In meinem Beitrag “Alle Jahre wieder” hatte ich vor wenigen Wochen einen Streifzug sich über den damals noch im Aufbau befindlichen Frankfurter Weihnachtsmarkt gewagt.
Dabei – es war Ende November – musste ich feststellen, dass es mir in diesem Jahr ganz besonders widerstrebt, Weihnachten zu feiern. Und meine Gedanken zur Besinnlichkeit auf kalendarischen Befehl mit euch geteilt.
Dennoch hatte ich angekündigt, dass auch ich bereits bald Teil des Weihnachtsmarktes sein werde. Unter Lichterketten stehend, mit dampfendem Heißgetränk und Tüten voll Weihnachtseinkäufen in den Händen.
Und, was soll ich sagen: Es ist soweit.
Obwohl gerade es gerade einmal Anfang Dezember ist, noch drei Wochen vergehen werden, bis sich an Heiligabend wieder Familien unterm Tannenbaum zusammenrotten und eifrig Geschenke austauschen. Obwohl die neue Woche gerade erst begonnen, der heutige Abend noch ganz jung ist:
Die Menschen strömen an die Weihnachtsbuden, als würde es morgen verboten. Die Stadt scheint zu platzen im Glühweinrausch.
Und dennoch wirkt kaum einer der dick in Mantel und Schal eingepackten Menschen so, als wäre er freiwillig hier. Lausche ich hin und wieder den Gesprächen rechts und links, nehme ich Unmut allenthalben wahr.
Da wird sich über die vielen Termine in der Vorweihnachtszeit beschwert. Die Firmenfeier hier, die vom Sportverein da – die Verwandtschaft will besucht werden, nebenbei müssen noch Karten geschrieben werden. Von den Geschenken mal ganz zu schweigen, der ganze Einkaufsstress, ganze Nachmittage in der Warteschlange vor der Kasse verbracht. Und finanziell, ja, da sei man ebenfalls bald ruiniert. Und nervlich sowieso.
Ich bin ja schließlich auch hier!
Aber, ich will hier gar nicht lästern, ich bin ja schließlich auch hier – und warte fröstelnd auf meinen ersten heißen Apfelwein. So ein Weihnachtsmarkt in der Innenstadt ist ja schon irgendwo irre praktisch, um nach Feierabend die Freunde zu treffen.
Und, sind wir ganz ehrlich: Auch irgendwo ein schöner Anblick.
Klar, Lichterketten, Rentiere und Tannenbäume vor der Kulisse des Römerbergs mögen ledigliche technische Installationen, vielleicht sogar Kitsch sein. Aber sehnen wir uns nicht alle nach einer solchen heilen Welt?
Klar – daran, was ansonsten so in dieser Welt geschieht – darüber sollte man nicht denken in dem Moment, in dem man mit kindlicher Begeisterung auf das hell erleuchtete Karussell, den rauchenden Schornstein des “Schwarzwaldhauses” blickt.
Ich nippe an meinem heißen Apfelwein. Wärme durchströmt mich, lässt mich die Eiseskälte kurz vergessen.
Um das “Vergessen”, ja, darum geht es wohl den meisten hier.
Zu vergessen, in einer Welt zu leben, in der Menschen einander die furchtbarsten Sachen antun. Zu vergessen, dass das eigene Dasein oftmals geprägt ist von Stress, Streit, Sorgen und Ängsten. Zu vergessen, dass das menschliche Miteinander nicht immer einfach ist.
Und – für einen kurzen Moment, hier an diesem Ort – mag das nach einiger Verweildauer irgendwie gelingen. Die Menschen hier eint die Sehnsucht nach der besseren Welt, einem friedlichen Miteinander. Der Nächstenliebe.
Drei Glühwein später
Und nach dem dritten Glühwein mag sich dieses Gefühl dann tatsächlich einstellen. Das Gefühl, nicht nur seine Freunde gern zu haben – sondern auch all die Besucher ringsum ins Herz schließen zu wollen. Die prallen Tüten in der Hand, die Sorgen im Kopf, die Nachrichten des Tages einen Moment lang zu vergessen – und das ewig drehende Karussell anzustarren, immer noch leicht frierend. Das Gefühl der Vorfreude, seine Liebsten an Heiligabend wieder zu sehen. Oder auch alte Freunde aus der Schulzeit. Das Gefühl, dass diese Welt zumindest eine kurze Zeit lang eine gute ist.
Und hey, ist nicht genau das Weihnachten?
Nein, ich halte nichts von Kirchen, Religionen im Allgemeinen, dem Christentum. So gar nicht.
Diese Sehnsucht nach der “heilen Welt”, nach Nächstenliebe, nach Harmonie:
Die steckt auch in mir. Wie wohl auch in jedem hier.
Und ist die Weihnachtszeit nicht genau das?
Eine – wenn auch ursprünglich kirchlich definierte – Zeit, um die in uns allen steckende Sehnsucht nach Liebe und Frieden zu leben? Und leider die einzige, in der es uns gelingt, an eine bessere Welt zu glauben und jenes behagliche Gefühl zu verspüren, dass irgendwie doch alles gut wird?
Ich glaube, leider ja. Darauf noch ‘nen heißen Äppler.