dürfen?

Ich fürchte, meine Gedanken enden bei der alten Frage nach dem Glück.

Ein Zitat fällt mir ein, welches mir eine Person mit auf den Weg gegeben hat, die wohl zu den herausragendsten und denkwürdigsten Bekanntschaften meines bisherigen Lebens zählt:

Es gibt kein schönes Leben. Es gibt nur schöne Tage

Ein wunderschönes Zitat, und ich vermute, es ist verdammt wahr.

 

Solange ich noch Träume habe…

Ich ziehe an meiner Zigarette (ja, auch damit hab ich irgendwann mal ngefangen…) und überlege mir, was ich von den kommenden Jahren noch erwarte.

Ich könnte so viel tun und machen, so viel sehen und erleben – nur:
Möchte ich das? Will ich das? Und – um Himmels Willen – was verpasse ich auch alles? Kann ich mit 29 tatsächlich schon Wurzeln geschlagen haben in einer Stadt? Oder nicht vielmehr nochmals meine Zelte abbrechen, um den Horizont zu erweitern?

Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. 

Was ich aber ganz bestimmt weiß: Solange ich noch konkrete Ziele habe, solange ich noch Träume haben, solange mag ich mein Leben verdammt gerne.

Ich mag ein Buch schreiben. Mag zumindest Südostasien entdecken. Mag nicht von dieser Welt gehen, ohne Vater zu sein. Und zwar mindestens der allerbeste Papa dieser Welt!

Gleich ist es soweit. Der Minutenzeiger meiner Armbanduhr rückt bedrohlich Nahe an die Mitternacht heran. Wie gut, dass niemand außer mir im Raum weiß, dass ich in drei Minuten Geburtstag haben werden. Muss ja auch nicht, reicht wenn ich morgen Abend meine Freunde um mich versammeln kann.

 

Auf mich und ein neues Jahr!

Ich sollte das mit dem Denken jetzt vielleicht endlich mal bleiben lassen. Führt ja zu eh nichts, außer zu depressiver Verstimmung und schlaflosen Nächten.

Vielleicht fang’ ich übermorgen wieder zu Zweifeln und Grübeln an, aber heute, hey, da hab’ ich Geburtstag, und der ist schließlich nur einmal im Jahr!

Ich sollte meinen Tag und mein bisheriges Leben symbolisch zelebrieren. Nur für mich. Ich bestelle ein edles Getränk (gegeizt wird heute nicht!) und grinse in mich hinein. Die Datumsanzeige meiner Uhr wechselt. Es ist soweit. Und bislang fühle ich mich noch ganz und gar wie mit 28.

Happy Birthday, Matze. Auf ein neues Lebensjahr – und darauf, dass die 30 noch 365 Tage weit entfernt ist.

 

 

 

 

Und es gibt sie doch, die Engel: Lieben Dank, Jasmin!

“Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung!”

An diese Weisheit meines Vaters muss ich denken, als wir auf dem Parkplatz am Fuße des Feldbergs aussteigen. Und ich feststelle, dass sich außer uns nur ein weiteres Auto hier hinauf getraut hat.

Irgendwo ja auch kein Wunder: Es ist Montag, der Otto-Normal-Arbeiter fristet lustlos sein Büro-Dasein am ersten Arbeitstag der Woche. War nicht gestern erst Wochenende?

Egal, unseres ist nun mal heute – und das Wetter für eine kleine Wanderung auf den Feldberg kann man sich schließlich auch nicht im Voraus nach den eigenen Wünschen vorbestellen. Wobei das ja ziemlich praktisch wäre.

Wir beginnen den Aufstieg, und mich ereilen erste Zweifel, ob dieser Ausflug angesichts der Witterung wirklich eine gute Idee gewesen sein mag.

Egal, meine Gesellschaft ist bezaubernd, Stille und Nebel zaubern ein ganz besondere Atmosphäre zwischen die vom Schnee bedeckten Nadelbäume. Der kalte Wind schlägt ins Gesicht, doch eigenartigerweise nicht aufs Gemüt. Und hey, bei blauem Himmel wandern kann ja schließlich jeder!

