Buzzfeed, Baby! 10 Dinge, an denen es in Frankfurt eindeutig mangelt.

Der aufmerksame Leser weiß natürlich längst: 

Ich singe oftmals Lobeslieder auf unsere Heimatstadt am Main. Schwärme von einer Vielfalt, die auf nicht einmal 250 Quadratkilometern Stadtfläche dafür sorgt, dass selbst mir seltenst langweilig wird.

Von all den Möglichkeiten, die sich hier auftun, den unterschiedlichen Menschen, die ein einfaches Gespräch zu einem besonderen Moment werden lassen können. Und natürlich vom “Stadtrausch”, von einer Metropole im steten Wandel, vom immerwährenden Umbruch, all der Bewegung.

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Dennoch muss ich hier mal klarstellen: 

Es gibt auch Dinge, die ich hier schmerzlich vermisse.
Umstände, über die ich mich maßlos ärgere.
Tatsachen, die in anderen Großstädten unserer Republik undenkbar wären – oder längst selbstverständlich sind.

Und hey, da “BUZZFEED” bei den jungen, hippen Leuten von heute ja so angesagt ist, schließe ich mich diesem Trend freilich gerne an!

Et voilà, Vorhang auf und Bühne frei: 

Hier ist es, mein Top 10 – Ranking der Dinge, die in Frankfurt einfach fehlen.

 


 

Platz 1: Bezahlbarer Wohnraum. Für alle.

 

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Jawoll, dass es in Frankfurt insbesondere an bezahlbarem Wohnraum für alle Schichten der Bevölkerung mangelt, ist ein längst bekannter Umstand.
Der Anteil der städtisch geförderten Wohnungen schrumpft kontinuierlich, wogegen die Mietpreise der privaten Wohnungen ungehindert wuchern.

An diesem Umstand änderte auch die 2015 eingeführte und gefeierte “Mietpreisbremse” nichts. Im Gegenteil, im Städtevergleich ist für die heimischen Wände schon lange lediglich in München mehr zu berappen.

Das Vorhaben, neue Wohngebiete zu erschließen, gestaltet sich als Drama – nicht zuletzt  begründet in der bereits hochverdichteten, kleinen Fläche der Stadt.

Und so werden auch weiterhin Wohnungssuchende verzweifeln, werden “Ur-Frankfurter” in die äußeren Stadtteile verdrängt, während die angesagten Bezirke der Innenstadt lediglich von besser verdienenden, oft Zugezogenen Menschen dominiert werden.

Eine gelungene “soziale Durchmischung” geht anders. Nicht sonderlich erfreulich – außer für Immobilienbesitzer. 

 

Platz 2: Kneipenkultur

 

Wir Frankfurter haben unser “Wasserhäuschen”. Einst verschrien, wurde es unlängst als sozialer Treffpunkt, als Ort für Klatsch, Tratsch & Feierabend wiederbelebt. Eine Entwicklung, die mich durchaus erfreut!

Was wir dagegen nicht haben:

Eine echte Kneipenkultur. So wie generell in Frankfurt alles ganz besonders sein muss – in jüngster Zeit gerne in Form einer möglichst umfangreichen Craftbier-Karte, Tastings unzähliger Gin-Sorten oder auch lediglich von exorbitanten Preisen – so versuchen auch die meisten Bars und Kneipen, möglichst exklusiv zu sein.

Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass ich in diesem Augenblick, in dem ich diese Zeilen schreibe, in der “Kinly Bar” sitze. In der ich an  meinem Old Fashioned schlürfe, dessen Vorzüglichkeit ihren berechtigten Preis hat.

Und gleichzeitig eine Sehnsucht nach den vielen vielleicht einfachen, aber lebhaften Kneipen verspüre, die ich in anderen Städten als selbstverständlich wahrgenommen habe.

Ja, wir haben verdammt gute Bars. Vermutlich sogar die beste Bar-Szene des Landes.

Wo aber sind all die gemütlichen Eckkneipen, die ein Jedermann aufsuchen kann, wenn nach dem Feierabend nicht der Sinn nach dem heimischen Sofa steht? Wo in der Nachbarschaft verbirgt sich hinter getönten Scheiben ein öffentliches Wohnzimmer, in dem auch unter der Woche erstmalige Besucher so herzlich aufgenommen werden, als gehörten sie längst zum Mobiliar?

Kneipen, in denen  auch ein gewöhnlicher  Dienstagabend noch bei Kaltgetränken, Gesprächen und Musik einen schönen Abschluss finden kann. Ganz ohne Extraveganz und prall gefülltem Portemonnaie.

Und nein, ich rede nicht von all den Absturz-Kneipen in Alt-Sachsenhausen, in denen Shots nur einen Euro kosten und der Vollrausch auch für 16-jährige Umlands-Bewohner mittels Taschengeld finanzierbar ist.

Nach sechs Jahren in Frankfurt am Main stelle ich fest:

Der gemeine Frankfurter trifft sich in angesagten Bars zu wahnsinnig guten, aber teuren Drinks. Trifft sich zum Essen im neu eröffneten Szene-Restaurant mit der exotischsten Lifestyle-Küche. Im Sommer auch gerne mal auf der Rooftop-Bar, versteht sich. Oder beim Afterwork, für dessen Besuch es erst einmal Eintritt zu errichten gilt. Hat ja schließlich seinen Preis, Bänkern beim Köpfen ihrer Champagner-Flaschen zuzuschauen.

Oder er bleibt gleich ganz zu Hause.

Was man hier dagegen viel zu selten macht: 
Einfach noch mal raus gehen “auf’n Bier ums Eck”.

Gern auch alleine, weil man ja eh jemanden kennt. Und wenn nicht, eben kennenlernen wird.

In einer Kneipe, die wochentags nicht ausschließlich von dubiosen Gestalten an Spielautomaten bevölkert ist, in der bestenfalls sogar geraucht werden darf. Und in der irgendwann aus einer Laune heraus beschlossen wird, nach dem dritten Bier auf den Tischen zu tanzen.

Was am Wochenende kein Problem darstellt, offenbart sich hier von Montag bis Donnerstag zur einem echtem Mangel. Mag auch daran liegen, dass viele Studenten der Frankfurter Universitäten lieber nach Frankfurt Ein- und Auspendeln, statt hier zu leben. Womit wir wieder bei Punkt 1 wären.

Sorry, Frankfurt, aber: Kneipenkultur? Fehlanzeige. 

 

Platz 3: Eine echte alternative Szene

 

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Dies führt bereits zum dritten Platz, der mich persönlich wirklich ärgert:

So bunt auch Frankfurts Vielfalt, so kaum vorhanden auch eine alternative Szene. Freunde von lauter Gitarrenmusik, Tattoos & schwarzer Kleidung tun sich hier schwer bei der Suche nach Gleichgesinnten und Orten, an denen man auf eben diese treffen kann.

Die alternative Club-Szene beschränkt sich auf nicht weniger als zwei Tanzlokale, die da wären das “Final Destination” und das “The Cave“.

Die beiden Läden besuche ich zwar selbst sehr gerne, verglichen mit den alternativen Clubs in anderen Städten (sogar ausgerechnet Augsburg hat die “Rockfabrik”!) bieten auch diese aber ein geradezu trauriges Bild ab.

Unter der Woche herrscht tote Hose, sodass bis zum Wochenende auf alternativ angehauchte Kneipen ausgewichen werden muss.

Doch – ihr ahnt es bereits – auch dies ist in Frankfurt nicht so einfach, lassen sich diese doch an einer Hand abzählen.

Eine der bekanntesten Kneipen, die sich selbst als “alternative Musikbar” bezeichnet, besuche ich zwar selbst sehr gerne:

Das “Feinstaub” im Frankfurter Nordend.

Eine tolle Bar, aber “Musikbar”? Hello there, schon mal im “Engel” in Düsseldorf gewesen? Wo man sich aufgrund der brachial lauten Musik kaum mit seinem Gegenüber unterhalten kann?

Okay, will man dort eh nicht, denn was zählt ist dort: Musik, headbangen, abgehen, Alltag vergessen. Mag das (Alt-)Bier auch noch so ungenießbar sein.

Die Musik im Feinstaub dagegen: Bloße Hintergrundmusik. Schade.

