Hörspiel-Liebe: Weshalb man für drei Nachwuchs-Detektive Frankfurt kurzzeitig verlassen sollte

Es gibt – nach meiner Auffassung – exakt drei legitime Gründe, unser wunderbares Frankfurt für eine Zeit lang zu verlassen. Zum Ersten wäre da das Geldverdienen, schließlich ist der Zaster dieser Welt nicht allein auf den Straßen Frankfurts verteilt. Selbst ein Leben im Einzimmerloch ist hier schließlich nicht ganz günstig und will irgendwie finanziert werden. Notfalls eben auch mit auswärtigen Geschäftsterminen.

Zum Zweiten wäre da, na klar, das Reisen: Es ist okay, sich hin und wieder ein wenig in der Welt umzuschauen. Wie soll man auch die eigene Heimat schätzen, wenn man nicht hin und wieder mal auf Reisen geht? Nachdem man erstmal einige Tage oder Wochen lang in fremden Städten abgetaucht ist, in den Meeren dieser Welt geschwommen ist oder ferne Gipfel erklommen hat, ist das Gefühl umso schöner, wieder zu Hause zu sein. Und immer wieder stellt man fest: Hey, so schlimm haben wir es in Frankfurt wahrlich nicht erwischt. Wie schön, hier leben zu dürfen.

Der dritte Grund, welcher es rechtfertigt, die Stadt unserer Herzen zu verlassen, sind: Die Drei Fragezeichen. Richtig gelesen, jawoll: Die Drei Fragezeichen. Die Drei Fragezeichen?! Doch Eines nach dem Anderen…

Der Himmel ist grau, trotzdem ist es drückend heiß. Ein Tag im Juli, ich habe es mir bequem gemacht und starre durch das Fenster hinaus auf das Gewusel der Pendler auf den Bahnsteigen.

Mit der unverkennbaren Melodie der Stromrichter setzt sich mein ICE in Bewegung. “So fühlt sich das also hinten an”, grinse ich in mich hinein und rutsche noch ein Stückchen tiefer in den blauen Sitz. Mein Ziel ist Dortmund, und noch ehe der ICE 626 den Flughafen erreicht und auf der Schnellfahrstrecke seine Höchstgeschwindigkeit von 300 Stundenkilometern erreicht haben wird (nur Fliegen ist schöner!), bin ich in meiner heilen Welt versunken. Die Welt der drei Detektive aus Rocky Beach.

Die Drei Fragezeichen und ich

Jeder braucht sein ganz eigenes Stückchen heiler Welt, und jeder findet einen solchen Rückzugsort woanders. Einen Ort, an den man flüchten kann, wenn die Welt da draußen wieder einmal kaum mehr zu ertragen ist. Und sei es nur ein fiktiver. Als Kind hatte ich mich zunächst in die Welt von TKKG geflüchtet. Die Abenteuer von Tim, Klößchen, Karl und Gabi, erzählt zwischen königsblauen Buchdeckeln. Unzählige dieser Bücher stapeln dürften sich auch heute noch in meinem Elternhaus stapeln, vom Königsblau dürfte vor Staub kaum mehr etwas zu erkennen sein.

Auch die Hörspiele der vier Abenteurer hatte ich für mich entdeckt, hatte viele fröhliche wie traurige Stunden mit einem unansehnlichen Bügel-Kopfhörer auf dem Köpfchen verbracht. Habe auf die Holzdecke über meinem Bett gestarrt so wie heute aus dem Zugfenster, habe immer wieder neue Bilder auf ihr gemalt. In Gedanken, versteht sich, und zwischendurch: Die Kassette gedreht. Warum nur war eine Seite immer genau dann zu Ende, wenn es doch am spannendsten war? Die nun folgenden Handgriffe beherrschte ich im Schlaf. “Open”; die Kassette herausgezogen, mit flinken Fingern gewendet und wieder in den Rekorder gesteckt. Klappe zu, auf “Play” gedrückt: Weiterträumen.

In meinem Heimatdorf gab es ein kleines Lädchen, “Pia’s Lädchen” um genau zu sein. Das Geschäft ist längst Geschichte, doch immer noch erinnere ich mich an die hohen Regalreihen, prall gefüllt mit Hörspielkassetten. Ein Paradies, wenn auch die Qual der Wahl mich schon damals gelegentlich überfordert hatte. Doch reichten die zehn Mark Taschengeld eben nur für eine neue Kassette oder ein neues Buch, da wollte die Kaufentscheidung wohlweislich bedacht sein. Für solche Fälle verfüge ich heutzutage zu meiner Freude und meinem Leidwesen gleichermaßen eine Kreditkarte.

Während ich meine Kinder- und Jugendzeit also komplett auf die “Profis in spe” verschwendete, ließ ich ausgerechnet die Drei Fragezeichen sträflichst außer Acht. Ein Umstand, der sich erst Jahre später ändern sollte. Viele Jahre.

Auf dem Platz mir gegenüber döst ein kleiner Junge, seine Mama daddelt auf ihrem Handy. Wie alt der Kleine wohl sein mag? Vier Jahre, fünf, vielleicht schon sechs? Jedenfalls, wieder muss ich schmunzeln, eigentlich müsste statt mir doch er sich die Bahnfahrt mit einem Hörspiel vertreiben. So eindeutig aber, so viel weiß ich mittlerweile, ist das mit der Zielgruppe bei Hörspielen längst nicht mehr. Ich jedenfalls hatte mir als guten Vorsatz für das laufende Jahr das Ziel gesteckt, meine an TKKG verlorene Jugend nachzuholen. Dass ich mittlerweile schon irgendwas-um-die-Dreißig war, sollte mich in meinem Vorhaben nicht weiter stören. Bis zum Jahresende, so schwor ich mir zum Jahreswechsel, würde ich sämtliche der zum damaligen Zeitpunkt 191 (!) existierenden Folgen der drei Fragezeichen gehört haben. Noch am Neujahrsabend fing ich damit an. Ich war den Dreien, das muss ich so klar sagen, schon bald verfallen. Vergessen waren Tim, Karl, Klößchen und Gabi. Justus, Bob und Peter waren nun der heiße Scheiß für mich, und bereits im Juni hatte ich innerhalb von nur einem halben Jahr jede Sekunde der über 30-Jährigen Geschichte der drei Nachwuchs-Detektive gehört. Hatte ein Jedes ihrer Abenteuer miterlebt, hatte mit ihnen gehofft, gebangt, gezittert, hatte mich über Justus’ permanentes Kluggescheiße aufgeregt und ihn dennoch gerade wegen dieser so sehr ins Herz geschlossen. Hatte Skinny Norris zu hassen begonnen und begehrte ein Stück von Tante Mathildas Kirschkuchen.

Draußen zieht der Westerwald vorbei, der kleine Junge döst noch immer. Und ich? Denke zurück an jenes tiefe Loch, in welches ich zu fallen schien, nachdem ich die Abenteuer der Drei Detektive, nun ja, gewissermaßen “ausgehört” hatte. Ich hatte doch tatsächlich gar nicht bemerkt, wie sie mir längst ein liebes Stückchen Alltag geworden waren. Was also tun? Eine Bewerbung als Synchronsprecher bei SONY BMG als Produzentin der Hörspielserie verlief leider erfolglos. Ich habe keine Sprecherausbildung, hieß es im Antwortschreiben des Konzerns, da könne man nix machen. Als kleines Trostpflaster legte man der Absage eine Autogrammkarte der Synchronsprecher bei, na immerhin. Ich jedoch konnte etwas machen: Mir die Wartezeit auf neue Folgen mit den gleichnamigen Adventure-Spielen vertreiben, beispielsweise. Oder aber auch: Mit dem ICE nach Dortmund fahren. Denn dort findet heute – drei Tage vor der Veröffentlichung der nunmehr 194. Folge “Die drei ??? und die Zeitreisende” die zugehörige Record Release Party statt.

Sprich: Ein Haufen Hörspielverrückter kommen zusammen, um gemeinsam schon vorab der neuen Folge ihrer Helden zu lauschen. Ein solches Treffen findet pünktlich kurz vor der Veröffentlichung einer jeden neuen Folge statt und wird von der “Lauscherlounge” organisiert. Diese ist ein Projekt von Sprecher Oliver Rohrbeck, der dem ersten Detektiv schon als Kind seine Stimme geliehen hat. Während Justus Jonas nie gealtert ist und über die Jahrzehnte Kind geblieben ist, sind die Jahrzehnte an Rohrbeck nicht spurlos vorbeigezogen: 53 Jahre ist der Berliner heute alt. Mit seiner Stimme sind Generationen großgeworden, kaum eine dürfte im deutschen Sprachraum über einen ähnlichen Bekanntheitsgrad verfügen.

Wir erreichen Köln. In meinen Gehörgängen sucht Justus Jonas seine eigentlich tödlich verunglückten Eltern, die Mutter des Kleinen tippt immer noch auf ihrem Handy herum. Dabei wirkt sie ein wenig hilflos. Ich merke, wie ich aufgeregt werde. Nicht nur, dass ich Rohrbeck persönlich treffen und sprechen hören werde. Vielmehr frage ich mich: Wie mag wohl der durchschnittliche Besucher eines “Public Listenings” eines Kinderhörspiels sein? Ich ahne, dass die eigentliche Zielgruppe – die Kinder – eine Minderheit bilden werden. Noch während die Türen sich schließen und der ICE weiter in Richtung Ruhrpott rollt, verwette ich meinen straffen Hintern darauf, dass ich mit Abstand nicht der Jüngste sein werde in der Halle unweit des Dortmunder Hauptbahnhofs. Ein Großteil der Besucher, da bin ich mir sicher, werden sein wie ich: Längst erwachsen, längst angekommen im Leben. Mittendrin in dessen Freuden, Widrigkeiten, Höhen, Tiefen, Pflichten,Leiden. Kassetten-Kinder wie ich, welche die Helden ihrer Kindheit im Kassettenkoffer mit hinein in ihr Erwachsenendasein getragen haben. Sich das kleine Mädchen und den kleinen Jungen zumindest innerlich bewahrt haben, auch wenn sie ihre heile Welt mittlerweile eher auf Spotify denn auf Musikkassetten finden dürften. Zu meiner Linken zieht der Kölner Dom vorbei. Ich bekomme Hunger auf Bandsalat. Nicht mal mehr eine Stunde bis in die Borussenstadt.

 

Wenn T-Shirts noch ganz harmlos sind

Mit obligatorischen zehn Minuten Verspätung stoppt der Zug und spuckt mich hinaus in die Nachmittagshitze der Ruhrpott-Metropole. Hey, Dortmund – schön, dich mal wieder zu sehen! Alles gut bei dir? Mit Dortmund verbindet mich viel, in jedem Winkel kleben Erinnerungen fest. Ich hatte eine gute Zeit hier, mag die Stadt bis heute sehr. Liebe den grauschwarzen Putz auf den Fassaden ihrer Arbeitersiedlungen, liebe die Relikte einer von Ruß bedeckten Ära. Liebe den weitläufigen Westfalenpark, liebe das bunte Blütenmeer des Rombergparks. Liebe die schmutzigen Straßen, die unverblümte Herzlichkeit der Menschen. Dortmund, du bist nicht Frankfurt. Und das ist gut so.

Doch bin ich heute nicht hier, um im Park zu spazieren oder mich in einer der vielen Eckkneipen niederzulassen. Ich bin hier wegen der drei Jungs aus Rocky Beach – und ich bin nicht alleine: Schon auf dem Bahnhofsvorplatz begegne ich ersten T-Shirts mit dem Logo der drei Fragezeichen. Ich frage mich, ob ich überhaupt adäquat genug gekleidet bin. Noch kann ich nicht ahnen, dass Fan-Shirts noch eine recht dezente Sympathiebekundung für die Hörspiele darstellen sollten.