Wir schlagen uns wacker den vereisten Weg hinauf gen Gipfel. Rutschen hier und da mal aus, staunen über den Nebel, welcher kaum weiter als 20 Meter blicken lässt.

 

Gut, dass ich nicht abergläubig bin. Oder etwa doch?

Langsam wird mir kalt, das Kopfkino springt an – und wird von einem großen Stein befeuert (Feuer! Hach wär’ das jetzt schön!), welcher den Wegesrand säumt. Ich werde neugierig, wische den Schnee von seiner Inschrift.

Hätte ich vielleicht mal nicht tun sollen, denn:

Der Stein erinnert an einen im Jahr 1957 an dieser Stelle tödlich verunglückten Mann. Schlechtes Omen? Quatsch. Bin ja nicht abergläubig. Glaube ich.

Noch ein paar Kilometer weiter, und es wird richtig eklig. Eisregen beginnt, uns in unsere hübschen Gesichter zu schlagen.

 

Selten so auf einen heißen Kaffee gefreut

Wir sind uns einig, dass wir uns – sobald wir den Gipfel erreicht haben – einen wärmenden Kaffee als Belohnung für unseren Aufstieg so richtig verdient haben.

Meine Gedanken beginnen langsam, sich auf “Kalt!” und “Kaffee!” zu reduzieren. Ah-oh. Kurz scherzen wir darüber, dass das Wirtshaus geschlossen habe, wir durch den Eisregen zurück laufen müssten und auf unserem Weg erfrieren würden. Dann wären wir zwar tot – bisschen, doof, aber vielleicht hätte man uns dann auch unseren eigenen Gedenkstein gewidmet. Schwacher Trost, dennoch ein komischer Gedanke.

Ganz und gar nicht komisch finden wir dann aber, dass sich unser Kopfkino in eine Vorstellung des ganz realen Lebens verwandelt: 

“Aufgrund schlechter Witterung geschlossen”. 

Das verkündet das Schild, das an der verschlossenen Tür unserer Einkehr angebracht ist. Verdammt, find ich nun gar nicht mehr so lustig. Vor allem, weil es doch meine Idee war,  den Gipfel zu erklimmen – und ich mich dann doch ein wenig verantwortlich für meine Begleitung fühle.

Ich spähe hinein ins Wirtshaus, und entdecke die Belegschaft, die sich zum Feierabend versammelt hat. Ich klopfe ans Fenster und ernte – zum Glück! – Aufmerksamkeit. Pantomimisch deute ich meinen drohenden Tod durch Erfrieren an, bin erleichtert, als sich eine Kellnerin bequemt, mir die Türe zu öffnen. Ich schildere unser Dilemma.

 

Wärme-Asyl und Dankbarkeit

Wir ernten aufrichtiges Mitleid und bekommen angeboten, uns kurz aufzuwärmen. Man sei allerdings gleich weg, aber wir können ja mit dem Bus zurück fahren. Eine kurze Recherche ergibt: Dieser fährt erst in einer Stunde.

Eine Stunde da draußen? In dieser Kälte? Nee, dann lieber gleich sterben. Ich versuche, meine restlichen Kräfte zu sammeln, um ein Maximum ein Mitleid zu erwecken. Frage, ob man uns denn nicht mitnehmen könne, wenn man ohnehin mit dem Auto in den Feierabend fahren. “Nee, sowas können wir nicht machen”, so die ernüchternde Antwort eines Angestellten. Auch mein dezenter Hinweis auf unsere Bargeldvorräte hilft mir nicht weiter. Scheiße. Also doch sterben?

Wir nehmen es mit Galgenhumor, nehmen Platz, so lange es noch geht – bis dann ein echter Engel um die Ecke kommt.

 

Ein Engel namens Jasmin

“Wo parkt ihr denn? An der großen Kurve? Wisst ihr, das ist nicht so weit – ich fahr’ euch dahin. Bevor ihr mir noch erfriert”.

Ich bin baff. Bleibe skeptisch. “Einfach so?” – “Einfach so”.
Ich frage, wie unser Engel heißt.