Klar, es gibt Locations wie das “Café Exzess” oder die “Au“, welches ich allerdings eher als politisch denn alternativ betrachte. Und die legendäre Batschkapp sowie deren ehemaliges Anhängels “Elfer” haben sich längst zur reinen Veranstaltungs-Location beziehungsweise Techno-Club gewandelt.

Als Freund der alternativen, lauten Musik hat man’s leider wahrlich schwer in Frankfurt.

Ein schwacher Trost: Marburg und Darmstadt sind nicht weit. 

 

Platz 4 : Ein fähiger Verkehrsverbund

 

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Frankfurt am Main schmückt sich gerne damit, eine Metropole zu sein. Schön wäre es allerdings, wäre ein öffentlicher Nahverkehr vorhanden, der der Infrastruktur einer Metropole auch gerecht würde.

Verantwortlich für diesen Mangel:

Deutschlands wohl grottigster Verkehrsverbund, der Rhein-Main-Verkehrsverbund.

Dieser bestellt im Auftrag des Landes Hessen die Nahverkehrsdienstleistungen bei den unterschiedlichen Verkehrsunternehmen. Ebenso vorgegeben werden Fahrpläne, Linien und Fahrpreise.

Leider ist es dem RMV auch nach 20 Jahren seit seiner Gründung nicht gelungen, ein transparentes Preissystem zu erschaffen, welches vom durchschnittlichen Fahrgast (der doch einfach nur einen Fahrschein kaufen möchte) auch ohne abgeschlossenes Studium der Verkehrsgeographie sowie der Wirtschaftsmathematik verständlich und nachvollziehbar wäre.

Und klar, dass zum Fahrplanwechsel im letzen Dezember gleich noch eine saftige Preiserhöhung aufgetischt wurde.

Ach, wie schön das doch in anderen Städten ist: Da gibt es Ringe oder Streifen, nach einem schnellen Blick auf den Netzplan ist ersichtlich, wie viele von ihnen auf dem Weg zum Fahrtziel durchquert werden müssen – und folglich, welch Fahrpreis zu entrichten ist. Bestes Beispiel hierfür ist Berlin: Ring A, Ring B, Ring C – drei Ringe, drei Fahrpreise, fertig. Wie einfach das doch sein kann!

Die Fahrpreise indes sind im Dunstkreis des RMV obendrein happig: Auch Monatskarten sind im bundesweiten Vergleich unangefochten teuer. So kostet eine Monatskarte allein für das Stadtgebiet Frankfurt (pardon: Tarifgebiet 50) stolze knappe 90 Euro. Da ist sogar München – obwohl wesentlich größer – erheblich günstiger.

Der jüngste Versuch, das eigene Preissystem zu reformieren und endlich fair und verständlich zu gestalten, endete äußerst peinlich:

So wurde das als Revolution gefeierte Projekt “rmvSmart” noch während der Erprobungsphase für gescheitert erklärt.

Wäre ja zu verschmerzen, stünde den exorbitanten Fahrpreisen wenigstens ein entsprechendes, einer selbsternannten “Metropole” angemessenes Angebot entgegen. Ein echter Mangel besteht freilich auch an Parkplätzen, jedoch ließe sich dieser leicht beheben, würde es gelingen, mehr Menschen zur Nutzung von Bus & Bahnen zu bewegen. Dies setzte jedoch ein erschwingliches wie attraktives Angebot voraus.

Dem ist nicht aber so:

Nicht einmal am Wochenende verkehren – zumindest stündlich – S- und U-Bahnen. Erzählte man dies einem Nordrhein-Westfalen oder Berliner, dürfte man allenfalls ungläubiges Kopfschütteln ernten. Oder wahlweise schallendes Gelächter.

Aber hey, wer Samstag nachts nach ein Uhr noch nach Hause möchte, kann ja auch die restlichen Stunden der Nacht bei einer Rundreise kreuz und quer durch die Stadt im überfüllten Nachtbus verbringen. Unterhaltung durch Mitreisende garantiert!

Und wozu überhaupt eine nächtliche S-Bahn nach Offenbach oder Hanau? Da will doch eh niemand hin. Nicht freiwillig.

 

Platz 5: Polizeipräsenz in der Innenstadt

 

Die Polizei Frankfurt mag auf Facebook & Twitter überaus präsent sein. Und das nicht einmal erfolglos: Immer wieder stellen die Social Media-Beamten unter der Beweis, dass sie eine zeitgemäße wie humorvolle Kommunikation mit der Bevölkerung beherrschen. Über die Story vom von der Polizei gefundenen Poesie-Albums der kleinen Mila wurde sogar in der Berliner Zeitung berichtet. 

Wo sie dagegen weniger präsent ist: An den Brennpunkten der Frankfurter Innenstadt. 

So werden unweit der Polizeiwache 1 direkt an der Konstablerwache völlig ungeniert Drogen gehandelt. Man macht sich nicht einmal mehr die Mühe, zwecks Abwicklung der Geschäfte in die nächste dunkle Ecke zu verkrümeln:

Geld- wie Rauschgiftübergabe vollziehen sich am hellichten Tage gänzlich unbedarft und vor den Augen der Flaneure. Auch ich werde fast immer danach gefragt, ob ein akutes Bedürfnis nach Drogen meinerseits bestünde, wenn ich über die “Konsti” schlendere. Hab’ ich in anderen Städten so noch nie erlebt, stört mich aber nicht weiter. Die Dealer sind schließlich zumeist friedlich. Passanten mit weniger dickem Fell mögen jedoch durchaus eingeschüchtert sein. Mal ganz abgesehen davon, dass öffentlicher Drogenverkauf in Deutschland schlicht illegal ist. Warum die Polizei unter diesen längst stadtbekannten, florierenden Handel nichts unternimmt, ist bisweilen schleierhaft.

Was mich dagegen sehr stört: 

Wer am Wochenende nachts über die Zeil wandert, erhält unfreiwillig einen Einblick in menschliche Abgründe. Aggressive Betrunkene, randalierende Jugendliche und pöbelnde Halbstarke sorgen auch bei mir für eine innere Alarmbereitschaft. Eine teils aggressive Bettel-Mafia hat sich auf der Zeil etabliert und nimmt denen ihre Bühne, die wirklich bedürftig sind. Auf Münzen in ihrem Hut angewiesen sind, um zu überleben.

Das selbe Bild in den unterirdischen Bahnhöfen. Hier trifft man auf das selbe Klientel oder auch Süchtige, die auf Bahnsteige urinieren oder mit Crackpfeifen und Spritzen hantieren. All das kann man nächtens hier bewundern, jedoch eines nicht: Den Anblick von Uniformierten.

Klar, soziale Probleme lassen sich nicht allein durch Polizeipräsenz lösen. Dennoch löst dessen Anwesenheit ein subjektives Sicherheitsgefühl aus, welches ein jeder Bürger verdient hat. Und insbesondere in noch größeren Städten wie Berlin oder Köln, mal ganz zu schweigen von München (in denen ich oftmals unterwegs bin!) wäre eine von den Hütern des Gesetzes vollkommen verlassene Innenstadt unvorstellbar.

So gut ihr das mit diesem Facebook auch hinbekommt, liebe Polizei Frankfurt: Traut euch doch ab und an auch mal hinter euren Bildschirmen hervor und zeigt Präsenz in der Stadt. Bürger und Ruf der Stadt werden es euch danken. 

 

Platz 6: Konzertkultur

 

Frankfurt darf sich vollkommen zurecht als Geburtsort des Techno bezeichnen und bietet auch heute noch eine hervorragende Club-Szene. Auch im HipHop hat sich die Stadt früh einen Namen gemacht – ich erinnere an diese Stelle mal an das “Rödelheim Hartreim Projekt”.

Für handgemachte Musik bietet die Stadt leider wenig Platz. Insbesondere lokale Künstler haben es schwer, ihre Musik an ein Publikum zu bringen.

Die ganz großen Bands lassen Frankfurt derweil oftmals gleich ganz außen vor und bevorzugen den “Schlachthof” in Wiesbaden als Spielstätte.

Schön, dass Initiativen wie “OHRWURM” versuchen, mit Wohnzimmer-, Cafe – und Bar-Konzerten der Stadt ein wenig mehr musikalisches Leben einzuhauchen. Auch kleinen Künstlern eine Bühne zu bieten.

