Krimi im Kaufhaus: Zwei meiner “Helden” luden zur Lesung

Wann darf sich ein Schreiberling eigentlich einen “Autor nennen”? Sobald er “Verfasser oder geistiger Urheber eines sprachlichen Werks” ist, sagt Wikipedia.

Gemäß dieser Definition dürfte also auch ich mich guten Gewissens einen “Autor” schimpfen. Doch auch, wenn ich bei mehreren Publikationen als solcher geführt werde, fühle ich mich mitnichten als “echten” Autor.

Ein echter Autor, so finde ich, hat nämlich zumindest ein leibhaftiges Buch veröffentlicht. Während ich selbst schon seit über einem Jahr mit meinem – vermutlich niemals erscheinenden – Erstlingswerk kämpfe, sind mir Andrea Habeney und Gerd Fischer (sogar mit eigenem Wikipedia-Eintrag zu seiner Person) schon einen gehörigen Schritt voraus: Sie beide haben nämlich jeweils bereits mehrere Romane veröffentlicht.

Insofern sind die beiden für mich echte Helden – und groß war meine Freude,als ich erfuhr, dass gleich beide Autoren eine gemeinsame Lesung im Kaufhaus Hessen halten würden. Oft schon hatte ich dort (zu) viel Geld gelassen – doch eine Lesung im Shoppingparadies für Frankfurt-Fans, die hatte ich noch nie besucht. Am 22. März 2018 war es an der Zeit, diesen Umstand zu ändern – und ich machte mich auf nach Bornheim…

 

Wenn Autorennamen ein Gesicht bekommen

Obwohl wie üblich etwas spät dran – ja, ich kam als Letzter an – gelang es mir, einen Platz in der ersten Reihe zu ergattern. Den gebürtigen Hanauer Gerd Fischer erkannte ich sofort. “Du bist doch dieser Blogger von ‘Mainrausch’?”, wusste er zu meiner Freude auch meine Person entsprechend zuzuordnen. Zu Andrea Habeney, deren Bücher ich ebenfalls bereits zahlreich verschlungen hatte, fehlte mir bislang ein Gesicht.Wie schön, dieses gleich neben Fischers entdeckt zu haben!

Noch blieb ein wenig Zeit für einen netten Plausch mit Gerd Fischer. Wie lange er wohl für ein Buch brauche? “Mit dem Schreiben selbst werde ich in drei bis vier Monaten fertig”, verriet der gebürtige Hanauer. Viel zeitintensiver sei aber die Recherche. “Von vielen Dingen hat man ja auch als Autor keine Ahnung, oft führe ich auch Interviews”.

Um kurz nach sieben, es geht los.In einem kleinen Raum wie dem des Kaufhaus Hessen bedeutenden 50 Zuschauer bereits: “Ausverkauft!” Ich und tat es all den Freunden des Lokalkrimi nach und klatschte eifrig, als zunächst Andrea Habeney die improvisierte Bühne betrat. Die Autorin hatte sich mit ihrer Romanfigur, der Kommissarin Jenny Becker, ganz offensichtlich nicht nur in mein Herz geschrieben. Ihre Protagonistin sollte während ihrer Vorlesung jedoch nur eine untergeordnete Rolle spielen; ein ehemaliger Kollege der von Habeney erdachten Kommissarin spielt die Hauptrolle in ihrem neuesten Roman “Abgetaucht”.

 

Von der Kunst, Leichen ansprechend zu verstecken

Neben Habeney: Ein Glas Wasser. Einen echten Krimi habe sie eben erst erlebt, sagt sie – nämlich beim Versuch, in Bornheim einen Parkplatz zu finden. “Anfängerfehler!”, sagte ich, Habeney lachte und griff zum Buch. Obwohl die Sossenheimerin recht wenig Text verlauten ließ, hielt sie das Publikum – und somit auch mich, in der ersten Reihe, ha! – mit unterhaltsamen Zwischenfragen bei Laune. Was sollte man als Polizist bei einem Leichenfund in einer Wohnung niemals tun? Ganz genau, das Fenster zu öffnen, durch den entstehenden Unterdruck würden Verstorbenen nämlich gar “explodieren” können. Na, vielen Dank auch für die Info!

Überhaupt sei es große Herausforderung, Leichen in Kriminalromanen zu verstecken. Den überdimensionalen Bembel, in dem sie in einer ihrer Erzählungen einen Ehemann den Hungertod sterben ließ, habe sie beispielsweise in einem Hanauer Geschäft entdeckt. “So brutal geht’s bei dir nicht zu?”, fragte sie in Richtung ihres Verlagskollegen Fischer – nicht, ohne vorher noch eine ihrer Kurzgeschichten aus dem Sammelband “Das letzte Date” verlesen zu haben.

Es folgten noch einige ihrer schönsten Anekdoten von der Buchmesse und Ausführungen über Gerichtsmediziner. “Sehr spezielle Menschen sind das”, befand Habeney. Einer von ihnen habe ihr neulich ungefragt Bilder von seinen “Patienten” auf seinem Handy präsentiert. “Ich bin als Ärztin ja einiges gewohnt”, brachte die Autorin leider auch mein Kopfkino zum flimmern. “Aber das war mir dann doch ein wenig viel!”

Stöffche & Stimmen

Nach einer kurzen Pause, während der auch ich mich des Konsums nicht erwehren konnte, übernahm dieser das Ruder auf der Bühne. Auszüge des neuesten Abenteuers seines Kommissars Andreas Rauscher, mit dem ich mich nicht zuletzt aufgrund dessen seiner Liebe zum Apfelwein sehr identifizieren kann, wurden vom Autor himself verlesen. Neben Fischer: Ein Glas Apfelwein.

“Was auch sonst”, dachte ich mir, schließlich drehten sich weite Teile von “Ebbelwoijunkie”, dem jüngsten Roman des 47-Jährigen, ums “Stöffche”. Der Roman hatte mich vor einiger Zeit so gut unterhalten, dass ich ihm bereits eine eigene Rezension in meiner Rubrik “Lesestoff” gewidmet hatte. Zum Werk inspirieren lassen, erzählt Fischer, habe er sich aufgrund einer tatsächlichen Meldung in den Nachrichten. “Da wollte die EU dem Apfelwein doch tatsächlich die Bezeichnung “Wein” aberkennen!” Wein hin, Wein her: Ich indes erfreute mich an einer guten Tasse Wissmüller und der Stimme Fischers, dessen Worte mir bereits viele schöne Lesestunden beschert hatten.


Überhaupt, die Stimmen:
Zwar hatte ich auch das vorgelesene Werk bereits gelesen, doch wirken Romanfiguren eben niemals lebendiger als in dem Moment, indem die Stimme ihres Erschaffers von ihnen erzählt. Hach, ich mag ja Lesungen!

Noch Fragen?

Der ultimative Grund aber, eine Lesung zu besuchen, ist für mich die Gelegenheit, im Anschluss den Autoren einige Fragen stellen zu dürfen. Auch Habeney und Fischer stellten sich für solche gerne zur Verfügung.

Ich machte einfach mal den Anfang, entschied mich für einen echten “Klassiker” unter all den Fragen, welche man einem Autor nur stellen konnte.

“Was ist denn euer liebster Ort zum Schreiben?”, fragte ich die beiden und nippte gespannt an meinem Kaffee.

Während Habeney bekräftigte, zum Schreiben stets beiläufigen Input ihrer Katzen sowie ihres Fernsehgerätes zu benötigen, gab sich Fischer bei seiner Antwort recht eindeutig: “In Ruhe am Schreibtisch!”. Innerlich verbrüderte ich mich schnell mit Andrea Habeney, schließlich benötige auch ich einen beiläufigen, sachten Trubel um mich herum, um kreativ zu werden.

