Ein spannender Blick hinter die Kulissen der „Frankfurter Rundschau“
Meine innig geliebte „Frankfurter Rundschau“ begleitet mich schon seit Jahren durch den Tag. Ich, meine Tageszeitung & eine große Tasse duftenden Kaffees, genossen in meinem Lieblingscafé — das ist meine ganz persönliche Komposition für einen perfekten Start in den Tag.
Im Rahmen eines „Sommer-Gewinnspiels“ verloste die Frankfurter Rundschau in den Sommerferien einen Preis, der sofort mein Interesse weckte: Der Gewinner sollte den Chefredakteur persönlich einen ganzen Vormittag lang bei seinem Arbeitsalltag begleiten und einen Blick hinter die Kulissen der „Rundschau“ erhaschen dürfen. Einen Einblick in deren Entstehungsarbeit erhalten, ganz nah dran sein, wenn Zeitung gemacht wird. Klar, dass ich am Gewinnspiel teilgenommen habe. „Kost‘ ja schließlich nix“, so dachte ich mir.
Ich habe wirklich noch NIE etwas gewonnen. Trostpreise bei der Tombola und einen hässlichen Plüschtiger bei REWE ums Eck einmal ausgenommen.
Umso überraschter und erfreuter war ich, als mich eine E-Mail erreichte, in der mir eröffnet wurde, der glückliche Gewinner zu sein. Das Losglück war mir tatsächlich hold! Das Glück ist eben doch ein Rindviech und sucht sich seinesgleichen.
Hey, das letzte Mal, dass ich eine Zeitungsredaktion betreten hatte, ist nun auch bereits knapp 15 Jahre her! Damals ging ich noch zur Schule, war mir noch etwas unschlüssig, was die Art und Weise betrifft, um später einmal irgendwie meinen Lebensunterhalt zu bestreiten.
Lange liebäugelte ich mit dem Beruf des Journalisten. Heute würde man wohl sagen: „Was mit Medien machen“. Da mein Vater treuer Abonnent der „Gelnhäuser Neuen Zeitung“ war, war es mir möglich, mein 14-tägiges Berufspraktikum dort zu absolvieren.
Geworden bin ich dann letztlich doch etwas gänzlich anderes, dennoch ist mein Interesse am Schreiben, Berichten und Fotografieren niemals erloschen. Was ja auch irgendwo eine gute Voraussetzung dafür ist, wenn man seine Freizeit dazu nutzt, einen Blog zu betreiben.
An einem heißen Tag der letzten August-Woche ist es dann soweit:
Ein wenig aufgeregt betrete ich mitsamt meiner ebenso interessierten Begleitung die heiligen Hallen der Redaktion, welche sich recht unscheinbar direkt an der Mainzer Landstraße in einem großen Bürokomplex befinden.
“Herzlichen Glückwunsch — Sie haben UNS gewonnen!”
So begrüßt uns auch prompt Chefradakteurin Bascha Mika höchstpersönlich. Platz nehmen dürfen wir dann umgehend im geräumigen Büro vom zweiten Chefredakteur des Blattes, Arnd Festerling. Festerling stellt sich als überaus heiterer und redseliger Zeitgenosse heraus — erfreulicherweise, denn einen Chefredakteur hatte ich mir nämlich irgendwie trübseliger vorgestellt.
Das bewegte Auf und Ab einer Tageszeitung
Unter dem wachsamen Blick vom Zeitungsgründer Karl Gerold, der als Gemälde die Bürowand schmückt, erhalten wir einen Abriss über die wechselhafte Geschichte des 1945 erstmals erschienenen Blattes. Zwischenzeitlich eines der größten deutschen Leitmedien, steuerte die Frankfurter Rundschau nach Aufkommen der digitalen Medien und einem damit verbundenen massiven Auflagenverlust 2012 endgültig in die Insolvenz.
Geklaut bei karl-grobe.de
Das “Rundschau-Haus” wurde schon 1996 als Sitz aufgegeben und abgerissen. Es prägte über Jahrzehnte das Bild der Innenstadt und war als Sitz der überregionalen Gazette mit linksliberalem Profil auch über die Frankfurter Stadtgrenzen hinaus bekannt.