Klassische kleine Konzert-Locations sind derweil wenige vorhanden – seit Sinkkasten & die “alte” Batschkapp verschwunden sind, verblieben lediglich wenige davon. Hierbei seien das “Mampf” im Ostend erwähnt (Jazz), der “Dreikönigskeller” in Sachsenhausen sowie das “Spritzehaus” in Alt-Sachsenhausen.

Insbesondere im Vergleich zu Hamburg und Berlin hat Frankfurt hier echte Defizite. Doch die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt! 

 

Platz 7: Berge, Meer & Seen

 

 

“Ich liebe die Schiffe, das Meer und den Hafen” – das sangen Fettes Brot schon vor langer Zeit. Kein Wunder, würde ich ihn Hamburg leben – ich wäre wohl ähnlich angetan.

Der Münchner wiederum weiß die Alpen quasi vor seiner Haustüre und liebt sie für das Panorama, um welches sie seinen bayrischen Horizont erweitern. Okay, außer, er beschwert sich gerade wieder einmal über den Fön.

Doch ein spontaner Wander-Ausflug in die Berge? Ein Spaziergang am Meer? Ein ganzer Sommertag am See? In Frankfurt leider nicht ohne weiteres drin.

Ein paar Hügel, ja, Flüsse gibt’s auch ein paar in der Umgebung – das wars dann aber auch.

Wen die Lust auf Berge und Meer packt, ist dies erst einmal mit einer längeren Reise verbunden. Gut, dass man hier  wenigstens den größten Flughafen des Landes in der Nähe weiß – und die Welt dennoch recht schnell offen steht.
Wenn auch nicht für einen spontanen Ausflug.

Immerhin im Umkreis gibt es einige schöne Seen, welche teils sogar zum Baden genutzt werden dürfen und an denen es sich im Sommer schön fläzen und braun werden lässt. Prominentes Beispiele hierfür sind Langener Waldsee und Walldorfer See, die leider in der Hochsaison hoffnungslos überlaufen sind.

So schön die Seen auch sind, ohne Auto oder Bahn sind sie nur schwierig zu erreichen. Schade, dass im Stadtgebiet kein öffentliches Gewässer zum Baden zur Verfügung steht. Einzige Ausnahme ist der Schwedlersee, das kühle Nass ist jedoch ausschließlich den Mitgliedern des dort residierenden Schwimmclubs vorbehalten. Schade!

Platz 8: Gelassenheit der Stadtverwaltung

 

Kommen wir zu einem meiner absoluten persönlichen Top-Aufreger:
Die Stadt Frankfurt feiert sich nur allzu gern dafür, eine offene, urbane und lebenswerte Stadt zu sein. Lässig eben.

Leider gar nicht so lässig geben sich derweil Stadtverwaltung und Ordnungsamt, wenn es um Umsetzung und Einhaltung von Paragraphen geht. Eine öffentlich Ordnung will schließlich gewährleistet sein – gern auch mal auf Anordnung. Frankfurt liegt schließlich immer noch in Deutschland!

Drei Beispiele hierfür aus der jüngsten Zeit dürften dem Bürger noch in guter Erinnerung sein:

So entwickelte sich das von zwei jungen Kerlen übernommene Wasserhäuschen “GUDES” zum geschätzten Treffpunkt für die Nachbarschaft im Nordend.

Der angrenzende Matthias Beltz-Platz wurde als Open Air-Wohnzimmer genutzt, sogar Tische und Stühle wurden von den Besuchern aufgestellt und erfreuten sich großer Beliebtheit.

Dies alles ging der Stadt – die urbane Entwicklungen vordergründig begrüßt – dann doch zu weit. Zuerst wurde dem Wasserhäuschen mangels Ausschankgenehmigung untersagt, die verkauften Getränkeflaschen zu öffnen.

Dann schickte man sich gleich mehrfach an, die auf dem Matthias Beltz-Platz aufgestellten Möbel als wilden Sperrmüll zu entsorgen. 

Erst nach lautstarkem Protest der Nutzer des Platzes und langen Diskussionen auf politischer Ebene erbarmte sich die Stadt, 40 einheitliche Klappstühle zu finanzieren und dort aufzustellen. Behördlich genehmigt, versteht sich.

Ähnliches Ungemacht ereilte auch den Kiosk “Yok Yok” im Bahnhofsviertel, das von der Stadt ach so gern für seine Lebendigkeit gepriesen wird.

Ausgerechnet Letztere war dem Ordnungsamt dann doch ein Dorn im Auge:

Es untersagte kurzerhand den Verkauf von alkoholischen Getränken nach 22 Uhr. Inhaber Nazim Alemdar hat gemäß´Verfügung außerdem dafür zu sorgen, dass sich vor dem Kiosk nach 22 Uhr keine Menschen mehr aufhalten und ihre Getränke dort verzehren.

Konsequenz des Ganzen: Die Menschen “verzehren” ihre Getränke jetzt 5 Meter nebenan, außerhalb des “Einwirkbereichs seiner Gastsätte”. Jawollja, Ordnung muss sein!

Über den dritten Fall wurde gar überregional berichtet: 

Der Obdachlose Reiner Schaad, bekannt als “Eisenbahn Reiner”, gehörte seit Jahren zum Stadtbild. Die Frankfurter kennen und mögen ihn, grüßen ihn, wenn er allmorgendlich seine Spielzeugeisenbahn an seinem Stammplatz in der Liebfrauenstraße aufbaut. Hey, hat echt niemanden gestört. Nun ja – fast niemanden.

Kein geringerer als der Mönch “Bruder Paulus” reichte nämlich Beschwerde über diesen in seinen Augen wohl untragbaren Zustand ein. Genau, ich weiß schon, warum ich Heiligkeiten wie Scheinheiligkeiten nicht mag. Das Ordnungsamt reagierte – und konfiszierte Reiners Eisenbahn und untersagte ihm den künftigen Aufbau seines Lagers. Könnte ja schließlich jeder kommen. Ferner liege dem Obdachlosen keine “Sondernutzungsgenehmigung für öffentlichen Raum” vor – die er blöderweise ohne festen Wohnsitz niemals hätte beantragen können.

Nach einer großen Welle der Solidarität und zahlreichen, öffentlich wirksamen Protestaktionen, knickte die Stadt dann persönlich ein – nachdem sich Oberbürgermeister Feldmann persönlich zu einer Reaktion gezwungen sah.

Nach mehreren Wochen des Kampfes dann knickte der Verkehrsdezernent Klaus Oesterling ein und sprach “Eisenbahn-Reiner” ein Sondernutzungsrecht samt Ausnahmegenehmigung zu. Wohl, um weiteren Schaden des Ansehens der Stadt abzuwenden. Reiner indes ist derweil die Lust an seiner Eisenbahn vergangen – er möchte doch eigentlich nur seine Ruhe haben wollen.

Liebe Stadtverwaltung, liebes Ordnungsamt: 

Auch ohne, dass ihr es gerne propagiert – unsere Bürger SIND offen und pflegen ein entspanntes Miteinander. Hört endlich auf, dies mit eurer Engstirnigkeit zu gefährden und torpedieren! Danke.

 

Platz 9: Ein gutes Image

 

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Nach Berlin wollen sie ohnehin alle. “Kraftklub” vielleicht mal außen vor. München gilt gemeinhin als die “Perle des Südens”, jeder schwärmt vom dortigen Bier, der Gemütlichkeit der weltbekannten Biergärten.

Ich habe noch nie jemanden getroffen, der von einem Besuch in Hamburg zurückgekehrt wäre, und nicht von der Stadt geschwärmt hätte. Köln, das ist Karneval und rheinländische Heiterkeit, der Besucher Dresdens verliebt sich augenblicklich in die schöne Altstadt.

Heidelberg, ja, die quirlige Studentenstadt – oft bereist sogar von Asiaten und Amerikanern – mag auch irgendwie jeder, Freiburg wird ebenso schnell ins Herz geschlossen. Ebenso wie Nürnberg, das nicht nur zum Zeitpunkt des Christkindlmarktes gern besucht wird. Soll ja schließlich auch ziemlich gutes Bier dort geben. 

Und was ist eigentlich mit Frankfurt?