 

Marotten im Bekanntenkreis abgeguckt

Auch eine zweite Frage brannte mir unter den Nägeln:
Wieviel Prozent der “Jenny Becker” steckten eigentlich in Andrea Habeney, wie hoch war der Anteil von Kommissar Andreas Rauscher an Gerd Fischers Persönlichkeit?

Eine verdächtig lange Zeit verstrich.. “Uuuuh”, beendete Habeney dann doch das stille Nachdenken und versuchte sich an einer Antwort: “Also, das kann ich eigentlich so gar nicht sagen”. Verdächtig viele ihrer Bekannter erkannten sich jedoch in ihren Romanfiguren wiederer. “Aber ist dies nicht genau das Erfolgsrezept eines jeden Autors, dass sich möglichst viele Leser in dessen Romanfiguren erkennen können?”, fragte ich. “Das stimmt wohl!”, nickte Habeney. “So hatte ich das noch nie bedacht”.

Gerd Fischer dagegen kann nicht leugnen, dass “sein” Kommissar Rauscher zumindest einige seiner Charakterzüge innehat. Auch er trinke schließlich unfassbar gern Apfelwein, das Publikum lacht. “Es ist kaum möglich, eine Figur zu erschaffen, die nicht zumindest über einige eigene Eigenschaften verfügt”, stellt er fest. Außerdem habe auch er sich einige Marotten seiner Nebenfiguren im Bekanntenkreis abgeguckt.

 

Widmungen und Sehnsüchte

Zum Abschluss gab’s für mich dann sogar noch Autogramme in meine beiden mitgebrachten Bücher. Beide Autoren wünschten mir in einer Widmung viel Freude beim Lesen – hatten sie etwa ernsthaft geglaubt, ich hätte ihre Werke nicht schon längst verschlungen?

“Bis zur nächsten Lesung!”, verabschiedete ich mich von meinen beiden Helden. “Bis bald!”, schüttelten sie mir die Hand und verrieten: “Für unsere Kommissare gibt’s demnächst auch wieder einiges zu tun!”

Bevor ich nach Hause ging, warf ich noch einen Blick auf die Bücherstapel auf dem Verkaufstresen. Druckfrisch liegen sie da, die Werke der beiden Autoren. Cover in Hochglanz als stiller Vorwurf an mich selbst. “Tja”, dachte ich mir, “die beiden haben es gepackt”. Ob auch ich einmal mein Buch hier liegen sehen werde?

Besucht auch ihr so gerne Lesungen? Und welches sind eigentlich eure “Helden” des regionalen Mord & Totschlag? Ich bin gespannt auf eure Kommentare!

Der letzte seiner Art: Zu Besuch bei Frankfurts letztem Fährmann

Wohl jeder von uns dürfte einen Bänker, Versicherungsangestellten oder Anwalt kennen. Auch Piloten, Polizisten und Unfallchirurgen sollten Teil zahlreicher Freundes- und Bekanntenkreise sein.

Als leibhaftigen Fährmann dagegen hat sich mir selbst auf großen Parties bislang noch nie jemand vorgestellt. Woran dies wohl liegen mag?

 

Zenit überschritten

Vielleicht an der Tatsache, dass die Anzahl von Binnenfährverbindungen stark abgenommen hat. Ich greife zum Hörer und mache mich schlau.

„In unserem Zuständigkeitsbereich existieren heute nur noch fünf Fährverbindungen über den Main“, erläutert mir Dietmar Droste vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Aschaffenburg. Dennoch seien Fährführer (so nämlich die amtlich korrekte Berufsbezeichnung eines Fährmanns) im Einzugsbereich dringend gesucht: „Die Mainfähre Rumpenheim ist mangels Betreiber derzeit stillgelegt”, resümiert er trocken.

Handelt es sich beim Fährmann also um einen aussterbenden Beruf? Und wie sieht eigentlich der Alltag auf einem solchen Wassertaxi aus? Dies möchte ich herausfinden und mache mich auf den Weg in den Stadtteil Schwanheim. Dort nämlich schafft die letzte heute noch im Frankfurter Stadtgebiet verkehrende Fähre eine Verbindung auf dem Wasserweg zum Stadtteil Höchst.

 

Schwanheim-Höchst, hin und her

Es weht ein eisiger Wind an diesem Donnerstagnachmittag, ich ziehe mir meine Mütze noch ein wenig tiefer ins Gesicht. Das Thermometer zeigt knapp unter Null – ein Wetter also, bei dem man das kuschelige Zuhause nur ungern verlässt. Insofern verwundert mich kaum, dass außer mir nur noch ein anderer junger Mann samt seinem Hund am Fähranleger steht. Stumm nicken wir uns zu und warten auf die weiß-rote Fähre. Gemächlich schippert sie in unsere Richtung.

Auf die Fähre warten, das kann man hier schon seit recht langer Zeit – bis weit hinein in das siebzehnte Jahrhundert lässt sich ein Fährbetrieb zwischen den beiden Frankfurter Stadtteilen Schwanheim und Höchst belegen. Das heutige Fährschiff ist freilich nicht ganz so alt – 1991 in Dienst gestellt und auf den Namen des ehemaligen Frankfurter Oberbürgermeisters Walter Kolb getauft, erreicht es endlich unser Ufer. Als ich die auf dem Schiffsdach wehende Fahne der Eintracht Frankfurt entdecke, muss ich schmunzeln. Die Landeklappe wird heruntergelassen und macht mit schrammendem Geräusch Bekanntschaft mit dem Festland.

Galt es in den Anfangsjahren der Fährverbindung noch einen ganzen Simmering (das sind immerhin 32 Kilogramm!) Getreide für beliebig viele Überfahrten während der Zeit der Heuernte zu berappen, werde ich für meinen Fahrschein gleich mit einem Euro zur Kasse gebeten werden, wie mir die Preistafel verrät. Im Jahr 2018 berechtigt dieser zwar nur zu einer einfach Überfahrt, dennoch empfinde ich den Tarif als fair bemessen. Ich baue ja schließlich auch gar kein Heu an.

„Einmal Höchst, bitte!“, äußere ich ein wenig ehrfürchtig meinen Wunsch. Der Fährmann, pardon: Fährführer drückt mir meinen Fahrschein in die Hand. Ob ich ihm denn ein paar Fragen stellen dürfe? „Gerne doch!“, sagt er – und bittet mich hinein in sein Steuerhaus. Ich kann mein Glück kaum fassen, trete ein und blicke mich neugierig um. Dass ich meine Überfahrt gleich im Steuerhaus absolvieren dürfte, nein, das hätte ich ganz sicher nicht erwartet. Der kleine Junge in mir jubelt, während sich mein Gegenüber als Sven Junghans vorstellt. Er wirft einen routinierten Blick auf Kontrollleuchten und Instrumente, ein Griff zum großen Steuerrad, die Fähre setzt sich in Bewegung. Ja, sein Arbeitsplatz schaut ein wenig aus: Das in Holz eingefasste Steuerpult, das große Steuerrad, das in selber Bauart auch Bestandteil eines Piratenschiffs sein könnte. Aber: Es ist warm und kuschlig. Ich fühle mich wohl.

 

Schiffer in siebter Generation

„Was mich am meisten interessiert“, frage ich Sven: „Warum hast du dich für diesen Beruf entschieden?“ Der Schiffsdiesel röhrt, langsam lassen wir das Ufer hinter uns. „Die Frage stellte sich mir eigentlich gar nicht“, verrät der „Kapitän“. Er sei Schiffer in siebter Generation, sein Großvater sei einer der letzten Fischer auf der Elbe gewesen – bevor das schmutzige Wasser endgültig das Ende für die dortige Fischerei besiegelt habe.