„Gerettet” und in das Konstrukt der FAZ eingebunden, erlebte die Zeitung dann glücklicherweise eine Wiedergeburt als eigenständige Publikation und schlägt sich seither in der deutschen Presselandschaft recht wacker. Ein bundesweiter Leserstamm ist vorhanden, und ein zeitgemäßes Digital-Angebot in Form von Online-Seiten und einer App ist endlich realisiert worden. Man sieht sich jedenfalls gut gerüstet für die Zukunft.
Wie der Lokalteil entsteht
Nachdem all unsere Fragen geduldigst beantwortet wurden und zahlreiche Anekdoten aus dem langen Berufsleben der Chefredakteure zum Besten geboten waren, gilt es Treppen steigen:
Ein Stockwerk höher wird nämlich die Morgenkonferenz der Lokalredaktion einberufen.
Als ich erstmalig den Konferenzraum betrete, bin ich zunächst ein wenig enttäuscht:
Keine überquellende Aschenbecher, keine halbgeleerten Whiskeyflaschen auf den Tischen. Ebenso wenig finden sich laut hämmernde Schreibmaschinen vor. Okay, okay, das hätte ich mir denken können. Stattdessen also: Großraumbüro-Tristesse unter Neonröhrenschein. Klimatisiert, versteht sich. Auch als dann die Journalisten eintrudeln – nüchtern! – bin ich ein wenig desillusioniert:
Das sollen sie also sein, die Hunter S. Thompson des Digitalzeitalters? Keine bärtigen Typen mit Hornbrille und Karohemd, stattdessen: Grundsolide Frankfurter Durchschnitts-Bürger. Sie empfangen uns dafür umso herzlicher und stellen sich namentlich vor.
Genial, hier mitten unter all den Redakteuren zu sitzen, die mir bislang nur namentlich und aus der täglichen Zeitungslektüre bekannt waren!
Es geht los. Nach einer kurzen Nachbesprechung der letzten Ausgabe wird von den einzelnen Redakteuren über die Ereignisse des Tages aus dem Stadtleben berichtet. Ein Fest der Freiwilligen Feuerwehr Griesheim will schließlich ebenso berücksichtigt werden wie das politische Tagesgeschehen im Frankfurter Römer oder die Gerichtsverhandlung um einen schlangenhortenden Messie. Breaking News!
Was ist wichtig und was nicht? Worüber lohnt es zu berichten, was langweilt den Leser? Das gilt es hier zu diskutieren. Anschließend schwärmen die Reporter aus, um vor Ort Bericht zu erstatten, Fotos zu erstellen und den Notizblock zu füllen.
Die anschließende Pause im Sitzungssaal nutze ich, um die Eindrücke wirken zu lassen. Langsam bekomme ich einen ersten Eindruck davon, wie „Zeitung machen“ funktioniert — und wie viel Arbeit dann am Ende doch vonnöten ist, damit ich allmorgendlich meine „Frankfurter Rundschau“ aus dem Briefkasten fischen kann.
Die Redaktions-Konferenz als Highlight
Wir können sitzen bleiben, denn im selben Konferenzraum findet nun das wichtigste tägliche Happening statt: Die morgendliche Redaktionskonferenz.
Die Vertreter der einzelnen Ressorts (Politik, Wirtschaft, Feuilleton, Sport, Lokalteil, Meinung, Magazin, Panorama….) kommen zusammen und stellen den Chefredakteuren ihre Themen vor, an denen sie gern arbeiten und über die sie gern berichten würden. Es wird entschieden, welche Themen dringlich in der morgigen Ausgabe erscheinen sollen, Beiträger mit geringerer Priorität werden in einem Wochenplan auf folgende Ausgaben verteilt.
Abschließend wird dann die Seite 1 festgelegt: Was wird Titel-Thema, welches Bild ist ein „echter Eye-Catcher“ und somit für das Titelbild geeinigt, welche „Scoops“ (Schlagthemen oben) sollen verwendet werden?