Bis zur Kulturhalle FZW ist es nicht weit. Eine halbe Stunde vor Beginn tummelt sich bereits eine Horde Fans vor dem Einlass, kaum jemand scheint jünger als ich. Ein kurzes Raunen geht durch die Menge, als eine junge Frau mit grünen Haaren vorfährt. Ihr Auto ist geschmückt von Motiven aus der Welt der “Fragezeichen”. Ich bin baff. Schnell bin ich mit ihr im Gespräch, gern darf ich ein Foto von ihrem Fanmobil machen. Wenn du das hier lesen solltest, Katrin: Viele liebe Grüße aus Frankfurt! Die Fußmatten im Innenraum sind mit drei Fragezeichen bestickt. “Hab’ ich selbst gemacht!”, sagt sie. Dass auch die Gurtpolster mit drei Fragezeichen versehen sind und in den Seitenfenstern die Visitenkarte der “Drei” steckt, wundert mich da kaum mehr. Sie fährt nicht nur ein abgefahrenes Auto, auch ihr Turnbeutel ist bemerkenswert. “Ich wandere aus nach Rocky Beach!”, ich muss herzlich lachen. Verrückte Welt!

Wir plauschen noch ein bisschen im Schatten des berühmten “U”, dann geht’s hinein.Direkt im Eingangsbereich befindet sich das, was man bei Konzerten wohl als Merchandising-Stand bezeichnen würde. Erste Anlaufstelle für eingefleischte Fans, hier gibt’s neben T-Shirts tatsächlich auch noch Kassetten und Vinyl. “Ich hab’ die erste Auflage der Pressung von ‘Im Zeichen der Ritter’, trotz Kratzer noch 200 Euro wert!”, ich vernehme Fachgesimpel. Quatsche mich auch hier ein wenig durch, bevor ich nochmal Pipi mache und mir einen Platz in der Halle suche.

Zunächst staune ich nicht schlecht:
Viel mehr Menschen als ich dachte haben ihren Weg in den unscheinbaren Bau in der Nähe des Hauptbahnhofs gefunden. Ein erster, flüchtiger Check ergibt: Die meisten dürften in meinem Alter sein, Kinder dagegen sehe ich nur wenige. Ich habe mal wieder mehr Glück als Verstand und finde inmitten der bereits vollbesetzten Stuhlreihen noch einen freien Platz in der dritten Reihe. Auch hier bin ich schnell im Gespräch. Mein Nebenan hat die Schallplattensammlung seiner Tante geerbt. Darunter, wie kann es auch anders sein: Jede Menge ??? auf Vinyl. Er staunt nicht schlecht, als ich erzähle, dass ich eigens aus Frankfurt angereist bin. “Da war ich nur ein einziges Mal”, sagt er. “Viele Hochhäuser – und es soll verdammt teuer sein dort!” Ich nicke stumm und denke mir meinen Teil.

 

Ein Sinn zuviel

Das Licht geht aus, unter lautstarkem Geklatsche betritt der Star des Abends die Bühne: Oliver Rohrbeck, seit 1979 Stimme des “ersten Detektivs” Justus Jonas. Er ist kleiner, als ich erwartet hätte. Bereits sein “Guten Abend, Dortmund!” lässt mich zusammenzucken – unweigerlich ordnet mein Oberstübchen seine Stimme dem adipösen Detektiv zu. Dass statt Justus Jonas aber gerade ein 53-jähriger Glatzenträger spricht, ist eigenartig. Rohrbeck begrüßt die amtlich mehr als 600 angereisten Fans. Ich frage mich, wie viele der Silhouetten im Saal eine noch weitere Anreise auf sich genommen haben mögen. Rohrbeck gibt ein paar Anekdoten aus dem Aufnahmestudio im Hamburger Anwesen von Produzentin und Hörspiel-Königin Heikedine Körting zu Besten. In diesem entstehen, nebenbei bemerkt, auch die TKKG-Hörspiele.

Bevor wir ein exklusives Pre-Listening der neuesten Folge erfahren dürfen, gibt sich auch Rohrbeck schon ganz gespannt: “Ich erinnere mich an nichts mehr!”, behauptet er und erntet damit einige Lacher. Zwischen den Aufnahmen und dem heutigen Tag läge immerhin ein halbes Jahr. Nun könne es aber losgehen. Und das tut es auch. Applaus brandet auf und begleitet das berühmte Intro. Es ist ein merkwürdiges Gefühl: 600 Menschen sitzen in einer Halle und starren auf eine leere Bühne. Leer bis auf Rohrbeck, der es sich einem schwarzen Ledersessel bequem gemacht hat. 600 Menschen sitzen also da und tun nichts, als hörenderweise einer Geschichte zu folgen. Mein Nebenmann bringt die skurrile Situation auf den Punkt: „Ich glaube, ich habe gerade einen Sinn zu viel!“, flüstert er mir zu. Ich kann ihm nur recht geben.

Ich beschließe, meinen Sehsinn kurzzeitig zu eliminieren und schließe meine Augen. Unweigerlich malt mein Kopf bunte Bilder zum Gehörten. Vielleicht liebe ich Hörspiele wie Bücher deswegen: Sie erlauben meiner Phantasie, frei zu sein. Von Filmen dagegen fühlt sie sich beleidigt.

Nur hin und wieder öffne ich für einen kurzen Moment die Augen, betrachte den Mann auf dem Ledersessel, dessen Stimme bekannter ist als sein Gesicht. Die Vorstellung, dass Justus Jonas‘ Worte, denen ich folge, eigentlich seine sind, wirkt unglaublich.

Über den Inhalt des Gehörten mag ich mich an dieser Stelle freilich nicht äußern. Niemandem soll die Spannung und Freude auf die neue Folge genommen werden!

Nach 75 Minuten und einem verblüffenden Ende schüttele ich mich. Erstaunlich, wie sehr ich einmal wieder die Welt um mich herum vergessen konnte. Abermals Applaus, auch Rohrbeck scheint zufrieden mit dem jüngsten Streich der Detektive. „Es gibt ja solche und solche Folgen“, resümiert er. „Diese hier war eine solche.“

Zeit für eine Pause. Frische Luft, zwei hastig gerauchte Zigaretten. Das nächste Highlight steht bevor.

Schon Tradition bei den „Record Release Parties“ sind die Mitmach-Hörspiele. Auch dieses Mal werden einige Zuschauer von Rohrbeck ausgewählt, um auf der Bühne eine Sprecherrolle zu übernehmen. Der Name der heutigen Folge: „Die drei Fragezeichen und das Spiel ohne Regeln“. Die Kurzgeschichten werden aufgezeichnet und anschließend als Podcast zur Verfügung. Rohrbeck instruiert zunächst die Freiwilligen. “Die wissen meistens gar nicht, wie nahe man an so ein Mikrofon heran muss!”. Ich grinse, musste ich einst auch lernen. Die Technik will nicht so wie Rohrbeck will, man fängt noch mal von Neuem an. Der Freude, zuzuschauen, tut das keinen Abbruch.

Die sechs Auserwählten geben sich redlich Mühe. Ich finde gar, dass sich der heutige Sprecher des Chauffeurs Morton viel mehr nach Morton anhört als der echte Morton. “Sehr wohl, die Herren!”

Ich bin verwirrt. Am liebsten beobachte ich aber Rohrbeck in seiner Rolle als Justus Jonas. In ihr, das merkt man, fühlt er sich sicher. Er unterstreicht Justus‘ Sätze gern mit Blicken und Gesten. Statt sie zu spielen, lebt er seine Rolle. Quasi ganz nebenbei bedient er ein überdimensionales Soundboard, um die Hörspiel-Szenerie mit Geräuschen zu unterstreichen und die Stimmen mit Effekten zu belegen. Klar, dass ein Telefonanrufer auch so klingen muss, als spreche er durch eine Hörermuschel!

Fast ein wenig traurig – doch ich komme wieder!

Zum Abschluss gibt’s noch eine Tombola. Ich gewinne nichts, doch bin nicht enttäuscht – denn gewonnen hab’ ich ohnehin, nämlich die Erfahrung, dass ich mit meiner kleinen “Macke” nicht allein bin. Zum ersten Mal saß ich gemeinsam mit hunderten Vollblut-Erwachsenen in einer Halle, die sich ihre heile Hörspielwelten niemals haben nehmen lassen. Solange die Phantasie noch lebt, ist kein Kampf verloren!

Und so bin ich fast ein wenig traurig, als das Licht angeht und sich die Reihen lichten. Auch für mich heißt es nun, Abschied zu nehmen – vorerst zumindest. Am Bahnhof kaufe ich mir noch ein Exportbier für die Heimreise im Nachtzug. Normalerweise trinke ich kein Bier, doch in Dortmund, da gehört das so. Und Apfelwein gibt’s dort eh nicht.

Als ich im Sitzpolster versunken bin und die Laternen der schwarzen Provinzbahnsteige vorbeihuschen sehe, freu’ ich mich schon jetzt auf die nächste “Record Release Party”. In zwei Monaten wird Folge 195 erscheinen, und ich werde dafür nach Berlin reisen. “In Kürze erreichen wir Bochum”, ich öffne meine Flasche Exportbier. Ich nehme einen Schluck, krame meine Kopfhörer aus dem Rucksack. Noch knapp vier Stunden bis Frankfurt. Das langt für drei Folgen. Auf der anderen Seite des Intercity-Wagens sitzt ein junges Mädchen und starrt auf ein vor ihr aufgeklapptes Tablet. Offensichtlich schaut sie eine Serie. “Soll die Jugend von heute mal machen”, denk’ ich mir. Ich gebe weiterhin nichts auf Bewegtbilder und setze weiterhin auf meine Hörspiele.

Als die Titelmelodie der “Fragezeichen” ertönt, breitet sich ein Grinsen in meinem Gesicht aus. Wenig später bin ich weg. Im Halbschlaf höre ich Justus klugscheißen. Hin und wieder erscheint Oliver Rohrbeck in meinem Kopf.

Public Dösing: Früher war auch mehr Deutschland

Die Sonne knallt erbarmungslos am Himmel, der Nordendasphalt brennt sich in meinen Nacken. Ein heißer Sommertag im Jahr 2018, Fußballweltmeisterschaft. Vorrundenspiel, Deutschland gegen Südkorea, Anpfiff: 16 Uhr. Am Matthias Beltz-Platz haben sich jene Glücklichen zum Public Viewing eingefunden, die früher Feierabend machen konnten – oder gar nicht erst auf der Arbeit waren.

Auch ich habe mich eingefunden, kalte Cola vom GUDES nebenan, wer trinkt schließlich schon am Nachmittag Apfelwein? Nun, doch so Einige, verrät ein kurzer Blick zur Schlange vor dem Büdchen. Dort stehen sie an und verrenken ihre Hälse, bloß nichts von dem verpassen, was auf dem Fernseher so vor sich geht. Nicht, dass das Sinn ergäbe: Die Sonneneinstrahlung sorgt nicht nur für braune Haut, sondern auch dafür, dass man allenfalls Konturen auf dem Flachbildschirm erahnen kann.

Ohren auf und Augen zu

Ich selbst war schon zur zweiten Spielminute zum “Public Listening” übergegangen, nachdem ich einen schönen Platz neben einer gleichfalls schönen Frau gefunden hatte. Himbeeren zieren die Decke, die sie ausgebreitet hat. Sie hat mir einen Platz auf ihr angeboten, ich lehnte dankend ab. Sie selbst ziert ein Deutschlandtrikot, man sieht nicht viele davon.