Dass Junghans in die Fußstapfen seiner Väter treten würde, sei für ihn selbstverständlich gewesen, sodass auch er bereits in jungen Jahren sein Schifffahrtpatent in den Händen hielt. „Ich war Binnenschiffer auf dem Rhein“, erinnert er sich. Dort habe man aber mit rückläufigem Frachtvolumen zu kämpfen gehabt. „Man packt ja lieber alles auf die Straße“, sagt er mit Bitterkeit in seiner Stimme. Vor fünf Jahren dann habe er die Gelegenheit am Schopf gepackt und die „Walter Kolb“ von der Stadt Frankfurt gepachtet. Schließlich lebe er hier und habe es nach Feierabend nicht weit zu seinem Apartment in der Frankfurter Altstadt.

 

120 Fahrten am Tag – doch langweilig wird es nie

Mittlerweile haben wir die Flussmitte erreicht, freudig blicke ich auf Justinuskirche und Höchster Schloss. 120 Meter ist der Main an dieser Stelle breit, die Überfahrt dauert nur wenige Minuten. Wie oft Sven Junghans wohl an Tag zwischen beiden Ufern pendelt? „Das ist ganz unterschiedlich“, sagt der 45-Jährige. „Es gibt schließlich keinen festen Fahrplan und ist abhängig vom Bedarf – ich fahr‘ mich ja nicht selbst spazieren.“ An guten Tagen aber komme er aber gut und gerne auf 120 Fahrten je Richtung. Im Sommer etwa, wenn viele Radfahrer unterwegs seien und die Überfahrt für eine kurze Verschnaufpause nutzten.

 

Hin und her, den ganzen Tag: Ob ihm dabei denn nicht langweilig werde?

„Auf keinen Fall!“, entgegnet der Fährmann entschieden. „Ich habe mich im Steuerhaus noch keine Sekunde lang gelangweilt!“ Er deutet auf einen Bildschirm, auf einer schematischen Darstellung des Mains erkenne ich rote Punkte. „Dieser Monitor spiegelt in Echtzeit den Schiffsverkehr“, setzt er zur Erklärung an. „Und in der Schifffahrt gilt seit eh und je: Längsfahrt vor Querfahrt“. Er müsse darauf achten, den Binnenschiffen jederzeit Vorfahrt zu gewähren. Kleine Sportboote, die tauchten dagegen auf dem Bildschirm gar nicht auf: „Auf die muss man höllisch aufpassen!“

Außerdem, und das sei für ihn die schönste Abwechslung, gebe es ja schließlich noch die Fährgäste. Für einen kurzen Plausch mit ihnen, da nähme er sich immer Zeit. Ganz besonders freut es ihn, wenn er einen seiner zahlreichen Stammgäste an Bord begrüßen darf: „Mit den Jahren kennt man sich, quatscht gerne auch mal länger“.

Und wenn er mal krank sei? “Ich bin nie krank”, antwortet er trocken – und lacht dann doch, als er mein erstauntes Gesicht sieht. “Für den Fall der Fälle habe ich aber einen Vertreter”.

Ich zucke kurz zusammen, als ich eine rauschende Stimme höre. „Nur ein Funkspruch“, klärt mich Junghans auf, „aufgrund einer Baustelle herrscht abschnittweises Begegnungsverbot, über Funk wird der Schiffsverkehr dementsprechend disponiert“. Ich atme auf, scheint ja alles im grünen Bereich zu sein.

Unermüdlich unterwegs

Ich frage, ob die “Walter Kolb” denn wirklich bei Wind und Wetter verkehre. Sven Junghans lächelt ein stolzes Lächeln und stellt klar: “Nur bei Hochwasser stelle ich den Betrieb ein. Und das kommt auf dem Main wirklich selten vor”.

Fast bin ich ein wenig traurig, als er mit routiniertem Handgriff eindreht und wir an der Anlegestelle Höchst festmachen. Der Mann mit Hund verlässt die Fähre, neue Passagiere sind nicht in Sicht. Glück für mich, denn so darf ich noch ein wenig im Steuerhaus sitzen bleiben und mich mit Sven Junghans unterhalten.

Ob es denn ein Erlebnis gäbe, das er nie vergessen könne?  “Allerdings”, sagt der Fährführer und wird ernst. “Es gab da einen jungen Kerl, der wollte vor meinen Augen im Fluss baden”, erinnert er sich. Er habe ihn noch vor den Strömungen gewarnt, habe die Wasserschutzpolizei verständigt, als der junge Mann sich nicht beirren ließ. Zwei Tage später wäre dieser dann bei Kelsterbach aus dem Main gefischt worden. “Das tat weh”, sagt der Fährmann und richtet seinen Blick wieder auf die Anlegestelle.

 

Ausreichend Power unter der Haube

Zwei ältere Herren mit Fahrrad nehmen Kurs auf die Fähre; ich fürchte, ich muss zum Ende kommen, schließlich will ich Junghans in seiner Arbeit nicht behindern. “Verrate mir doch: Über wie viele PS verfügt deine Fähre eigentlich?” – ja, auch solche Männerfragen wollen gestellt werden.

“Ganze 190”, so Junghans’ prompte Antwort. Dies genüge für eine Fahrtgeschwindigkeit von 12 Stundenkilometern – ausreichend auch für kleine Touren auf Binnengewässer. “Die Fähre kann nämlich auch für Ausflüge gemietet werden”, betont der sympathische Schiffer. “Eine Anfrage per E-Mail genügt”.

Ich verabschiede mich ganz herzlich, verlasse meinen lieb gewonnen Platz im Steuerhaus und betrete Höchster Festland. Immer noch weht ein eisiger Wind, eine Horde Möwe rauft sich um ein trockenes Brötchen. Ich drehe mich noch einmal um, sehe die beiden Herren mit ihren Fahrrädern ihren Fahrschein kaufen. Als der Motor röhrt und die “Walter Kolb” wieder Kurs auf Schwanheim nimmt, winke ich Sven hinterher. Es ist ein kalter Tag.

Mögen er und seine Fähre noch lange unterwegs sein!

[Talentfrei musizieren]: Letzte Zuflucht Moseleck

Na, war eure letzte Woche wieder mal so richtig beschissen?
Egal, in welch desaströser Lebenslage ihr auch immer stecken mögt:

Es besteht Hoffnung!

Und zwar in Form eines ganz besonderen Orts im Bahnhofsviertel. Damit ihr dies auch in akuten Krisen nie vergesst, habe ich einmal wieder vollkommen talentfrei zur Gitarre gegriffen und euch ein kleines Lied geschrieben.Vorhang auf und Bühne frei für meinen neuen neuesten Anschlag auf eure Gehörgänge:

Letzte Zuflucht Moseleck!

 

 

Wie ich Kandidat beim “HessenQuiz” wurde – und Nordhessen zu hassen begann…

Es ist schon eine ganze Weile her, war irgendwann im frühen Sommer. Ich war gerade mit Bügeln beschäftigt (selbst ist der Mann!), zappte mich nebenbei durchs Fernsehprogramm. Hängen blieb ich beim “Großen HessenQuiz” des hessischen Rundfunks hängen, moderiert von Jörg Bombach. Schaute das nicht meine Oma immer?

Als Bügel-Begleitprogramm sollte es jedenfalls taugen, und während ich das Eisen schwang, begann ich, eifrig mit den vier Kandidaten mitzufiebern. In verschiedenen Kategorien gilt es für sie, ihr Wissen zu ihrem Heimatbundesland unter Beweis zu stellen und sich als echter Hessen-Kenner zu beweisen. Der Gewinner schließlich darf sich über eine große Reise freuen, auch wenn es natürlich kaum einen Grund gibt, das schöne Hessen zu verlassen.

Ich jedenfalls war verblüfft, wie viele der gestellten Fragen ich richtig hätte beantworten können. Mein Ehrgeiz war entfacht, die Hemden wieder glatt.

