Es ist schon eine ganze Weile her, war irgendwann im frühen Sommer. Ich war gerade mit Bügeln beschäftigt (selbst ist der Mann!), zappte mich nebenbei durchs Fernsehprogramm. Hängen blieb ich beim “Großen HessenQuiz” des hessischen Rundfunks hängen, moderiert von Jörg Bombach. Schaute das nicht meine Oma immer?
Als Bügel-Begleitprogramm sollte es jedenfalls taugen, und während ich das Eisen schwang, begann ich, eifrig mit den vier Kandidaten mitzufiebern. In verschiedenen Kategorien gilt es für sie, ihr Wissen zu ihrem Heimatbundesland unter Beweis zu stellen und sich als echter Hessen-Kenner zu beweisen. Der Gewinner schließlich darf sich über eine große Reise freuen, auch wenn es natürlich kaum einen Grund gibt, das schöne Hessen zu verlassen.
Ich jedenfalls war verblüfft, wie viele der gestellten Fragen ich richtig hätte beantworten können. Mein Ehrgeiz war entfacht, die Hemden wieder glatt.
Zwei Gläser Wein später:
“Was die können, das kann ich schon lange!”. Ich fasste spontan den Entschluss, mich als Kandidat für das “Große HessenQuiz” zu bewerben. War es nicht ohnehin längst an der Zeit, von meinen widerwillig bezahlten Rundfunkgebühren endlich mal zu profitieren? Kurze Online-Recherche, Formular ausfüllen, absenden, fertig – wär’ doch gelacht, hätte nicht auch ich das Zeug zum Hessen-Champion…
Am nächsten Tag passierte: Nichts. Auch am übernächsten Tag erhielt ich noch keine Antwort, und am dritten hatte ich meine nächtliche Bewerbung längst vergessen.
Monate später
Es war mittlerweile Herbst, als auf dem Display meines Telefons eine mir unbekannte Kölner Rufnummer erschien. Ich nahm ab, am anderen Ende war ein netter Herr Hamm von einer Produktionsfirma aus Köln. Ich hätte mich doch für das “HessenQuiz” beworben? Ach ja, da war ja was.
Ob man mir denn mal ein paar Fragebögen senden könnte? Aber gerne doch, dankeschön, auf Wiederhören. Als die Fragebögen eintrudeln, staune ich nicht schlecht: Was man da alles von mir wissen will! Lustige Anekdoten aus meinem Leben, die man in der Sendung erwähnen könnte. Manche der Fragen beantwortete ich sehr ausführlich, manche kommentierte ich mit der Bewerbung, sie gehörten ins Privatfernsehen. Ich schickte die Fragen postwendend zurück nach Köln und war gespannt…
Der böse Wolf im Frankfurter Stadtwald: Das Casting
Diesmal musste ich nicht lange warten. Die mir mittlerweile vertraute Rufnummer aus Köln im Display, der liebe Herr Hamm ruft an. Man sei neugierig, würde mich gern zum Casting einladen. CASTING? Mit einem solchen Aufwand hätte ich nicht gerechnet, aber hey, natürlich sagte ich prompt zu.
Ein Schreiben sollte mir wichtige Hinweise zum Casting auf dem HR-Gelände im Dornbusch mit auf den Weg geben. “Bitte wählen Sie farbenfrohe Kleidung!”. Ich entscheide mich für schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt. Als ich eintraf, war das große Foyer bereits mit Wartenden gefüllt, ich war also offensichtlich nicht der einzige Casting-Teilnehmer.
Irgendwann dann stand eine junge Frau vor mir, nennt meinen Namen. Ich folgte ihr durch die weiten Korridore des HR-Gebäudes, nahm abermals in einem Wartebereich platz. Immerhin gab’s Kaffee. Und, natürlich: Formulare.
Abermals galt es zahlreiche Fragen zu beantworten, bis ich in einen Nebenraum geführt wurde. Hier lernte ich den netten Herrn Hamm aus Köln endlich persönlich kennen, auch seine Kollegin erwies sich als außergewöhnlich freundlich. Ich solle doch bitte mal vor der Kamera Platz nehmen, aber keine Sorge, ich solle einfach so sein, wie ich es immer bin.
Mir wurden zehn Fragen über Hessen gestellt. Dass durch Gießen die Lahn fließt und der Vogelsberg mal ein Vulkan war, wusste ich gerade noch. Bestanden!