Links neben mir thront ein Mann im mitgebrachten Campingstuhl, hinter mir rollt der Verkehr der Friedberger Landstraße. Ich überlege kurz, wie viel Feinstaub ich wohl mit jedem Atemzug in meine Lunge blase. Verwerfe den Gedanken, zünde eine Zigarette an. Milchbubis eilen von der Straßenbahnhaltestelle herüber, sie tragen Anzüge und einen Sixpack Büble Hell.

“Özil am Ball”, die Stimme des Kommentators wird lauter, doch: Chance vertan. Zuhören, dachte ich mir, kann ich auch im Liegen, warum also nicht das Spiel für eine kleine Siesta nutzen? So liege ich da, atme ein und atme aus. “Ein weiter Pass zu Kroooooos”, ich schließe die Augen und genieße die Wärme im Gesicht.

Die Zeit vergeht schneller, als ich dösen kann. Am Ende der ersten Halbzeit steht es Null zu Null. Ebenso bemerke ich, dass auch die Anzahl der zu sehenden Deutschlandfahnen exakt Null beträgt. War früher nicht mehr Deutschland?

 

Wir waren jung, wir waren frei: Ein Sommermärchen

Ich muss zurückdenken an jenen Sommer vor 12 Jahren. 2006, ein Sommermärchen. Wir waren jung, wir waren frei, wir hatten einen Fahrschein für den Regionalexpress nach Frankfurt. Schon auf dem Weg in die große Stadt vernichteten wir Unmengen an “Licher x²” (gibt’s das eigentlich heute noch?), es war ein tolles Gefühl. Endlich volljährig, endlich raus aus der Provinz, Trikot an ins Abenteuer. Nach der Ankunft am Frankfurter Hauptbahnhof: Noch mehr Bier kaufen bei Rossmann, ein Kumpel packte mit den Worten “Ist doch im Angebot!” noch eine Tube Enthaarungscreme mit ein, befreite noch während der S-Bahn-Fahrt in die Innenstadt seine Unterarme vom Haarwuchs. Warum er das tat, ist bis heute ungeklärt. Aber eine jener Anekdoten meiner Jugendzeit, an die ich immer wieder denken muss. So wie jetzt gerade. 

In der “Fan-Arena” angekommen, stürzten wir uns ins schwarzrotgoldene Getümmel. Unter dem Fahnenmeer feierten mehr Menschen als unsere Kleinstadt Einwohner hatte, noch vor dem Anpfiff sprachen wir fremde Mädchen an. Manche davon besuchten wir später auch zu Hause. Ein Videowürfel mitten im Main zeigte das, weswegen wir vordergründig hier waren: Fußball. Doch eigentlich, da waren wir des Feierns wegen hier. Das Spiel? Nebensache. Der Sieg? Selbstverständlich. Siegesrausch, noch eine Runde Bindig Pils aus Plastikbechern. Nach Hause? Keine Option, stattdessen hieß es Weiterfeiern auf dem Römerberg. Irgendjemand “lieh” sich einen Einkaufswagen von einem Supermarkt, wir fuhren Rennen damit, kletterten auf Ampeln. Narrenfreiheit unter dem Deckmantel des Fußballs, “Schlaaaand-Deutschlaaaand!”, Mädchen schmierten Nationalfarben in unsere Gesichter.

Ich fühle Wehmut in mir aufsteigen, als mich laute Rufe aus meinen Erinnerungen reißen. “AUF JETZT!!!” brüllt jemand da vorne, ich hebe kurz den Kopf. Die Partie geht weiter, die zweite Halbzeit bricht an. Immer noch Null zu Null, immer noch spüre ich die Hitze im Gesicht. Ich schmunzele kurz über meine Erinnerungen. Ist der Mensch nicht dazu geneigt, Vergangenes zu verklären? Fühlten sich die Freibadbesuche in den Sommerferien in der Erinnerung nicht auch weitaus unbeschwerter an, als sie es tatsächlich waren?

Heute keine Autokorsos

Gomez kommt, Khedira geht. Ich bleibe noch hier, lasse meinen Kopf auf den heißen Asphalt sinken. Ich döse weiter, der Duft von Cannabis steigt in meine Nase. In Frankfurt ist man da ja recht tolerant. Alles gut, zumindest hier – im fernen Russland jedoch kämpft die Nationalmannschaft nunmehr spürbar gegen ein Aus in der Vorrunde an. Wie lange es dann wohl dauern würde, bis die wenigen Deutschlandflaggen im Nordend für zumindest zwei Jahre lang eingerollt würden? Das Mädchen auf der Himbeer-Decke unterhält sich mit einer Freundin über ihr Studium, der Schiri gibt Eckball. Der Feierabendverkehr fällt dünner aus als sonst, dennoch reißen die Motorengeräusche nicht ab. Der Sonne ist’s egal.

Als ich die Augen wieder öffne, ist ein Tor gefallen. Nicht für Deutschland, für Südkorea. Ich richte mich auf, nehme einen großen Schluck aus meiner Colaflasche. Nein, ich möchte nicht noch einmal achtzehn sein. Ja, ich bin froh, dass Frankfurt längst mein Alltag statt nur promillelastiges Abenteuer ist. Nichts gegen Abenteuer. Noch während der Abpfiff das Ende des Turniers für die Nationalmannschaft besiegelt, schlurfe ich zu meinem Fahrrad. Ich bin verabredet und muss weiter ins Europaviertel.

Autokorsos wird es heute keine geben. Als ich in die Pedale trete und die Friedberger Landstraße hinab fahre, klingele ich einmal. 

 

Demnächst in Bornheim: Einlochen im Neonlicht

Dieser Text handelt vom steten “Auf & Zu” der Berger Straße und vom Minigolf. Habt ihr etwa anderes erwartet? Ich jedenfalls darf mich nun hoffentlich über nie zuvor gekannte Höhenflüge hinsichtlich der Viralität meiner Artikel freuen – und mit dem Gedanken spielen, mich als Schöpfer reißerischer Aufmachungen bei einer großen Tageszeitung mit vier Buchstaben zu bewerben.

Spaß beiseite:
Neulich verrichtete ich nach getanem Dienst einmal wieder einen Spaziergang auf der, nun ja, Flaniermeile Berger Straße – oder eben dem, was von ihr übrig ist. Kaum hatte ich die “Berger” mal einige Zeit lang nicht mit wachen Augen passiert, schon hatte sich wieder einmal was getan:

Auf ewig geschlossen

Zwischenzeitlich hatte nämlich nicht nur “Diana’s Baggi” unweit des Fünffingerplatzes auf ewig geschlossen (schade drum!), sondern auch das Bekleidungsgeschäft “Jeans Tower”, welches ich schon kannte, seitdem ich in Frankfurt leben. Auch das Friseurstudio nebenan hatte es dem Klamottenladen gleichgetan und ward gewichen. Dass sich auch das “Wiesenlust” in einen vietnamesischen Imbiss verwandelt hatte, war da allenfalls noch Randnotiz. Nun ja, besser als die nächste Burgerbraterei. 

Schnell erreichten düstere Vorahnungen meine Frankfurter Seele: Sollten auch meine Enkelkinder noch vor verlassenen Geschäftsräumen stehen? Oder, schlimmer noch: Sollte nun das Überangebot an Sportwetten weiter ausgebaut werden? Würde man noch günstiger noch weltweiter telefonieren können?

Ich atmete auf, als ich auf den Schaufenstern von “Jeans Tower” sowie dem ehemaligen Friseursalon ein neonfarbenes Plakat erspähte. Bunt war gut, besser jedenfalls als all die Horrorszenarien, die sich bereits in meinem Kopf abspielten.

 

“Demnächst hier: Das erste Schwarzlicht-Minigolf der Stadt”

Jawoll, Minigolf. Ihr wisst schon, der leicht angestaubte Lieblingsfreizeitsport des Nachkriegsdeutschen ohne Handicap. Ich jedenfalls oute mich an dieser Stelle als echten Fan des Minaturgolfes. Dass mit dem Wegfall der (zugegebenermaßen recht unsäglichen) Zeilgalerie auch das einzige Indoor-Minigolf der Stadt verschwand, ließ mich bislang bei schlechtem Wetter recht blöde aus der Wäsche schauen. Doch als ich, neugierig wie ich war, vor dem neonfarbenen Plakat stand, da flammte Hoffnung in mir auf…

Schwarzlichtminigolf?!

Allzu schnell wurde diese allerdings überschattet von einer naheliegenden Frage: Was zum Henker sollte Schwarzlicht-Minigolf sein? Die “Schwarzlichthelden” zeichneten sich laut Plakat für das Unterfangen verantwortlich. Zeit also für ein wenig der Recherche – und für Antworten.

Ich mache Tim Schieferstein ausfindig, den Marketing-Chef der “Schwarzlichthelden”, einem Mainzer Unternehmen. Und der klärt mich erstmal auf. Schwarzlichtminigolf, das sei klassischer Minigolf, erweitert um “einzigartige Bahnen mit spektakulären Hindernissen, welche unter Schwarzlicht in bunten Farben leuchten”.

Das klingt schon mal recht spannend. Doch Schieferstein weiß weiter zu überraschen: Mittels spezieller 3D-Brillen, so klärt er mich auf, seien 3D-Effekte sichtbar, welche “das außergewöhnliche Spielerlebnis perfekt machten”. Oha!

Eine Hommage an die hessische Metropole

Im Laufe unserer Unterredung wusste Schieferstein gar noch einen draufzulegen: Die Kulisse der Minigolf-Anlage der besonderen Art würden nämlich Graffiti-Bilder bilden, welche Motive unserer Stadt darstellten. Dass die Standortwahl ausgerechnet auf Frankfurt fiel, begründet Schieferstein wie folgt: “Viele unserer Gäste in Mainz kamen eigens aus Frankfurt angereist. Es war an der Zeit, die Frankfurter aus ihrer Langeweile zu befreien!”

Nun kann ich nur bedingt behaupten, jeweils unter Langeweile zu leiden. Dennoch freue ich mich auf das Minigolf der besonderen Art. Und noch mehr freue ich mich darüber, dass die Berger Straße um eine Location bereichert wird, in der man weder essen noch internationale Telefongespräche führen kann. Ich bin mir sicher, schon bald nach Eröffnung den Schläger unterm Schwarzlicht schwingen zu wollen!

Noch ein bisschen was zu tun

Bis es soweit ist, wird allerdings noch ein wenig Wasser den Main hinunterfließen. Zwar spricht Schieferstein von einer “Eröffnung nach den Sommerferien”, ein Blick durch die Glasfassaden offenbart allerdings noch einigen Bau- und Arbeitsbedarf.

So oder so – ich freu’ mich auf das neue Vergnügen auf “der Berger”. Ihr genauso?

Schlendern auf dem Krönungsweg: Eindrücke aus der neuen Altstadt

Frankfurt am Main, Christi Himmelfahrt 2018. Am gestrigen 9. Mai hatte ich sogar in den Tagesthemen mit anschauen können, wie unser lieber Oberbürgermeister Feldmann im Beisein von Petra Roth mit einer Menge Tamtam die neue Altstadt eröffnete und für das gemeine Volk freigab. Die Bauzäune, die mir längst zum vertrauten Anblick geworden waren, waren endgültig gefallen.

 

Gedanken an die Urururururenkel

Die Tragweite dieses Moments ist mir auch heute noch nicht ganz bewusst. Ist es nicht eine absurde Vorstellung, dass – hoffentlich! – irgendwann auch meine Urururururenkel zwischen den für 200 Millionen Euro neu errichteten oder zumindest grundsanierten Häusern spazieren werden?