Jasmin, so ihr  Name – und ich gelobe feierlich, angesichts meiner Dankbarkeit all meine Kinder nach ihr zu benennen. Auch meine Söhne.

Sie lacht, meint, das würde sie ganz sicher nicht wollen – man denke an die armen Söhne! – und beordert uns, zu warten. Sie würde zurückkehren.

Und tatsächlich: Einige Zeit später bedeutet sie, uns ihr durch die Katakomben des Lokals hinab in die Tiefgarage zu steigen. Wir nehmen Platz in ihrem Auto, unterhalten uns, bis wir ausgesetzt werden zu unserem Auto. Welches uns zurück ins verregnete und kalte, dafür irgendwie dann doch gefühlt sichere Frankfurt bringt. Bevor wir losfahren, frage ich Jasmin, was wir ihr schuldig sein.

Ihre Antwort: Nichts. Einfach nichts, gern geschehen, passt schon.
Wow. Bin ich gar nicht mehr gewöhnt. Habe in dieser Welt wohl vergessen, dass es so etwas noch gibt: Unentgeltliches Helfen. Ohne Erwartung jeglicher Gegenleistungen.

Es gibt sie also doch noch:

Die Engel des Alltags, die Menschen mit Herz. Es sind Geschichten wie diese, die mich den Glauben an das Gute im Menschen nicht verlieren lassen. Ich bin der guten Frau unendlich dankbar, und verspreche mir selbst, demnächst auch einem Fremden einfach mal zu helfen. Als Revanche und Zeichen meiner Dankbarkeit.

Habt ihr schön ähnliches erlebt? Engel des Alltags, die für ihre Hilfe nicht mal eine Gegenleistung verlangen? Deren Hilfsbereitschaft mit einem “Dankeschön!” von Herzen abgegolten werden kann? Ich bin gespannt auf eure Geschichten.

 

Und bis dahin: Erfriert mir nicht, Freunde !

 

 

Lesestoff trifft Lyrisches: Vom Dilemma der “Generation Maybe”

Über das jüngste Buch, das ich verschlungen haben, bin ich genau zur rechten Zeit gestolpert. Ich hatte selbst schlaflose Nächte, zerbrach mir den Kopf. Über den Weg, den ich bis heute gegangen bin. Über mein Dasein, über meine Träume, meine Wünsche, meine Ziele.

Wer will ich sein, wo will ich hin, und verplempere ich nicht ohnehin meine Zeit mit Nichtigkeiten? Wo liegt der Sinn, was sind meine Werte, bin ich überhaupt noch “Up to Date”? Es galt, eine große Entscheidung zu treffen.

Aber vorher noch schnell mal Facebook und SPIEGEL ONLINE checken, ich könnte ja schließlich was verpassen.

Und genau von diesem Dilemma handelt auch meine heutige Lese-Empfehlung für euch:

Das erschreckend treffende, erheiternde und nachdenklich stimmende Buch

“Generation Maybe – Die Signatur einer Epoche” des Berliner Autors Oliver Jeges. 

 

Schon der Klappentext hätte aus meiner Feder stammen können

“Die  Generation Maybe” hat mehr Möglichkeiten als irgendeine Generation vor ihr. Sie ist in Wohlstand gebettet, gut ausgebildet und ringt dennoch um Orientierung. Sie will atomfreien Strom, glückliche Hühner und trotzdem mit Billigfliegern die Welt bereisen. Ihr Lebensziel ist ein CO2-freier Fußabdruck, finanzielle Absicherung und die große Selbstverwirklichung. Das klappt schon irgendwie. Oder? Was nach außen wie ein Segen scheint, ist für diese Generation ein Fluch. Weil plötzlich alles möglich ist, sind alle heillos überfordert.” 

Wie tröstlich doch, dass es offensichtlich nicht nur mir so ergeht. Dass vielleicht meine gesamte Generation damit zu kämpfen hat, die freieste aller Zeiten zu sein.