 

Zwei Gläser Wein später:

“Was die können, das kann ich schon lange!”. Ich fasste spontan den Entschluss, mich als Kandidat für das “Große HessenQuiz” zu bewerben. War es nicht ohnehin längst an der Zeit, von meinen widerwillig bezahlten Rundfunkgebühren endlich mal zu profitieren? Kurze Online-Recherche, Formular ausfüllen, absenden, fertig – wär’ doch gelacht, hätte nicht auch ich das Zeug zum Hessen-Champion…

Am nächsten Tag passierte: Nichts. Auch am übernächsten Tag erhielt ich noch keine Antwort, und am dritten hatte ich meine nächtliche Bewerbung längst vergessen.

 

Monate später

Es war mittlerweile Herbst, als auf dem Display meines Telefons eine mir unbekannte Kölner Rufnummer erschien. Ich nahm ab, am anderen Ende war ein netter Herr Hamm von einer Produktionsfirma aus Köln. Ich hätte mich doch für das “HessenQuiz” beworben? Ach ja, da war ja was. 

Ob man mir denn mal ein paar Fragebögen senden könnte? Aber gerne doch, dankeschön, auf Wiederhören. Als die Fragebögen eintrudeln, staune ich nicht schlecht: Was man da alles von mir wissen will! Lustige Anekdoten aus meinem Leben, die man in der Sendung erwähnen könnte. Manche der Fragen beantwortete ich sehr ausführlich, manche kommentierte ich mit der Bewerbung, sie gehörten ins Privatfernsehen. Ich schickte die Fragen postwendend zurück nach Köln und war gespannt…

 

Der böse Wolf im Frankfurter Stadtwald: Das Casting

Diesmal musste ich nicht lange warten. Die mir mittlerweile vertraute Rufnummer aus Köln im Display, der liebe Herr Hamm ruft an. Man sei neugierig, würde mich gern zum Casting einladen. CASTING? Mit einem solchen Aufwand hätte ich nicht gerechnet, aber hey, natürlich sagte ich prompt zu.

Ein Schreiben sollte mir wichtige Hinweise zum Casting auf dem HR-Gelände im Dornbusch mit auf den Weg geben. “Bitte wählen Sie farbenfrohe Kleidung!”. Ich entscheide mich für schwarze Jeans und ein weißes T-Shirt. Als ich eintraf, war das große Foyer bereits mit Wartenden gefüllt, ich war also offensichtlich nicht der einzige Casting-Teilnehmer.

Irgendwann dann stand eine junge Frau vor mir, nennt meinen Namen. Ich folgte ihr durch die weiten Korridore des HR-Gebäudes, nahm abermals in einem Wartebereich platz. Immerhin gab’s Kaffee. Und, natürlich: Formulare.

Abermals galt es zahlreiche Fragen zu beantworten, bis ich in einen Nebenraum geführt wurde. Hier lernte ich den netten Herrn Hamm aus Köln endlich persönlich kennen, auch seine Kollegin erwies sich als außergewöhnlich freundlich. Ich solle doch bitte mal vor der Kamera Platz nehmen, aber keine Sorge, ich solle einfach so sein, wie ich es immer bin.

Mir wurden zehn Fragen über Hessen gestellt. Dass durch Gießen die Lahn fließt und der Vogelsberg mal ein Vulkan war, wusste ich gerade noch. Bestanden!

Nun sollte ich frei Schnauze die Geschichte vom Rotkäppchen und dem Bösen Wolf nacherzählen, aber den Ort der Handlung auf Frankfurt übertragen. Ich war zunächst ein wenig überfordert, plapperte wild drauf los und erzählte irgendwas von einem Hipster-Mädchen aus dem Nordend, das seiner kranken Oma im Stadtwald Soyamilch und Handkäs’ bringen soll. Am Mainufer trifft es den bösen Wolf, der sich Zeit verschafft, in dem er das Rotkäppchen auf den Flohmarkt am Mainkai schickt, um seiner Oma ein paar hässliche Wandteller zu kaufen, darüber freue sie sich sicher sehr. Immer wieder lache ich drauflos, mache am Ende den Jäger zum GEZ-Fahnder, der den Wolf im Bett der Oma im Frankfurter Stadtwald erschlägt.

Ich lache immer noch, als meine improvisierte Geschichte zu Ende erzählt war. Ich war erschrocken über meine Phantasie und feierte mich ein wenig dafür, im Gebäude des Hessischen Rundfunks Spitzen gegen die GEZ verteilt zu haben.

Ob mich die Leute hinter der Kamera aber ebenso lustig fanden? Das sollte ich noch nicht erfahren…

 

Wie ich begann, Nordhessen zu hassen: Die Vorbereitung

Die glückliche Nachricht erreichte mich dann Ende Oktober: Ich hatte es tatsächlich geschafft und war als Kandidat für das “HessenQuiz” auserkoren! Außerdem ereilten mich abermals zahlreiche Hinweise für die Aufzeichnung am 25. November.

Gleich drei farbenfrohe (!!) Outfits sollte ich doch bitte mitbringen, außerdem dürfte ich drei Zuschauerkarten auf meine Namen hinterlegen lassen. Hatte ich natürlich gleich gemacht, sodass meine lieben Freunde Dagmar, Sina & Antonius im Publikum sitzen können und mir die Daumen drücken können, wenn ich mein Wissen unter Beweis stelle.

A propos Wissen:
Es blieben noch drei Wochen bis zur Aufzeichnung, ein wenig der Auffrischung meiner Hessen-Skills war wohl angebracht.

Ich quälte mich durch Wikipedia, doch schnell wurde mir das Online–Lernen zu unübersichtlich. Ich besann mich auf alte Schultage: Gab’s da nicht mal Heimat- und Erdkunde? Bei Amazon bestellte ich gleich mehrere Schulbücher über Hessen, lernte aber zuerst, dass Schulbücher scheiße teuer sind.

Und dann ging’s los. Vom Odenwald bis zum Knüllgebirge, von der Sackpfeife (wer zum Geier tauft einen Berg SACKPFEIFE?!) zum Melibokus: Ich lese mich durch Regionen, Mittelgebirge und Täler. Widmete dem Hessen-Teil meiner Tageszeitung mehr Aufmerksamkeit denn je. Lernte Flussnamen, beschäftigte mich mit nordhessischen Volksfesten und Handwerkskünsten. Und überhaupt, Nordhessen: Ich stellte fest dass das Hessen “ganz da oben” irgendwie größer als gedacht und mir obendrein recht unbekannt war. Lernstoff aus der Grundschule, der sich einen Erwachsenen recht blöde vorkommen lässt.

Bis zum Tage vor der Sendung verzweifelte ich regelmäßig an nordhessischen Kleinstädten, Flüssen und Burgen. Ich schwor mir, niemals wieder einen Fuß auf nordhessischen Boden zu setzen. Noch ein kurzer Blick ins hessische Geschichtsbuch, und ich klappte die Bücher zu. Für alle Fragen konnte ich nicht gewappnet sein, und hey – war nicht Dabeisein alles? Der Tag der Aufzeichnung, er konnte kommen.

Die Aufzeichnung: Der große Tag

Ich frage mich, ob sich das Binge-Watching alter Folgen des “HessenQuiz” am gestrigen Abend noch auszahlen wird, während ich fröstelnd auf dem riesigen HR-Gelände herumlaufe und etwas verloren den Studio-Eingang suche. Es ist 11.30 Uhr, und ich würde wirklich gerne mal wissen, warum mich der Hessische Rundfunk derart frühzeitig einbestellt hat. Die Aufzeichnung beginnt nämlich erst um 18 Uhr – was also soll ich hier also sechseinhalb Stunden vorher?

Meine drei Mitspieler kennen lernen, beispielsweise. Dies tue ich, nachdem mich von einer lieben Mitarbeiterin der Casting-Agentur in Empfang genehmen werde, die uns Kandidaten auch am Tage der Aufzeichnung rührend betreuen sollte. Kathleen, Maria und Stephan haben es sich bereits im Backstage-Zelt bequem gemacht, ich bin mal wieder spät dran und der Letzte.E in kurzes Hallo in die Runde, angenehm, der Matze aus Frankfurt. Der HR sponsert Obst, Schnittchen und Kaffee. Dafür muss ich allerdings noch eben meine Seele an die Sendeanstalt verkaufen; ich setze meine Unterschrift unter einen entsprechenden Wisch.