Da ich am Feiertag (der für mich ein rundum merkwürdiger werden sollte) ohnehin mit meiner lieben Freundin Dagi verabredet war, gelang es mir mit Ach und Krach, meine Neugierde zu zügeln und meine Begutachtung des neuen, alten Viertels um einen Tag zu verschieben. Zumindest, was die zu erwartenden Menschenmassen betrifft, vermutlich keine schlechte Idee…

Der erwartete Regen bleibt aus, als wir uns am frühen Abend am Justitia-Brunnen treffen, der momentan an Gerechtigkeit missen lässt: Justitia befindet sich nämlich momentan im Schönheitsurlaub im thüringischen Knau.

Doch auch ohne wachsames Auge der Justiz gelingt es, uns zu finden – und anschließend den historischen Krönungsweg zwischen Römerberg und Dom zu beschreiten. Töricht, anzunehmen, wir wären die einzigen mit dieser großartigen Idee gewesen – doch immerhin haben sich die Massen an neugierigen Frankfurtern gegenüber dem gestrigen Tag schon merklich gelichtet.

 

Leckerbissen, wohin man sieht

Der Weg ist keine vierhundert Meter lang, ihn zu bestreiten, kostet uns aber eine gute Stunde: Immer MÜSSEN wir einfach irgendetwas fotografieren, seien es die Ornamente an den bunten Fassaden der “neuen Altbauten”, sei es die namensgebende goldene Waage am wohl bezauberndsten der Häuser. Ja, selbst die immer noch in Generalüberholung befindliche U-Bahn-Station “Dom/Römer” hat man bereits um ein ein antik anmutendes U-Bahn-Schuld bereichert. Reime an Fachwerkbalken bringen uns zum Nachdenken und Schmunzeln. Hach, ja.

Ganz und gar einig sind wir uns darüber, dass der Stoltze-Brunnen an seinem neuen Standplatz eine überaus gute Figur macht und uns gefehlt hat. So oder so: Die neue Altstadt, sie ist eine architektonische Augenweide. Das Pflaster erstrahlt noch derart jungfräulich, als ob noch keine Schuhsole es je berührt habe. Als wir den altehrwürdigen Dom erreichen, ereilt mich wieder einmal die eigenartige Vorstellung, dass auch meine späten Nachfahren vielleicht irgendwann wie selbstverständlich über diese Steine wandeln werden.

Hoffentlich kein “Disneyland”

Einzig das Leben, es fehlt. Noch zumindest, denn erst zur offiziellen Eröffnungsfeier im Herbst sollen vermögende Bürger wie auch Gastronomie Einzug gehalten haben. Bleibt zu hoffen, dass Frankfurts neuester wie ältester Stadtteil nicht zum “Disneyland für Touristen” verkommt, wie so oft befürchtet. Dass der Augenschmaus auch von Frankfurtern mit Leben gefüllt werden kann, dass er sich nahtlos einfügt ins Konstrukt unserer Stadt und irgendwann wie selbstverständlich der Geist der Stadt durch ihn wehen wird.

Solltet ihr, liebe Leser, aus unerfindlichen Gründen noch keinen Abstecher in die neue Altstadt machen haben können, könnt ihr euch nun an einigen meiner ersten Eindrücke erfreuen:

 

Ein Besuch des lustigen Elches vor dem Caricatura-Museum sowie ein Konzert der großartigen Frankfurter Musikerin Fee runden unseren Feiertags-Spaziergang ab. Morgen ist Freitag.

Es schöner Tag im März: Bunte Vielfalt in Schwarzweiß

Bis heute vermag ich nicht zu sagen, weshalb genau – aber an freien Tagen zieht es mich in schöner Regelmäßigkeit hinaus in den Frankfurter Westen.

So auch vor drei Wochen einmal wieder, als ich neben zwei Äpfeln und der Tageszeitung auch meine Kleinbildkamera samt frischem Film in meinen Rucksack warf und mich auf den Weg zur Straßenbahnhaltestelle machte. Zu ihr ist es nur ein Katzensprung, und wie immer wieder war ich erstaunt darüber, in welch andere Welt mich die Tram der Linie 12 katapultiert, wenn ich nur lange genug in ihr sitzen bleibe.

Wobei “lange” fast noch übertrieben ist:
Nur etwa eine halbe Stunde lang dauert die Fahrt vom Nordend hinaus nach Schwanheim, ganz unbemerkt und zwischendurch wird aus der Straßen- eine Waldbahn. Aus dem Stau auf der Friedberger Landstraße und dem Anblick endloser Altbau-Fassaden werden Natur und Wald. Die frische Luft tat ihr Übriges: Jawoll, zwar befand ich mich noch im Stadtgebiet – gefühlt aber im Urlaub!

Erst am Abend hatte ich einen Termin in Bockenheim, sodass ich mich in aller Ruhe treiben lassen konnte. Dass ich bis dahin gleich einen ganzen Schwarzweißfilm opfern würde, konnte ich zu Beginn meiner kleinen Reise freilich noch nicht ahnen! Doch hatten sich mir die Motive förmlich aufgedrängt, sodass ich zwei Wochen später einmal wieder um einige Mark erleichtert war und sechsunddreißig Abzüge in meinen Händen hielt.

Sechsunddreißig Aufnahmen, welche einmal wieder einen anschaulichen Beweis dafür erbracht hatten, dass Frankfurt eine Stadt geballter Kontraste ist.

 

Lasst ihr mit mir diesen Tag noch einmal eine schwarzweiße Revue passieren?

 

“Nächster Halt: Waldfriedhof Goldstein”: In diese Straßenbahn bin ich vor meiner Haustür im Nordend eingestiegen. Nach exakt 36 Fahrtminuten spuckt sie mich in einer gänzlich anderen Szenerie aus. Ich atme tief ein und schließe meine Jacke: Jawoll, so fühlt sich Urlaub an!

 

Nur wenige Schritte, und ich tauche ein in den Schwanheimer Wald. Der Schotter knirscht unter meinen Stiefeln, es ist ungewohnt still. Links wie rechts nur Bäume, der Jahreszeit angemessen kahl. Es dauert eine kurze Zeit, bis ich mich daran gewöhne, allein auf weiter Flur zu sein.Nur meine Kamera leistet mir Gesellschaft. Ich lasse auch sie einen Moment lang den Waldweg spüren.

 

Nachdem ich eine Weile durch den Wald marschiert bin, erreiche ich die Schwanheimer Wiesen. Und die sind wirklich groß! Ein laues Lüftchen bringt Farne zum tanzen. Ich treffe auf ein älteres Paar, “Ei Gude!”, – und auf ein bemerkenswertes Gewächs: Der “Struwwelpeter-Baum” ist nämlich nicht nur schon 68 Jahre alt (da sind Andere schon in Rente!), sondern mit seinen zwei Augen nämlich auch ein Werk des Künstlers F.K. Waechters. Klar, dass ich auch ihm lieb hallo sage!

 

 

Das unbestrittene Highlight des Stadtteil Schwanheims sind natürlich die Schwanheimer Dünen. Auf einem Holzbohlenweg lässt sich hier die Binnendüne überqueren, während man seltenes Gewächs entdecken und verträumt in einen der Seen schauen kann.

 

Kein Wunder, dass diese Idylle schon im Jahr 1984 zum Naturschutzgebiet erklärt wurde!

 

 

Nachdem ich das Ende des Steges erreicht habe, verabschiede ich mich von der Dünenlandschaft mit einem Knipser in die Mittagssonne. Bis bald mal wieder!

 

 

Noch ein ganzes Stückchen hin ist es bis zum Anleger der Mainfähre “Walter Kolb”. Immer wieder freu’ ich mich wie ein kleiner Junge, wenn ich mittels der letzten Fährverbindung im Frankfurter Stadtgebiet nach Höchst übersetzen darf. Klar, dass ich auch dem Fährmann einen guten Tag wünsche – schließlich hatte er mir einmal einen tollen Einblick in seinen Arbeitsalltag ermöglicht!

 

 

Während der Überfahrt lasse ich mir einen Blick auf das Panorama der Altstadt natürlich nicht entgehen!

 

 

Der Fluss ist überquert, ich betrete den Stadtteil Höchs und somit Festlandt. Eine Dame füttert Möwen, ein Schwan guckt skeptischi zu. Im Hintergrund zuckelt ein Frachtschiff und bringt irgendetwas irgendwohin. Fernweh.

 

Erste Anlaufstelle im 1928 eingemeindeten Stadtteil ist – natürlich! – das Höchster Schloss. Auch von nahem macht es eine rundum gute Figur! Der Schlossturm überragt die Altstadt und kann sogar bestiegen werden – nur stets ausgerechnet dann nicht, wenn ich zu Besuch bin. Ich gelobe Hartnäckigkeit und bekomme Kaffeedurst.

 

 

Nach meiner Kaffeepause am Schlossplatz schlendere ich durch die engen Gassen der Altstadt Höchst. Wie jedesmal kann ich auch heute kaum glauben, dass ich mich noch in Frankfurt befinde. Inmitten der schnuckeligen Fachwerkhäuser befindet sich auch die Straße mit dem kürzesten Namen der Stadt: Sie heißt ganz einfach “Wed”. Auch ziemlich schnuggelisch. 

 

Recht beschaulich geht es auch in den Höchster Hinterhöfen zu. Ich überlege kurz, nir einen Schluck aus der alten Wasserpumpe zu genehmigen – greife dann aber doch zu meiner mitgebrachten Flasche. Und zur Kamera, versteht sich.

 

Irgendwann dann aber zieht es mich doch zurück gen Innenstadt. Im Bahnhof erwartet mich vor der S-Bahn zunächst einmal das schmucke Empfangsgebäude, in dem ein wenig die Zeit stehen geblieben zu sein scheint. Auch, wenn es schon bessere Zeiten gesehen hat, kommt es zeitlos schmuck daher!

 

Vom Bahnsteig aus lässt sich der außergewöhnliche Kuppelbau des Empfangsgebäudes noch einmal genauer inspizieren. Nun aber husch-husch zurück gen Innenstadt. “Bitte zurückbleiben!”

 

An der Konstablerwache steige ich aus, denn ich habe Hunger. Weder als schnuckelig noch als schmuck empfinde ich das Bienenkorbhaus. Aufgrund seiner exorbitanten Hässlichkeit muss ich es dennoch fotografieren – irgendwann will ich es schließlich meinen Enkeln zeigen. Bis die geboren sind, wird es nämlich abgerissen sein. Hoffentlich.

 

Ich bin frisch gestärkt, das Curry war lecker. Ich hab’ noch ein wenig Zeit bis zu meinem Termin – also statte ich dem “Briggegiggel” noch einen kleinen Besuch ab. Schließlich ist er nach einer längeren Zeit der Abwesenheit auf die Alte Brücke (oder auch “aahl Brigg”?) zurückgekehrt, und macht neben dem Neubau des Henninger-Turms eine recht gute Figur…

 

Nur um wenige Grad brauche ich mich zu drehen, um auch Karl den Großen abzulichten. Gut, dass er nicht in Richtung des Main Plaza in seinem Rücken blickt – der Umstand, dass dieser NOCH größer ist, als er selbst, brächte ihn vermutlich um den Verstand. So aber: Friede, Freude, Eierkuchen auf meiner Lieblingsbrücke.