Noch keiner Generation vor uns irgendwann in den 80ern Geborenen stand die Welt ganz sprichwörtlich so offen wie uns. Nie zuvor hatten junge Menschen mehr Möglichkeiten, ihr eigenes Leben nach Gutdünken zu gestalten. Und dennoch fühle auch ich mich oftmals überfordert auf der großen Spielwiese, die sich “Multioptionalität” nennt. Verloren irgendwo zwischen Beruf und erfülltem Privatleben, verloren im ständigen Vergleich mit anderen. Gern auch mal nur virtuell bei Facebook. Ja, der eigene Willen kann schnell abhanden kommen, wenn alle Türen offen stehen.

Es geht uns eigentlich gut. Aber es ist dieses schwerelose Gefühl, das uns alle verbindet. Das Gefühl, dass wir auf der Stelle treten. Dass wir wir uns schwertun mit Entscheidungen. Dass wir nicht wissen, was richtig und falsch ist. Jenes namenlose Gefühl ist die Urkraft meiner Generation. […]

Ich tue mich schwer, Entscheidungen zu treffen. Mich festzulegen. Mich einer Sache intuitiv zu widmen. Ich habe kein ADHS. Und dennoch bin ich aufmerksamkeitsgestört, entscheidungsschwach. Ich sehe all die Optionen  vor mir, die Verlockungen einer ultraschnellen Welt, in der alles möglich ist. 

Diese Zeilen stehen auf einer der ersten Seiten des Werks. Und bereits jetzt fühle ich mich “ertappt”. Ja, ich bin dann wohl auch ein “Maybe”. Bloß nichts verpassen, bloß nicht festlegen. Und auch die folgenden Seiten erschrecken mich. Schreibt hier jemand über sich selbst, gar über mich – oder einfach über “UNS”?

“Wir leben in einem ständigen Teufelskreislauf und denken, dass das Interessante immer da ist, wo wir gerade nicht sind. Egal, mit wem man gerade zusammen ist – es könnte da draußen einen Menschen geben, der noch besser zu uns passt, noch interessanter ist. Einen Job, der noch attraktiver ist. Eine Lebensart, die weit mehr Glück verheißt. Das ist das Dilemma unserer Generation. […]

Wer sind wir? Hedonisten oder Minimalisten? Egoisten oder freiheitsliebende Individualisten? Ichbesoffene Feierbiester, zwischenmenschliche Analphabeten oder handzahme Pragmatiker? Wahrscheinlich von allem etwas. Mal mehr, mal weniger. Vor allem aber wissen wir nicht so richtig, wo es langgeht. Es heißt, der Weg sei das Ziel. 

Quatsch. Weg ist das Ziel! 

Ich fühle mich erneut ertappt. Und – so erschrocken ich bin, über mich selbst und die übergeordnete Frage nach dem “Warum” – kann das Buch nicht mehr aus der Hand legen. Auch wenn ich – ganz klar – zwischenzeitlich den Drang verspüre, doch mal auf das nette, blaue Logo meiner Facebook-App zu drücken. Doch auch hierbei ertappt mich das Buch:

Wir können unser ganzes Leben chronoligisieren. Fotos auf Instagram, Gedankenfetzen auf Twitter, Ereignisse auf Facebook, gehörte Lieder auf Last.fm. […]

Das Internet mit all seinen Spielereien ist unser Tagebuch, in das wir alle anderen reinschauen lassen. Nur, dass darin keine Misserfolge, keine Niederlagen, keine Hänseleien, keine Fehler, keine Demütigungen, keine Erniedrigungen, keine Katastrophen vorkommen.”

Ja, so ist es. Vermag uns bereits das eigentliche Leben nur allzu oft zu überfordern, so kann uns das Internet endgültig zur Verzweiflung bringen lassen. In jeder Sekunde verpassen wir, verpasse ich, schließlich hunderte neue Artikel, neue Nachrichten, neue Bilder, neue Schnäppchen, neue Status-Nachrichten von vermeintlich glücklichen “Freunden” wie Bekannten. Neue Musik, neue Events, neuer Input.

Und, ihr ahnt es bereits:

Wenige Kapitel später fühle ich mich abermals ertappt.

