Nimmt man sich ein wenig Zeit, die eingetretenen Pfade zu verlassen und einmal ganz genau hinzuschauen, dann kann man feststellen: Ganz abseits von Pracht, Prunk & Hochglanzfassaden gibt es noch verborgene Orte in Frankfurt, die ihre besten Zeiten längst hinter sich haben. Die bislang selbst von Investoren übersehen wurden, als Zeugnisse einer vergangenen Zeit vorerst ihrem stetigen Verfall preisgegeben sind. Und Stück für Stück von der Natur zurückerobert werden.
Ich selbst finde sowas ja ziemlich spannend; erst neulich hab’ ich mich mal auf dem verlassenen Gelände der ehemaligen Stückgutabfertigung am Ostbahnhof umgeschaut und ein paar Fotos gemacht.
Als ich in meinem heißgeliebten JOURNAL FRANKFURT dann auch noch lesen konnte, dass am 21. Mai eine Foto-Ausstellung voll solcher Werke eröffnet werden sollte, wurde meine Neugierde geweckt:
In der Naxoshalle (die selbst ein Zeugnis einer großen Vergangenheit ist) ist nämlich noch bis zum 4. Juni die Ausstellung “Lost Places Rhein-Main” zu bewundern. Die Fotografen Jörg Kuberek und Jörg Rudolph stellen hier ihre Werke aus, die sie auf ihren Streifzügen durch all die vergessenen Winkel des Rhein-Main-Gebiets angefertigt haben.
Den Tag der Eröffnung habe ich lieber auf dem Fahrrad verbracht, aber nur einen Tag später hab’ ich mich voll gespannter Erwartung auf den Weg in die ehemalige Fabrikhalle unweit des Zoos gemacht.
Ob sich’s wohl lohnen würde?
Wahrlich weiter Winkel trifft auf “Quadratisch, praktisch, gut”
Allein die Naxoshalle ist ja an und für sich schon sehenswert. Als ich ankomme,stelle ich zu meiner großen Freude fest, dass auch die beiden Schöpfer der Ausstellung anwesend sind. Beide erweisen sich nicht nur als begabte Fotografen, sondern ebenfalls als äußerst nette Gesprächspartner.
In einem Plausch erzählt mir Jörg Rudolph, dass insgesamt 42 Bilder ihren Weg in die Ausstellung gefunden haben. Interessanterweise sind die beiden Jörgs niemals gemeinsam auf Fototour gegangen, sämtliche Aufnahmen wurden von beiden in “eigener Mission” angefertigt.
Wer der jeweilige Urheber der zahlreichen Ausstellungsstücke ist, die sich auf zwei Etagen verteilen, ist auch für den Ungeübten schnell ersichtlich:
Während Jörg Rudolph ausschließlich (so erzählt er mir) im quadratischen Format fotografiert und seine Bilder anschließend in schmucken Rahmen präsentiert, schätzt Jörg Kuberek den Umgang mit dem Weitwinkelobjektiv sowie den Leinwanddruck. Seine Aufnahmen begeistern mich: Perspektiven wirken aufgrund des massiven Weitwinkel-Einsatzes ziemlich surrealistisch, fast grotesk an. Und das macht das Betrachten zu einer wirklich spannenden Sache!
Vergilbte Poster und verfallene Treppenhäuser
Allen Werken gemein ist dagegen, dass sie auf äußerst spannende Weise zahlreiche vergessene Orte in Frankfurt und Umland portraitieren. Besonders angetan haben es mir die Aufnahmen von vergilbten und sich bereits wellenden Postern, die vor langer Zeit einmal auf Spinde geklebt haben, um die Arbeiter mit dem Anblick leicht bekleideter Damen zu erfreuen.
Und niemals hätte ich gedacht, wie faszinierend der Anblick eines verfallenen Treppenhauses sein kann, von dessen Wänden schon längst nicht mehr nur der Putz bröckelt, wenn es in extremem Weitwinkel fotografiert wird.
So neugierig ich auch bin, so verständlich ist es auch, dass mir die Fotografen den genauen Aufnahmeort ihrer Werke nicht verraten möchten. Das tun sie prinzipiell niemandem, aus Angst, die verlassenen Orte könnten zum Ziel von Sprayern und Vandalen werden. Find’ ich gut so!
“Das fotografische Entdecken verlassener Orte ist bei mir auch fester Bestandteil eines jeden Urlaubs!” Jörg Rudolph
Meine Vermutung über einen verlassenen Bahnhof, den ich in einem ihrer Bilderalben entdeckt habe, bestätigen sie mir dann aber doch noch. Da ich den Ort selbst gut kenne und dort bereits ebenfalls fotografiert habe, lieg’ ich auch direkt goldrichtig.
Bei Kuchen tauschen wir uns noch ein wenig aus, bevor ich mich auf der Gästetafel verewige und den beiden sympathischen Künstlern noch einen größtmöglichen Erfolg für ihre Ausstellung wünsche.
Neugierig geworden?
Wollt auch ihr euch davon überzeugen, welch unbeschreiblich morbiden Charme verlassene Militäranlagen und verrostende Eisenbahnwagen haben können? Wie reizvoll der Blick in alte Bürokorridore sein kann, in denen die Zeit stillgestanden zu sein scheint?
Dann kann ich euch einen Besuch der Ausstellung nur allerwärmstens an die Herzchen legen!
Noch bis zum 04. Juni habt ihr werktags von 18 – 20 Uhr und am Wochenende von 15 – 19 Uhr die Gelegenheit dazu.
Alle weiteren Infos findet ihr unter www.verlasseneorte.info !