Wenn es etwas gibt, das ich wirklich NIE mache, dann ist das einen Film zu schauen. Eine Tatsache, die insbesondere dem Umstand geschuldet sein mag, dass sich meine Aufmerksamkeitsspanne in etwa auf dem Niveau eines 2-Jährigen beliegen mag…
Nun allerdings begab es sich, dass ich in den unendlichen Weiten dieses Internet auf eine DVD der Reihe “Edition wiederentdeckt” gestoßen bin, welche in einer ihrer Ausgaben gleich 9 Kurzfilme aus aus der Frankfurter Vergangenheit zwischen 1909 (konnte man da schon filmen?) und 1959 zu zeigen versprach. Manche davon bislang sogar unveröffentlicht.
Die mir entstehenden Kosten von 20 Euro habe ich mit einem Schlucken und anschließendem Sauergespritzten quittiert, und bereits am nächsten Tage hielt ich besagte Silberscheibe in den Hände.
Entgegen jeglicher meiner üblichen Gewohnheiten habe ich mir es also auf dem Sofa bequem gemacht und mich auf eine Zeitreise durch meine Stadt begeben – zurück in jene Tage, in denen es sich der gemeine Frankfurter niemals hätte erträumen lassen, dass einmal eine Ansammlung von Wolkenkratzern zum weithin sichtbaren Symbol seiner Stadt werden würden….
Die “guten, alten Zeiten”
Und, was soll ich sagen? Auf die angepriesene “einzigartige Zeitreise”, auf die konnte ich mich vom Sofa aus tatsächlich begeben.
Ein jeder der Kurzfilme entlockte meinem Gesicht ein entzückendes Staunen darüber, wie die Straßen, durch die ich mich tagtäglich begebe und deren Anblick mir so vertraut ist, früher ausgesehen haben. Eine neue Altstadt, die wird uns Frankfurtern demnächst geschenkt – doch wird sich auch in dieser nicht das Leben vergangener Jahrzehnte abspielen.
Dabei habe ich mich besonders über die Vielfalt der Kurzfilme gefreut. Ein Ausblick vom Dom, die Stadt zu Füßen – gänzlich ohne Skyline. Alltag im Volksbildungsheim, das heute das Kino “Metropolis” beherbergt.
Ein Mädchen fährt im Werbefilm “Unser Frankfurt heute” von 1954 Dreirad vor Wohnhochhäusern, die später einmal Sinnbild für die “Ghettoisierung” der Trabanten-Siedlungen werden sollten. Davon lässt die Idylle auf den Super 8-Aufnahmen jedoch noch längst nicht ahnen.
Menschen in grausamen Bademoden stürzen sich ins von Beton umringte Wasser, “man erfreut sich hier vor allem ganz bestimmten Anblicken”, kommentiert der Sprecher eine Szene planschender, junger Frankfurterinnen in den 1960er Jahren. Dürfte man heute wohl nicht mehr so sagen, und a propos heute:
Hättet ihr’s erkannt? Das im Film gezeigte kühle Nass befindet sich im Brentanobad, in dem Frankfurter im Sommer auch heute noch die nötige Abkühlung genießen.
Dass Frankfurter im Sommer auch schon immer gern am Main fläzten, beweisen die schwarzweißen Aufnahmen eines Anderen der Filme. Schwarzweiß auch die Aufnahmen der Frankfurter Messe, die damals noch eher wie eine Ansammlung von Gartenhütten anmutete. “Ein herrlicher Fruchtsaft!”, schmachtet ein Gast die Messe-Hostess an. Unglaublich!
Le jardin du palmes
Bremsen kreischen, als eine junge Frau im Frankfurt von vor 60 Jahren ankommt, Dampfloks hüllen den Hauptbahnhof in Rauchschwaden. Die junge Frau ist “Ursula” und adrett mit kurzem Rock gekleidet an den Main gekommen, um Kunst zu studieren.
Die Protagonistin des Werbefilms (heutzutage wäre es wohl ein “Imagefilm”) von 1959 steht auch damals schon vor denselben Problemen wie junge Studentin es auch heute tun:
Ein günstiges Zimmer gilt es da zu organisieren, sich in der Uni einzufinden, mit adrett mit Hut gekleideten jungen Männern anzubandeln, und natürlich: Geld zu verdienen, damals noch in Form von Deutscher Mark.
Dies gedenkt sie dann, als Stadtführerin zu tun. Und mein allerliebster Moment der DVD ist der, als Kunststudentin und Stadtführerin Ursula mit zwei Damen aus Frankreich vor dem Eschenheimer Tor steht (damals noch ohne Brunnen) und von diesen nach dem “Jardin du palmes” gefragt wird.
Ursula versteht nicht so recht, ein vorübergehender Passant allerdings schon:
“Ai, die meine de Palmegadde!”, sorgt der Frankfurter für Aufklärung. “Ach, der!”, meint Ursula bedröppelt – und ich muss prusten. Herrlich!
Ein echtes Muss für Frankfurt-Liebhaber
Herrlich auch all die anderen vielen Einblicke in vergangene Zeiten.
Ungläubig sehe ich überflutete Straßen, wo heute Häuserschluchten von Tüten-schleppenden Menschen durchrannt werden. Man scheint heutzutage tatsächlich weniger Zeit zu haben als früher. Sehe historische Straßenbahnen über die Zeil rollen, sehe Autos auf dem Römerberg.
Irgendwie verspüre ich eine Sehnsucht nach dieser “guten, alten Zeit” – doch bin ich mir darüber bewusst, dass diese Bilder einer friedfertigen, ruhigen Stadt nicht darüber hinweg täuschen können, dass zeitgleich ihrer Aufnahme wahlweise Welt- oder kalter Krieg herrschte. Nein, früher war vielleicht mitnichten alles besser.
Und dennoch: Ich habe mich gerne entführen lassen in meine frühere Stadt, die zwischenzeitlich ihr Gesicht geändert hat wie kaum eine zweite.
Doch eine Kameraeinstellung, die das frühere Fernmeldehochhaus vor dem Thurn-und-Taxis-Palais zeigt, verrät dann doch: Das Nebeneinander von Alt und Neu, ein stetiger Kontrast: Dies hat Frankfurt wohl schon immer ausgezeichnet. Eine ganz wunderbare Stadt – damals wie heute….
Wollt auch ihr euch auf eine Zeitreise zurück in alte Frankfurter Tage begeben? Einen Blick vom Dom hinab auf ein Frankfurt noch ganz ohne Skyline werfen?
Die DVD “Frankfurt wiederentdeckt” könnt ihr online hier bestellen.