Wir haben Angst, das Leben zu verpassen. Daher beschleunigen und verdichten wir es, packen so viel hinein wie nur möglich, machen es effizienter und straffer. Doch dadurch verpassen wir unser Leben erst recht. 

Wie wahr, wie wahr.

Doch: Was tun mit der Erkenntnis, dass auch ich so ticke? Dass ich nicht alleine bin mit meiner Orientierungslosigkeit, dass diese ein gewaltiges Problem einer gewaltig freien – und dennoch in den grenzenlosen Möglichkeiten gefangenen – Generation ist? Die überfordert ist von all den Möglichkeiten ist, sich erschlagen fühlt von all dem permanten Input? 

Ich weiß es nicht, und auch der Autor lässt den Leser ratlos mit dieser Frage zurück. Nachdenklich, erwischt. 

Beschleicht auch euch die leise Ahnung, ein “Maybe” zu sein? Oder seid ihr einfach neugierig geworden?

Tut euch selbst einen Gefallen, ersteht und lest dieses Buch! Falls euch das nicht beim lieben Buchhändler ums Eck möglich sein sollte, notfalls auch bei Amazon. 

 

Mein eigenes Dilemma: Lyrisch verpackt

Ich selbst habe übrigens – just an dem Tag, an dem ich die Lektüre begann – versucht, meinen Gedankenrausch lyrischen Ausdruck zu verleihen.

Es geht um Willen, um Entscheidungen, um die Frage nach dem “Wohin”. Und um das, was mir, was anscheinend uns allen fehlt: Mut und Rückgrat. Man sagt, man sei die Summe seiner Entscheidungen.

Und da ist vielleicht was dran. 

 

Zahnschmerzen und Einsamkeit.

Ich hasse diesen Tag schon jetzt.

Ich weiß nicht mehr, wo mir der Kopf steht. Und meine Gedanken wissen so gar nicht mehr, wo sie nun anfangen sollen zu rotieren. Und wann das irgendwie enden soll.

To Do-Listen, die nicht enden wollen. Entscheidungen, die getroffen werden wollen. Termine, die eingehalten werden, Dinge, die bezahlt werden wollen. Wollen, wollen, wollen.

Wer fragt mich eigentlich mal, was ich will? Ach, verdammt. Das weiß selbst ich heute nicht so recht.

Als ob das nicht alles schon genug wäre, fühlt sich mein Mundinnenraum an wie ein Nagelbrett im Höllenfeuer. Schönen Dank auch, lieber Zahnarzt, für diese dentalmedizinische Tortur. Kurzum: Mir geht’s beschissen.

Nach Hause gehen will ich nicht. Ich fürchte die Deckenwand, die mir dort endgültig auf den Kopf fallen würde. Und nicht einmal auf mein Lieblings-Café hab ich Lust, will mich nicht unter lachenden Menschen befinden. Die ihrer Lebensfreude schadenfroh mit Latte Macchiato Ausdruck verleihen. Nee, heute echt nicht.

Aber Bewegung, das tut sicher gut, ist zwar schweinekalt, aber egal.
Ich schwinge mich aufs Fahrrad, lande irgendwie am Ostbahnhof.

Der Anblick des maroden Empfangsgebäudes passt zu meiner Stimmung. Zerbrechlich, kaputt, fehl am Platze.
Derart verfallen, dass es sogar von Stahlstreben gestützt werden muss.

Hey, und wer stütz bitte MICH?!

Wohl gerade niemand, Freunde auf Arbeit, Familie weit weg. Hab ich wohl wieder mal nur mich selbst. Schnell weg von hier.

Als ich das Mainufer erreiche, stehe ich dann kurz vor dem Kältetod. Sogar der wäre mir heute aber vermutlich egal, aber dann will ich vorher wenigstens noch ein paar Fotos machen.

Ich steige also die Deutschherrnbrücke hinauf. Und da stehe ich dann, eisiger Wind bläst mir ins fröstelnde Gesicht, ich starre hinunter in den Main und auf die Skyline. Ich fühle mich unendlich einsam und klein. Ich mache ein paar Bilder, bis meine Finger taub sind und erste Anzeichen einer bläulichen Verfärbung vorweisen.