Nun sollte ich frei Schnauze die Geschichte vom Rotkäppchen und dem Bösen Wolf nacherzählen, aber den Ort der Handlung auf Frankfurt übertragen. Ich war zunächst ein wenig überfordert, plapperte wild drauf los und erzählte irgendwas von einem Hipster-Mädchen aus dem Nordend, das seiner kranken Oma im Stadtwald Soyamilch und Handkäs’ bringen soll. Am Mainufer trifft es den bösen Wolf, der sich Zeit verschafft, in dem er das Rotkäppchen auf den Flohmarkt am Mainkai schickt, um seiner Oma ein paar hässliche Wandteller zu kaufen, darüber freue sie sich sicher sehr. Immer wieder lache ich drauflos, mache am Ende den Jäger zum GEZ-Fahnder, der den Wolf im Bett der Oma im Frankfurter Stadtwald erschlägt.
Ich lache immer noch, als meine improvisierte Geschichte zu Ende erzählt war. Ich war erschrocken über meine Phantasie und feierte mich ein wenig dafür, im Gebäude des Hessischen Rundfunks Spitzen gegen die GEZ verteilt zu haben.
Ob mich die Leute hinter der Kamera aber ebenso lustig fanden? Das sollte ich noch nicht erfahren…
Wie ich begann, Nordhessen zu hassen: Die Vorbereitung
Die glückliche Nachricht erreichte mich dann Ende Oktober: Ich hatte es tatsächlich geschafft und war als Kandidat für das “HessenQuiz” auserkoren! Außerdem ereilten mich abermals zahlreiche Hinweise für die Aufzeichnung am 25. November.
Gleich drei farbenfrohe (!!) Outfits sollte ich doch bitte mitbringen, außerdem dürfte ich drei Zuschauerkarten auf meine Namen hinterlegen lassen. Hatte ich natürlich gleich gemacht, sodass meine lieben Freunde Dagmar, Sina & Antonius im Publikum sitzen können und mir die Daumen drücken können, wenn ich mein Wissen unter Beweis stelle.
A propos Wissen:
Es blieben noch drei Wochen bis zur Aufzeichnung, ein wenig der Auffrischung meiner Hessen-Skills war wohl angebracht.
Ich quälte mich durch Wikipedia, doch schnell wurde mir das Online–Lernen zu unübersichtlich. Ich besann mich auf alte Schultage: Gab’s da nicht mal Heimat- und Erdkunde? Bei Amazon bestellte ich gleich mehrere Schulbücher über Hessen, lernte aber zuerst, dass Schulbücher scheiße teuer sind.
Und dann ging’s los. Vom Odenwald bis zum Knüllgebirge, von der Sackpfeife (wer zum Geier tauft einen Berg SACKPFEIFE?!) zum Melibokus: Ich lese mich durch Regionen, Mittelgebirge und Täler. Widmete dem Hessen-Teil meiner Tageszeitung mehr Aufmerksamkeit denn je. Lernte Flussnamen, beschäftigte mich mit nordhessischen Volksfesten und Handwerkskünsten. Und überhaupt, Nordhessen: Ich stellte fest dass das Hessen “ganz da oben” irgendwie größer als gedacht und mir obendrein recht unbekannt war. Lernstoff aus der Grundschule, der sich einen Erwachsenen recht blöde vorkommen lässt.
Bis zum Tage vor der Sendung verzweifelte ich regelmäßig an nordhessischen Kleinstädten, Flüssen und Burgen. Ich schwor mir, niemals wieder einen Fuß auf nordhessischen Boden zu setzen. Noch ein kurzer Blick ins hessische Geschichtsbuch, und ich klappte die Bücher zu. Für alle Fragen konnte ich nicht gewappnet sein, und hey – war nicht Dabeisein alles? Der Tag der Aufzeichnung, er konnte kommen.
Die Aufzeichnung: Der große Tag
Ich frage mich, ob sich das Binge-Watching alter Folgen des “HessenQuiz” am gestrigen Abend noch auszahlen wird, während ich fröstelnd auf dem riesigen HR-Gelände herumlaufe und etwas verloren den Studio-Eingang suche. Es ist 11.30 Uhr, und ich würde wirklich gerne mal wissen, warum mich der Hessische Rundfunk derart frühzeitig einbestellt hat. Die Aufzeichnung beginnt nämlich erst um 18 Uhr – was also soll ich hier also sechseinhalb Stunden vorher?
Meine drei Mitspieler kennen lernen, beispielsweise. Dies tue ich, nachdem mich von einer lieben Mitarbeiterin der Casting-Agentur in Empfang genehmen werde, die uns Kandidaten auch am Tage der Aufzeichnung rührend betreuen sollte. Kathleen, Maria und Stephan haben es sich bereits im Backstage-Zelt bequem gemacht, ich bin mal wieder spät dran und der Letzte.E in kurzes Hallo in die Runde, angenehm, der Matze aus Frankfurt. Der HR sponsert Obst, Schnittchen und Kaffee. Dafür muss ich allerdings noch eben meine Seele an die Sendeanstalt verkaufen; ich setze meine Unterschrift unter einen entsprechenden Wisch.