Gut gekleidet – halb gewonnen? 

Kaffee, gute Idee, denk ich mir noch – doch kaum hab’ ich den Becher angesetzt, werde ich auch schon von einem strahlenden Herren in braun-kariertem Jacket angesprochen. Ein Abgeordneter der Alternative für Deutschland? Mitnichten, es handelt sich um Wolfgang, wie sich schnell herausstellt – den Gewandmeister vom Dienst. Welch herrliche Berufsbezeichnung! Wolfgang scheint mir ein echtes Urgestein. “Dann wolle mer ma schaun, wie mer dich herrichte!”, sagt er in breitestem Hessisch und bedeutet mir, zu folgen.

Ach ja, da war ja was – die adäquate Garderobe, die mich vor der Kamera als gut gekleideten, adretten Herrn darstellen lässt. Gleich drei unterschiedliche – unbedingt farbenfrohe! – sollte ich mitbringen.

Während insbesondere die Damen sich reichlich Mühe bei der Auswahl gleich mehrerer Kostüme in den farbenfrohesten Farben gegeben zu haben scheinen, habe ich es mir denkbar einfach gemacht und spüre den Anflug eines schlechten Gewissenchens: Nach dem Aufstehen hatte ich recht wahllos in meinen Kleiderschrank gelangt, und nach einigen nicht-schwarzen Shirts und Pullovern gelangt. Doch ich hab’ Glück, Wolfgang ist mit meiner Auswahl zufrieden – ich darf die Show im Shirt absolvieren, welches ich bereits trage. Ein farbenfrohes Lindgrün mit lokalpatriotischen Schriftzug: Auch ich bin happy!

Bestens gekleidet geht’s zurück in unser Kandidatenzelt. Eine weitere bezaubernde Mitarbeitern schaut noch einmal eine ältere Folge des HessenQuiz, damit wirklich ein Jeder von uns die Regeln verstanden hat. Danach heißt es: Warten und Kaffeetrinken. Und natürlich: Rauchen.

Auf dem Weg nach draußen (ja, auch beim HR will der Nichtraucherschutz gewährleistet sein!) begegne ich auf dem Flur einem Typ in legerer Jeans und Pulli. Seinen Gruß erwidere ich mit einem knappen “GUDE!”, eile vorüber. Als ich mir draußen eine Zigarette entfache, beginnt es in meinem Kopf zu rattern. Das Gesicht eben, kam mir das nicht bekannt vor? War das nicht etwa…. Fuck, genau der war das doch. Jörg Bombach himself, Moderator der Sendung. Ohne Moderations-Outfit, ohne Anzug hatte ich ihn glatt nicht erkannt. Da hab’ ich wohl den ersten Fail geliefert. Also: Schnell zurück, Missverständnis aufklären, bevor meine Reputation noch vor Sendungsbeginn hinüber ist.

Jörg Bombach erweist sich glücklicherweise nicht nur als nachgiebig, sondern auch als überaus unverkrampfter, sympathischer und bodenständiger Gesprächspartner.

 

 

 

Von Star-Allüren jedenfalls keine Spur, ein wenig meiner Anspannung ist mir genommen. Uff! 

 

Trockenübungen

Der Nikotin-Pegel ist auf stimmiges Niveau gebracht, ich atme durch. Gehe zurück ins Zelt, halte einen Plausch mit Mitspielern und Crew. Ich bin der einzige Frankfurter: Heimspiel für mich! Ob es mir Glück bringen wird?

Ich schaue auf die Uhr. Noch viel zu lange bis zur Aufzeichnung. “Seid ihr soweit”? – ich beiße gerade in meinen Apfel, als die Stimme der strahlenden Produktionsassistentin mich aus meinen Gedanken reißt. Auf ins Studio – Zeit für eine kleine Probe!

Wir eilen über die unergründlichen Korridore des HR; an den Türschildern lese ich mir wohlbekannte Namen. Wer hier alles ein Büro hat! Und dann ist es soweit: Ehe ich mich versehe, stehe ich im Studio. Also, in DEM Studio: Dem des HessenQuiz, das ich bereits aus dem Fernsehen kenne. Und tatsächlich: Alles hier sieht auch genauso bunt aus wie im Fernsehen. Die Kandidatenpulte, der Platz des Moderators, die Scheinwerfer, die große Bildschirm – alles da. Lediglich die Plätze des Publikums sind noch unbesetzt. Besser so, schließlich habe ich noch keine Ahnung, was ich hier gerade mache. Auf was hab’ ich mich hier nur eingelassen?

Ein Handschlag mit dem Regisseur, ein “Hi!” der Aufnahmeleiterin. Wir finden uns auf den uns zugeteilten Plätzen ein. Erhalten umfangreiche Unterweisung für die Touchscreens an den Pulten, nochmals die Regeln eingebläut. Und wie war das doch gleich mit den Jokern?

Irgendwann dann fühlen wir uns fit, die Aufregung steigt im Kollektiv: Ja, wir sitzen alle im selben Boot, und zu verlieren? Haben wir nichts.

Findet auch Guido Hamm, der uns in seinem Büro empfängt, nachdem wir umfangreich von der Tontechnik verkabelt wurden. Neben Smartphone trage ich also nun einen Sender in meiner Hosentasche, als ich mit Herrn Hamm nochmals den Sendeablauf durchspreche und gebrieft werde. “Wird schon!”, sagt er – “sind doch alle hier, um Spaß zu haben – oder?”

Recht hat er, der Herr Hamm – und tatsächlich freu’ ich mich schon ein wenig auf die Sendung. Eine Stunde noch, bevor ich das Studio erneut betreten werde, das dann bereits mit zahlendem Publikum und meinen Freunden gefüllt sein wird.

Eine letzte Hürde gilt es noch zu nehmen:

Perfekt gekleidet sind wir schon, allerdings wollen auch sämtliche Hautunebenheiten beseitigt und die Visage kameratauglich gemacht werden: Hierbei hilft ein Gang in die Maske.

 

 

 

 

Verrückt, wie sich irgendwelche Schminke im Gesicht anfühlt – das ließ mich bislang allenfalls Halloween erahnen. Die Damen geben sich derweil weitaus routinierter. Und ich? Bin eigentlich nur froh, dass sich meine Augenringe nun weitaus unauffälliger präsentieren. Soll ja niemand denken, ich würde zu wenig schlafen und gerne mal die Nacht zum Tage machen, höhö! Ich vertraue blindlings der Deckwirkung der HD-Schminke.

Zurück im Zelt, spiele ich kurz mit dem Gedanken, noch einen Blick in meine Lernunterlagen zu werfen. Lieber aber geh’ ich ans Buffet und unterhalte mich mit den netten Mitarbeiterinnen der Produktionsfirma und meinen Mitspielern. Dabei vergeht die Zeit blöderweise ziemlich schnell.

 

“Was, nur noch zehn Minuten?!” 

Die reichen noch genau für eine Zigarette und einen Gang aufs Klo. Bevor es endgültig heißen wird “Aufnahme läuft!”, wird der Sekt auf den Tisch gestellt. Ein Schlückchen gegen die sich anbahnende Nervosität? Klingt verlockend, doch ich bleibe hart. Bloß einen kühlen Kopf bewahren!

Es geht ins Studio. Der Anheizer hat das Publikum bereits in Stimmung gebracht; kollektives Ausrasten, klatschen, klatschen, klatschen.

Nur am Rande bekomme ich mit, wie mein Name ertönt. Ich winke brav ins Publikum, marschiere stramm auf den mir zugedachten Platz am Kandidaten-Pult zu.

