Eine Fahrt mit der Frankfurter Straßenbahn entbehrt bekanntermaßen oftmals nicht einem gewissen Unterhaltungswert. Unterschiedlichste Menschen jeglicher Klasse und Couleur, eingepfercht auf engstem Raum — da sind erheiternde, aufschlussreiche, interessante und auch erschreckende Erlebnisse für den Fahrgast schließlich vorprogrammiert. Außerhalb der Fahrzeuge sind bietet der öffentliche Nahverkehr jedoch in der Regel ein eher überschaubares Potential für amüsante Geschichten — meistens jedenfalls. Am VGF-Toilettengrün hat man sich schließlich auch schnell satt gesehen. Dass es jedoch auch anders geht, konnte ich unlängst als Augenzeuge beobachten.
Frankfurt Nordend, früher Abend. Im Feierabendverkehr schlängelt sich eine Straßenbahn stadtauswärts über die viel befahrene Friedberger Landstraße.
Doppelt ärgerlich für die zwecks Überquerung der Straße an der Ampel wartenden Passanten und Flaneure:
Nicht nur die endlos erscheinende Blechlawine will Vorbeifahrt gewährt werden, auch gilt es auf die Vorbeifahrt der Straßenbahn zu warten, um dank grüner Ampel hässliche Blutflecken auf dem Straßenboden zu vermeiden.
Doch endlich: Die Kraftfahrzeuge kommen vor deren roter Ampel zum Stehen. Nun muss nur noch die Straßenbahn den Fußgängerüberweg frei räumen, um eine gefahrlose Überquerung zu gewährleisten.
Soweit kommt es allerdings vorerst nicht:
Die Tram der Linie 12 kommt abrupt mitten auf dem Fußgängerüberweg zum Stehen. Irritierte Blicke sowie Augenrollen sind bei den Wartenden zu beobachten. Die Gestik ändert sich dann allerdings schlagartig, als eine Stimme durch die Außenlautsprecher der Bahn erschallt. Offensichtlich möchte der Fahrer auf diesem Wege Kontakt mit seinem Kollegen aufnehmen, der mit der Straßenbahn der Gegenrichtung an der Haltestelle gegenüber an der anderen Straßenseite zum Halten gekommen ist und in dessen Tram gerade der Fahrgastwechsel stattfindet.
“Ey, Bruder, du hast auch die 12?! Warum sagst du nix?”
Verstörte Blicke, erstes Gelächter. Es folgt die prompte Antwort des “Bruders” des Fahrers mit offensichtlichem Migratioshintergrund:
“Bruder, kann ich hellsehen?! Hab den ganzen Tag nur 12, echt kein Bock! Wann hast du Feierabend?”
Kurzes Knistern, es folgt die blecherne Antwort aus dem Fahrzeug gegenüber:
“21.30 Ablösung Konsti, lass’ da treffen und noch eine rauchen, Bruder”!
Der Ärger weicht nun vollends ungläubigem Kopfschütteln und allgemeiner Erheiterung.
Kollega, das passt! Schwöre, ich freu mich! Bis später!
Das Zugpersonal beendet den Dialog mit beidseitigem Klingeln, die Bahn räumt endlich den Übergang.
Zurück bleiben die Fußgänger, die sich ungläubig anstarren, teils prusten — und nun endlich die Straße überqueren können. Soll noch mal jemand behaupten, die Jungs von der VGF hätten keinen Humor.
By MatzeFFM on June 29, 2016.
Exported from Medium on September 22, 2016.