Unfassbar, selbst über solche Kleinigkeiten wird hier heiß diskutiert.
Irgendwann ist man sich dann einig, und abermals schwärmen die Redakteure zurück in ihre jeweiligen Bereiche.
Zeitung machen: Mehr als nur redaktionelle Arbeit
Wir jedoch bekommen eine Führung durch die Abteilungen, welche für das Erscheinen einer Tageszeitung mindestens genauso wichtig sind wie die redaktionelle Arbeit selbst:
So verbringt beispielsweise die Grafik-Abteilung ihren ganzen, lieben langen Arbeitsalltag mit dem Erstellen, Bearbeiten und Optimieren von Grafiken, Informationsbildern und Statistiken. Abermals stelle ich fest, wie viel Arbeit doch hinter jeder noch so kleinen Infografik steckt. Wahnsinn!
Auf dem Weg durch die Korridore, unterwegs zu den einzelnen Abteilungen, muss ich lachen: Vor einer Bürotür gestapelte Bücher lassen bereits erahnen, dass dahinter die Kollegen der Feuilleton-Redaktion heimisch sind. Wir sagen kurz hallo. Auch hier: Keine Schreibmaschinen. Sämtliche Beiträge und Artikel entstehen an gleich mehreren Monitoren pro Arbeitsplatz und die einzelnen Seiten werden in einer ersten Schnellansicht in Form gebracht. Diese werden umgehend auf den hauseigenen Servern zur Weiterbearbeitung zur Verfügung gestellt.
Texte und Grafiken werden nämlich dann wiederrum von der Layout-Abteilung in Form gebracht und die einzelnen Seiten werden entsprechend „zusammengebastelt“. Interessant zu beobachten, wie sich die Seiten auf den zahlreichen Monitoren nach und nach mit Inhalten füllen. Einer Zeitung beim Wachsen zuschauen — das gefällt mir.
Ist die Zeitung für den morgigen Tag dann irgendwann fertig, sendet die Spätschicht die einzelnen Seiten gegen 23 Uhr elektronisch zur Druckerei.
Diese erst macht all die Arbeit greifbar: Ganz haptisch, in Papierform. Wohlig nach Druckfarbe duftend.
In Lastkraftwagen wandert dann die Ausgabe, an deren Entstehung ich heute teilhaben durfte, dann wohl verpackt zu den einzelnen Verteilzentren der Republik.
Symbolfoto: Geklaut bei www.hornbach.de
Dort wird sie von den eifrigen Austrägern im Empfang genommen werden und in die Briefkästen der Leser geworfen werden. Und hoffentlich auch wieder in meinen.
Mit anderen Augen lesen
Die morgige Ausgabe werde ich jedenfalls mit ganz besonders großer Freude aus dem Postkasten fischen. Und bei der Lektüre werde ich in bester Erinnerung haben, welch Besprechungs- und Arbeitsaufwand hinter jedem noch so kleinen Detail der gut 30 Seiten steckt. Mehr, als ich je gedacht hätte.
Irgendwo beneide ich die Redakteure ja um das Gefühl, das sich bei ihnen einstellen muss, wenn sie morgen an den Kiosken der Stadt „ihre Arbeit“ bewundern und Menschen dabei beobachten können, wie sie sich interessiert über ihr Werk beugen und die Zeitung lesen, die sie am Vortag mit viel Herzblut erstellt haben.
Auch mich erwartet morgen früh wieder mein ganz eigener Arbeitsalltag.
Und ich muss sagen: Auch dieser bereitet mir viel Freude, auch wenn er mit Zeitung so rein gar nichts am Hut hat. Und auch, wenn ich in diesem Leben kein bundesweit bekannter Journalist mehr werde:
Ich werde meine Tageszeitung künftig mit anderen Augen lesen. Mich gern zurückerinnern an diesen tollen Gewinn, diesen tollen Tag. Und der „Frankfurter Rundschau“ weiterhin ein treuer Leser sein.