Und dann? Dann geht’s auch schon los. Jörg Bombach betritt das Studio, diesmal sieht er auch wie Jörg Bombach aus. Geklatsche im Rücken, Scheinwerfer im Gesicht. Was dann geschah? Das durfte ich bislang nicht sagen, dazu hatte ich mich höchstoffiziell vertraglich verpflichtet.

Vier Monate später aber, am 11. März 2018, erfolgte dann aber die Ausstrahlung – und die, nun ja, zahlreichen Zuschauer des Hessischen Rundfunk wurden Zeuge, wie ich mich gleich hektoliterweise mit Ruhm begieße. Oder vielleicht auch nicht….

 

Werdet Zeuge!

Habt ihr (Teufel, Teufel!) die Sendung verpasst – wollt aber dennoch Zeuge meiner “glorreichen” Kenntnissen meines Heimatbundeslandes werden?

http://www.hr-fernsehen.de/sendungen-a-z/hessenquiz/sendungen/das-grosse-hessenquiz,sendung-28000.html

Dazu bietet euch die Mediathek der ARD vierzehn Tage lang nach der Ausstrahlung die Gelegenheit: Ich wünsche gute Unterhaltung!

Mir bleibt nur, beste unterhaltung zu wünschen – und mich ganz herzlich bei allen an der produktion beteiligten zu bedanken! Es war ein grossartiger Tag!

Aufgrund Sanierung: U-Bahn-Station “Dom/Römer” wird zum Geisterbahnhof [mit Video]

Hübsch, freundlich und seiner exponierten Lage gebührend: 

All das soll er werden, der zuletzt etwas angestaubte U-Bahnhof “Dom/Römer”.
Damit die Haltestelle bis zur Eröffnung der neuen Frankfurter Altstadt in neuem Glanz erstrahlen kann, sind erhebliche Sanierungsmaßnahmen notwendig.

Züge fahren durch

Diese machen es erforderlich, dass noch bis zum 22. Juli 2018 keine Züge an der der ansonsten hoch frequentierten Station Halt machen können.

Hatten die Bauarbeiten schon vor der Sperrung überraschenderweise einige Plakate aus den frühen 1970er Jahren hinter den Fassaden freigelegt und Fahrgästen eine kleine Zeitreise zurück in “gute, alte Zeiten” ermöglicht, ermöglicht die derzeitige Sperrung ein weiteres Erlebnis:

 

Kurz vor der Station bremsen die Züge auf langsame Geschwindigkeit ab und ermöglichen den Blick hinein in einen “Geisterbahnhof”. Erst am Bahnsteigende nehmen sie wieder an Fahrt auf. Der Blick aus dem Fenster eines Zuges der Linie U4 oder U5 erinnert momentan ein wenig an die verlassenen Transitbahnhöfe des geteilten Berlin.

Ein bisschen wie die “Friedstrichstraße”

Ich jedenfalls schaue immer wieder gerne aus dem Fenster – und genieße die eigentümliche und ein wenig gruselige Atmosphäre, die der “Geisterbahnhof” ins Herz meiner Stadt zaubert:

Habt auch ihr euren Gefallen an der Durchfahrt gefunden?

Don’t beat around the Dornbusch: Auf Stadtspaziergang mit dem “OUI”

Das Open Urban Institute und ich, wir pflegen eine mitunter komplizierte Beziehung. Ersten persönlichen Kontakt mit dem losen Netzwerk freier Akademiker hatte ich bei einer spannenden Wasserhäuschen-Tour quer durch Frankfurt, welcher gemeinsam mit den grundsympathischen Jungs der Linie 11 organisiert wurde.

Erstmals auf die jungen Stadtforscher aufmerksam geworden, hatte ich mich direkt mit Freude durch den sehr empfehlenswerten Bildband KLEINÖDE gekämpft.Weitere Annäherungsversuche allerdings blieben zunächst erfolglos: Quiz im Brentanopark wie Stadtspaziergänge fielen aufgrund mangelnder Teilnehmeranzahl respektive Krankheit aus. Fand mal wieder einer der Stadtspaziergänge statt, musste ich arbeiten – nein, es war nicht immer einfach mit dem OUI und mir.

Nun begab es sich, dass das “Open Urban Institute” Ende Februar nicht nur durch Schlagzeilen aufgrund einer Studie zum Sauberkeitsempfinden der Frankfurter auf sich aufmerksam machen konnte, sondern obendrein zum 51. seiner Stadtspaziergänge lud. Und ich? Hatte tatsächlich einmal frei und schloss mich an.

 

Don’t beat around the Dornbusch

Das Motto des 51.Stadtspaziergangs verriet auf den ersten Blick, welcher Stadtteil diesmal fußläufig inspiziert werden sollte. Eingeladen wurde wie üblich über Facebook.

Der Dornbusch also? Das war doch gleich der Stadtteil mit dem Hessischen Rundfunk und… ja, was eigentlich noch? Ich musste zugeben, in Sachen Dornbusch offenbarten sich in meinem Köpfchen so einige Defizite. Gut also, dass das OUI nun dem städtischen Knowledge ein wenig auf die Springe helfen würde. Ausgewiesener Treffpunkt war Stadtbahnhaltestelle “Dornbusch”, vom Nordend aus habe ich es  – Bus sei Dank! – nicht weit.

Folgt ihr mir?

Zunächst sieht es so aus, als würde die Beziehung zwischen dem Open Urban Institute und mir auf eine weitere, schwere Probe gestellt. Punkt sechs steh’ ich nämlich an der U-Bahn-Station, als ich feststelle, dass gar nicht näher angegeben war, wo genau man sich zu treffen gedenke. Zur Erklärung: Die Haltestelle “Dornbusch” ist die unübersichtlichste Stadtbahnhaltestelle westlich des Pazifiks und hat mehr Zugänge (unter- wie oberirdisch) als Frankfurt Apfelweinwirtschaften.

Erste leise Flüche habe ich bereits ausgestoßen, als ich endlich das vertraute Gesicht von Christoph Siegl entdecke. Der Kopf der stadtstrebenden Akademiker entschuldigt sich für seine Verspätung, ich grinse in mich hinein. Da war doch tatsächlich einmal jemand noch mehr verspätet als ich das üblicherweise bin – dass ich das noch erleben durfte!

Von Greifvögeln und Irrtümern

Schnell scharen sich auch insgesamt sechs andere neugierige Stadtentdecker um Siegl. Im Minutentakt poltern U-Bahnen vorbei, ja, außer für den hessischen Rundfunk ist der kleine Stadtteil wohl insbesondere dafür bekannt, von den Gleisen der im Jahr 1968 Stadtbahnstrecke A recht zerschnitten zu sein.

Ansonsten aber, und das beruhigt, ist es mit dem Wissen über den immerhin 18.000 Einwohner starken Stadtteil auch bei den anderen Teilnehmern nicht sonderlich gut bestellt. Nur einer von ihnen, Moritz, outet sich als im Dornbusch aufgewachsen. Ob sich Siegl wohl dennoch als “Führer vom Fach” beweisen können sollte?

Bevor wir losmarschieren, lässt er uns ein Spiel spielen. Ein Ausschnitt einer Karte der Stadt wird verteilt, und wir sollen doch bitte die Grenzen des Dornbusch markieren. “Ich geb’ euch einen kleinen Tipp”, sagt Siegl, “die Umrisse des Stadtteils sehen wie ein Tier aus”.


Äh, nun ja – fast… 

Ich zäume das Pferd gewissermaßen von hinten auf und versuche, Grenzen mit dem Kugelschreiber so zu ziehen, dass ein Gaul dabei herauskommt. Weit gefehlt, nicht nur habe ich die Grenzen des Dornbuschs völlig falsch gezogen, auch mit dem Pferd lag ich meilenweit daneben.  Siegl verteilt die Auflösung, und siehe da: Ein Adler also, und tatsächlich sieht das Dornbusch in seinen Grenzen von oben betrachtet tatsächlich ein wenig so aus wie ein etwas gerupfter Greifvogel.