Frankfurt gilt vielen nach wie vor als ein großes Moloch.
Wie oft schon bekam ich zu hören, Frankfurt sei eine schmutzige, kalte Stadt voller Elend und Bänkern – insbesondere von Leuten, die “mal zu einer Messe” hier waren oder deren Frankfurt-Besuch ausschließlich zwischen Haupt- und Konstablerwache stattfand.

Ich bekomme dann stets das akute Bedürfnis, meine Heimat zu verteidigen.
Und sehe nicht ein, dass Frankfurt im Beliebtheits-Ranking deutscher Städte immer noch irgendwo zwischen Dessau und Castrop-Rauxel rangiert.

Doch, auch ich muss eingestehen, Frankfurt hat sich nicht mit Ruhm bekleckert, was die Stadtentwicklung in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts betrifft. Insbesondere sozial- und verkehrspolitisch wurden zahlreiche Fehlentscheidungen getroffen, vom schon grotesk-hässlichen Wiederaufbau der im Krieg zerstörten Innenstadt einmal ganz zu schweigen.

Erschwerend kommt hinzu: Jede Großstadt hat ihre Schandflecken und Brennpunkte. Blöderweise liegt der wohl jahrzehntelang größte davon direkt an dem Ort, den der gemeine Frankfurt-Besucher meist als erstes zu Gesicht bekommt: Dem Hauptbahnhof.

Kann ich es also jemandem verübeln, der – frisch in Frankfurt angekommen – den Hauptbahnhof verlässt und sich augenblicklich die Frage stellt:

” Um Himmels Willen . das hier soll also Frankfurt sein? Wann fährt der nächste Zug, der mich schnell wieder weg bringt von hier? “

Irgendwie nicht. Und das finde ich so schade! 

Frankfurt, du hast viel Mist gebaut in den letzten Jahrzehnten. Dir deinen Ruf als Verbrechens- und Betonhauptstadt hart erarbeitet. Wird Zeit, dass du dich mächtig ins Zeug legst – um einen Ruf zu erhalten, der dir als so lebenswerte, bunte und auch schöne Stadt gerecht wird. Meinen eigenen Beitrag hierfür steuere ich gern bei!

Platz 10: Waschechte Frankfurter

 

Läuft man durch die Straßen Münchens, so sind all diejenigen, die ihr gesamtes bisheriges Leben an der Isar verbracht haben, schnell und zahlreich auszumachen. Mit unverkennbarem Dialekt und einer herzlichen “Grantligkeit” sind die Münchner Kindl, wie sie sich selbst so gern bezeichnen, schnell auszumachen.

In der Hauptstadt ist der waschechte Berliner ebenso schnell auszumachen.
“Klar, dit ick von hier bin!”, fragt er, und schimpft über all die Touristen und Zugezogenen.

Im Ruhrpott ist der Durchschnitts-Westfale ebenso stolz auf Heimat und längst vergangene Zeiten, als im Pott noch rauchende Schornsteine Deutschlands Wohlstand sicherten.

So erfüllen eigentlich allerorts im Lande die Einwohner viele der Klischees, die man ihnen so nachsagt.

Doch was ist mit Frankfurt? Wo sind sie denn, all die Frankfurter Originale? 

Hand aufs Herz:
Wann habt ihr zuletzt einen waschechten Frankfurter kennen gelernt?

Diejenigen, die Apfelwein schon mit der Muttermilch aufgesogen haben, bereits ihre Kindheit hier verbracht haben – und auch aufgrund ihrer Redensart sofort als “Frankfodder” auszumachen sind?

Die der Eintracht die Treue schwören und selbstverständlich alljährlich über Pfingsten Urlaub nehmen, um im Stadtwald tagelang den “Wäldchestag” zu zelebrieren?

Mir passiert das wirklich selten. Schade eigentlich, verleihen doch gerade die schon immer Hier-Gewesenen ihrer Stadt einen unverwechselbaren Charakter.

Mag wohl daran liegen, dass viele Menschen allein aus beruflichen Gründen in der Mainmetropole landen. Die Fluktuation hoch, die Verweildauer begrenzt ist. 

Und vielleicht auch daran, dass “Frankfurter sein” mehr ein Gefühl der Zugehörigkeit als eine Frage der Herkunft ist. 

Trotzdem fordere ich all die Menschen, welche Frankfurt am Main als ihren Geburtsort im Personalausweis eingetragen haben, dazu auf:

Egal, wo auch immer ihr euch verstecken mögt: 

Verlasst öfters mal eure Wohnungen in Unterliederbach, Sindlingen, Zeilsheim, Hausen, Harheim oder Ginnheim – und mischt euch unter all die Zugezogenen!

Schließlich seid ihr eine echte Bereicherung für diese Stadt!

Insbesondere in den innerstädtischen Stadtteilen lässt es sich bislang zwar vorzüglich über die Heimat des Gegenübers unterhalten –  aber ein paar Anekdoten von früher, ein paar Worte gepflegter Frankfurter Mundart, ein bisschen mehr Frankfurt dem Stadtleben: Ja, das wäre schön. Eine Bereicherung, mir eine große Freude. Traut euch!


 

Aber sonst…

 

Ja, aber sonst hat Frankfurt so ziemlich alles, was eine lebens- wie liebenswerte Großstadt auszeichnet. Und nirgends dürfte eine größere kulturelle, architektonische wie landschaftliche Vielfalt auf ähnlich kleinem Raum bestehen. 

Frankfurt – das ist oftmals Liebe erst auf den zweiten Blick. Doch wer sich einmal von der Stadt in ihren Bann hat ziehen lassen, der mag hier nicht mehr weg.

Und sagt man nicht gerade den Frankfurtern nach, sie seien nur glücklich, wenn sie ordentlich was zu meckern haben?

Mir jedenfalls gehts nun schon deutlich besser.

Und in einer perfekten Stadt zu leben – das wär’ ja auch irgendwie langweilig, oder?

 

 

Undercover im roten Bus: Als Touri in der eigenen Stadt

So sehr ich auch jede freie Minute in meiner Heimat liebe und schätze, so gern besuche ich ja auch hin und wieder mal fremde Städte.

“Reisen bildet”, sagt man – und ja, sich durch fremde Städte treiben zu lassen, deren Architektur zu bewundern und deren Luft zu atmen: Das hat was. Ganz zu schweigen von den Menschen, die man kennen lernen kann – nein, man muss nicht einmal weit weg fahren, um den eigenen Horizont zu erweitern. Und anschließend mit unzähligen neuen Eindrücken und frischer Inspiration zurückzukehren, nach Hause an den Main.

 

Einfach mal “Touri sein”, das sei noch jedem vergönnt!

Und dennoch: 

Hand aufs Herz, ein jeder Heimatliche schmunzelt innerlich, wenn er Touristen durch die eigene Stadt schlendern sieht. Schwer bepackt mit Foto-Apparat um den Hals: Das Touri-Klischee lässt sich eigentlich nur noch mit einer Sightseeing-Tour im roten Doppeldecker-Bus toppen, welche in so ziemlich allen Großstädten dieser Welt ihre Runden drehen, um die eingängigen Sehenswürdigkeiten abzuklappern.

So auch in Frankfurt! Doch was sind eigentlich die eingängigen Sehenswürdigkeiten meiner Stadt? Wer nutzt überhaupt seine Urlaubstage, um meiner Heimatstadt Besuch abzustatten? Und vor allem: Sich bequem und jedem Klischee entsprechend im Sightseeing-Bus chauffieren zu lassen? Wo ist man her – und wieso reist man ausgerechnet nach Frankfurt?

 

Ich beschließe, dies herauszufinden.

Über die Website des Anbieters buche ich die “CityTour” für einen Fahrpreis von stolzen 14,90 Euro. Nicht ganz günstig, aber eine Kurzstrecken-Fahrkarte kostet ja mittlerweile RMV sei Dank auch nur noch unwesentlich weniger.

Und bereits die Homepage ist ein echtes Highlight:
Ich hatte ja ganz vergessen, wie Webseiten im Jahr 2001 ausgesehen haben. Mehr Retro-Charme geht nicht!

60 Minuten lang dauert die Touri-Rundfahrt:

Eine Stunde, in der die wichtigsten Sehenswürdigkeiten Frankfurts abgeklappert werden sollen. Ich bin gespannt, was mich erwartet!