Irgendwann halte es nicht mehr aus. Einsamkeit, Kälte, taube Finger, Zahnschmerzen, Scheißwelt.

Ich fahre zurück gen Innenstadt. Und erspähe mein Lieblings-Café. Hat mich mein Unterbewusstsein hierher gesteuert?

Was soll’s, ein heißer Kaffee erscheint mir nun überlebenswichtig. Als dieser dann vor mir dampft und meine Finger langsam auftauen, da besehe ich mir die Bilder von eben.

Und ich muss zum ersten Mal am heutigen Tage schmunzeln. Welch schöne Szenerie sich auf dem Display meines Telefons mir doch hier bietet.

Danke, Frankfurt, dass ich mich in dir zu Hause fühlen darf.
Auch – und ja, vielleicht gerade dann – wenn’s mir beschissen geht.

Nur ein bisschen wärmer, das dürftest du wirklich gern mal wieder werden. Dankeschön!

Auf ein Käffchen im besetzten Haus: Besuch bei “Project Shelter”

“Flüchtlinge” und “Armutsmigration” – keine anderen Schlagwörter dürften im vergangenen Jahr präsenter in den Tageszeitungen gewesen sein. Nun ja, außer “postfaktisch” vielleicht.

Ganz sicher: Der Zustrom all der Menschen in unser Land hinein hat bis dato unbekannte Probleme geschaffen, die diskutiert werden müssen. Was zuweilen sehr pauschal und emotional getan wird.

Doch für mich selbst muss ich gestehen:

Ich lebe weitgehend unberührt von Armuts-Migranten und Flüchtlingen. Nehme von diesen meist nur in den Nachrichten Notiz. Dabei sollen doch so zahlreiche von ihnen gekommen sein und müssten sich doch mitten unter uns befinden.

Kennen gelernt habe ich trotzdem noch keinen.

Ich vermag auch nicht zu glauben, dass Flüchtlinge und Migranten allesamt wahlweise ISIS-Attentäter oder “Nafris” im Testosteron-Rausch sind. Oder zumindest kleinkriminell.

Auch wenn das Verfolgen des Tagesgeschehens dies so manchen Populisten annehmen lässt. Ich jedoch bin überzeugt davon, dass die absolute Mehrheit der Migranten Menschen sind, die sich aus einer für uns nicht vorstellbaren Armut oder Gefahrenlage hinaus in unser Land gerettet haben. Wo sie sich Hilfe erhoffen, von einem besseren Dasein träumen.

 

Auf der Suche nach dem “Durchschnitts-Flüchtling”

Wo versteckt er sich also, der “Durchschnitts-Flüchtling”? Kann doch nicht sein, dass diese allesamt eingepfercht in maroden Turnhallen von der Außenwelt abgeschirmt werden.

Meine Suche führt mich ins besetzte Bistro des “Project Shelter” in der oberen Berger Straße. Nachdem Anfang Dezember ein Anschlag mit Teerflüssigkeit auf dieses verübt wurde, konnte es am 4. Januar seine Wiedereröffnung feiern.

Ich betrete die leerstehende Kneipe und schau’ mich um. Tatsächlich, recht spartanisch und provisorisch ist hier ein Café entstanden. Gutes Stichwort, ein Käffchen wär’ nett jetzt, und den gibt’s gegen eine kleine Spende serviert von Marie, die für das Project Shelter nicht nur Kaffee kocht, sondern sich mit viel Herzblut für die Migranten und Flüchtlinge ohne Obdach einsetzt.

“Seit der Gründung des Projekts konnte bereits 80 Menschen in Not ein Dach über dem Kopf vermittelt werden”

 

So erzählt sie mir, dass seit der Gründung des Projekts im Winter 2014 bereits 80 Menschen, die hier in Frankfurt auf der Straße übernachten mussten, ein Dach über dem Kopf vermittelt werden konnte. Selbst in zahlreichen Kirchen hätten die Menschen nämlich nicht mehr übernachten dürfen und wurden aus diesen verwiesen. Ein merkwürdiges Selbstverständnis von “Nächstenliebe” der Gotteshäuser, so denke ich mir. Aber mit der Kirche habe ich’s ja eh nicht so.