Gut gekleidet – halb gewonnen?
Kaffee, gute Idee, denk ich mir noch – doch kaum hab’ ich den Becher angesetzt, werde ich auch schon von einem strahlenden Herren in braun-kariertem Jacket angesprochen. Ein Abgeordneter der Alternative für Deutschland? Mitnichten, es handelt sich um Wolfgang, wie sich schnell herausstellt – den Gewandmeister vom Dienst. Welch herrliche Berufsbezeichnung! Wolfgang scheint mir ein echtes Urgestein. “Dann wolle mer ma schaun, wie mer dich herrichte!”, sagt er in breitestem Hessisch und bedeutet mir, zu folgen.
Ach ja, da war ja was – die adäquate Garderobe, die mich vor der Kamera als gut gekleideten, adretten Herrn darstellen lässt. Gleich drei unterschiedliche – unbedingt farbenfrohe! – sollte ich mitbringen.
Während insbesondere die Damen sich reichlich Mühe bei der Auswahl gleich mehrerer Kostüme in den farbenfrohesten Farben gegeben zu haben scheinen, habe ich es mir denkbar einfach gemacht und spüre den Anflug eines schlechten Gewissenchens: Nach dem Aufstehen hatte ich recht wahllos in meinen Kleiderschrank gelangt, und nach einigen nicht-schwarzen Shirts und Pullovern gelangt. Doch ich hab’ Glück, Wolfgang ist mit meiner Auswahl zufrieden – ich darf die Show im Shirt absolvieren, welches ich bereits trage. Ein farbenfrohes Lindgrün mit lokalpatriotischen Schriftzug: Auch ich bin happy!
Bestens gekleidet geht’s zurück in unser Kandidatenzelt. Eine weitere bezaubernde Mitarbeitern schaut noch einmal eine ältere Folge des HessenQuiz, damit wirklich ein Jeder von uns die Regeln verstanden hat. Danach heißt es: Warten und Kaffeetrinken. Und natürlich: Rauchen.
Auf dem Weg nach draußen (ja, auch beim HR will der Nichtraucherschutz gewährleistet sein!) begegne ich auf dem Flur einem Typ in legerer Jeans und Pulli. Seinen Gruß erwidere ich mit einem knappen “GUDE!”, eile vorüber. Als ich mir draußen eine Zigarette entfache, beginnt es in meinem Kopf zu rattern. Das Gesicht eben, kam mir das nicht bekannt vor? War das nicht etwa…. Fuck, genau der war das doch. Jörg Bombach himself, Moderator der Sendung. Ohne Moderations-Outfit, ohne Anzug hatte ich ihn glatt nicht erkannt. Da hab’ ich wohl den ersten Fail geliefert. Also: Schnell zurück, Missverständnis aufklären, bevor meine Reputation noch vor Sendungsbeginn hinüber ist.
Jörg Bombach erweist sich glücklicherweise nicht nur als nachgiebig, sondern auch als überaus unverkrampfter, sympathischer und bodenständiger Gesprächspartner.
Von Star-Allüren jedenfalls keine Spur, ein wenig meiner Anspannung ist mir genommen. Uff!
Trockenübungen
Der Nikotin-Pegel ist auf stimmiges Niveau gebracht, ich atme durch. Gehe zurück ins Zelt, halte einen Plausch mit Mitspielern und Crew. Ich bin der einzige Frankfurter: Heimspiel für mich! Ob es mir Glück bringen wird?
Ich schaue auf die Uhr. Noch viel zu lange bis zur Aufzeichnung. “Seid ihr soweit”? – ich beiße gerade in meinen Apfel, als die Stimme der strahlenden Produktionsassistentin mich aus meinen Gedanken reißt. Auf ins Studio – Zeit für eine kleine Probe!
Wir eilen über die unergründlichen Korridore des HR; an den Türschildern lese ich mir wohlbekannte Namen. Wer hier alles ein Büro hat! Und dann ist es soweit: Ehe ich mich versehe, stehe ich im Studio. Also, in DEM Studio: Dem des HessenQuiz, das ich bereits aus dem Fernsehen kenne. Und tatsächlich: Alles hier sieht auch genauso bunt aus wie im Fernsehen. Die Kandidatenpulte, der Platz des Moderators, die Scheinwerfer, die große Bildschirm – alles da. Lediglich die Plätze des Publikums sind noch unbesetzt. Besser so, schließlich habe ich noch keine Ahnung, was ich hier gerade mache. Auf was hab’ ich mich hier nur eingelassen?