Ich mache mich also auf zur Haltestelle “Dom/Römer”, von wo aus die Busse im Halbstundentakt aus abfahren und auch wieder ankommen.

Der auffällig rote Bus steht abfahrbereit an der Haltestelle, und ich schäme mich bereits ein wenig, als ich den Bus besteige und dem leicht gelangweilten Fahrer mein Ticket präsentiere. Dieser stattet mich auch direkt mit Einweg-Kopfhörern und Stadtplan aus.

Gut ausgerüstet erklimme ich das Oberdeck, suche mir ‘nen schicken Platz – und schaue mich um.

 

Die meisten Plätze bleiben leer

Lediglich sechs weitere Menschen möchten sich in bester Touri-Manier durch die Stadt chauffieren lassen. Nun gut, es ist halt auch Februar, ziemlich bewölkt und obendrein ein Mittag am Donnerstag.

Zeit, mit meinen Mitreisenden ins Gespräch zu kommen. Schließlich werden wir die nächste Stunde gemeinsam gefangen in einem bereiften Tourismus-Klischee verbringen.

Ganze fünf meiner Mitreisenden erweisen sich als belgischer Freundeskreis, welche mir erzählen, dass sie das morgige Davis Cup-Spiel besuchen werden und deswegen nach Frankfurt gereist sind. Hochrangige Tennis-Matches: Das ist sogar mir als Frankfurt nicht bekannt gewesen.

“And further we are here to conquer Germany”, ergänzen sie und lachen. Ich lache mit, jaja, diese Belgier – sollen die das mal versuchen! 

Es ist nicht ihr erster Besuch in Frankfurt; allerdings seien sie bislang nur zum Umsteigen an Flughafen und Hauptbahnhof gewesen – und die Messe, ja, die habe man auch schon öfters mal besucht. Umso schöner, endlich mal Zeit zu haben, sich den Rest “Mainhattans” anzuschauen.

Unmittelbar hinter mir nimmt eine junge Asiatin platz. Meine Frage nach ihrer Herkunft beantwortet sie mit entschlossenem “Chinese!”, ebenso die Frage nach ihren gesprochenen Sprachen. Mist, war wohl nix mit Kennenlernen. Allerdings erweist sie sich als äußerst hilfsbereit und stellt mir ungefragt den Schalter für die Sprachausgabe der Führung auf ihre Landessprache um. Wirklich äußerst freundlich, diese Asiaten!

 

Und los geht’s!

Die Begrüßung vom Band reißt uns aus unseren Gesprächen und stimmt uns mit den basic Facts zur Stadt auf die kommende Rundfahrt ein. Jaja, bedeutendes Wirtschaftszentrum, schöne Fachwerkhäuser, größter Flughafen der Republik, jaja ich weiß schon, und zwei Minuten vor der Abfahrtszeit geht unsere Reise los. Da sollte sich die deutsche Bahn mal ein Beispiel dran nehmen!

Wir starten auf der Berliner Straße, einmal rum ums Eck: Hallo auch, Paulskirche! Die Bandansage bedudelt uns mit der Geschichte der Kirche, und ehe wir uns versehen, zieht die große Euro-Skulptur an uns vorbei und wir befinden uns in mitten in den Häuserschluchten des Bankenviertels. Man staunt hier und da, der Bus biegt ab:

Ja, hallo auch, Westend! Wohlhabendes Viertel, jaja, der Palmengarten – huch, und vorbei ist er! – und schon erspähen wir die Bockenheimer Warte durch die große Frontscheibe des Oberdecks. Info hierzu: Am Fuße dieser findet ein Wochenmarkt statt. Heute sogar tatsächlich.

 

Tageslicht, gesetzlich vorgeschrieben

Bis hierhin mag sich im Bus noch keine rechte Begeisterung für Frankfurt breitmachen. Was sich auch nicht ändert, als bei der Vorbeifahrt am Hauptbahnhof darauf aufmerksam gemacht wird, dass sich an den Fassaden der Frankfurter Hochhäuser außergewöhnlich viele Fenster befänden.

Dies liege allein darin, dass in Deutschland für jeden Büroarbeitsplatz Tageslicht gesetzlich vorgeschrieben sei. Heyheyhey, hier kann ja sogar ich noch was lernen!

Nun aber vorbei am Hauptbahnhof: 

Wir überqueren erstmals den Main, und endlich kann ich ein staunendes “Ooooh!” von der Chinesin hinter mir vernehmen. Auch die obligatorische Kamera wird – endlich, endlich! – gezückt. Na, geht doch!

Wir biegen links ab, zu unserer Rechten: Das Museumsufer.
Während der Vorbeifahrt bekomme ich tatsächlich ein schlechtes Gewissen. Während die Bandansage die einzelnen, teils weltbekannten Museen erwähnt, stelle ich für mich selbst nur fest: Ooooops, noch in keinem davon gewesen.
Ich alter Kulturbanause, ich!

Es folgt ein Abstecher nach Alt-Sachsenhausen.

Wir lernen, dass Apfelwein zwar sehr sauer schmeckt, dafür aber äußerst erfrischend ist. Und – natürlich! – dass Frauen ihn vor allem aufgrund seines geringen Kaloriengehalts zu schätzen wissen. Ganz klar, wieso auch sonst?

Über die alte Brücke geht’s zurück nach “Hibbdebach”, am Eisernen Steg zurück in Innenstadt – und ehe ich mich versehe, ist die Endhaltestelle am Dom schon wieder erreicht.

 

Wie gefällt’s den Touris?

Ich als Frankfurter muss sagen, dass ich nicht wirklich Neues gesehen habe. Außer vielleicht, dass Tageslicht vorgeschrieben für deutsche Büroarbeitsplätze sei. Dennoch war’s eine lustige Stunde, und einmal in die Haut eines Touristen zu schlüpfen: Ja, das hat Spaß gemacht.

Doch welches Fazit ziehen die wahren Touristen? 

Nach dem  Ausstieg befrage ich die belgische Reisegruppe.

Das war sie also nun, die Rundfahrt. Welches war euer persönliches Highlight? 

“Eindeutig das Hochhaus der europäischen Zentralbank. Es ist mit Sicherheit nicht das schönster der Stadt – aber das Bedeutendste, und bislang kannten wir es nur aus dem Fernsehen.” 

Und mal ganz generell: Was vermisst ihr als Belgier während eures Besuchs hier in Frankfurt? 

“Ihr Deutschen mögt zwar außerordentlich bekannt für euer Bier sein. Aber unser belgisches ist eindeutig das Bessere! Ganz zu schweigen von der Schokolade. Wenn es um Genuss geht: Da könnt ihr noch viel von Belgien lernen!” 

Ich notiere das mal so. Aber es gibt doch bestimmt auch etwas, das ihr an Deutschland und Frankfurt schätzt? 

“Allerdings! Hier wirkt alles sehr aufgeräumt und sauber, sogar eine Großstadt wie Frankfurt. Und alles ist hier gut organisiert, pünktlich und verlässlich – das beeindruckt uns sehr!” 

Oha, sämtliche Klischee über Deutschland mal wieder erfüllt. Krass. Ist da vielleicht tatsächlich was dran? Vielleicht sollte ich Belgien ja tatsächlich einmal besuchen. 

 

… und mein Fazit?

Mal Tourist sein in der eigenen Stadt: Das war wirklich spaßig. Klar, die Busfahrt ist verhältnismäßig teuer, und wirklich Neues sehen und erfahren tut man als Einheimischer freilich nicht. Doch der Austausch mit Touristen hat mir gut gefallen – und auch die nervtötenden Ansagen, die mir immerhin bewusst werden ließen, welchen Stellenwert und welche Vorzüge unsere Stadt im Ansehen der Welt genießt.

In der Haupt-Saison wäre die Fahrt mit Sicherheit noch interessanter gewesen:
Dann sind die Plätze in den roten Bussen erfahrungsgemäß restlos besetzt, und ich hätte mit noch mehr Besuchern ins Gespräch kommen sollen.