“Macht euch nix draus”, spendet Christoph Siegl Trost. “Hartnäckig halten sich viele Irrtümer über den Dornbusch in den Köpfen der Frankfurter”.

So liegen – und das wollen wir zunächst gar nicht glauben! – weite Teile des HR-Geländes gar nicht im Dornbusch, sondern innerhalb der Gemarkung des Nordends. Auch der altehrwürdige Sendesaal des HR (der einmal Plenarsaal für das deutsche Parlament werden sollte) liegt südlich der Bertramwiese und somit im Nordend.

Als Siegl dann noch erzählt, dass das dafür allerdings das Vereinsgelände der Concordia Eschersheim im Dornbusch liegt, fallen wir endgültig vom glauben ab. Der studierte Humangeograph hat vorerst genügend Verwirrung gestiftet, finden wir – und marschieren los.

 

Immer wieder Bertram

Wir stapfen vorbei an gutbürgerlichen Einfamilienhäusern und gepflegten Grünstreifen, die man so mitten in Frankfurt zunächst nicht erwarten würde. Binnen weniger Minute kommen uns zahlreiche Jogger entgegen.

Schnell erreichen wir den Sendesaal des HR, das Abendlicht zaubert ein herrliches blau auf dessen Glasfassade. Wir staunen kurz biegen in die Betramswiese ein. Siegl stellt uns frei, ob wir lieber auf der einen (Dornbusch) oder anderen (Nordend) Straßenseite gehen möchten. “Früher war hier tatsächlich nur eine Wiese” und zeigt auf die Fußballplätze der Betramwiese. Gekickt wird offensichtlich auch gerne im Stadtteil, und Jogger kreuzen auch schon wieder unterwegs. Der Dornbusch scheint ein sportlicher Stadtteil. “Ursprünglich war der gesamte Stadtteil eine Wiese voll dorniger Gewächse, gelegen zwischen Ginnheim und Eckenheim”, referiert Siegl. “Als der Stadtteil 1946 gegründet wurde, war er aber bereits gründerzeitlich bebaut”.

Am östlichen Ende der Betramswiese erreichen wir den Bertramshof. Auch dieser ist benannt nach dem Frankfurter Patrizier Heinrich von Bertram und beherbergt heute die “Degeto”. Nie gehört? Hinter dem Kunstnamen versteckt sich die Filmeinkaufsgesellschaft der ARD, häufig kritisiert wegen einer großzügigen Aufwendung von Gebührengeldern für Einkäufe hochkarätiger Filme. Nun ja, ein schönes Anwesen haben sie ja.

Die Sonne geht unter, taucht Bertramswiesen und den weithin sichtbaren Europaturm in stimmungsvolles Licht. Wir setzen unseren Weg fort, Jogger kommen entgegen. “Außer Sport gibt’s hier wohl nicht wirklich viel zu tun”, sind bösartige Kommentare zu vernehmen (der Autor lächelt an dieser Stelle unschuldig).

Im Marbachweg: Erheiterung trifft Bestürzung

Christoph Siegl, der die Stadtspaziergänge seit 2010 organisiert, gibt die Richtung vor. Wir erreichen den Marbachweg. Ein einzelnes Gleis in Straßenmitte wird zwar nicht planmäßig befahren, sorgt aber für Anbindung der U-Bahn-Strecke A an den Betriebshof im Nordwesten.

Wir werfen einen Blick auf den alten Luftschutzbunker, “nicht der schönste”, wie Siegl meint. “Der Marbachweg”, fährt Kopf des OUI for, sei einerseits bebaut von ansehnlichen Villen der Vorkriegszeit – andererseits aber von Wohnblöcken, die entgegen der sonstigen Frankfurter Manier quer statt längs zur Straße errichtet worden seien. Dies sorge für Lücken zwischen den einzelnen Wohnblöcken (heute allesamt in GWH-Hand), die man für vorgelagerte Flachbauten genutzt habe.

Während der Name der “Fahrschule o.k.” verschafft Erheiterung,während der Anblick eines recht verfallenen Hauses mit Fachwerkfassade für einen Moment der Bestürzung sorgt. “Gegen Multikulti!”, ein Banner ist aus einem der Fenster gehisst. Im Fenster hängt außerdem ein Wahlplakat der NPD.

 

Nein, dies ist ein für Frankfurt durch und durch ungewöhnlicher Anblick. Zum Glück, doch das eigentlich schöne Haus hätte besseres verdient.

Ein dazu besonders harter Kontrast ist das Geburtshaus von Anne Frank im Marbachweg 307, an dem wir einen kurzen Halt einlegen.

Dort hat die traurige Frankfurter Berühmtheit bis ins Jahr 1931 gelebt, bevor ihre Familie mit ihr ins Dichterviertel zog. Doch dazu später mehr.

 

Kniefall an der Dornbuschkirche

Der nächste Programmpunkt auf Siegls Agenda ist ein ganz besonderes Schmankerl: Die Dornbuschkirche.

Die 1962 errichtete Kirche in typischer Nachkriegsarchitektur war Anfang der 2000er Jahre der Kirchengemeinde nicht zur zu groß, sondern obendrein von statischen Problemen herbeigesucht worden.

Die in ihr heimische Dornbuschgemeinde entschloss sich schweren Herzens zu einer erheblichen Verkleinerung des Kirchenschiffs in Form eines Neubaus. Erhalten werden konnte allerdings die wunderschöne Glasfassade. Auf dem Platz, auf dem bis zum Jahr 2004 das alte Kirchenschiff zu finden war, sind heute die ehemaligen Standorte von Taufbecken und Altar markiert.


Bild: Wikipedia

Dies ist Moritz’ großer Moment:
“Hier habe ich zu meiner Konfirmation gekniet”, und deutet auf die markierte Stelle, an der sich einst der Altar der Kirche befand. Damit hätte selbst Siegl nicht gerechnet, es ist eine schöne Überraschung.


Hier stand mal ein Taufbecken. 

Gaslaternen und Literaturkritik im Dichterviertel

Wir verlassen den Sakralen Ort, versorgen uns an einer Trinkhalle mit Frischbier.
Zum Ende des Spaziergangs wollen wir eine der teuersten Wohngegenden unserer Stadt aufsuchen.

Gustav-Freytag-Straße, Grillparzerstraße, Roseggerstraße:
Wo die Straßen nach Dichtern benannt sind, wird eine gewisse Erwartungshaltung auch erfüllt. Villen reihen sich aneinander.

Auch diejenige der Ganghofer Straße 24,  in der Anne Frank bis zu ihrer Flucht nach Amsterdam gelebt hat. Eine Gedenktafel erinnert bis heute an sie.

 

Eine Besonderheit des Dichterviertels sind zweifelsohne die Gaslaternen, die dort bis heute ihren treuen Dienst verrichten und unsere Umgebung in ein recht spärliches, aber sehr warmes Licht tauchen. Ginge es nach der Stadt, wären sie längst durch moderne LED-Leuchten ersetzt worden, doch regte sich Widerstand im Viertel.

Ich freue mich darüber, hatte ich doch bislang noch nie ausführlich eine leibhaftige Gaslaterne näher betrachten können.

Ein Halt auf unserer Tour ringt nicht nur Literatur-Fans wie mir eine Gedenkminute ab. Einer der wohl prominentesten Bewohner des Dichterviertels, Marcel Reich-Ranicki himself, lebte nämlich ebenfalls hier. Eine Plakette vor dem außergewöhnlich unansehnlichen Bau, der nicht recht hier her passen mag, erinnert an den großen Literaturkritiker.

Wer heute wohl in seiner Wohnung leben mag? Diese Frage umtreibt mich, während wir uns voneinander verabschieden und ich mich herzlich bei Christoph Siegl für Spaziergang und Organisation bedanke. “Bis zum nächsten Mal”, sagt der junge Akademiker aus dem Gallusviertel. Er könne wetten, der Zuspruch sei dann auch größer. Thema des nächsten Spazierganges Anfang April seien nämlich wieder einmal Wasserhäuschen….