Ein Handschlag mit dem Regisseur, ein “Hi!” der Aufnahmeleiterin. Wir finden uns auf den uns zugeteilten Plätzen ein. Erhalten umfangreiche Unterweisung für die Touchscreens an den Pulten, nochmals die Regeln eingebläut. Und wie war das doch gleich mit den Jokern?
Irgendwann dann fühlen wir uns fit, die Aufregung steigt im Kollektiv: Ja, wir sitzen alle im selben Boot, und zu verlieren? Haben wir nichts.
Findet auch Guido Hamm, der uns in seinem Büro empfängt, nachdem wir umfangreich von der Tontechnik verkabelt wurden. Neben Smartphone trage ich also nun einen Sender in meiner Hosentasche, als ich mit Herrn Hamm nochmals den Sendeablauf durchspreche und gebrieft werde. “Wird schon!”, sagt er – “sind doch alle hier, um Spaß zu haben – oder?”
Recht hat er, der Herr Hamm – und tatsächlich freu’ ich mich schon ein wenig auf die Sendung. Eine Stunde noch, bevor ich das Studio erneut betreten werde, das dann bereits mit zahlendem Publikum und meinen Freunden gefüllt sein wird.
Eine letzte Hürde gilt es noch zu nehmen:
Perfekt gekleidet sind wir schon, allerdings wollen auch sämtliche Hautunebenheiten beseitigt und die Visage kameratauglich gemacht werden: Hierbei hilft ein Gang in die Maske.
Verrückt, wie sich irgendwelche Schminke im Gesicht anfühlt – das ließ mich bislang allenfalls Halloween erahnen. Die Damen geben sich derweil weitaus routinierter. Und ich? Bin eigentlich nur froh, dass sich meine Augenringe nun weitaus unauffälliger präsentieren. Soll ja niemand denken, ich würde zu wenig schlafen und gerne mal die Nacht zum Tage machen, höhö! Ich vertraue blindlings der Deckwirkung der HD-Schminke.
Zurück im Zelt, spiele ich kurz mit dem Gedanken, noch einen Blick in meine Lernunterlagen zu werfen. Lieber aber geh’ ich ans Buffet und unterhalte mich mit den netten Mitarbeiterinnen der Produktionsfirma und meinen Mitspielern. Dabei vergeht die Zeit blöderweise ziemlich schnell.
“Was, nur noch zehn Minuten?!”
Die reichen noch genau für eine Zigarette und einen Gang aufs Klo. Bevor es endgültig heißen wird “Aufnahme läuft!”, wird der Sekt auf den Tisch gestellt. Ein Schlückchen gegen die sich anbahnende Nervosität? Klingt verlockend, doch ich bleibe hart. Bloß einen kühlen Kopf bewahren!
Es geht ins Studio. Der Anheizer hat das Publikum bereits in Stimmung gebracht; kollektives Ausrasten, klatschen, klatschen, klatschen.
Nur am Rande bekomme ich mit, wie mein Name ertönt. Ich winke brav ins Publikum, marschiere stramm auf den mir zugedachten Platz am Kandidaten-Pult zu.
Und dann? Dann geht’s auch schon los. Jörg Bombach betritt das Studio, diesmal sieht er auch wie Jörg Bombach aus. Geklatsche im Rücken, Scheinwerfer im Gesicht. Was dann geschah? Das durfte ich bislang nicht sagen, dazu hatte ich mich höchstoffiziell vertraglich verpflichtet.
Vier Monate später aber, am 11. März 2018, erfolgte dann aber die Ausstrahlung – und die, nun ja, zahlreichen Zuschauer des Hessischen Rundfunk wurden Zeuge, wie ich mich gleich hektoliterweise mit Ruhm begieße. Oder vielleicht auch nicht….
Werdet Zeuge!
Habt ihr (Teufel, Teufel!) die Sendung verpasst – wollt aber dennoch Zeuge meiner “glorreichen” Kenntnissen meines Heimatbundeslandes werden?
Dazu bietet euch die Mediathek der ARD vierzehn Tage lang nach der Ausstrahlung die Gelegenheit: Ich wünsche gute Unterhaltung!
Mir bleibt nur, beste unterhaltung zu wünschen – und mich ganz herzlich bei allen an der produktion beteiligten zu bedanken! Es war ein grossartiger Tag!