Aber hey, bald ist ja schon wieder Sommer! 🙂

 

Auf der Jagd nach den Sternen: Beim Frankfurter Foto-Slam

Dass ein “Foto-Slam” ebenso unterhaltsam und spaßig sein kann wie die weitaus populäreren “Poetry-Slams” es sind:

Darüber hatte ich schon nach meiner letztmaligen Teilnahme am bildschöpferischen Wettbewerb in diesem Blog berichtet.

Und auch, wenn mir mein Sieg trotz abenteuerlicher Jagd nach den letzten Telefonzellen als Relikten einer vergangenen Zeit verwehrt blieb – ich fieberte bereits dem nächsten Foto-Slam entgegen, an dem mein Dienstplan mir eine Teilnahme ermöglichen würde.

 

“Foto-Slam”: Noch nie gehört?

Dann kurz aufgepasst, denn das Konzept ist schnell erklärt:

Foto-Freunde werden über die Facebook-Seite des Veranstalters dazu aufgerufen, sich – ausgestattet mit Kampfgeist, guter Laune und Kamera (ein Smartphone tut es auch!) in der Bornheimer Kult-Absackstube “Lebensfreude Pur” zu versammeln.

Dort hat ein jeder Teilnehmer die exklusive Gelegenheit, einen Motto-Vorschlag aufzuschreiben und in einen Hut zu verfrachten.

Blind wird eines der Mottos gezogen – dieses dient dann als Oberbegriff für die Werke, die es im Rahmen des Wettbewerbs zu erstellen gilt.

Eine Stunden lang haben die Foto-Slammer nun Zeit, um auszuschwärmen. Es darf sich im gesamten Stadtgebiet aufgehalten werden, um ein dem Motto entsprechendes Motiv zu finden. Wer schlau ist, erscheint also zumindest mit dem Fahrrad!

Nach Ablauf der Stunde wird sich dann wieder in der “Lebensfreude” versammelt, um einen Schoppen zu beordern und das eigene Foto einzureichen.

Alle Bilder werden dann – freilich ohne Angsbe des Fotografen – auf Leinwand präsentiert. Mittels Stimmen in Form von Kaffeebohnen, die auf Schnapsgläser verteilt werden, wird nun in bewährten Verfahren der Sieger bestimmt. Dabei darf sowohl kumuliert als auch panaschiert werden, wie man das im Amtssprech so schön schimpft.

Das Bild mit den meisten Stimmen gewinnt. Dessen Urheber wird bekannt gegeben – und dieser darf sich darüber freuen, als Gewinner aus dem Turnier hervorzugehen. Obendrein winken Ruhm, Ehre & ‘ne Menge Lobhudelei, versteht sich.

Klingt spaßig? Ist es auch!

 

Also: Auf nach Bornheim!

Auf die Mitnahme einer Spiegelreflexkamera verzichte ich, als ich mich aufs Fahrrad schwinge. Schließlich fotografiere ich nur noch analog – und die Zeit bis hin zur Entwicklung würde dann doch etwas den Rahmen des Slams sprengen.

Ich treffe ein, grüße die bereits anwesenden Mitstreiter – zwölf an der Zahl, die gemeinsam mit mir heute um den Titel des “Foto-Slammers Februar 2017” buhlen werden.

Doch zunächst werfe auch ich meinen Motto-Vorschlag in den Hut. Veranstalter Jürgen schüttelt noch mal kräftig durch, zieht einen Zettel heraus und liest vor:

 

Die Jagd nach den Sternen

Stern(e) also: Unter diesem Begriff sollen heute unsere Bilder entstehen. “Warum ausgerechnet Sterne?”, denke ich mir – und blicke in den wolkenverhangenen, dunklen Himmel.

Doch der für Frankfurter Ortskenntnis zuständige Bereich meines Gehirns beginnt zu rattern. Die Zeit läuft.

Brainstorming im Kopf

Stern… Stern… Stern… Zum Stern! Klar, dass es nicht lange dauert, bis mir die Kneipe “Zum Stern” in Alt-Sachsenhausen in den Sinn kommt. Doch Kälte und Anfahrt schrecken mich ab. Und was sollte dort schon für ein Motiv herauskommen? Ein Foto des Schriftzugs “Zum Stern” auf der Fassade”?

Nee, also, ähm… doch nicht. Ich denke weiter nach.

“Stern Kaffee!” – Wieso komme ich als Kaffee-Junkie nur jetzt erst darauf? 

Blöde nur, dass das gleichnamige Kaffeehaus an der Paulskirche schon geschlossen hat. Und auch die Rösterei Wissmüller in Bockenheim, die mein schwarzes Gold erschafft, hat bereits geschlossen. Schade, deren Räumlichkeiten hätten sicherlich ein schönes Motiv abgegeben – mit all den STERN-Kaffeetüten.

Ich grüble weiter. Stern-Kaffee gibt’s ja auch anderswo. Na klar, in der “Margarete” beispielsweise! Ich trete in die Pedale und radele gen Innenstadt. Nun ja, zumindest bis ich an einem Kiosk vorbeifahre und die Zeitschriften-Auslage erspähe.

Na klar doch! Der “Stern” – das ist ja schließlich auch ‘ne Zeitschrift! Und die liegt doch für gewöhnlich in der Mokkateeria aus. Also: Nix wie hin, so’n Käffchen täte mir auch sicher gut bei dieser Eiseskälte.

Doch prompt folgt die Ernüchterung: 
Spiegel und Focus sind im Angebot – der Stern leider vergriffen. Fuck. 

 

Verzweifelt bei REWE

In meiner Verzweiflung treffe ich eine letzte Entscheidung. Aufgeben gilt schließlich nicht! Ich fahre zum REWE nebenan, hechte zu den Zeitschriften. Neben mir studiert bereits eine nette junge Dame die Auslagen. Ich spreche sie an, erkläre ihr meine Not. Bitte sie darum, statt ihrer Frauenzeitschrift den “STERN” zu studieren. Was sie auch – nach kurzem Kopfschütteln – gern zu tun bereit ist. Ich versuche mich an einigen Perspektiven und Einstellungen – Bild im Kasten!

Nun schnell zurück zur “Lebensfreude Pur” und Bild einreichen. Apfelwein bestellen, hinsetzen, verschnaufen. Auch meine Konkurrenten trudeln ein und reichen ihre Werke ein.

 

Und der Sieger…. bin ich?!

Ich bin bereits gespannt auf die Präsentation der entstanden Fotos. Und packe mir an die Stirn, als ich feststelle, dass ich mal wieder zu kompliziert gedacht habe.

Mercedes-Sterne, Blenden-Sterne der Straßenlaternen, Sternblumen – hätte ja nun wirklich nicht unbedingt Kaffee der Marke “Stern” sein müssen.

Kurz lache ich auf und bin ein wenig frustriert – außer mir hatte noch jemand die Idee mit dem “Stern” als Zeitschrift. Allerdings plaziert im Tiefkühlregal eines Supermarktes. Die Message versteh’ ich nicht so ganz, aber dennoch: Hey, wir sind ja alle kreative!

Die Abstimmung beginnt. Wir verteilen unsere Kaffeebohnen auf die Gläser. Ich persönlich habe meine Favoriten schnell gefunden: Ein wunderschönes Bild von Straßenlaternen, die ihr Licht sternförmig über die dunklen Straßen Bornheims verteilen. Und eines, dass eine sternförmige Maske in einem Schaufenster zeigt – in dem sich wiederum die Sonne (ist das nicht auch ein Stern?) der Spielothek gegenüber zeigt. Klasse Bild!

 

Welches der Bilder wohl gewinnen mag? 

Die Stimmen werden ausgezählt. Es ist…. meines. Ich schüttele meinen Kopf, vergewissere mich nicht zu träumen. Doch, tatsächlich, ich gewinne mit den meisten abgegeben Stimmen. Woah – und das mit meinem Smartphone, obwohl die anderen Teilnehmer allesamt ausgerüstet mit DSLR, mehreren Objektiven und Stativen angereist sind.

Schön, hier bestätigt zu bekommen, dass nicht allein das Equipment zählt – sondern ebenso Idee, Motiv und Umsetzung. Ich lasse mich kurz feiern, nachdem ich mich als Urheber des Bildes geoutet habe. Erzähle die Geschichte dahinter – und bin gespannt auf die Geschichten hinter den anderen Bildern.