Doch nicht nur zeitweise leerstehende Wohnungen konnten als Schlafplatz vermittelt werden, mit dem Bistro auf der Berger Straße ist es auch endlich gelungen, eine dauerhafte Bleibe für das Projekt zu finden. Es soll Begegnungsstätte sein, eine Anlaufstelle für Menschen in Not. Jeden Donnerstag geöffnet, um einen Austausch von Frankfurtern und Geflohenen stattfinden zu lassen. Man spielt ,lernt gemeinsam Deutsch, kocht – und hilft sich, wo man eben kann. Und so, erzählt Marie weiter, tummeln sich teilweise 60 Menschen – Einheimische wie Gestrandete – an den alten Holztischen des Bistros. Und die meisten davon kennt sie sogar persönlich.

 

Einer davon ist Noah, den ich hier kennen lernen darf.

Er ist aus Ghana und über Italien nach Deutschland gereist, um Arbeit zu finden und eine würdige Existenz aufbauen zu können.

Doch Hilfe von der Stadt – die konnte er sich nicht erhoffen. Sie verweist auf die Zuständigkeit der italienischen Behörden. Statt öffentliche, nicht genutzten Wohnraum zur Verfügung zu stellen – es geht ja tatsächlich nur um ein Dach über den Kopf – wurde vielen Menschen ohne Visa lediglich ein Zugticket zurück nach Italien angeboten.

Dies von jemandem erzählt zu bekommen, der selbst zunächst keine Hilfe fand und schließlich auf der Straße schlafen musste, stimmt mich nachdenklich.

 

Und wo bitte bleibt die Menschlichkeit?

Klar, es mögen Tatsachen sein:
Kein Visum, eingereist aus Italien, Staat und Stadt nicht zuständig.

Aber:

Zunächst einmal handelt es sich um Menschen in Not. Die einer Armut entflohen sind, die für uns Deutsche nur schwer vorzustellen ist.

Ein Dach über dem Kopf ist das Mindeste, was ein Mensch zu einem würdigen Dasein (ich rede hier bewusst nicht von “Leben”) zur Verfügung gestellt werden.

Natürlich kann nicht erwartet werden, dass die Haushaltskasse der Stadt geplündert wird, um einen Wolkenkratzer für Menschen in Not zu errichten. Es geht nicht darum, ihnen ein Leben in Saus und Braus zu finanzieren, ein luxuriöses Apartment zur Verfügung gestellt wird. Diesen Anspruch hat niemand, auch Marie und Noah nicht.

Ungenutzter, überdachter Stadtraum ist vorhanden. Und sollte Menschen in Not zur Verfügung gestellt werden, um sie nicht auf der Straße frieren zu lassen.

Um Visa, Zuständigkeiten oder Rückführungen kann man auch noch streiten, nachdem diesen Menschen ein klitzekleines Mindestmaß an bloßer Existenz ermöglicht ist. Finde ich.

 

Meine Welt, mein Luxus, meine Probleme

Und als ich mich wieder aufs Fahrrad schwinge und die Rückfahrt in meine Welt der Luxusprobleme zurück antrete, bin ich froh.

Froh, dass die Menschen aus den Nachrichten für mich ein Gesicht bekommen haben. Froh darüber, dass mir selbst meine eigenen Probleme in ein Verhältnis gerückt wurden. Ich daran erinnert wurde, dass mein Leben und Wohlstand gar nicht mal so selbstverständlich sind.

Und unendlich froh darüber, dass es Menschen wie Marie gibt. Menschen, welche die Augen nicht verschließen vor den Menschen auf der Straße mitten unter uns, den Tücken der Bürokratie, den Sorgen und Nöten.

Kurzum:
Menschen, für die Menschlichkeit und Nächstenliebe nicht bloß Wörter sind. Lasst euch nicht unterkriegen!

Wenn auch ihr auf der Suche nach Begegnung seid, so schaut doch mal im Bistro vorbei. Öffnungszeiten und Veranstaltungen findet ihr auf der Facebook-Seite des Project Shelter.