 

 

 

 

 

… und nochmals einige Grad nach links gedreht: Schwesternwohnheim meets EZB-Zentrale. Am Besten gefallen mir aber nach wie vor die Mainwiesen. Hach, wenn’s doch endlich wärmer wäre…

 

Nun ist’s aber allerhöchste Eisenbahn für mich, oder besser: Allerhöchste U-Bahn, ich muss nach Bockenheim. Bevor ich dalli-dalli hinunter in die “Konsti” hechte, fange ich noch einen kleinen Leihfahrrad-Haufen ein. Klar, ich könnte auch mit dem Fahrrad fahren – mach’ ich aber nicht, da zu faul.Bewegung, die hatte ich heute schon genug!

 

Kaum bin ich auf der Leipziger Straße ans Tageslicht gestolpert, begrüßt mich die wohl schönste und altehrwürdigste Fassade aller Apotheken. Fast verspüre ich eine subtile Lust darauf, krank zu werden. “Gibt’s hier auch was von Ratiopharm?”

 

 

Ich hab’s ja nicht so mit Gotteshäusern, aber dieser Bockenheimer Anblick lässt auch diesmal mein Herz regelmäßig höher schlagen…

 

 

Sind diese Rundungen nicht sexy? Das Wohnhaus im tiefsten Bockenheim lässt mich abermals die Kamera zücken.

 

A propos Rundungen….

 

Ebenfalls in recht runder Form thront der Europaturm über den Stadtteil. Mittlerweile annähernd funktionslos geworden, ist er dennoch ein echter Hingucker geblieben – findet ihr nicht auch?


Nachdem ich meinen Termin absolviert habe, kehre ich nach einem langen – aber schönen! – Tag zurück ins Nordend. Dort empfängt mich, na klar: Der “City Ghost”. Gute Nacht.


 

Skyline, zack, aus – fertig?

Alt und neu, Naturschutzgebiet und Beton: Fast unglaublich, welch An- und Ausblicke man an einem einzigen Tag in Frankfurt erleben kann, gelle? Als ich die Bilder jenen Tages in mein Album klebe, bin ich einmal wieder sehr glücklich darüber, hier leben zu dürfen.

Und einmal wieder bleibt mir nur ein leidliches Schmunzeln für diejenigen übrig, die Frankfurt am Main auf die Skyline reduzieren.

Doch nun verratet mir: Wie sieht euer perfekter Tag in Frankfurt aus?

 

Vom Apfelwein als Jungbrunnen: Warum sauer nicht nur lustig macht

“Kein Ausweis – kein Apfelwein!”

Die Kassierin des Supermarktes mit den weißen Buchstaben auf rotem Grund ums Eck klingt wenig kompromissbereit, als sie mir den Kauf einer Flasche Apfelwein verwehrt. Das sei nun mal ihr Job, da könne ja schließlich jeder kommen. Ein Konto eröffnen und ein hochwertiges Smartphone in der Tasche tragen, das könne ja außerdem heutzutage jeder Fünftklässler. Auch meinen flehenden Einwurf, ich WÄRE gern noch einmal Achtzehn ignoriert sie mit stoischer Bestimmtheit. Den Rest meiner sorgfältig aufs Kassenband geschichteten Einkäufe, den könne ich freilich gerne mitnehmen – “aber alt genug für Alkohol sehen Sie mir nun einmal nicht aus!” 

Ein Blick auf die ungeduldig mit den Augen rollende Schlange hinter mir an der Kasse mahnt mich, nun besser nicht zu lamentieren. Ich schwöre mir also, beim Joggen das nächste Mal neben EC-Karte und Mobiltelefon auch amtliche Dokumente zwecks Verifizierung meiner Volljährigkeit mitzuführen. “Sehen Sie’s als Kompliment”, muntert mich immerhin die Dame mit offensichtlicher Vorliebe für Stangensellerie hinter mir auf, bevor ich mit Klopapier und roten Zwiebeln, jedoch fluchend sowie ohne “Stöffche” von dannen ziehe.

Goldes Elixier der ewigen Jugend

Noch auf dem Heimweg beginne ich zu lachen, denn just in diesem Moment kommt mir eine schon einige Jahre zurückliegende Begebenheit in den Sinn. Ich saß – damals noch als Bornheimer – in der altehrwürdigen Apfelweinwirtschaft Solzer und fiel aus allen Wolken, als mir mein Gegenüber sein wahres Alter eröffnete.

Hatte ich ihn bislang für Mitte zwanzig gehalten, erzählte dieser ganz freimütig,dass er schon ganze 34 Lenze auf dem Buckel hatte. Angesichts seiner rosigen, zarten Haut und seinen frischen Augen bestand ich auf die Vorlage seines Bundespersonalausweises – und fiel aus allen Wolken. Ungläubig fragte ich ihn damals also nach dem Geheimnis seiner scheinbar ewigen Jugend, schließlich wünschte auch ich mir schon damals ein spurloses und würdevolles Älterwerden.

Seine Antwort verblüffte mich. “Sauergespritzter”, sagte er er schlicht und schaute mich an, als lebe ich hinterm Mond – oder zumindest jenseits der Stadtgrenze nach Offenbach. “Ich trinke so oft wie möglich sauergespritzten Apfelwein, zwischendurch allein Kaffee und Minerwalwasser. Allein dies ist die Quell meiner ewigen Jugend”, schloss er seine Erklärung.

Ganz begeistert schwor ich prompt, es ihm künftig gleich zu tun. “Ja, wenn das so einfach ist”, sagte ich, “dann werde auch ich künftig möglichst viel des Ebbelwoi meine Kehle hinunterfließen lassen”. Schließlich wünschte ich mir, dass auch meine eigenen Lebensjahre derart spurlos an mir vorüberziehen würden.

“Obacht!”, mahnte mich daraufhin mein Bornheimer Gegenüber. “Nicht IRGENDEIN Apfelwein!”. Allein die sauergespritzte Darreichungsform des flüssigen Goldes sei geeignet zur nachhaltigen Verjüngungskur.

Ich dankte ihm inständig und besiegelte meine Erleuchtung mit einem weiteren Schoppen. Wie der Abend ausging, entschließt sich leider meiner Erinnerung – gut möglich aber, dass es ein wenig später wurde.

 

Der Unterschied macht’s: Von der Typologie des “Sauren”

Nun, da mir just der Apfelweinkauf im Supermarkt untersagt worden war, ging ich äußerlich offenbar wohl immer noch als 17-Jähriger Snapchat-Suchti durch. Der Rat meines Bornheimer Bekannten war also tatsächlich Gold wert gewesen.

Damit auch ihr den eigenen altersbedingten Verfallsprozess nachhaltig stoppen und euch der ewigen Jugend erfreuen könnt, kann ich euch folglich nur ans Herz legen: Trinkt “Sauren” wann nur immer möglich – denn sauer macht nicht nur lustig, sondern gleichermaßen jung!

Doch wann ist ein Apfelwein eigentlich ein “Saurer”?
Ein “Sauergespritzter” ist zunächst einmal ein mit Mineralwasser versetzter Apfelwein. Für das genaue Mischungsverhältnis existieren keine exakt definierten Regeln, doch gilt gemeinhin ein Anteil von 70-80 Prozent Apfelwein als üblich. Alles darunter gilt als “Tiefgespritzter”, wobei Mischungsverhältnisse mit einem mehr als 50-prozentigen Mineralwasseranteil gemeinhin als gesellschaftlich nicht akzeptiert gelten.

In Apfelweinwirtschaften lässt sich ein “Saurer” derweil nicht im Bembel bestellen; es gilt also stets, zusätzlich eine Flasche Mineralwasser zum Apfelweinkrug zu bestellen und die finale Mischung der Getränke selbst vorzunehmen.

Weitaus bequemer ist die Bestellung am Tresen der nächstbesten Kneipe. Hier wird auf die Bestellung eines “Sauren” nämlich wahlweise ein großes (0,5 Liter) oder kleines (0,3 Liter) Glas serviert – während in Apfelweinwirtschaften ausschließlich kleine “Gerippte” auf dem Tisch landen. Tunlichst vermeiden sollte man allerdings, wortwörtlich einen “Sauergespritzten” zu bestellen.Schnell outet man sich so nämlich als Einwohner eines der umliegenden Landkreise oder schlimmstenfalls sogar Tourist.

Merke: Der Eingeplackte bestellt schlicht “Sauren”. Für echte Cracks gibt es ferner sauren Apfelwein fertig gemischt in der Dose. Als Pendant zum Berliner Wegbier versüßt (oder besser: versauert?) der „Schoppen to go“ den Marsch zu Freunden oder auch nur zum Briefkasten. Besonders praktisch: Das Trinkbehältnis ist pfandfrei!

Dabei ist Apfelwein natürlich nicht gleich Apfelwein: In verschiedensten Goldtönen kommen die “Stöffche” aus der Flasche, bestenfalls auch aus dem Hahn. Neben dem “klassischen” Apfelwein existieren mittlerweile auch diverse sortenreine Weine – unbedingt einmal probieren! Nun ist jedoch auch Apfelwein eine Sache des Geschmacks – viele Kenner schwören jedoch auf die naturtrübe Variante. Im Zweifel also ganz explizit einen “naturtrüben Sauren” bestellen – und schon steht der Verjüngungskur nichts mehr im Wege…

 

Strahlendes Lächeln & Strandfigur: Weitere gute Gründe für den “Sauren”

All das klingt zu schön und einfach, um wahr zu sein? Dann haltet euch nun besser gut fest: Denn es gibt noch viele weitere Gründe, den Sauergespritzten zum elementaren Bestandteil eures Alltags werden zu lassen!

Vitamine, Vitamine!

Jedes Kleinkind weiß: “An apple a day keeps the doctor away”. Ein einziger Apfel enthält bereits Unmengen an Vitamin C. Könnt ihr euch nur ansatzweise vorstellen, wie viele Äpfel in einem einzigen Liter Apfelwein verarbeitet sind? Ein einziges Glas des sauren Goldes deckt euren Vitaminbedarf folglich um ein Zehnfaches – und lässt in Kombination mit dem Mineralwasser eure Haut gar säuglingsgleich erstrahlen. Vitamine und Wasser – mehr braucht’s nicht für ein langes Leben. Zu eurem hundertstem Geburtstag bin ich doch hoffentlich eingeladen?

Support your locals!

Auch wenn Ernte an heimischem Streuobst längst nicht mehr ausreicht, um genug Apfelwein für all die durstigen Kehlen zu keltern, befindet sich neben aus Osteuropa importiertem Konzentrat meist immer noch ein erheblicher Anteil an heimischem Kernobst im Gerippten.

 

 

Somit unterstützt ihr beim Trinkprozess nicht nur heimische Obstbauern, sondern sichert auch nachhaltig die vielen Arbeitsplätze in den Keltereien im Frankfurter Umland. Wer die Wirtschaft unserer Region ankurbelt, kann guten Gewissens in der Wirtschaft sitzen! Echte Experten unternehmen auch gerne einmal einen Fahrradausflug in die nahe Wetterau (oder zumindest zum Wochenmarkt auf der Konstablerwache), um ihr Flüssiggold direkt beim Erzeuger zu erstehen. Einen netten Plausch gibt’s meist gratis mit dazu! Apfelwein bedeutet Heimat.

Nie wieder Bierbauch: Der Kaloriengehalt

Hey, der nächste Sommer kommt bestimmt – doch der Strandfigur steht der Bierbauch noch im Wege? Apfelwein schafft Abhilfe: Mit nur 26 kcal auf 100 ml sorgt das “Stöffche” für einen figurbewussten Rausch.