Seid doch dabei beim nächsten Mal – und fordert mich als Titelverteidiger heraus! 

Alle Infos zum nächsten “Frankfurter Foto-Slam” findet ihr hier.

Dort könnt ihr auch die gesammelten Werke meiner Mitstreiter betrachten.

Und bis dahin: Allzeit “Gut Knips”!

 

 

Happy Birthday: Ein erster Hauch der QuarterLife-Crisis?

Nun sitze ich also hier, am Tresen meiner Lieblings-Kneipe in meiner unmittelbarer Nachbarschaft, mitten drin im Frankfurter Nordend.

Und beginne eine Ahnung von all den Gedanken, Zweifeln und Ängsten zu bekommen, die so ziemlich einen Jeden recht pünktlich zum 30. Geburtstag ereilen.

Zwar habe ich noch etwas Schonfrist, bis ich mich endgültig von meinen Zwanzigern verabschieden muss. Jedoch werde ich in exakt 48 Minuten meinen 29. Geburtstag feiern, und ich fürchte, auch mein nächstes Lebensjahr wird nur allzu schnell an mir vorüberziehen.

Einmal Frühjahr, einmal Sommer, noch ein Herbst – und zack, dann ist sie da, die Dreißig. Die doch irgendwie Symbol ist für ein endgültiges Erwachsensein.

Hey, war ich nicht gestern erst 20? Ich nehme einen Schluck aus meinem Gerippten und werfe einen Blick zurück.

Als Jugendlicher hatte ich einen väterlichen Freund, der damals in dem Alter gewesen ist, in dem ich mich heute befinde. “Ende zwanzig” eben.

 

Dieser väterliche Freund von mir, er war für mich der Inbegriff des Erwachsenseins:

Er hatte einen Job. Eine eigene Wohnung in einer Großstadt. Durfte spätabends noch ein Bier in der Kneipe trinken gehen, ohne dafür Schülerausweise fälschen zu müssen und unangenehme Fragen beantworten zu müssen. Und wenn ihm danach war, bis in die Morgenstunden hinein tanzen zu gehen, dann hat er das eben gemacht.

Kurzum:

Er, das war der erwachsenste Mensch für mich überhaupt. Grund für mich, mich im Zimmer meines Elternhauses auf dem Dorf nach dem Erwachsensein, einem unabhängigen Leben, meinem Traumberuf zu sehnen.

 

Sogar bügeln kann ich!

Und heute? Heute bin ich selbst so alt wie damals väterlicher Freund und mein Vorbild es war.

Lediglich: Ich fühle mich mitnichten “erwachsen”.
Und, ganz ehrlich: “Erwachsen sein”, was bedeutet das schon? 

Ich habe meinen Traumberuf ergriffen, der mich recht anständig verdienen lässt. Ich kann es mir leisten, in einer schicken Wohnung zu leben. In einer Großstadt, die erstmals ein Gefühl der Heimat in mir erweckt hat.

Ich habe viele Bücher gelesen, habe so manchen Ort der Welt bereist. Unzählige Menschen sind in mein Leben getreten, ebenso viele haben es wieder verlassen. Manche blieben länger, manche nur kurz. Nur meine Familie, die blieb für immer.

Ich kann für mich sorgen, ich kann Wäsche waschen, weiß einen Wischmopp zu benutzen. Und sogar Hemden bügeln kann ich!

Die Weisheitszähne habe ich verloren, dafür zieren bereits zwei Brücken mein Lächeln. Gut, dass ich über eine Zahn-Zusatzversicherung verfüge. Ja, auch solche profanen “Erwachsenen-Dinge” besitze ich.

Ich habe viele Feste gefeiert, manch Kater auskuriert. Ich habe gelacht, geweint, mal gewonnen, mal verloren. Mir mein Herz brechen lassen – und andere gebrochen. War mal der Arsch, mal das Häufchen Elend.

Erlebte Höhenflüge, bin so richtig abgestürzt. Habe Hilfe erfahren, habe mich neu entdeckt und mich mit meiner Liebe zu neu entdeckten Leidenschaften wieder aufgerappelt. Dieser Blog ist eine dieser Leidenschaften.

Die schönsten und bittersten Erfahrungen meines Lebens sind in Form von Tattoos auf meiner Haut verewigt.

Ich gehe arbeiten, habe Hobbies, verdiene Geld, gebe es aus. Verreise ab und zu, gehe nach wie vor auch gern mal feiern. Ich treibe Sport, wann auch immer die Zeit es zulässt – und bin froh, wenn ich meine Jungs treffe.

 

Könnte glatt so weitergehen, oder?

Es sind nun noch 34 Minuten bis zu meinem Geburtstag, und ich resümiere:

Jawollja, es ist mir gelungen, ein unabhängiges Leben aufzubauen. Jede meiner Entscheidungen habe ich aus freiem Willen treffen können, ich bin nur mir selbst Rechenschaft schuldig und habe auch ansonsten (gottlob!) keinerlei Schulden. Äh, auch meinen Deckel am letzten Wochenende hatte ich bezahlt. Glaube ich.

Herzlichen Glückwunsch also, Sie haben Ihr Ziel erreicht? 

Doch genau der Gedanke daran, dass es jetzt ja eigentlich so weiter gehen könnte: Er lässt mich verzweifeln und macht mir Angst.

Fast tröstlich, dass es nicht nur mir so geht. Mittlerweile wurde schließlich gar ein Begriff erdacht für dieses kritische Zurückblicken, gepaart mit der fatalsten aller Fragen: “War das jetzt schon alles?”.

“Quarter Life Crisis”, so hat man diese kleine Lebenskrise getauft. Die die Kraft hat, so manchen Endzwanziger kurzzeitig mal ordentlich aus der Bahn zu werfen.

 

Noch 23 Minuten

Und ich fürchte, ein Hauch dieser hat auch mich soeben erreicht. Klar, alles könnte gemütlich so weiter zu gehen. Aber hey, soll das tatsächlich schon alles gewesen sein? Bin ich angekommen, verharre nun mein restliches Leben lang im Alltag, den ich mir erschaffen habe?

Noch ist’s ja nicht zu spät, noch erwarte ich zu viel vom Leben. Aber was soll da noch kommen? Wie viele Orte dieser Welt muss man bereist haben, um “angekommen” zu sein? Wie viele Bücher soll ich noch lesen, um als “belesen” zu gelten? Welche Karriere soll ich noch machen, um mich mit stolz geschwellter Brust als “erfolgreich” bezeichnen zu dürfen?

Ich fürchte, meine Gedanken enden bei der alten Frage nach dem Glück.

Ein Zitat fällt mir ein, welches mir eine Person mit auf den Weg gegeben hat, die wohl zu den herausragendsten und denkwürdigsten Bekanntschaften meines bisherigen Lebens zählt:

Es gibt kein schönes Leben. Es gibt nur schöne Tage

Ein wunderschönes Zitat, und ich vermute, es ist verdammt wahr.

 

Solange ich noch Träume habe…

Ich ziehe an meiner Zigarette (ja, auch damit hab ich irgendwann mal ngefangen…) und überlege mir, was ich von den kommenden Jahren noch erwarte.

Ich könnte so viel tun und machen, so viel sehen und erleben – nur:
Möchte ich das? Will ich das? Und – um Himmels Willen – was verpasse ich auch alles? Kann ich mit 29 tatsächlich schon Wurzeln geschlagen haben in einer Stadt? Oder nicht vielmehr nochmals meine Zelte abbrechen, um den Horizont zu erweitern?

Ich weiß es nicht. Wirklich nicht. 

Was ich aber ganz bestimmt weiß: Solange ich noch konkrete Ziele habe, solange ich noch Träume haben, solange mag ich mein Leben verdammt gerne.

Ich mag ein Buch schreiben. Mag zumindest Südostasien entdecken. Mag nicht von dieser Welt gehen, ohne Vater zu sein. Und zwar mindestens der allerbeste Papa dieser Welt!

Gleich ist es soweit. Der Minutenzeiger meiner Armbanduhr rückt bedrohlich Nahe an die Mitternacht heran. Wie gut, dass niemand außer mir im Raum weiß, dass ich in drei Minuten Geburtstag haben werden. Muss ja auch nicht, reicht wenn ich morgen Abend meine Freunde um mich versammeln kann.