Mir allerdings war es auch heute schon ein Vergnügen, zu Fuß einen Stadtteil zu entdecken, den ich bislang sträflichst in meiner Wahrnehmung vernachlässigt hatte. 

 

Lust bekommen?

Möchtet auch ihr einmal Teil einer der Stadtspaziergänge sein? Das Open Urban Institute verkündet deren Termine auf seiner Facebook-Seite. Vielleicht schlendern wir ja bald einmal Seite an Seite durch bekanntes wie auch unbekanntes Terrain, Freunde?

“Local Heroes 2018”: Neue Filmreihe für Frankfurt-Freunde

Ein Filmvergnügen abseits des Mainstreams samt anschließender Diskussion verspricht die Filmreihe “Local Heroes 2018”. Gleich zehn vielversprechende Werke kleinerer Filmemacher sollen in monatlichem Wechsel gezeigt werden – mit einem kleinsten gemeinsamen Nenner: Frankfurt am Main.

Ins Kino zu gehen, das ist gewissermaßen der Klassiker unter den Freizeitbeschäftigungen. Doch muss nicht immer ein Blockbuster über die Leinwand flimmern, um für gute gute Abendunterhaltung samt anschließendem Gesprächsstoff zu sorgen.

Oft sind es nämlich insbesondere die Werke kleinerer Filmemacher, die sich durch eine gewisse Experimentierfreudigkeit auszeichnen oder kritische Fragen zum Zeitgeschehen aufwerfen. Nicht zuletzt können Dokumentarfilme auch den eigenen städtischen Lebensraum der Zuschauer ausleuchten sowie dessen Entwicklung begleiteten.

Ein ganz persönliches “Best of”

Genau dies versprechen auch sämtliche der insgesamt zehn Filme zu tun, welche im Rahmen von “Local Heroes 2018” ab dem 7. März am ersten Mittwoch eines jeden Monats ein interessiertes Publikum vor die Leinwand der “Denkbar” im Frankfurter Nordend locken sollen.

Wolfgang Voss ist Schöpfer der Filmreihe sammelt bereits seit dem Jahr 2006 Erfahrungen in der Organisation von Filmreihen. So zum Beispiel ist er Mitwirkender der Filmreihe “Frankfurt im Dokumentarfilm, welche im naxos.KINO residert.

Die bei “Local Heroes 2018” gezeigten Werke seien sein ganz persönliches “Best of” der bislang im naxos.KINO präsentierten Dokumentarfilme, sagt Voss. “Es wäre doch schade, würden solche Sahnestückchen nur ein einziges Mal gezeigt werden!”.

 

Vom Alltag an Frankfurter Kreuzungen, vergessenen Arbeiterinnen und grotesken Selbstversuchen

Und tatsächlich scheint es Wolfgang Voss gelungen, ein buntes Potpourri an Frankfurter Dokumentarfilmen aus der Schatzkiste geholt zu haben. Vom Alltag an einer der größten Straßenkreuzungen Frankfurts bis hin zum revolutionären städtebaulichen Konzept des Ernst May reicht die Bandbreite der ausgewählten Filme.Es sei ihm auch sehr wichtig, einen Beitrag gegen die Frankfurter Geschichtsvergessenheit zu leisten, bekräftigt Voss. So ist auch eine Dokumentation über die vergessenen jüdischen Zwangsarbeiterinnen zu sehen, die einst unter schwierigsten Bedingenungen die erste Rollbahn am Frankfurter Flughafen errichten mussten. Geradezu nach seichter Abendunterhaltung mutet dagegen der filmische Selbstversuch “Nichts ist besser als gar nichts an”, in dem sich der Filmemacher an einem Leben in Frankfurt ganz ohne EC- und Kreditkarte versucht. Beim Überfliegen des Programms jedenfalls fällt schnell auf: Es ist die thematische Vielfalt der Filme, die “Local Heroes 2018” auszeichnet.

A propos “Local Heroes”:

Fragt man Voss nach der Namenswahl für die Filmreihe, so wirft er einen Blick zurück auf seine wilden Tage im Hannover der 1990er. Als aus einem besetzten Fabrikgelände nach langem Kampf endlich ein anerkanntes Kulturzentrum wurde, seien nach all der Mühe dort schlussendlich doch bloß internationale Werke ausgestellt und vorgeführt worden. “Und unsere Forderung und Frage war”, erinnert sich Voss, “wo bleiben unsere local heroes”?

In Frankfurt sei man auch heute noch viel zu fokussiert auf das internationale Filmgeschehen und lasse heimische Talente sträflichst außer acht. “Dabei sind diese Leute mitsamt ihren Themen erstklassig!”

 

“Film ab!” in strategisch günstiger Lage

Immerhin waren für den Organisator in Frankfurt keine illegalen Besetzungen vonnöten, um eine geeinigte Location für sein Projekt zu finden. Um die etablierte kulturelle Begegnungsstätte sei es zwischenzeitlich ziemlich ruhig geworden, erinnert sich Voss. Dann aber sei im Januar 2017 während einer Vernissage gemeinsam mit Filmemacher Aquiles Vilagrasa-Roth die Idee eines Filmprogramms in der “Denkbar” entstanden, die von Vilagrasa-Roth auch gastronomisch betreut wird. “Außerdem liegt die Denkbar strategisch günstig”, schmunzelt Voss. “Nämlich genau auf dem Weg von meinem Arbeitsort im Frankfurter Westend über meine liebste “Kulturtankstelle”, dem “MAMPF” – und meinem Wohnort Offenbach”.

Auch die Produzenten der gezeigten Filme scheinen mit Voss’ Location-Wahl zufrieden, haben sie doch allesamt ihr Kommen angekündigt.
Ja, sogar diejenigen aus Berlin!

Nach dem Abspann: Im Dialog mit Filmemachern

Statt sich unmittelbar nach dem Abspann Popcornkrümel vom Hintern zu wischen, um sich anschließend selbst zu verkrümeln, wird das Publikum ganz explizit zum Bleiben eingeladen sein. Im Anschluss an die Dokumentationen werden die Gäste nämlich die Möglichkeit haben, sich mit dem Produzenten des eben gesehen Filmes auszutauschen. “Hierbei soll es aber kein enges Korsett geben”, versichert Voss. “Natürlich wäre es schön, würden übliche Benimmregeln eingehalten – ansonsten aber soll sich die Diskussion gänzlich frei entwickeln können!”

Ganz besonders würde sich Voss darüber freuen, würden in den Filmen Beispiele für Maximen einer bewussten Lebensführung erkannt. “Solche sind nämlich nicht allein philosophischen Proseminaren vorbehalten! Ich hoffe, dass einige Erkenntnisse das Publikum förmlich anspringen werden.”

Ferner haben junge Filmemacher noch bis April die Möglichkeit, ihre Werke einzureichen. Zum Ende der Veranstaltungsreihe bliebe nämlich noch ein wenig Platz für junge Talente, ermutigt der Organisator Frankfurter Kreative für eine Bewerbung.

Neugierig geworden?

Den filmischen Auftakt der Reihe bildet am 7. März die Vorführung des Filmes “Stadt statt Auto” von Samuel Schirmbeck. Obwohl bereits im Jahre 1989 gedreht, dürfte seine Thematik – den Umgang mit dem stetig steigenden innerstädtischen Verkehr – wohl aktueller sein denn je.

Eine Übersicht aller weiteren Termine und gezeigten Filme ist unter http://www.ifpp.info/denkbarfrankfurt/?p=6957 zu finden.
Der Eintritt ist frei, der Zutritt barrierefrei.

 

 

 

 


Logo zur Veranstaltung. Quelle: http://www.ifpp.info

 

Film ab und viel Vergnügen!