 

 

Die sauergespritzte Variante weist durch die Mischung mit kalorienfreiem Wasser sogar eine weitaus geringere Energiebilanz auf – während ein Radler durch die gezuckerte Limonade gleich doppelt auf die Hüften schlägt. Der geneigte Schoppepetzer blickt den Tagen im Freiband derweil entspannt entgegen, denn er weiß: Apfelwein zu trinken ist Sport.

 

Fahne? Nein, Danke!

Nun stellt euch einmal vor: Es ist Samstagabend, ihr habt in Kneipe oder Club diesen wunderbaren Menschen kennengelernt. Du hast ihm verheißungsvolle Blicke zugeworfen, dann und wann gezwinkert – du hast Lust auf “Sexytimes”. Du hast dich vorgestellt, “Lust auf ‘nen Drink?”, hast du gefragt – und sitzt deinem Schwarm nun an der Bar gegenüber. Alles könnte so perfekt sein, du setzt zum Kuss an – doch der Mensch deiner Begierde wendet sich ab. “Du riechst ja wie ‘ne ganze Kneipe!”. Tja, hättest du mal bloß kein Bier getrunken. Apfelwein dagegen verursacht keine Fahne – und einer leidenschaftlichen Nacht steht rein olfaktorisch nichts im Wege… Liebe für alle!

Allerbeste Zahngesundheit

Lasst euch von Begriffen wie “Feinherb” oder “Naturmild” nicht täuschen: Der “Saure” heißt nun einmal nicht umsonst so. Ja, Apfelwein enthält eine Menge Säure. Glaubt ihr nicht?

Dann schaut doch mal in die Gesichter der Touristen im “Gemalten Haus”, wenn sie anlässlich ihres Frankfurt-Besuchs pflichtgemäß zu ihrem ersten Schoppen greifen.

Es dauert seine Zeit, bis Mund- und Magenschleimhaut immun gegen den Schoppen geworden sind und das Trinken zum Genuss wird. Doch ist dies erst einmal gelungen, kann man sich über eine blendende Zahngesundheit freuen – putzt die enthaltene Säure doch ratzfatz auch hartnäckigste Zahnbeläge weg und bereitet jeglichen Bakterien im Mundraum ratzfatz den Garaus. Euer Zahnarzt wird sich freuen, “Zahnfleischentzündung” oder “Karies” werden fortan Fremdwörter für euch. Merke: Was für Kalkablagerungen im Bad der Essigreiniger, ist für eure Beißerchen der tägliche Schoppen. Experten gurgeln zwei Mal täglich – und lassen damit selbst Dr.Best ganz neidisch dreinblicken.

Überzeugt?

Ich hoffe sehr, euch von der Vielzahl der Vorteile des Sauergespritzten überzeugt zu haben. Worauf wartet ihr also noch? Spart euch den Yoga-Lehrer, spart euch das viele Geld für teuren Kosmetikquatsch und all die leeren Versprechungen der Werbeindustrie – und lasst den Apfelwein mitsamt seinem prickelnden Schuss an wertvollem Mineralwasser auch zu eurem ewigen Jungbrunnen werden. Apfelwein: Discover the healthy way of lifestyle!

Ich jedenfalls geh’ jetzt noch mal runter zum Wasserhäuschen, um Stöffche zu holen. Diesmal nehm’ ich den Perso aber besser mit.

Der letzte seiner Art: Zu Besuch bei Frankfurts letztem Fährmann

Wohl jeder von uns dürfte einen Bänker, Versicherungsangestellten oder Anwalt kennen. Auch Piloten, Polizisten und Unfallchirurgen sollten Teil zahlreicher Freundes- und Bekanntenkreise sein.

Als leibhaftigen Fährmann dagegen hat sich mir selbst auf großen Parties bislang noch nie jemand vorgestellt. Woran dies wohl liegen mag?

 

Zenit überschritten

Vielleicht an der Tatsache, dass die Anzahl von Binnenfährverbindungen stark abgenommen hat. Ich greife zum Hörer und mache mich schlau.

„In unserem Zuständigkeitsbereich existieren heute nur noch fünf Fährverbindungen über den Main“, erläutert mir Dietmar Droste vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Aschaffenburg. Dennoch seien Fährführer (so nämlich die amtlich korrekte Berufsbezeichnung eines Fährmanns) im Einzugsbereich dringend gesucht: „Die Mainfähre Rumpenheim ist mangels Betreiber derzeit stillgelegt”, resümiert er trocken.

Handelt es sich beim Fährmann also um einen aussterbenden Beruf? Und wie sieht eigentlich der Alltag auf einem solchen Wassertaxi aus? Dies möchte ich herausfinden und mache mich auf den Weg in den Stadtteil Schwanheim. Dort nämlich schafft die letzte heute noch im Frankfurter Stadtgebiet verkehrende Fähre eine Verbindung auf dem Wasserweg zum Stadtteil Höchst.

 

Schwanheim-Höchst, hin und her

Es weht ein eisiger Wind an diesem Donnerstagnachmittag, ich ziehe mir meine Mütze noch ein wenig tiefer ins Gesicht. Das Thermometer zeigt knapp unter Null – ein Wetter also, bei dem man das kuschelige Zuhause nur ungern verlässt. Insofern verwundert mich kaum, dass außer mir nur noch ein anderer junger Mann samt seinem Hund am Fähranleger steht. Stumm nicken wir uns zu und warten auf die weiß-rote Fähre. Gemächlich schippert sie in unsere Richtung.

Auf die Fähre warten, das kann man hier schon seit recht langer Zeit – bis weit hinein in das siebzehnte Jahrhundert lässt sich ein Fährbetrieb zwischen den beiden Frankfurter Stadtteilen Schwanheim und Höchst belegen. Das heutige Fährschiff ist freilich nicht ganz so alt – 1991 in Dienst gestellt und auf den Namen des ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisters Walter Kolb getauft, erreicht es endlich unser Ufer. Als ich die auf dem Schiffsdach wehende Fahne der Eintracht Frankfurt entdecke, muss ich schmunzeln. Die Landeklappe wird heruntergelassen und macht mit schrammendem Geräusch Bekanntschaft mit dem Festland.

Galt es in den Anfangsjahren der Fährverbindung noch einen ganzen Simmering (das sind immerhin 32 Kilogramm!) Getreide für beliebig viele Überfahrten während der Zeit der Heuernte zu berappen, werde ich für meinen Fahrschein gleich mit einem Euro zur Kasse gebeten werden, wie mir die Preistafel verrät. Im Jahr 2018 berechtigt dieser zwar nur zu einer einfach Überfahrt, dennoch empfinde ich den Tarif als fair bemessen. Ich baue ja schließlich auch gar kein Heu an.

„Einmal Höchst, bitte!“, äußere ich ein wenig ehrfürchtig meinen Wunsch. Der Fährmann, pardon: Fährführer drückt mir meinen Fahrschein in die Hand. Ob ich ihm denn ein paar Fragen stellen dürfe? „Gerne doch!“, sagt er – und bittet mich hinein in sein Steuerhaus. Ich kann mein Glück kaum fassen, trete ein und blicke mich neugierig um. Dass ich meine Überfahrt gleich im Steuerhaus absolvieren dürfte, nein, das hätte ich ganz sicher nicht erwartet. Der kleine Junge in mir jubelt, während sich mein Gegenüber als Sven Junghans vorstellt. Er wirft einen routinierten Blick auf Kontrollleuchten und Instrumente, ein Griff zum großen Steuerrad, die Fähre setzt sich in Bewegung. Ja, sein Arbeitsplatz schaut ein wenig aus: Das in Holz eingefasste Steuerpult, das große Steuerrad, das in selber Bauart auch Bestandteil eines Piratenschiffs sein könnte. Aber: Es ist warm und kuschlig. Ich fühle mich wohl.

 

Schiffer in siebter Generation

„Was mich am meisten interessiert“, frage ich Sven: „Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?“ Der Schiffsdiesel röhrt, langsam lassen wir das Ufer hinter uns. „Die Frage stellte sich mir eigentlich gar nicht“, verrät der „Kapitän“. Er sei Schiffer in siebter Generation, sein Großvater sei einer der letzten Fischer auf der Elbe gewesen – bevor das schmutzige Wasser endgültig das Ende für die dortige Fischerei besiegelt habe.

Dass Junghans in die Fußstapfen seiner Väter treten würde, sei für ihn selbstverständlich gewesen, sodass auch er bereits in jungen Jahren sein Schifffahrtpatent in den Händen hielt. „Ich war Binnenschiffer auf dem Rhein“, erinnert er sich. Dort habe man aber mit rückläufigem Frachtvolumen zu kämpfen gehabt. „Man packt ja lieber alles auf die Straße“, sagt er mit Bitterkeit in seiner Stimme. Vor fünf Jahren dann habe er die Gelegenheit am Schopf gepackt und die „Walter Kolb“ von der Stadt Frankfurt gepachtet. Schließlich lebe er hier und habe es nach Feierabend nicht weit zu seinem Apartment in der Frankfurter Altstadt.

 

120 Fahrten am Tag – doch langweilig wird es nie

Mittlerweile haben wir die Flussmitte erreicht, freudig blicke ich auf Justinuskirche und Höchster Schloss. 120 Meter ist der Main an dieser Stelle breit, die Überfahrt dauert nur wenige Minuten. Wie oft Sven Junghans wohl an Tag zwischen beiden Ufern pendelt? „Das ist ganz unterschiedlich“, sagt der 45-Jährige. „Es gibt schließlich keinen festen Fahrplan und ist abhängig vom Bedarf – ich fahr‘ mich ja nicht selbst spazieren.“ An guten Tagen aber komme er aber gut und gerne auf 120 Fahrten je Richtung. Im Sommer etwa, wenn viele Radfahrer unterwegs seien und die Überfahrt für eine kurze Verschnaufpause nutzten.

 

Hin und her, den ganzen Tag: Ob ihm dabei denn nicht langweilig werde?

„Auf keinen Fall!“, entgegnet der Fährmann entschieden. „Ich habe mich im Steuerhaus noch keine Sekunde lang gelangweilt!“ Er deutet auf einen Bildschirm, auf einer schematischen Darstellung des Mains erkenne ich rote Punkte. „Dieser Monitor spiegelt in Echtzeit den Schiffsverkehr“, setzt er zur Erklärung an. „Und in der Schifffahrt gilt seit eh und je: Längsfahrt vor Querfahrt“. Er müsse darauf achten, den Binnenschiffen jederzeit Vorfahrt zu gewähren. Kleine Sportboote, die tauchten dagegen auf dem Bildschirm gar nicht auf: „Auf die muss man höllisch aufpassen!“

Außerdem, und das sei für ihn die schönste Abwechslung, gebe es ja schließlich noch die Fährgäste. Für einen kurzen Plausch mit ihnen, da nähme er sich immer Zeit. Ganz besonders freut es ihn, wenn er einen seiner zahlreichen Stammgäste an Bord begrüßen darf: „Mit den Jahren kennt man sich, quatscht gerne auch mal länger“.

Und wenn er mal krank sei? “Ich bin nie krank”, antwortet er trocken – und lacht dann doch, als er mein erstauntes Gesicht sieht. “Für den Fall der Fälle habe ich aber einen Vertreter”.

Ich zucke kurz zusammen, als ich eine rauschende Stimme höre. „Nur ein Funkspruch“, klärt mich Junghans auf, „aufgrund einer Baustelle herrscht abschnittweises Begegnungsverbot, über Funk wird der Schiffsverkehr dementsprechend disponiert“. Ich atme auf, scheint ja alles im grünen Bereich zu sein.