 

Auf mich und ein neues Jahr!

Ich sollte das mit dem Denken jetzt vielleicht endlich mal bleiben lassen. Führt ja zu eh nichts, außer zu depressiver Verstimmung und schlaflosen Nächten.

Vielleicht fang’ ich übermorgen wieder zu Zweifeln und Grübeln an, aber heute, hey, da hab’ ich Geburtstag, und der ist schließlich nur einmal im Jahr!

Ich sollte meinen Tag und mein bisheriges Leben symbolisch zelebrieren. Nur für mich. Ich bestelle ein edles Getränk (gegeizt wird heute nicht!) und grinse in mich hinein. Die Datumsanzeige meiner Uhr wechselt. Es ist soweit. Und bislang fühle ich mich noch ganz und gar wie mit 28.

Happy Birthday, Matze. Auf ein neues Lebensjahr – und darauf, dass die 30 noch 365 Tage weit entfernt ist.

 

 

 

 

Und es gibt sie doch, die Engel: Lieben Dank, Jasmin!

“Es gibt kein schlechtes Wetter, es gibt nur schlechte Kleidung!”

An diese Weisheit meines Vaters muss ich denken, als wir auf dem Parkplatz am Fuße des Feldbergs aussteigen. Und ich feststelle, dass sich außer uns nur ein weiteres Auto hier hinauf getraut hat.

Irgendwo ja auch kein Wunder: Es ist Montag, der Otto-Normal-Arbeiter fristet lustlos sein Büro-Dasein am ersten Arbeitstag der Woche. War nicht gestern erst Wochenende?

Egal, unseres ist nun mal heute – und das Wetter für eine kleine Wanderung auf den Feldberg kann man sich schließlich auch nicht im Voraus nach den eigenen Wünschen vorbestellen. Wobei das ja ziemlich praktisch wäre.

Wir beginnen den Aufstieg, und mich ereilen erste Zweifel, ob dieser Ausflug angesichts der Witterung wirklich eine gute Idee gewesen sein mag.

Egal, meine Gesellschaft ist bezaubernd, Stille und Nebel zaubern ein ganz besondere Atmosphäre zwischen die vom Schnee bedeckten Nadelbäume. Der kalte Wind schlägt ins Gesicht, doch eigenartigerweise nicht aufs Gemüt. Und hey, bei blauem Himmel wandern kann ja schließlich jeder!

Wir schlagen uns wacker den vereisten Weg hinauf gen Gipfel. Rutschen hier und da mal aus, staunen über den Nebel, welcher kaum weiter als 20 Meter blicken lässt.

 

Gut, dass ich nicht abergläubig bin. Oder etwa doch?

Langsam wird mir kalt, das Kopfkino springt an – und wird von einem großen Stein befeuert (Feuer! Hach wär’ das jetzt schön!), welcher den Wegesrand säumt. Ich werde neugierig, wische den Schnee von seiner Inschrift.

Hätte ich vielleicht mal nicht tun sollen, denn:

Der Stein erinnert an einen im Jahr 1957 an dieser Stelle tödlich verunglückten Mann. Schlechtes Omen? Quatsch. Bin ja nicht abergläubig. Glaube ich.

Noch ein paar Kilometer weiter, und es wird richtig eklig. Eisregen beginnt, uns in unsere hübschen Gesichter zu schlagen.

 

Selten so auf einen heißen Kaffee gefreut

Wir sind uns einig, dass wir uns – sobald wir den Gipfel erreicht haben – einen wärmenden Kaffee als Belohnung für unseren Aufstieg so richtig verdient haben.

Meine Gedanken beginnen langsam, sich auf “Kalt!” und “Kaffee!” zu reduzieren. Ah-oh. Kurz scherzen wir darüber, dass das Wirtshaus geschlossen habe, wir durch den Eisregen zurück laufen müssten und auf unserem Weg erfrieren würden. Dann wären wir zwar tot – bisschen, doof, aber vielleicht hätte man uns dann auch unseren eigenen Gedenkstein gewidmet. Schwacher Trost, dennoch ein komischer Gedanke.

Ganz und gar nicht komisch finden wir dann aber, dass sich unser Kopfkino in eine Vorstellung des ganz realen Lebens verwandelt: 

“Aufgrund schlechter Witterung geschlossen”. 

Das verkündet das Schild, das an der verschlossenen Tür unserer Einkehr angebracht ist. Verdammt, find ich nun gar nicht mehr so lustig. Vor allem, weil es doch meine Idee war,  den Gipfel zu erklimmen – und ich mich dann doch ein wenig verantwortlich für meine Begleitung fühle.

Ich spähe hinein ins Wirtshaus, und entdecke die Belegschaft, die sich zum Feierabend versammelt hat. Ich klopfe ans Fenster und ernte – zum Glück! – Aufmerksamkeit. Pantomimisch deute ich meinen drohenden Tod durch Erfrieren an, bin erleichtert, als sich eine Kellnerin bequemt, mir die Türe zu öffnen. Ich schildere unser Dilemma.

 

Wärme-Asyl und Dankbarkeit

Wir ernten aufrichtiges Mitleid und bekommen angeboten, uns kurz aufzuwärmen. Man sei allerdings gleich weg, aber wir können ja mit dem Bus zurück fahren. Eine kurze Recherche ergibt: Dieser fährt erst in einer Stunde.

Eine Stunde da draußen? In dieser Kälte? Nee, dann lieber gleich sterben. Ich versuche, meine restlichen Kräfte zu sammeln, um ein Maximum ein Mitleid zu erwecken. Frage, ob man uns denn nicht mitnehmen könne, wenn man ohnehin mit dem Auto in den Feierabend fahren. “Nee, sowas können wir nicht machen”, so die ernüchternde Antwort eines Angestellten. Auch mein dezenter Hinweis auf unsere Bargeldvorräte hilft mir nicht weiter. Scheiße. Also doch sterben?

Wir nehmen es mit Galgenhumor, nehmen Platz, so lange es noch geht – bis dann ein echter Engel um die Ecke kommt.

 

Ein Engel namens Jasmin

“Wo parkt ihr denn? An der großen Kurve? Wisst ihr, das ist nicht so weit – ich fahr’ euch dahin. Bevor ihr mir noch erfriert”.

Ich bin baff. Bleibe skeptisch. “Einfach so?” – “Einfach so”.
Ich frage, wie unser Engel heißt.

Jasmin, so ihr  Name – und ich gelobe feierlich, angesichts meiner Dankbarkeit all meine Kinder nach ihr zu benennen. Auch meine Söhne.

Sie lacht, meint, das würde sie ganz sicher nicht wollen – man denke an die armen Söhne! – und beordert uns, zu warten. Sie würde zurückkehren.

Und tatsächlich: Einige Zeit später bedeutet sie, uns ihr durch die Katakomben des Lokals hinab in die Tiefgarage zu steigen. Wir nehmen Platz in ihrem Auto, unterhalten uns, bis wir ausgesetzt werden zu unserem Auto. Welches uns zurück ins verregnete und kalte, dafür irgendwie dann doch gefühlt sichere Frankfurt bringt. Bevor wir losfahren, frage ich Jasmin, was wir ihr schuldig sein.

Ihre Antwort: Nichts. Einfach nichts, gern geschehen, passt schon.
Wow. Bin ich gar nicht mehr gewöhnt. Habe in dieser Welt wohl vergessen, dass es so etwas noch gibt: Unentgeltliches Helfen. Ohne Erwartung jeglicher Gegenleistungen.

Es gibt sie also doch noch:

Die Engel des Alltags, die Menschen mit Herz. Es sind Geschichten wie diese, die mich den Glauben an das Gute im Menschen nicht verlieren lassen. Ich bin der guten Frau unendlich dankbar, und verspreche mir selbst, demnächst auch einem Fremden einfach mal zu helfen. Als Revanche und Zeichen meiner Dankbarkeit.

Habt ihr schön ähnliches erlebt? Engel des Alltags, die für ihre Hilfe nicht mal eine Gegenleistung verlangen? Deren Hilfsbereitschaft mit einem “Dankeschön!” von Herzen abgegolten werden kann? Ich bin gespannt auf eure Geschichten.

 

Und bis dahin: Erfriert mir nicht, Freunde !