Unermüdlich unterwegs

Ich frage, ob die “Walter Kolb” denn wirklich bei Wind und Wetter verkehre. Sven Junghans lächelt ein stolzes Lächeln und stellt klar: “Nur bei Hochwasser stelle ich den Betrieb ein. Und das kommt auf dem Main wirklich selten vor”.

Fast bin ich ein wenig traurig, als er mit routiniertem Handgriff eindreht und wir an der Anlegestelle Höchst festmachen. Der Mann mit Hund verlässt die Fähre, neue Passagiere sind nicht in Sicht. Glück für mich, denn so darf ich noch ein wenig im Steuerhaus sitzen bleiben und mich mit Sven Junghans unterhalten.

Ob es denn ein Erlebnis gäbe, das er nie vergessen könne?  “Allerdings”, sagt der Fährführer und wird ernst. “Es gab da einen jungen Kerl, der wollte vor meinen Augen im Fluss baden”, erinnert er sich. Er habe ihn noch vor den Strömungen gewarnt, habe die Wasserschutzpolizei verständigt, als der junge Mann sich nicht beirren ließ. Zwei Tage später wäre dieser dann bei Kelsterbach aus dem Main gefischt worden. “Das tat weh”, sagt der Fährmann und richtet seinen Blick wieder auf die Anlegestelle.

 

Ausreichend Power unter der Haube

Zwei ältere Herren mit Fahrrad nehmen Kurs auf die Fähre; ich fürchte, ich muss zum Ende kommen, schließlich will ich Junghans in seiner Arbeit nicht behindern. “Verrate mir doch: Über wie viele PS verfügt deine Fähre eigentlich?” – ja, auch solche Männerfragen wollen gestellt werden.

“Ganze 190”, so Junghans’ prompte Antwort. Dies genüge für eine Fahrtgeschwindigkeit von 12 Stundenkilometern – ausreichend auch für kleine Touren auf Binnengewässer. “Die Fähre kann nämlich auch für Ausflüge gemietet werden”, betont der sympathische Schiffer. “Eine Anfrage per E-Mail genügt”.

Ich verabschiede mich ganz herzlich, verlasse meinen lieb gewonnen Platz im Steuerhaus und betrete Höchster Festland. Immer noch weht ein eisiger Wind, eine Horde Möwe rauft sich um ein trockenes Brötchen. Ich drehe mich noch einmal um, sehe die beiden Herren mit ihren Fahrrädern ihren Fahrschein kaufen. Als der Motor röhrt und die “Walter Kolb” wieder Kurs auf Schwanheim nimmt, winke ich Sven hinterher. Es ist ein kalter Tag.

Mögen er und seine Fähre noch lange unterwegs sein!

[Talentfrei musizieren]: Letzte Zuflucht Moseleck

Na, war eure letzte Woche wieder mal so richtig beschissen?
Egal, in welch desaströser Lebenslage ihr auch immer stecken mögt:

Es besteht Hoffnung!

Und zwar in Form eines ganz besonderen Orts im Bahnhofsviertel. Damit ihr dies auch in akuten Krisen nie vergesst, habe ich einmal wieder vollkommen talentfrei zur Gitarre gegriffen und euch ein kleines Lied geschrieben.Vorhang auf und Bühne frei für meinen neuen neuesten Anschlag auf eure Gehörgänge:

Letzte Zuflucht Moseleck!

 

 

Wie ich Kandidat beim “HessenQuiz” wurde – und Nordhessen zu hassen begann…

Es ist schon eine ganze Weile her, war irgendwann im frühen Sommer. Ich war gerade mit Bügeln beschäftigt (selbst ist der Mann!), zappte mich nebenbei durchs Fernsehprogramm. Hängen blieb ich beim “Großen HessenQuiz” des hessischen Rundfunks hängen, moderiert von Jörg Bombach. Schaute das nicht meine Oma immer?

Als Bügel-Begleitprogramm sollte es jedenfalls taugen, und während ich das Eisen schwang, begann ich, eifrig mit den vier Kandidaten mitzufiebern. In verschiedenen Kategorien gilt es für sie, ihr Wissen zu ihrem Heimatbundesland unter Beweis zu stellen und sich als echter Hessen-Kenner zu beweisen. Der Gewinner schließlich darf sich über eine große Reise freuen, auch wenn es natürlich kaum einen Grund gibt, das schöne Hessen zu verlassen.

Ich jedenfalls war verblüfft, wie viele der gestellten Fragen ich richtig hätte beantworten können. Mein Ehrgeiz war entfacht, die Hemden wieder glatt.

 

Zwei Gläser Wein später:

“Was die können, das kann ich schon lange!”. Ich fasste spontan den Entschluss, mich als Kandidat für das “Große HessenQuiz” zu bewerben. War es nicht ohnehin längst an der Zeit, von meinen widerwillig bezahlten Rundfunkgebühren endlich mal zu profitieren? Kurze Online-Recherche, Formular ausfüllen, absenden, fertig – wär’ doch gelacht, hätte nicht auch ich das Zeug zum Hessen-Champion…

Am nächsten Tag passierte: Nichts. Auch am übernächsten Tag erhielt ich noch keine Antwort, und am dritten hatte ich meine nächtliche Bewerbung längst vergessen.

 

Monate später

Es war mittlerweile Herbst, als auf dem Display meines Telefons eine mir unbekannte Kölner Rufnummer erschien. Ich nahm ab, am anderen Ende war ein netter Herr Hamm von einer Produktionsfirma aus Köln. Ich hätte mich doch für das “HessenQuiz” beworben? Ach ja, da war ja was. 

Ob man mir denn mal ein paar Fragebögen senden könnte? Aber gerne doch, dankeschön, auf Wiederhören. Als die Fragebögen eintrudeln, staune ich nicht schlecht: Was man da alles von mir wissen will! Lustige Anekdoten aus meinem Leben, die man in der Sendung erwähnen könnte. Manche der Fragen beantwortete ich sehr ausführlich, manche kommentierte ich mit der Bewerbung, sie gehörten ins Privatfernsehen. Ich schickte die Fragen postwendend zurück nach Köln und war gespannt…

 

Der böse Wolf im Frankfurter Stadtwald: Das Casting

Diesmal musste ich nicht lange warten. Die mir mittlerweile vertraute Rufnummer aus Köln im Display, der liebe Herr Hamm ruft an. Man sei neugierig, würde mich gern zum Casting einladen. CASTING? Mit einem solchen Aufwand hätte ich nicht gerechnet, aber hey, natürlich sagte ich prompt zu.

Ein Schreiben sollte mir wichtige Hinweise zum Casting auf dem HR-Gelände im Dornbusch mit auf den Weg geben. “Bitte wählen Sie farbenfrohe Kleidung!”. Ich entscheide mich für schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt. Als ich eintraf, war das große Foyer bereits mit Wartenden gefüllt, ich war also offensichtlich nicht der einzige Casting-Teilnehmer.

Irgendwann dann stand eine junge Frau vor mir, nennt meinen Namen. Ich folgte ihr durch die weiten Korridore des HR-Gebäudes, nahm abermals in einem Wartebereich platz. Immerhin gab’s Kaffee. Und, natürlich: Formulare.

Abermals galt es zahlreiche Fragen zu beantworten, bis ich in einen Nebenraum geführt wurde. Hier lernte ich den netten Herrn Hamm aus Köln endlich persönlich kennen, auch seine Kollegin erwies sich als außergewöhnlich freundlich. Ich solle doch bitte mal vor der Kamera Platz nehmen, aber keine Sorge, ich solle einfach so sein, wie ich es immer bin.

Mir wurden zehn Fragen über Hessen gestellt. Dass durch Gießen die Lahn fließt und der Vogelsberg mal ein Vulkan war, wusste ich gerade noch. Bestanden!

Nun sollte ich frei Schnauze die Geschichte vom Rotkäppchen und dem Bösen Wolf nacherzählen, aber den Ort der Handlung auf Frankfurt übertragen. Ich war zunächst ein wenig überfordert, plapperte wild drauf los und erzählte irgendwas von einem Hipster-Mädchen aus dem Nordend, das seiner kranken Oma im Stadtwald Soyamilch und Handkäs’ bringen soll. Am Mainufer trifft es den bösen Wolf, der sich Zeit verschafft, in dem er das Rotkäppchen auf den Flohmarkt am Mainkai schickt, um seiner Oma ein paar hässliche Wandteller zu kaufen, darüber freue sie sich sicher sehr. Immer wieder lache ich drauflos, mache am Ende den Jäger zum GEZ-Fahnder, der den Wolf im Bett der Oma im Frankfurter Stadtwald erschlägt.

Ich lache immer noch, als meine improvisierte Geschichte zu Ende erzählt war. Ich war erschrocken über meine Phantasie und feierte mich ein wenig dafür, im Gebäude des Hessischen Rundfunks Spitzen gegen die GEZ verteilt zu haben.

Ob mich die Leute hinter der Kamera aber ebenso lustig fanden? Das sollte ich noch nicht erfahren…

 

Wie ich begann, Nordhessen zu hassen: Die Vorbereitung

Die glückliche Nachricht erreichte mich dann Ende Oktober: Ich hatte es tatsächlich geschafft und war als Kandidat für das “HessenQuiz” auserkoren! Außerdem ereilten mich abermals zahlreiche Hinweise für die Aufzeichnung am 25. November.

Gleich drei farbenfrohe (!!) Outfits sollte ich doch bitte mitbringen, außerdem dürfte ich drei Zuschauerkarten auf meine Namen hinterlegen lassen. Hatte ich natürlich gleich gemacht, sodass meine lieben Freunde Dagmar, Sina & Antonius im Publikum sitzen können und mir die Daumen drücken können, wenn ich mein Wissen unter Beweis stelle.

A propos Wissen:
Es blieben noch drei Wochen bis zur Aufzeichnung, ein wenig der Auffrischung meiner Hessen-Skills war wohl angebracht.

Ich quälte mich durch Wikipedia, doch schnell wurde mir das Online–Lernen zu unübersichtlich. Ich besann mich auf alte Schultage: Gab’s da nicht mal Heimat- und Erdkunde? Bei Amazon bestellte ich gleich mehrere Schulbücher über Hessen, lernte aber zuerst, dass Schulbücher scheiße teuer sind.

Und dann ging’s los. Vom Odenwald bis zum Knüllgebirge, von der Sackpfeife (wer zum Geier tauft einen Berg SACKPFEIFE?!) zum Melibokus: Ich lese mich durch Regionen, Mittelgebirge und Täler. Widmete dem Hessen-Teil meiner Tageszeitung mehr Aufmerksamkeit denn je. Lernte Flussnamen, beschäftigte mich mit nordhessischen Volksfesten und Handwerkskünsten. Und überhaupt, Nordhessen: Ich stellte fest dass das Hessen “ganz da oben” irgendwie größer als gedacht und mir obendrein recht unbekannt war. Lernstoff aus der Grundschule, der sich einen Erwachsenen recht blöde vorkommen lässt.

Bis zum Tage vor der Sendung verzweifelte ich regelmäßig an nordhessischen Kleinstädten, Flüssen und Burgen. Ich schwor mir, niemals wieder einen Fuß auf nordhessischen Boden zu setzen. Noch ein kurzer Blick ins hessische Geschichtsbuch, und ich klappte die Bücher zu. Für alle Fragen konnte ich nicht gewappnet sein, und hey – war nicht Dabeisein alles? Der Tag der Aufzeichnung, er konnte kommen.

Die Aufzeichnung: Der große Tag

Ich frage mich, ob sich das Binge-Watching alter Folgen des “HessenQuiz” am gestrigen Abend noch auszahlen wird, während ich fröstelnd auf dem riesigen HR-Gelände herumlaufe und etwas verloren den Studio-Eingang suche. Es ist 11.30 Uhr, und ich würde wirklich gerne mal wissen, warum mich der Hessische Rundfunk derart frühzeitig einbestellt hat. Die Aufzeichnung beginnt nämlich erst um 18 Uhr – was also soll ich hier also sechseinhalb Stunden vorher?

Meine drei Mitspieler kennen lernen, beispielsweise. Dies tue ich, nachdem mich von einer lieben Mitarbeiterin der Casting-Agentur in Empfang genehmen werde, die uns Kandidaten auch am Tage der Aufzeichnung rührend betreuen sollte. Kathleen, Maria und Stephan haben es sich bereits im Backstage-Zelt bequem gemacht, ich bin mal wieder spät dran und der Letzte.E in kurzes Hallo in die Runde, angenehm, der Matze aus Frankfurt. Der HR sponsert Obst, Schnittchen und Kaffee. Dafür muss ich allerdings noch eben meine Seele an die Sendeanstalt verkaufen; ich setze meine Unterschrift unter einen entsprechenden Wisch.

Gut gekleidet – halb gewonnen? 

Kaffee, gute Idee, denk ich mir noch – doch kaum hab’ ich den Becher angesetzt, werde ich auch schon von einem strahlenden Herren in braun-kariertem Jacket angesprochen. Ein Abgeordneter der Alternative für Deutschland? Mitnichten, es handelt sich um Wolfgang, wie sich schnell herausstellt – den Gewandmeister vom Dienst. Welch herrliche Berufsbezeichnung! Wolfgang scheint mir ein echtes Urgestein. “Dann wolle mer ma schaun, wie mer dich herrichte!”, sagt er in breitestem Hessisch und bedeutet mir, zu folgen.

Ach ja, da war ja was – die adäquate Garderobe, die mich vor der Kamera als gut gekleideten, adretten Herrn darstellen lässt. Gleich drei unterschiedliche – unbedingt farbenfrohe! – sollte ich mitbringen.

Während insbesondere die Damen sich reichlich Mühe bei der Auswahl gleich mehrerer Kostüme in den farbenfrohesten Farben gegeben zu haben scheinen, habe ich es mir denkbar einfach gemacht und spüre den Anflug eines schlechten Gewissenchens: Nach dem Aufstehen hatte ich recht wahllos in meinen Kleiderschrank gelangt, und nach einigen nicht-schwarzen Shirts und Pullovern gelangt. Doch ich hab’ Glück, Wolfgang ist mit meiner Auswahl zufrieden – ich darf die Show im Shirt absolvieren, welches ich bereits trage. Ein farbenfrohes Lindgrün mit lokalpatriotischen Schriftzug: Auch ich bin happy!

Bestens gekleidet geht’s zurück in unser Kandidatenzelt. Eine weitere bezaubernde Mitarbeitern schaut noch einmal eine ältere Folge des HessenQuiz, damit wirklich ein Jeder von uns die Regeln verstanden hat. Danach heißt es: Warten und Kaffeetrinken. Und natürlich: Rauchen.

Auf dem Weg nach draußen (ja, auch beim HR will der Nichtraucherschutz gewährleistet sein!) begegne ich auf dem Flur einem Typ in legerer Jeans und Pulli. Seinen Gruß erwidere ich mit einem knappen “GUDE!”, eile vorüber. Als ich mir draußen eine Zigarette entfache, beginnt es in meinem Kopf zu rattern. Das Gesicht eben, kam mir das nicht bekannt vor? War das nicht etwa…. Fuck, genau der war das doch. Jörg Bombach himself, Moderator der Sendung. Ohne Moderations-Outfit, ohne Anzug hatte ich ihn glatt nicht erkannt. Da hab’ ich wohl den ersten Fail geliefert. Also: Schnell zurück, Missverständnis aufklären, bevor meine Reputation noch vor Sendungsbeginn hinüber ist.

Jörg Bombach erweist sich glücklicherweise nicht nur als nachgiebig, sondern auch als überaus unverkrampfter, sympathischer und bodenständiger Gesprächspartner.

 

 

 

Von Star-Allüren jedenfalls keine Spur, ein wenig meiner Anspannung ist mir genommen. Uff! 

 

Trockenübungen

Der Nikotin-Pegel ist auf stimmiges Niveau gebracht, ich atme durch. Gehe zurück ins Zelt, halte einen Plausch mit Mitspielern und Crew. Ich bin der einzige Frankfurter: Heimspiel für mich! Ob es mir Glück bringen wird?

Ich schaue auf die Uhr. Noch viel zu lange bis zur Aufzeichnung. “Seid ihr soweit”? – ich beiße gerade in meinen Apfel, als die Stimme der strahlenden Produktionsassistentin mich aus meinen Gedanken reißt. Auf ins Studio – Zeit für eine kleine Probe!

Wir eilen über die unergründlichen Korridore des HR; an den Türschildern lese ich mir wohlbekannte Namen. Wer hier alles ein Büro hat! Und dann ist es soweit: Ehe ich mich versehe, stehe ich im Studio. Also, in DEM Studio: Dem des HessenQuiz, das ich bereits aus dem Fernsehen kenne. Und tatsächlich: Alles hier sieht auch genauso bunt aus wie im Fernsehen. Die Kandidatenpulte, der Platz des Moderators, die Scheinwerfer, die große Bildschirm – alles da. Lediglich die Plätze des Publikums sind noch unbesetzt. Besser so, schließlich habe ich noch keine Ahnung, was ich hier gerade mache. Auf was hab’ ich mich hier nur eingelassen?

Ein Handschlag mit dem Regisseur, ein “Hi!” der Aufnahmeleiterin. Wir finden uns auf den uns zugeteilten Plätzen ein. Erhalten umfangreiche Unterweisung für die Touchscreens an den Pulten, nochmals die Regeln eingebläut. Und wie war das doch gleich mit den Jokern?

Irgendwann dann fühlen wir uns fit, die Aufregung steigt im Kollektiv: Ja, wir sitzen alle im selben Boot, und zu verlieren? Haben wir nichts.

Findet auch Guido Hamm, der uns in seinem Büro empfängt, nachdem wir umfangreich von der Tontechnik verkabelt wurden. Neben Smartphone trage ich also nun einen Sender in meiner Hosentasche, als ich mit Herrn Hamm nochmals den Sendeablauf durchspreche und gebrieft werde. “Wird schon!”, sagt er – “sind doch alle hier, um Spaß zu haben – oder?”

Recht hat er, der Herr Hamm – und tatsächlich freu’ ich mich schon ein wenig auf die Sendung. Eine Stunde noch, bevor ich das Studio erneut betreten werde, das dann bereits mit zahlendem Publikum und meinen Freunden gefüllt sein wird.

Eine letzte Hürde gilt es noch zu nehmen:

Perfekt gekleidet sind wir schon, allerdings wollen auch sämtliche Hautunebenheiten beseitigt und die Visage kameratauglich gemacht werden: Hierbei hilft ein Gang in die Maske.

 

 

 

 

Verrückt, wie sich irgendwelche Schminke im Gesicht anfühlt – das ließ mich bislang allenfalls Halloween erahnen. Die Damen geben sich derweil weitaus routinierter. Und ich? Bin eigentlich nur froh, dass sich meine Augenringe nun weitaus unauffälliger präsentieren. Soll ja niemand denken, ich würde zu wenig schlafen und gerne mal die Nacht zum Tage machen, höhö! Ich vertraue blindlings der Deckwirkung der HD-Schminke.

Zurück im Zelt, spiele ich kurz mit dem Gedanken, noch einen Blick in meine Lernunterlagen zu werfen. Lieber aber geh’ ich ans Buffet und unterhalte mich mit den netten Mitarbeiterinnen der Produktionsfirma und meinen Mitspielern. Dabei vergeht die Zeit blöderweise ziemlich schnell.

 

“Was, nur noch zehn Minuten?!” 

Die reichen noch genau für eine Zigarette und einen Gang aufs Klo. Bevor es endgültig heißen wird “Aufnahme läuft!”, wird der Sekt auf den Tisch gestellt. Ein Schlückchen gegen die sich anbahnende Nervosität? Klingt verlockend, doch ich bleibe hart. Bloß einen kühlen Kopf bewahren!

Es geht ins Studio. Der Anheizer hat das Publikum bereits in Stimmung gebracht; kollektives Ausrasten, klatschen, klatschen, klatschen.

Nur am Rande bekomme ich mit, wie mein Name ertönt. Ich winke brav ins Publikum, marschiere stramm auf den mir zugedachten Platz am Kandidaten-Pult zu.

Und dann? Dann geht’s auch schon los. Jörg Bombach betritt das Studio, diesmal sieht er auch wie Jörg Bombach aus. Geklatsche im Rücken, Scheinwerfer im Gesicht. Was dann geschah? Das durfte ich bislang nicht sagen, dazu hatte ich mich höchstoffiziell vertraglich verpflichtet.

Vier Monate später aber, am 11. März 2018, erfolgte dann aber die Ausstrahlung – und die, nun ja, zahlreichen Zuschauer des Hessischen Rundfunk wurden Zeuge, wie ich mich gleich hektoliterweise mit Ruhm begieße. Oder vielleicht auch nicht….

 

Werdet Zeuge!

Habt ihr (Teufel, Teufel!) die Sendung verpasst – wollt aber dennoch Zeuge meiner “glorreichen” Kenntnissen meines Heimatbundeslandes werden?

http://www.hr-fernsehen.de/sendungen-a-z/hessenquiz/sendungen/das-grosse-hessenquiz,sendung-28000.html

Dazu bietet euch die Mediathek der ARD vierzehn Tage lang nach der Ausstrahlung die Gelegenheit: Ich wünsche gute Unterhaltung!

Mir bleibt nur, beste unterhaltung zu wünschen – und mich ganz herzlich bei allen an der produktion beteiligten zu bedanken! Es war ein grossartiger Tag!

Aufgrund Sanierung: U-Bahn-Station “Dom/Römer” wird zum Geisterbahnhof [mit Video]

Hübsch, freundlich und seiner exponierten Lage gebührend: 

All das soll er werden, der zuletzt etwas angestaubte U-Bahnhof “Dom/Römer”.
Damit die Haltestelle bis zur Eröffnung der neuen Frankfurter Altstadt in neuem Glanz erstrahlen kann, sind erhebliche Sanierungsmaßnahmen notwendig.

Züge fahren durch

Diese machen es erforderlich, dass noch bis zum 22. Juli 2018 keine Züge an der der ansonsten hoch frequentierten Station Halt machen können.

Hatten die Bauarbeiten schon vor der Sperrung überraschenderweise einige Plakate aus den frühen 1970er Jahren hinter den Fassaden freigelegt und Fahrgästen eine kleine Zeitreise zurück in “gute, alte Zeiten” ermöglicht, ermöglicht die derzeitige Sperrung ein weiteres Erlebnis:

 

Kurz vor der Station bremsen die Züge auf langsame Geschwindigkeit ab und ermöglichen den Blick hinein in einen “Geisterbahnhof”. Erst am Bahnsteigende nehmen sie wieder an Fahrt auf. Der Blick aus dem Fenster eines Zuges der Linie U4 oder U5 erinnert momentan ein wenig an die verlassenen Transitbahnhöfe des geteilten Berlin.

Ein bisschen wie die “Friedstrichstraße”

Ich jedenfalls schaue immer wieder gerne aus dem Fenster – und genieße die eigentümliche und ein wenig gruselige Atmosphäre, die der “Geisterbahnhof” ins Herz meiner Stadt zaubert:

Habt auch ihr euren Gefallen an der Durchfahrt gefunden?